Großbritannien und Irland

Großbritannien und Irland. I. (Karten)
Großbritannien und Irland. I. (Karten)
Großbritannien und Irland. II. (Karten) Geolog. Übersicht und Mineralfundstätten. Physikalische Übersicht. Die wichtigsten Kulturpflanzen. Tiergeograph. Übersicht. Volksdichte. Historische Übersicht seit 1558.
Großbritannien und Irland. II. (Karten) Geolog. Übersicht und Mineralfundstätten. Physikalische Übersicht. Die wichtigsten Kulturpflanzen. Tiergeograph. ...
728. Großbritannien u. Irland.
728. Großbritannien u. Irland.
Flaggen.
Flaggen.

[723] Großbritannien und Irland (Vereinigtes Königreich von), offizieller Name des ganzen Brit. Reichs, im engern Sinne nur die beiden europ.-brit. Hauptinseln nebst den kleinern Nebeninseln (Shetland- und Orkney-Inseln, Hebriden, Inseln in den brit. Gewässern [Man etc.], Anglesey, Wight, Scilly- und Normannische oder Kanalinseln), zusammen 314.339 qkm, (1905) 43.740.000 E. Das eigentliche Großbritannien besteht aus den ehemal. Königr. England und Schottland und dem ehemal. Fürstent. Wales, mit den zugehörigen Nebeninseln. Über die Bodengestaltung etc. s. die Einzelartikel. [Karten: Großbritannien und Irland I u. II.]

Bevölkerung. Die Briten sind ein Mischvolk von Kelten (Ureinwohner) und Germanen (Angelsachsen und Skandinavier); herrschendes Volk die german. Engländer; Kelten (Iren, Gälen, Kymren) in Irland, Hochschottland, auf Man, den Hebriden und in Wales; bei etwa 2,1 Mill. ist noch eine kelt. Sprache in Gebrauch. Die städtische Bevölkerung überwiegt die ländliche, bes. in England und Wales; (1901) 39 Städte haben mehr als 100.000 E. [S. auch Beilage:Bevölkerung.] Starke Auswanderung (1904: 271.435 Briten [s. auch Beilage: Auswanderung]). In der Landwirtschaft herrscht Großgrundbesitz vor. Hauptfrucht in England Weizen, in Schottland Hafer, in Irland Kartoffeln. Der Ertrag des Ackerbaues und der weltberühmten Viehzucht deckt aber den Bedarf bei weitem nicht. [S. auch Beilage: Getreide.] Bedeutender Fischfang (Heringe). Wenig Wald. Außerordentlich reiche Bergwerksproduktion, bes. Steinkohlen und Roheisen, Steinsalz, Kupfer, Blei, Zinn etc. [s. Beilage: Bergbau]. In Industrie und Handel [s. Beilage: Großbritannien und Irland] nimmt das engl. Volk die erste Stelle ein, da sich alle Bedingungen dazu vorfinden: reiche Küstenentwicklung, viele schiffbare Flüsse (etwa 100 große Häfen, 500 Reeden), mildes Klima, fruchtbarer Boden etc.; dazu der Unternehmungsgeist und praktische Sinn, die Vaterlands- und Freiheitsliebe der Bewohner. Wichtig die Textil- (bes. Baumwoll-)Industrie sowie die Eisen- und Stahlindustrie (Maschinen- und Schiffbau, Waffen, Kurzwaren etc.); ferner Fabrikation von irdenen und gläsernen Waren, Chemikalien, Papier, Bier etc. Verkehrsmittel: (1903) 5288 km künstliche Wasserstraßen, (1904) 36.425 km Eisenbahnen (sämtlich Privatbesitz [s. auch Beilage: Eisenbahnen]), Telegraphenlinien 82.213 km. Handelsflotte von G. und I. 20.580 Schiffe mit 10.555.000 Registertons, der Kolonien 16.475 Schiffe mit 1.602.000 Registertons. Schiffsverkehr im Aus- und Eingang je 54-55 Mill. Registertons in langer Fahrt, 58-60 Mill. in Küstenfahrt.

