Ausgrabungen, archäologische

[139] Ausgrabungen, archäologische, werden seit dem Ende des 18. Jahrh. systematisch unternommen, um unsrer Kenntnis früherer Kulturzustände ein Material zu verschaffen, das sicherer und umfangreicher ist, als es die lückenhafte literarische Überlieferung zu bieten vermag. Auf alten Kulturstätten, die niemals ganz verlassen worden sind, wie z. B. in Rom, haben Ausgrabungen in den Ruinen schon seit dem Mittelalter stattgefunden. Sie waren aber einerseits nur auf die Gewinnung von Baumaterial gerichtet, anderseits bloße Schatzgräbereien. Künstlerische Zwecke wurden in Rom erst seit dem Beginn des 15. Jahrh. mit den Ausgrabungen verbunden, nachdem die Begeisterung für das klassische Altertum Gelehrte und Künstler gleichmäßig ergriffen hatte. Seit dem Anfang des 16. Jahrh. wurden schon bedeutende Funde gemacht (unter andern die Laokoongruppe, Apollon von Belvedere), und um diese Zeit faßte auch Raffael den Plan, das alte Rom aus seinen Ruinen wieder erstehen zu lassen. Die Ausgrabungen in Rom und ganz Italien behielten jedoch einen zufälligen Charakter, bis ebenfalls ein Zufall 1748 von neuem die Entdeckung der verschütteten Vesuvstätte Pompeji und Stabiä herbeiführte. Mit der Ausgrabung von Pompeji beginnt die erste Periode der Ausgrabungen, die jedoch nur langsam mit Unterbrechungen gefördert wurden. Erst seit 1861 wurden sie unter der Leitung Fiorellis mit Sorgfalt und Umsicht so fortgesetzt, daß eine vollständige Bloßlegung der Ruinen zu erwarten ist. Die Ausgrabungen in Rom und Italien sind seit den Zeiten der Renaissance nicht unterbrochen worden, haben aber erst seit der Gründung des Königreichs Italien eine wissenschaftliche Organisation und eine Zentralstelle in der Sopraintendanza degli scavi e musei del Regno erhalten. Die Organe, in denen daräver Vericht erstattet wird, sind die »Notizie degli scavi di antichità« (Rom, seit 1876) und, für Rom allein, das »Bulletino della commissione archeologica municipale« (jetzt comunale, ebenda, seit 1872). Vgl. Lanciani, Storia degli scavi di Roma (Bd. 1, Rom 1902). Eine besonders große Ausbeute haben die Ausgrabungen in Etrurien, Unteritalien und Sizilien an Vasen-, Gräberfunden und architektonischen Denkmälern geliefert, wodurch nicht nur die griechische und römische Kultur, sondern auch die der italischen Ureinwohner in ein helles Licht gesetzt worden ist. Die gegenwärtige Organisation, die sich auf zahlreiche Vereine stützt, ermöglicht die Durchführung von Ausgrabungen über ganz Italien. In neuerer Zeit sind wichtige Funde besonders in Rom (auf dem Palatin, dem Esquilin, auf dem Forum und bei der Tiberregulierung), in Ostia, Locri und Alatri gemacht worden.

Eine zweite Periode der Ausgrabungen seit der Wiederauffindung Pompejis beginnt mit der französischen Expedition von 1798 nach Ägypten, deren Ergebnisse in der »Description de l'Egypte« (2. Ausg., Par. 1820–30, 26 Bde.) niedergelegt sind. Eine zweite französische Expedition folgte 1828 unter Champollion, dem sich italienische Gelehrte unter Rossellini anschlossen. Nicht minder ergebnisreich war die preußische Expedition unter Lepsius (1842–45), der das ägyptische Museum in Berlin seine Entstehung verdankt. Später nahm die ägyptische Regierung die Ausgrabungen selbst in die Hand und betraute mit ihrer Leitung Mariette, der die Resultate seiner ausgedehnten und erfolgreichen Ausgrabungen im Museum von Bulak (seit 1902 in einem Neubau in Kairo) niederlegte. Daneben ist eine englische Gesellschaft, Egypt Exploration Fund, tätig, die unter der Leitung von Flinders Petrie Ausgrabungen veranstalten läßt, die sich auf Aufdeckung alter Städte und Baudenkmäler erstrecken. Ihre Ergebnisse, deren wichtigstes die Erforschung der griechischen Kolonie Naukratis ist, werden in den »Memoirs of the Egypt Exploration Fund« veröffentlicht. Die bedeutendsten Funde der neuen Zeit sind die bei Theben durch Brugsch entdeckten Königsmumien (Ramses II. u. a.), die ägyptischen Porträte hellenistischer Zeit aus dem Fayûm und die Tontafeln von Tell el Amarna und das dort befindliche Grab des Königs Amenophis IV.

