Claudius

[194] Claudius. I. Römer. Die Claudia gens, ein altes, aus Samnium stammendes u. von dort durch C. 1) nach Rom übergesiedeltes Geschlecht, war patricischen Standes, hatte jedoch später einen plebejischen Nebenzweig; aus dem Geschlecht der Claudier stammte der römische Kaiser Claudius I. (s. unten 21), sowie auch der Name Clodius (s.d.) nur eine verschiedene Aussprache von Claudius war. Als ein sehr gewöhnlicher Vorname der Mitglieder des Geschlechts kommt der Name Appius vor; die berühmteste Familie desselben waren die Sabini, Crassi, Cäci, bes. Pulchri, u. Nerones: 1) Appius Cl. Sabinus, eigentlich Atta Clausus, ein reicher Edelmann im Gebiet von Regillum in Samnium; da er mit den Römern befreundet war u. seinen Landsleuten zum friedlichen Vertragen mit denselben rieth, so wurde er angefeindet u. zog deshalb mit 250 Familien 504 v. Chr. nach Rom, wo sie die Claudia tribus bildeten. Da in den damaligen Streitigkeiten zwischen Patriciern u. Plebejern Erstere den Kürzeren zu ziehen anfingen, so verdankten sie dem C. eine Vermehrung ihrer Kräfte, u. derselbe wurde daher ein angesehener u. einflußreicher Mann in Rom. Gegen seine Schuldner war er hart u. veranlaßte mit den Auszug der Plebejer auf den Heiligen Berg (494 v. Chr.); durch fortgesetzte Härte gegen das Volk zog er sich dessen Haß zu. 2) Appius Cl. Sabinus, Sohn des Vor., bewarb sich 483 v. Chr. vergebens um das Consulat u. wurde erst 471 Consul; in dem Kriege gegen die Volsker hatte ihn, den unbeliebten Anführer, das Heer verlassen, daher er mit schwerer Strenge gegen dasselbe verfuhr; eine beabsichtigte Lex agraria hintertrieb er, wodurch er das Volk erbitterte u. sich eine Anklage der Volkstribunen zuzog; dem Ausgang dieser Sache entzog er sich durch Selbstmord. 3) Cajus Cl. Sab., Bruder des Vor., bewies seine Abneigung gegen die Plebejer durch sein Widerstreben gegen die Vermehrung der Zahl der Volkstribunen, durch seinen Kampf gegen die Decemvirn (449 v. Chr.) u. durch seinen Widerspruch gegen die Wahl des einen der Consuln aus den Plebejern. 4) Appius Cl., war Anfangs für die Wahl der Decemvirn (s.d.) u. wurde selbst einer derselben 451 v. Chr.; im folgenden Jahre von Neuem gewählt, änderte er sein Benehmen gegen die Plebejer u. zeigte sich ihnen feindlich gesinnt; als in Folge der Schändung der Virginia das Volk gegen die Decemvirn sich erklärte u. dieselben absetzte, wurde C. hingerichtet, nach And. tödtete er sich selbst. 5) Appius Cl. Crassus, war 403 v. Chr. Kriegstribun; von ihm ging 396 der Vorschlag aus, die im Kriege gegen die Vejenter gemachte Beute als Sold unter die Soldaten zu vertheilen; ebenfalls Gegner der Plebejer widersetzte er sich 367, wiewohl vergebens, der Wahl von Consuln aus den Plebejern, wurde 362 Dictator, wo er die Herniker besiegte, u. erhielt 349 das Consulat, starb aber in diesem Jahre. 6) Appius Cl. Cäcus (d. i. der Blinde), war 312 v. Chr. Censor u. legte als solcher eine Wasserleitung in Rom u. die Appische Straße an; als Feind der Plebejer nahm er, um deren Macht zu schwächen, Proletarier in die Tribus auf, ergänzte den Senat durch Söhne von Freigelassenen, suchte die Plebejer wieder von der Theilnahme am Consulat auszuschließen u. widersetzte sich ihrer, durch die Ogulnia lex vorgeschlagene Zulassung zu Priesterämtern; 307 u. 296 wurde er Consul u. besiegte im letzteren Jahr die Samniter u. Etrusker, über welche er 295 als Prätor einen Sieg errang; als 280 Kineas, der Gesandte des Königs Pyrrhus von Epirus, nach Rom kam, um den Frieden zwischen seinem König u. den Römern zu vermitteln, bewirkte der damals in hohem Alter stehende u. erblindete C. durch seine begeisterte Rede die Abweisung der Anträge des Epirers. 7) Appius Cl. Caudex, Bruder des Vor., war 264 v. Chr. Consul u. commandirte beim Anfang des 1. Punischen Krieges ein römisches Heer in Sicilien, wo er die Carthager unter Hanno bei Messana u. den Hiero bei Syracus schlug. 8) Publius Cl. Pulcher. Sohn von C. 6), war 249 v. Chr. Consul; als er die bei Drepanum liegende carthagische Flotte angreifen wollte, widerriethen dies die deshalb angestellten Augurien; C. aber, ein verwegener Mann, ließ die heiligen Hühner ins Meer werfen u. lieferte den Carthagern die Schlacht, wurde aber gänzlich besiegt u. verlor die ganze Flotte (s. u. Punische Kriege) Als Religionsspötter angeklagt, entging er der Verurtheilung nur durch einen Zufall, wurde aber um Geld gestraft. 