Verfassung und Verwaltung. Das Königreich G. u. I., entstanden aus der Vereinigung von Schottland mit England durch die Unionsakte von 1707 und von Irland mit den unierten Königreichen (1800), ist eine (in männlicher und weiblicher Linie) erbliche, konstitutionell beschränkte Monarchie. Das Parlament besteht aus dem Oberhause (House of Lords) mit 591 und dem Unterhause (House of Commons) mit 670 direkt auf 7 Jahre gewählten Mitgliedern; es hat die höchste gesetzgebende Gewalt, indem jedes Gesetz zu seiner Gültigkeit der übereinstimmenden Annahme beider Häuser bedarf; der Krone steht ein absolutes Veto zu. Das Unterhaus hat als steuerbewilligende Versammlung das Übergewicht. Der Geheime Rat (Privy Council) besteht aus den Prinzen des königl. Hauses, den Ministern und andern vom König ernannten Männern von polit. Bedeutung; seine Geschäfte sind aber auf einen engern Ministerrat (Kabinett), bestehend aus fünf oder mehr Hauptmitgliedern des Council, übergegangen. Mittelpunkt des engl. Gerichtswesens ist der Supreme Court, bestehend aus High Court (für Zivilprozesse 1. Instanz) und Court of Appeal (für Berufungen aus dem High Court); Revisionsinstanz und oberster Gerichtshof das House of Lords. In den Provinzen die Assisengerichte, besetzt mit Richtern des High Court während ihrer Circuits (s.d.). Kleinere Vergehen kommen vor die Justices of the Peace (s. Friedensgerichte), größere vor die Justices in Quarter Sessions (in den Städten Recorder) oder die Assisen (in London Central Criminal Court; ohne Berufung). Ähnlich ist die Organisation in Irland, anders in Schottland (s.d.). Administrativ wird das Land in Grafschaften (Shires) eingeteilt; diese zerfallen in Amtsbezirke (Divisions) und Kirchspiele (Parishes). 200 Städte (Municipal Boroughs) haben eigene Stadtverfassung. Staatskirche in England die anglikan. oder Hochkirche, in Schottland die presbyterian. Kirche, Irland ist zu fast 75 Proz. röm.-kath. Finanzen s. Beilage: Finanzen.

Unterrichtswesen. Schulzwang in England erst seit 1870, in Schottland seit 1872, in Irland seit 1892; im Vereinigten Königreich 15 Universitäten (die ältesten und bedeutendsten Oxford und Cambridge) und eine Anzahl Colleges; Frauen fast überall zugelassen, auch besondere Colleges für Frauen. Der gewerbliche Unterricht in neuester Zeit sehr gepflegt, ebenso die fachmännische Ausbildung der Kaufleute. Für Kunst und Wissenschaft reiche Gesellschaften; älteste und berühmteste die Royal Society in London (1600 gestiftet). Unter den Museen und Kunstsammlungen das Britische Museum (s.d.) das großartigste und reichhaltigste auf der ganzen Erde.

Heerwesen s. Beilage: Großbritannien und Irland. Wappen: drei goldene Leoparden auf rotem Grund (für England), roter Löwe auf goldenem Grund (für Schottland), goldene Davidsharfe in blauem Feld (für Irland) [Abb. 728]. Flagge (Union Jack) aus den Kreuzen des St. Georg, St. Andreas, St. Patrick zusammengesetzt [Tafel: Flaggen]. Farben: rot, blau, weiß. Orden: Hosenband-, Bath-, Distel-, Patricks-, Michaels- und Georgsorden, Stern von Indien, Kaiserreich Indien, Orden für ausgezeichnete Dienste, Viktoria- und Albertorden, Krone von Indien, Viktoriaorden, Dienstorden.

Kolonialbesitz in Europa, Asien, Australien und Ozeanien, Afrika und Amerika. Mit dem Mutterland umfaßt das gesamte Brit. Reich ca. 29.126.400 qkm mit ca. 390 Mill. E. [S. die Beilagen: Kolonien, Großbritannien und Irland und die zu den einzelnen Erdteilen.]