Die Ausgrabungen auf der vornehmsten Kulturstätte des Altertums, in Griechenland und den griechischen Inseln, begannen 1751 durch die englischen Architekten Stuart und Revett, die Griechenland für die Kunst gewissermaßen neu entdeckten und die Ergebnisse ihrer Forschungen in den »Antiquities of Athens« (Lond. 1761–1816, 4 Bde.; deutsch, Darmst. 1829–33, 3 Bde.) niederlegten. Die Society of Dilettanti (gestiftet 1734) schickte zur Fortsetzung der Forschungen Chandler, Revett und Pars nach Griechenland und Kleinasien. Die »Ionian antiquities« (1769, dann 1797) und die »Unedited antiquities of Attica« (1817) enthalten die wissenschaftliche Ausbeute dieser Expedition. 1811 und 1812 veranstaltete eine Reihe deutscher, dänischer und englischer Reisenden (v. Stackelberg, Haller, Linckh, Brönstedt, Cockerell und Forster) Ausgrabungen, denen die Giebelgruppen des Athenetempels auf Ägina und der Fries des Apollontempels zu Phigalia in Arkadien verdankt werden. Die französische Expédition scientifique de la Morée unternahm die ersten oberflächlichen Ausgrabungen auf dem Boden des alten Olympia, wobei einige Metopen des Zeustempels zu Tage gefördert wurden. Ein gelegentlicher Fund war 1822 die Venus von Milo auf der griechischen Insel dieses Namens. In Athen wurden Ausgrabungen durch Roß, Strack, Ziller, Bötticher u. a. unternommen. Eine neue Periode der Ausgrabungen, die man erst als die eigentlich wissenschaftliche und systematische bezeichnen darf, beginnt für die griechische Welt um 1870. Ihre ersten Resultate knüpfen sich an den Namen Heinrich Schliemanns, der die Reihe seiner von den glänzendsten Resultaten begleiteten Ausgrabungen 1869 auf Ithaka begann, dann mit größerm Glück 1870–73 auf dem Boden des alten Troia, 1876 in Tiryns und Mykenä (hier 1887 von der griechischen Regierung fortgesetzt),[139] 1882 wieder in Troja, 1883 in Orchomenos, 1884 wieder in Tiryns fortsetzte und 1890 in Troja beschloß, überall Reste einer uralten Kultur aufdeckend. Er gab den Anstoß zu einer Reihe von Unternehmungen, die ein helles Licht über die griechische Welt verbreiteten. 1873 sendete die österreichische Regierung eine Expedition nach Samothrake aus (1879 wiederholt), und in demselben Jahr begannen die Ausgrabungen in Tanagra, die eine große Anzahl von Terrakotten aus Licht brachten. Das Hauptinteresse der griechischen Ausgrabungen konzentrierte sich jedoch auf die völlige Bloßlegung der Ruinen des alten Olympia durch die deutsche Reichsregierung 1875–81, wobei ein ungeheures Material von Architektur- und Skulpturüberresten dem Boden abgerungen wurde. 1876 fand ein griechischer Privatmann, Karapanos, die Ruinen des alten Zeusheiligtums und Orakelortes Dodona auf, und in demselben Jahr begannen die Franzosen ihre Ausgrabungen auf der Insel Delos, durch die der ganze, dem Apollon geheiligte Bezirk mit zahlreichen Resten von Baudenkmälern aufgedeckt wurde. Die Griechische archäologische Gesellschaft in Athen macht sich besonders um die gründliche Erforschung der Akropolis bis auf ihre ältesten Schichten und die Freilegung ihrer Umgebung