Geschichte. Großbritannien, von den kelt. Briten bewohnt, kam zuerst unter Cäsar 55 v. Chr. mit den Römern in Berührung, wurde unter dem Namen Britannia (s.d.) röm. Provinz, um 410 aber von den Römern aufgegeben und um 450 von den gegen die Pikten und Skoten zu Hilfe gerufenen Angelsachsen (s.d.) erobert. Egbert von Wessex vereinigte 829 die von diesen gegründeten sieben Königreiche zu einem Reiche Anglia, das unter seinen Nachfolgern von den Einfällen der Dänen viel zu leiden hatte, bis sie Alfred d. Gr. (871 – 901) bezwang. Aber unter Ethelred II. [723] (978 – 1016) wiederholten sich die Einfälle, und nach dessen Tode behauptete sich der Dänenkönig Knut d. Gr. (1016 – 35) als Herrscher von ganz England; 1042 gelangte noch einmal die angelsächs. Dynastie durch Ethelreds Sohn Eduard den Bekenner auf den engl. Thron. Als dieser 1066 starb, bemächtigte sich Graf Harald von Wessex der Krone, ward aber von Herzog Wilhelm von der Normandie 14. Okt. 1066 bei Hastings geschlagen und getötet.

Unter der normann. Dynastie. Wilhelm I., der Eroberer (1066 – 87), führte franz. Sitte und Sprache ein und begründete ein feudales Lehnssystem. Nach seinem Tode wurde das engl.-normann. Doppelreich wieder geteilt. Sein zweiter Sohn Wilhelm II. (1087 – 1100), der ihm in England folgte, sicherte die Grenzen gegen Schottland und Wales. Dessen jüngerer Bruder, Heinrich I. (1100 – 35), brachte die Normandie wieder an die engl. Krone und behauptete sie gegen Ludwig VI. von Frankreich. Als mit ihm der Mannsstamm ausstarb, kam es zu einem Thronstreit zwischen Heinrichs an den Grafen Gottfried von Anjou vermählter Tochter Mathilde und seinem Neffen Stephan von Blois; letzterer behauptete sich in steten Kämpfen, doch bestieg nach seinem Tode (1154) Mathildens Sohn Heinrich den engl. Thron.

Unter dem Hause Anjou oder Plantagenet. Heinrich II. (1154 – 89), im Besitz einer großen, den 3. Teil Frankreichs umfassenden Hausmacht, stellte das geschwächte königl. Ansehen wieder her, verbesserte die Rechtspflege, unterwarf 1171 Irland, machte König Wilhelm von Schottland lehnspflichtig. Sein Sohn Richard Löwenherz (1189 – 99) überließ während seines Kreuzzugs die Regierung seinem Bruder Johann, der mit Hilfe Philipps II. von Frankreich den Thron an sich zu reißen suchte. Nach Richards Tode zur Regierung gelangt, verlor Johann ohne Land (1199 – 1216) an Frankreich die Normandie, Anjou, Maine etc., mußte dem päpstl. Stuhl Lehns- und Zinspflicht geloben und den Großen des Reichs 15. Juni 1215 die Magna Charta (s.d.) gewähren. Sein Sohn Heinrich III. (1216 – 72) verzichtete nach vergeblichen Versuchen, die franz. Provinzen wiederzugewinnen, auf die Länder diesseit der Garonne, bestätigte wiederholt die Magna Charta, wurde von den aufständischen Baronen unter Simon von Montfort 1264 bei Lewes gefangen genommen, aber von dem Kronprinzen 1265 durch den Sieg bei Evesham befreit. Sein Sohn Eduard I. (1272 – 1307) vereinigte 1283 Wales mit England, griff entscheidend in die schott. Thronstreitigkeiten ein und erzwang die Anerkennung seiner Lehnshoheit. Unter dem schwachen Eduard II. (1307 – 27) machte sich Schottland frei, mußte aber unter Eduard III. (1327 – 77) die engl. Oberhoheit wieder anerkennen. Durch den Anspruch auf die franz. Krone, den Eduard nach dem Aussterben der Kapetinger erhob, entfesselte er seit 1339 die langwierigen Sukzessionskriege mit Frankreich, die zwar England durch die Siege bei Sluys (1340), Crecy (1346) und Maupertuis (1356) hohen Ruhm, aber keinen dauernden Gewinn brachten. Eduards Enkel Richard II. (1377 – 99) kam durch den Ehrgeiz seiner Oheime, der Herzöge von Lancaster, York und Gloucester, zu keiner selbständigen Regierung und wurde schließlich durch Heinrich IV. (1399 – 1413) aus dem Hause Lancaster entthront. Dessen Sohn Heinrich V. (1413 – 22) wurde nach seinen Siegen in Frankreich, bes. bei Azincourt (1415), von der burgund. Partei 1420 als Regent von Frankreich anerkannt. Unter seinem Sohne Heinrich VI. (1422 – 61) gingen bis 1453 alle Besitzungen in Frankreich außer Calais verloren; zugleich begann der Bürgerkrieg zwischen den Häusern Lancaster und York (Kampf der Weißen und Roten Rose), der auch nach dem Sturze Heinrichs und der Erhebung Eduards IV. aus dem Hause York (1461 – 83) noch fortdauerte. Nach dessen Tode bemächtigte sich sein Bruder, Herzog Richard von Gloucester, des jungen Königs Eduard V., ließ ihn ermorden und sich als Richard III. zum König ausrufen, ward aber von Heinrich Tudor, Grafen von Richmond (von mütterlicher Seite aus dem Hause Lancaster), 22. Aug. 1485 bei Bosworth besiegt und getötet.

Unter dem Hause Tudor. Heinrich VII. (1485 – 1509) schwächte die Macht des Adels und erweiterte die königl. Gewalt. Sein Sohn Heinrich VIII. (1509 – 47) regierte despotisch, sagte sich vom Papst los und ließ sich 1534 die Suprematie der engl. Kirche übertragen (1536 – 38 Aufhebung aller Klöster). Erst unter seinem unmündigen Sohne Eduard VI. (1547 – 53) wurde in den »Vierundzwanzig Artikeln« das Lehrgebäude der anglikan. Kirche festgestellt und 1552 zum Staatsgesetz erhoben. Eduards Schwester Maria (1553 – 58) leitete eine kath. Reaktion ein und verfolgte die Protestanten aufs grausamste; im Kriege gegen Frankreich ging 1588 die letzte engl. Besitzung auf franz. Boden, Calais, verloren. Marias Schwester Elisabeth (1558 – 1603) stellte die engl. Episkopalkirche wieder her, hob das Land zu hoher Blüte und legte durch Bekämpfung Spaniens (1588 Zerstörung der span. Armada) den Grund zur engl. Seemacht. Während sie den Regierungsansprüchen der kath. Maria Stuart aufs entschiedenste entgegentrat und sie 1587 sogar hinrichten ließ, bestimmte sie deren Sohn Jakob VI. von Schottland, Urenkel Heinrichs VII., zu ihrem Nachfolger.

Unter dem Hause Stuart. Jakob I. (1603 – 25) vereinigte die drei Kronen als König von G. und I., verfolgte als Anhänger der bischöfl. Kirche die Puritaner, beschränkte die polit. Rechte der Katholiken (1605 Pulververschwörung). Sein Sohn Karl I. (1625 – 49) mußte 1628 dem Parlament die Petition of right (s.d.) bewilligen, regierte dann 11 Jahre ohne Parlament, reizte durch seinen Versuch, die engl. Bischofskirche in dem presbyterianischen Schottland einzuführen, 1638 den schott. Covenant zum bewaffneten Widerstand und geriet deshalb, nachdem die königl. Truppen 1640 an der Tyne zurückgeschlagen waren, mit dem 3. Nov. 1640 zusammengetretenen sog. Langen Parlament in Konflikt. Das Parlament warb Truppen, welche die Königlichen unter Ruprecht von der Pfalz 2. Juli 1644 bei Marstonmoor und, nachdem sich der Independentismus unter Führung Olivier Cromwells der Armee bemächtigt hatte, 14. Juni 1645 bei Naseby gänzlich schlugen. Karl floh zu den Schotten, ward 1647 von diesen ausgeliefert und von dem sog. Rumpfparlament (s.d.) zum Tode verurteilt und 30. Jan. 1640 hingerichtet. Cromwell schlug die mißvergnügten Schotten 3. Sept. 1650 bei Dunbar, den in England eingebrochenen Sohn Karls I., Karl II., 3. Sept. 1651 bei Worcester und ließ sich zum Protektor der Republik erklären; er verschaffte England durch die gegen die Niederlande gerichtete Navigationsakte das Übergewicht auf dem Meere. Nach seinem Tode (3. Sept. 1658) ward sein Sohn Richard als Protektor anerkannt, aber bald zur Abdankung gezwungen, worauf General Monk durch das Parlament 8. Mai 1660 Karl II. (1660 – 85) zum König ausrufen ließ. Unter ihm kam durch die Gleichförmigkeitsakte (Act of uniformity) 1662 die anglikan. Kirche wieder zur alleinigen Macht. Der Krieg mit den Niederlanden endigte mit dem ungünstigen Frieden von Breda (1667). Vergebens versuchte das an Frankreich verkaufte Cabalministerium (s.d.) eine kath.-absolutistische Reaktion, der König mußte 1673 die Testakte (s.d.) bewilligen, wodurch alle Katholiken von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen waren; 1679 kam die Habeaskorpusakte (s.d.) zustande. In dieser Zeit entstanden die Parteinamen Tory und Wigh (s.d.). Als Karls Bruder, der kath. Jakob II. (1685 – 88), den kath. Kultus öffentlich einführte und den [724] Katholiken wieder gleiche Rechte mit den Anhängern der Staatskirche gewährte, riefen die prot. Parteihäupter Jakobs Schwiegersohn, den Erbstatthalter der Niederlande, Wilhelm von Oranien, zu Hilfe; dieser landete 5. Nov. 1688 zu Torbay, zog 18. Dez. ohne Schwertstreich in London ein, während der König floh, und ward, nachdem er die Declaration of rights (s.d.) bestätigt hatte, 13. Febr. 1689 auf den Thron erhoben.