und von Gräberstraßen verdient. Seit 1886 hat auch Dörpfeld, der erste Sekretär des Deutschen archäologischen Instituts in Athen, daselbst Ausgrabungen unternommen, die besonders wichtig für die Erforschung der altgriechischen Theater geworden sind. Dörpfeld begann auch 1901 Ausgrabungen auf der Insel Leukas, die er für den Wohnsitz des Odysseus hält. 1884 begann die athenische Gesellschaft Ausgrabungen in Epidauros, wo unter anderm der Asklepiostempel und ein Theater gefunden wurden. Weitere Ausgrabungen wurden in Sikyon, Korinth, Patras, Eleusis (Demetertempel), Theben (Kabirenheiligtum), Oropos, Arkadien (Heiligtümer von Lykosura), Mantineia u. a. O. vorgenommen. Die Ausgrabung des alten Delphi, die 1893 von der französischen Regierung begonnen wurde, hat die Aufdeckung des ganzen Tempelbezirks zum Ergebnis gehabt und daneben wichtige Bildwerke zutage gefördert. 1901 ließ die bayrische Regierung durch Furtwängler Ausgrabungen in Ägina vornehmen, die wertvolle Ergänzungen zu den Bildwerken des Athenetempels und neue Aufschlüsse über diesen Tempel selbst geliefert haben. Die amerikanische Schule in Athen hat seit 1886 Ausgrabungen in Sykion (Theater), in Ikaria am Pentelikon (Dionysostempel), Platää, Argos (Heraion) und Korinth unternommen. Besonders wichtige Ergebnisse für die Kenntnis des griechischen Wohnhäuserbaues hatten die seit 1896 von Hiller v. Gärtringen unternommenen Ausgrabungen auf der Insel Thera. Über die Ausgrabungen auf griechischem Boden berichten außer den Zeitschriften der Archäologischen Institute (s. d.) in Athen die »Praktika« (Athen 1880 ff.) und das »Deltion« (das. 1885–94).

Von großer Bedeutung für die Vermittelung der orientalisch-asiatischen Kultur nach dem Abendland sind die von dem nordamerikanischen Konsul di Cesnola seit 1869 auf Cypern veranstalteten Ausgrabungen, deren reiche Ergebnisse in das Metropolitanmuseum von New York, zum kleinern Teil nach dem Britischen und dem Berliner Museum gekommen sind. Noch bedeutendere und für die Kenntnis vorhellenischer Kultur wichtigere Ergebnisse versprechen die 1900 von dem Engländer Evans an der Nordküste von Kreta auf der Stätte des alten Knosos unternommenen Ausgrabungen, die zur Aufdeckung eines Herrscherpalastes geführt haben, dessen künstlerischer Charakter (besonders in Wandgemälden) Züge mykenischer Kultur mit uralten einheimischen verbunden zeigt. Nachdem der Franzose Terier die Reihe der Ausgrabungen in Kleinasien Mitte der 1830er Jahre begonnen hatte (»Description del 'Asie mineure«, Par. 1839 ff., 1863), richteten die Engländer ihr Augenmerk auf die dortigen griechischen Ansiedelungen und blieben auf dem Gebiete der Ausgrabungen die alleinigen Herren Kleinasiens, bis mit Schliemann (s. d.) eine neue Periode begann. Charles Fellows machte seit 1838 eine Reihe wichtiger Entdeckungen von lykischen Denkmälern (unter andern des Harpyienmonuments und des Nereïdendenkmals von Xanthos), die uns die Einwirkung der griechischen Kunstübung auf heimatliche Überlieferungen zeigen (»An account of discoveries in Lycia«, Lond. 1841). Nach ihm