Wilhelm III. (1689 – 1702) stützte sich auf die Whigs, erließ 1689 die große Toleranzakte und zwang auch Irland, wo Jakob II. gelandet war, durch die Niederlage am Boynefluß (1. Juli 1690) zur Anerkennung. Er setzte der Eroberungspolitik Ludwigs XIV. nach mehrjährigem Kriege 1697 im Frieden zu Ryswijk eine Schranke. Auf Wilhelm folgte Jakobs andere Tochter, Anna (1702 – 14), unter der durch die Unionsakte (1. Mai 1707) die Parlamente Englands und Schottlands vereinigt wurden. Der Landungsversuch des Prätendenten Jakob III. (1708) wurde vereitelt. Den glänzenden Erfolgen der brit. Waffen während des Spanischen Erbfolgekrieges (s.d.) gebot der Sturz Marlboroughs und des Whigministeriums (1710) Halt. Im Frieden zu Utrecht (11. April und 13. Juli 1713) erhielt G. die Hudsonsbai, Neuschottland und Neufundland, Gibraltar und Menorca. Seine Seemacht war die mächtigste Europas geworden.

Unter dem Hause Hannover. Nach Annas Tode bestieg der prot. Sukzessionsakte von 1701 gemäß der Kurfürst von Hannover als Georg I. (1714-27) den brit. Thron. Der jakobitische Aufstand in Schottland unter dem Grafen Marr und dem Prätendenten Jakob III. (1715) wurde niedergeschlagen. Unter Georgs Enkel, Georg II. (1727 – 60), kämpften die Briten im Österr. Erbfolgekriege und im Siebenjähr. Kriege als Bundesgenossen Friedrichs d. Gr. meist mit Glück gegen Frankreich; der Empörung der Jakobiten in Schottland, wo 1745 Karl Eduard, der Enkel Jakobs II., gelandet war, machte der Sieg des Herzogs von Cumberland bei Culloden (27. April 1746) ein Ende. Georg III. (1760 – 1820) erwarb im Frieden von Paris (10. Febr. 1763) Kanada, Kap Breton, St. Vincent, Dominica, Tabago von Frankreich, Florida von Spanien; ungefähr gleichzeitig begannen in Ostindien durch Lord Clive die Erwerbungen der Ostind. Kompanie; in Nordamerika erhoben sich dagegen die Kolonien wegen Zollbedrückung, ihr Kongreß erklärte 4. Juli 1776 die Unabhängigkeit der 13 Vereinigten Staaten und erkämpfte, von Frankreich und Spanien unterstützt, die Anerkennung derselben (30. Nov. 1782); im allgemeinen Frieden zu Versailles (Sept. 1783) trat G. an Frankreich Tabago, St.-Pierre und Miquelon, an Spanien Florida und Menorca ab. Seit dieser Zeit führte Pitt, von der whigistischen Opposition unter Fox und Burke bekämpft, das Staatsruder. Beim Ausbruch der Franz. Revolution verbanden sich die Whigs und Tories zu deren Bekämpfung; 1. Febr. 1793 erklärte Frankreich den Krieg, den G. bald mit Bundesgenossen, bald isoliert führte (1. und 2. Aug. Sieg Nelsons bei Abukir), und während dessen Irland infolge der Umtriebe der auf franz. Hilfe rechnenden kath. Union Herbst 1800 durch Parlamentsakte völlig mit G. vereinigt wurde. Erst nach Pitts Rücktritt (März 1801) kam der Friede zu Amiens (27. März 1802) zustande, in dem G. alle Eroberungen, mit Ausnahme von Trinidad und Ceylon, zurückgab. Napoleons dauernde Übergriffe riefen schon 16. Mai 1803 Großbritanniens neue Kriegserklärung hervor, worauf Pitt 1804 wieder die Regierung übernahm. Am 21. Okt. 1805 schlug Nelson die vereinigte franz.-span. Flotte bei Trafalgar, 1807 wurde Kopenhagen bombardiert und die dän. Flotte weggeführt, fast sämtliche franz. Kolonien wurden erobert und endlich seit 1808 auf der Pyrenäenhalbinsel unter Wellington der Kampf gegen Napoleon begonnen. Im Bunde mit Rußland, Preußen und Österreich gelang es Großbritannien, Napoleon zu stürzen und nach seiner Rückkehr durch den Sieg bei Waterloo (18. Juni 1815) seine Macht für immer zu brechen. In den Pariser Friedensschlüssen (30. Mai 1814 und 20. Nov. 1815) erhielt Großbritannien eine bedeutende Gebietserweiterung (Malta, Tabago, Ste. Lucie, Isle-de-France und die Sechellen von Frankreich, Demerara, Essequibo, Berbice, das Kapland und ganz Ceylon von Holland, Helgoland von Dänemark). Während sich der durch die ungeheuren Kriegskosten, die Kontinentalsperre (s.d.) und die Korngesetze schwer bedrückten Volksmassen eine große Gärung bemächtigt hatte, bestieg Georg IV. (1820 – 30), der schon seit 1811 für seinen in Wahnsinn verfallenen Vater die Regentschaft führte, den Thron. Mit der Übernahme des Ministeriums des Äußern durch Canning (1822), der für die auswärtige Politik das Nichtinterventionsprinzip aufstellte, wurde auch im Innern eine liberalere Richtung befolgt. Das Ministerium Wellington-Peel leitete durch Aufhebung des Testeides (1829) die Emanzipation der Katholiken ein, gleichwohl begann in Irland durch O'Connell die sog. Repealbewegung zur Aufhebung der Unionsakte. Unter Georgs Bruder Wilhelm IV. (1830 – 37) setzte das Whigministerium Grey nach schweren Kämpfen 1832 die Reformbill durch, welche die Zahl der Wähler auf eine Million erhöhte; eine wichtige Munizipalreform kam 1835 zustande. Ein heftiger Kampf war um die irischen Angelegenheiten (Zehntbill, Städtebill) entbrannt, als Wilhelm starb und seine Nichte Viktoria ihm folgte.