veranstaltete Newton in Halikarnaß und benachbarten Städten Ausgrabungen, deren Hauptergebnis die Auffindung des Mausoleums ist (vgl. Newton, A history of discoveries at Halicarnassus, Cnidus and Branchidae, Lond. 1862; I. Fergusson, The mausoleum at Halicarnassus, das. 1862). Der Zielpunkt der nächsten Expedition war Ephesos, wo J. T. Wood 1870 den berühmten Artemistempel entdeckte, zugleich auch den größten Teil der Stadt bloßlegte (»Discoveries at Ephesos«, Lond. 1877). 1868 unternahm Pullan im Auftrag der Society of Dilettanti Ausgrabungen zu Priene in Karien, wobei er den Tempel der Athene Polias auffand, nachdem er schon früher den Bakchostempel in Teos ausgegraben halte. Alle diese Unternehmungen wurden aber, was die Reichhaltigkeit der Funde anbetrifft, in den Schatten gestellt durch die Ausgrabungen auf der Akropolis des alten Pergamon, die der Ingenieur Karl Humann 1878–87 im Auftrag der preußischen Regierung unternahm, und deren Ergebnisse in das Berliner Museum gekommen sind. Zu ihrer Aufnahme wurde ein eignes, 1901 eröffnetes Museum erbaut. Auch wurden die Ausg rab ungen in Pergamon vom deutschen Archäologischen Institut wieder aufgenommen und sollen bis zur Aufdeckung der ganzen Stadt fortgeführt werden. 1895 begann Humann Ausgrabungen in Priene, die von der preußischen Regierung nach seinem Tode fortgesetzt wurden, nachdem schon vorher Ausgrabungen in Magnesia am Mäander angefangen worden waren. Von gleichem Glück begünstigt waren zwei von Benndorf geführte Expeditionen nach der Südküste Lykiens (1881 und 1882), auf deren letzterer ein großes Grabdenkmal in Gjölbaschi, dem alten Trysa, ausgegraben wurde, dessen plastischer Schmuck nach Wien überführt worden ist. 1895 begann die österreichische Regierung Ausgrabungen in Ephesos, die unter anderm zur Aufdeckung des Theaters und des Hafenviertels geführt haben. 1881 traten auch die Amerikaner als Mitbewerber in Kleinasien auf. Auf Kosten des amerikanischen Instituts für Archäologie wurden in Assos, an der südlichen Küste der troischen Landschaft, Ausgrabungen veranstaltet, die die Bloßlegung und genaue Erforschung des alten dorischen Tempels auf der Akropolis zur Folge hatten. Die auf Kosten der französischen Regierung unternommenen Ausgrabungen erstreckten sich auf Myrina (Gräber mit Terrakotten), Milet und den Tempel des Apollon Didymaios. Über Kleinasien hinaus reichten zwei 1882 und 1883 von der preußischen Akademie der Wissenschaften ausgesendete Expeditionen nach der alten [140] Landschaft Kommagene im nördlichen Syrien, wobei Königsgräber und altsyrische Monumente entdeckt und erforscht worden sind. 1888 wurden weitere Ausgrabungen in Sendschirli in Nordsyrien durch Humann und v. Luschan veranstaltet, die, bei ihrer Fortsetzung von einem in Berlin gegründeten Orientkomitee unterstützt, Kunstdenkmäler zutage gefördert haben, die teils auf Assyrien deuten, teils mit dem im Alten Testament erwähnten Volk der Hethiter in Verbindung gebracht werden. Das Hauptstück ist ein Siegesdenkmal des assyrischen Königs Asarhaddon (681–669 v. Chr.), der Syrien eroberte.