Unter Viktoria und Eduard VII. (seit 1837). Durch die Thronbesteigung Viktorias wurde die Verbindung mit Hannover gelöst, da dort die weibliche Linie nicht thronberechtigt war. Schon unter Wilhelm IV. hatte der Chartismus (s.d.) seine beunruhigenden Agitationen begonnen, und durch die Begründung der Anti-Corn-Law-League (s.d.), die sich die Beseitigung der Kornzölle zum Ziel gesetzt hatte, wurden neue Kämpfe veranlaßt, die 1841 den Sturz des Whigministeriums herbeiführten. Am 1. Sept. 1841 trat Peel an die Spitze einer konservativen Regierung und schlug 1842 eine Ermäßigung der Kornzölle vor, die nach heftiger Opposition angenommen wurde. Der Überfall eines brit. Heers in Afghanistan (s.d.) wurde 1842 mit einem Rachezuge beantwortet, 26. Aug. der Krieg mit China (seit 1840) wegen des Opiumhandels durch einen Frieden beendigt, in dem China Hong-kong abtrat. 1846 setzte Peel, zum großen Teil gegen seine eigene Partei, die völlige Aufhebung der Kornzölle durch, trat aber 25. Juni wegen Ablehnung einer zur Bekämpfung der irischen Unruhen eingebrachten Bill zurück. In dem darauf folgenden Whigministerium Russell leitete Palmerston die auswärtige Politik in einer den festländischen liberalen Bestrebungen geneigten Richtung. Die Beteiligung am Krimkriege (s.d.) gegen Rußland gewährte Großbritannien im Frieden zu Paris (30. März 1856) keine Vorteile. In den durch die Unterwerfung der Sikh (s.d.) und den Krieg gegen Birma (s.d.) vergrößerten brit. Besitzungen in Ostindien (s.d.) hatte sich mit der Empörung der Sipoys 1857 ein furchtbarer Aufstand erhoben, der aber nach der Erstürmung Lakhnaus (19. März 1858) niedergeschlagen wurde. Das 19. Febr. 1858 folgende Ministerium Derby hob die Herrschaft der Ostind. Kompanie auf (1. Nov. 1858 Eintritt der königl. Regierung), mußte aber schon 11. Juni 1859 einem Kabinett Palmerston-Russell weichen. Ein neuer im Verein mit Frankreich unternommener Krieg gegen China führte nach der Besetzung Pekings (13. Okt. 1860) zur Erwerbung der Halbinsel Kaulung. Am 18. Okt. 1865 übernahm Russell die Premierschaft, scheiterte aber an der Parlamentsreform und nahm 18. Juni 1866 seinen Abschied. Das konservative Ministerium Derby-Disraeli führte die Parlamentsreform, von Massenmeetings der Reformliga gedrängt, endlich durch und gewährte durch seine Reformbill (15. Aug. 1867) allen Haushaltern das Stimmrecht. Während sich in Irland die fenischen Umtriebe gewaltsam hervordrängten, brachten die Wahlen 1868 eine ansehnliche liberale Majorität, und Gladstone bildete nun 9. Dez. ein Ministerium. Dieses schaffte durch die irische Kirchenbill (26. Juli 1869) die anglikan. Staatskirche in Irland ab, ordnete durch die irische Landbill (1. Aug. 1870) die Pachtverhältnisse das. und beseitigte den Stellenkauf der Offiziere. Kriege mit Abessinien (1868) und mit den Aschanti (1874) wurden siegreich beendet, und Differenzen mit den Ver. Staaten, in die Großbritannien wegen Unterstützung der Südstaaten während des Sezessionskrieges geraten war, durch den Vertrag von Washington (9. Mai 1871) beigelegt, der die Alabamafrage (s.d.) einem Schiedsgericht überwies. Die Besitzergreifung der Fidschi-Inseln (1874), die Annahme des Titels »Kaiserin von Indien« seitens der Königin (1876) und die Annexion der Transvaalrepublik (1877) waren das Resultat eines konservativen Kabinetts Disraeli (Febr. [725] 1874). In einem Separatvertrag mit der Türkei (4. Juni 1878) hatte sich Großbritannien Cypern abtreten lassen. Die Zurückweisung einer brit. Gesandtschaft führte 1878 – 79 zu einem Kriege mit Afghanistan. Zu gleicher Zeit fand ein Krieg mit den Zulu statt, die 22. Jan. 1879 eine brit. Truppenabteilung bei Isandula vernichtend schlugen, aber 4. Juli bei Ulundi unterlagen. Diese Ereignisse sowie die ungünstigen finanziellen Resultate der imperialistischen Politik des 1877 zum Lord Beaconsfield erhobenen Disraeli führten April 1880 dessen Sturz herbei. Das neue Ministerium unter Gladstone ließ Afghanistan räumen und machte die Annexion Transvaals, wo sich 1880 die Buren gegen die verhaßte engl. Herrschaft erhoben, 1880 wieder rückgängig. Zur Unterdrückung der in Irland infolge der Aufreizungen der Landliga (s.d.) herrschenden Anarchie setzte es eine Zwangsbill durch (2. März 1881) und suchte