In den Gebieten des alten Assyrien und Babylonien, den Euphrat- und Tigrisländern sind die ersten Ausgrabungen das Werk von Franzosen und Engländern gewesen. Der Entdecker der Ruinen Ninives ist der Franzose BottaMonuments de Ninivé«, mit Flandin, Par. 1846–50, 5 Bde.). Bald darauf begann der Engländer Layard auf derselben Stelle seine Ausgrabungen, die er bis in die Mitte der 1850er Jahre fortsetzte. Ihre materiellen Resultate besitzt das Britische Museum, die wissenschaftlichen hat er in den Werken: »Niniveh and its remains« (Lond. 1848) und »Niniveh and Babylon« (das. 1853) niedergelegt. Ihm folgte im Anfang der 1860er Jahre der Franzose Victor PlaceNinivé et l'Assyrie«, Par. 1865 ff., 3 Bde.) u. in den 1870er Jahren die Engländer G. SmithAssyrian discoveries«, Lond. 1875) und Hormuzd RassamExcavations and discoveries in Assyria«, das. 1880). Die Ruinen von Babylon sind durch Ker Porter, Ainsworth, Loftus, Oppert, Rassam u. a. untersucht worden, ohne daß jedoch bei der ungeheuern Ausdehnung der Schuttberge solche Resultate erzielt werden konnten wie in Ninive. Zur weitern Erforschung Babylons rüstete die deutsche Orientgesellschaft 1897 eine Expedition unter Koldewey aus, der seit 1900 Ausgrabungen mit wertvollen Ergebnissen unternommen hat. Um die Aufdeckung und Erforschung der Denkmäler des alten Persien haben sich besonders Ker PorterTravels in Georgia, Persia etc.«, Lond. 1821 ff.), Coste und FlandinVoyageen Perse; Perse ancienne«, Par. 1843–54, 6 Bde.), Texier (»Description de l'Arménie, de la Perse etc.«, das. 1852), Vaux (»Niniveh and Persepolis«, Lond. 1851), RawlinsonThe five great monarchies«, 4. Aufl., das. 1879, 3 Bde.), Stoltze (»Denkmäler von Persepolis«, Berl. 1882) und das Ehepaar Dieulafoy durch Ausgrabungen in Susa 1884–86 (»A Suse, journal des fouilles«, Par. 1888) verdient gemacht.

In der Krim werden von der russischen Regierung systematische Ausgrabungen veranstaltet, die besonders Gräber mit einer Menge von Geräten und Schmucksachen (z. T. von Gold) geöffnet haben, die in das Museum der Eremitage nach Petersburg gekommen sind. Regelmäßige Berichte darüber enthalten die »Comptes rendus de la commission impériale archéologique« (Petersb., seit 1859). Für die Baudenkmäler Phönikiens, besonders die Gräberanlagen in Sidon (Saida), ist eine französische Expedition unter RenanMissionen Phénicie«, Par. 1864 ff.) von großer Bedeutung gewesen. Die Ausgrabungen in Saida sind 1900 von dem Italiener Durighello aufgenommen worden und haben die Ruinen eines dem Gott Escemun geweihten Tempels zutage gefördert. Früher hatte Hamdi Bei, der Direktor des Museums in Konstantinopel, in der Nekropolis von Saida eine Anzahl schöner Sarkophage aus hellenistischer Zeit, darunter den sogen. Alexandersarkophag (s. Tafel »Grabmäler«, Fig. 6) entdeckt. An der Küste Nordafrikas, in Ptolemais, Kyrene, Tripolis, besonders in Karthago, sind die von Beulé begonnenen Ausgrabungen (»Fouilles à Carthage«, 1860) bis in die neueste Zeit fortgesetzt und besonders auf Algerien und Tunis konzentriert worden, wo ganze Städte mit Tempeln und öffentlichen Bauten aufgedeckt worden sind. Um diese für die Kenntnis der römischen Kolonien auf afrikanischem Boden sehr wichtigen Ausgrabungen hat sich besonders der Pater Delattre verdient gemacht. Vgl. Gsell, Les monuments antiques de l'Algérie (1. Bd., Par. 1902).