dann die irischen Pachtverhältnisse durch eine neue Landbill (22. Aug.) zu bessern. Der Aufstand der arab. Nationalpartei unter Arabi Pascha veranlaßte G. in Ägypten (s.d.) zu intervenieren; nach dem Bombardement Alexandrias (11. Juli) wurde Arabi Pascha bei Tel-el-Kebir (10. Sept.) besiegt und die Fortschritte des Mahdi im Sudan zum Vorwand genommen, um die Okkupation zu verlängern. Ein neues Wahlreformgesetz, durch das 2 Mill. neue Wähler hinzutraten, kam zwar endlich glücklich zustande (6. Dez. 1884), aber der klägliche Ausgang der Dinge im Sudan, dessen gänzliche Räumung nach dem Fall Chartums (26. Jan. 1885) angeordnet werden mußte, brachte dem Kabinett 8. Juni eine parlamentarische Niederlage. Als Gladstone nun energisch für die irische Homerule eintrat, trennte sich ein Teil der Liberalen (sog. Unionisten) von ihm und brachte seine irische Verwaltungsbill zum Fall. Nach langwierigem Kampfe ging eine Zwangsbill zur Unterdrückung der irischen Nationalliga Juni 1887 durch, doch wurde das Zwangsgesetz mit einem neuen Landgesetz verbunden. Eine hochwichtige Maßregel war 1888 die Reform der engl. Lokalverwaltung durch Einführung von Grafschaftsräten (County councils), die mit einigen Abänderungen 1889 auf Schottland und 1898 endlich auch auf Irland ausgedehnt wurde. Im Aug. 1892 trat Gladstone wieder an die Stelle Salisburys, und sofort nahm er seine Homerulepläne wieder auf. Sein Entwurf, der Irland ein eigenes Parlament zugestand, fand 1893 die Billigung des Unterhauses, scheiterte aber im Oberhause. März 1894 wurde Lord Rosebery sein Nachfolger, der sich jedoch nur bis Juni 1895 halten konnte. In dem neuen von Salisbury gebildeten Kabinett spielte der Kolonialminister Chamberlain eine bes. hervorragende Rolle, dessen Bestrebungen dahin gingen, eine engere Verbindung zwischen den Kolonien und dem Mutterlande, namentlich in handelspolit. Beziehung, herbeizuführen. Unter dem Einfluß des Premierministers der Kapkolonie, Cecil Rhodes, wurden ungeheure Gebiete in Afrika unter engl. Protektorat gestellt, so 1890 Sansibar, 1893 Matabeleland und Brit.-Zentralafrika, 1894 Uganda. Der Versuch Großbritanniens, die einzigen noch unabhängigen Staaten Südafrikas ihrer Selbständigkeit zu berauben, führte 1899 zu einem blutigen Kriege mit der Südafrik. Republik und dem Oranje-Freistaat, in dem Großbritannien eine Reihe Niederlagen erlitt (s. Südafrikanische Republik), aber doch schließlich durch seine Übermacht die Annexion beider Staaten (31. Mai 1902 Friede zu Pretoria) erreichte. Nach dem Tode der Königin Viktoria (22. Jan. 1901) kam mit ihrem Sohne Eduard VII. das Haus S.-Coburg-Gotha auf den engl. Thron. Unter ihm wurde zunächst eine Reform der Militärverwaltung angebahnt, dann 30. Jan. 1902 ein Bündnis mit Japan geschlossen, das sich gegen Rußlands Übergriffe in der Mandschurei und in Korea richtete. Unter dem Ministerium Balfour (seit 12. Juli 1902) kam es zu einem heftigen Kampf um eine Schulreform und um die bes. von Chamberlain vertretene Einführung eines Schutzzolles auf Lebensmittel. Am 12. Aug. 1905 wurde ein neues Bündnis mit Japan geschlossen. An Stelle des Ministeriums Balfour trat 10. Dez. 1905 ein liberales Kabinett Campbell-Bannerman.

Literatur. Anderson (1881 – 96), Johnson (1898), Lyde (1898), Mackinder (1902); zur Geschichte: Hume (neue Ausg., mit Fortsetzung von Hughes, 18 Bde., 1865), Lingard (6. Aufl., 10 Bde., 1854; deutsch, 15 Bde., 1827 – 33), Lappenberg (fortgesetzt von Pauli und Brosch, 10 Bde., 1834-97), Froude (16. Jahrh., engl., 12 Bde., 1893), Macaulay (seit Jakob II., 5 Bde., 1848-51; deutsch, 8 Bde., 1868), Ranke (bes. im 17. Jahrh., 4. Aufl., 9 Bde., 1877-79), Gardiner (17. Jahrh., engl., 16 Bde., 1883-97), Lecky (18. Jahrh., 8 Bde., 1878-90; deutsch, 4 Bde., 1879-83), Pauli (seit 1814, 3 Bde., 1864-75), MacCarthy (seit 1837, 6 Bde., 1880-97), Dorman (19. Jahrh., Bd. 1 u. 2, 1902-4), Hunt, Poole u.a. (12 Bde., 1905 fg.)

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 723-726.
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Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

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Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

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