Neben diesen Ausgrabungen in den Gebieten des klassischen Altertums hat sich die »Wissenschaft des Spatens« auch in allen Ländern betätigt, wo römische Niederlassungen bestanden haben, so besonders in Spanien (Tarraco = Tarragona), in Frankreich (Massilia, Sanxay bei Poitiers), in England, in der Schweiz und in Deutschland. Was das letztere Land betrifft, so sind in erster Linie die Rheinlande ein ausgiebiges Feld, aus dem immer neue Funde (Trier, Saalburg bei Homburg v. d. H.) an das Licht kommen. Neuerdings geht man auch in Süddeutschland, namentlich in Bayern (Augsburg) und Württemberg (Gültlingen), eifrig den Spuren der Römer nach. Die umfangreichste dieser Ausgrabungen erstreckt sich auf die Untersuchung des römischen Grenzwalles (Limes), die 1892 auf Kosten des Deutschen Reiches unter Aussicht einer besonders dazu eingesetzten Limeskommission von Gelehrten begonnen und 1900 zum vorläufigen Abschluß gebracht wurde. Weiteres s. Limes. Über die Ausgrabungen auf klassischem Boden vgl. im allgemeinen K. L. Stark, Systematik und Geschichte der Archäologie der Kunst (Leipz. 1880).

[Prähistorisches.] Die neuere Zeit hat auch den Ausgrabungen vorgeschichtlicher Gegenstände allgemeines Interesse zugewendet, und durch die Aufdeckung alter Wohnplätze (Pfahlbauten, Höhlen etc.), Gräber, Küchenabfälle, Befestigungen, Monumente und Plätze gewerblicher Tätigkeit ist die Urgeschichte der Menschheit ungemein gefördert worden. Die Auffindung vorgeschichtlicher Gegenstände ist vielfach Sache des Zufalls. Doch hat man oft mit großem Erfolg Lokalitäten untersucht, an die sich alte Volkstraditionen knüpfen, oder deren Name (Heidenacker, Riesenbetten, Heidenschanzen, Hunnen-, Schwedenschanzen etc.) auf solche hinweist. Auch beim Ackern gefundene Tonscherben, deren Alter der Kundige mit Sicherheit annähernd zu beurteilen weiß, geben Berechtigung zu Nachgrabungen. Die wichtigsten Fundstücke, welche die Prähistorie verwertet, sind Schädel, Skelette, Waffen (aus Stein, Bronze, Eisen), Geräte, namentlich Tonwaren, Schmuckgegenstände, Knochen von Tieren etc. Oft gestatten scheinbar geringfügige Fundstücke hinsichtlich ihres Materials oder mit Bezug auf die Bearbeitung wichtigste Schlüsse, und vorgeschichtliche Ausgrabungen erfordern daher ebensoviel Vorsicht wie Sachkenntnis, wenn nicht manche wertvolle Andeutung verloren gehen soll. Die Behandlung der aufgefundenen Gegenstände muß mit der größten Behutsamkeit erfolgen. Gefäße sind unmittelbar nach dem Ausgraben sehr zerbrechlich und werden erst beim Austrocknen wieder fest. Gegenstände aus sehr nassem Boden bekommen bei schnellem Trocknen Risse und werden völlig zerstört. Mit großem Erfolg hat man die vorgeschichtlichen Funde auf Karten eingetragen, um die lokale Verbreitung gewisser Verhältnisse, die Herkunft auswärtiger Kunstprodukte, Handelsstraßen etc. aufzudecken; namentlich für West- und[141] Mitteldeutschland sind diese kartographischen Arbeiten (durch v. Tröltsch, Götze, Heierli, Kofler, Hantschel u. a.) in neuester Zeit wesentlich gefördert worden. Vgl. »Merkbuch, Altertümer auszugraben und aufzubewahren« (2. Aufl., Berl. 1894); Tischler, Das Ausgraben von Urnen und deren weitere Behandlung (»Korrespondenzblatt«, 1883, Nr. 12; 1884, Nr. 8); Deichmüller, Maßregeln zur Erhaltung und Erforschung der urgeschichtlichen Altertümer im Königreich Sachsen (»Isis«, Dresd. 1897); v. Helfert, Denkmalpflege (Wien 1897); Beltz, Anleitung zur Beobachtung vorgeschichtlicher Denkmäler (Schwer. 1898). – Über Altertümer-Konservierung s. d.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 139-142.
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