9) Appius Cl. Pulcher, war in der Schlacht bei Cannä Kriegstribun, nahm unter Marcellus Theil an der Belagerung von Syracus, dessen König Hieronymus er 215 als römischer Gesandter vergebens für die Römer zu gewinnen versucht hatte, u. starb 212 an seinen vor Capua erhaltenen Wunden. 10) Appius Cl. Pulcher, Bruder des Vor., machte 198 u. 197 v. Chr. unter Flamininus den Krieg in Griechenland u. 191 gegen den Ätolischen Bund mit, wurde 185 Consul, wo er die Ligurer besiegte, u. stand später an der Spitze mehrerer Gesandtschaften an die Macedonier u. Ätoler. 11) Cajus Cl. Pulcher, Bruder des Vor., war 177 v. Chr. Consul, besiegte die Istrier u. Ligurer, stritt 171 gegen den König Perseus von Macedonien u. wurde 169 mit Tib. Gracchus Censor; wegen seiner als Censor geübten Strenge verklagt, wurde er durch seinen Collegen Gracchus erfolgreich vertheidigt; er st. 167 auf einer Gesandtschaftsreise nach Macedonien begriffen. 12) Appius Cl. Pulcher, war 143 v. Chr. Consul, er führte den Krieg gegen die Salassier u. besiegte dieselben endlich gänzlich; wegen dieses Sieges feierte er eigenmächtig einen Triumph u. wurde nur durch seine Tochter, die Vestalin Claudia, vor den schlimmen Folgen deshalb bewahrt; er wurde 136 Censor u. st. 133; er war als Redner berühmt; Tiberius Gracchus war sein Schwiegersohn. 13) Appius Cl. Pulcher, war 89 v. Chr. Prätor; im Jahre 87 ging sein Heer zu Cinna über, u. da er deshalb verklagt nicht vor Gericht erschien, mußte er in die Verbannung gehen; 82 zog er mit Sulla gegen Rom u. blieb auf diesem Zuge. 14) Cajus Cl. Pulcher, war i. I. 100 einer der Gegner des Volkstribunen Saturninus u. ist besonders dadurch[194] bekannt, daß er als Ädilis zuerst bei den Spielen Elephanten mit aufführte; er war 95 Proprätor in Sicilien; er zeichnete sich auch als Redner aus. 15) Appius Cl. Pulcher, Sohn des C. 13), diente im I. 70 v. Chr. unter seinem Schwager Lucullus in den Kriegen gegen Mithridates; er war berüchtigt durch seine Habsucht, welche er namentlich in seiner Verwaltung Ciliciens, 53 v. Chr., durch die Bedrückungen der Provinzialen bewies. Früher Ciceros Gegner, gegen dessen Zurückberufung aus dem Exil er sich erklärte, söhnte er sich später mit demselben wieder aus; 54 wurde er Consul u. dann Censor; i. I. 49 floh er vor Cäsar, dessen Feindschaft er sich durch einen Streit mit dem Volkstribunen Curio zugezogen hatte, aus Rom u. erhielt von Pompejus die Provinz Griechenland; er st. auf Euböa; er war mit der römischen Geschichte wohl bekannt u. ein guter Redner. 16) Cajus Cl. Pulcher, wie sein Bruder, der Vor., durch Habsucht ausgezeichnet, womit er als Proprätor in Asien, 55 v. Chr., die Provinzialen bedrückte; obgleich deshalb nach seinem Abgange aus der Provinz angeklagt, wußte er durch Bestechungen der Verurtheilung zu entgehen. 17) Publius Cl. Pulcher, s. Clodius. 18) Cajus Cl. Nero, diente 214 v. Chr. unter Marcellus in Sicilien, eroberte 211 Capua u. machte dann den Krieg gegen die Carthager in Spanien mit; 207 wurde er Consul u. besiegte damals Hannibals Bruder, Hasdrubal, in Umbrien; er ließ des gefallenen Hasdrubal Kopf abschneiden u. in Hannibals Lager werfen, gleichsam als Botschaft der erlittenen Niederlage der Seinen. 19) Tiberius Cl. Nero, war 204 v. Chr. Prätor in Sardinien, wurde 202 Consul u. ging mit Scipio nach Afrika, mußte aber, da er seine Flotte nicht gehörig vorbereitet hatte, von Stürmen überfallen, wieder nach Rom zurückkehren. 20) Tiberius Cl. Nero, machte unter Cäsar den Alexandrinischen Krieg mit, ging dann zu Antonius u. nach Beendigung des Perusinischen Krieges zum jüngeren Pompejus über u. kehrte nach Herstellung des Friedens nach Rom zurück. Für ihn hatte eigentlich Cicero seine Tochter Tullia bestimmt; er heirathete statt deren die Livia, welche er aber dann dem Octavian abtrat; sie hatte ihm 2 Söhne geboren. 21) Tiberius Cl. Drusus Cäsar, Enkel des Vor., jüngerer Sohn des Cl. Drusus Nero u. der Schwestertochter Augusts, der jüngeren Antonia, Bruder des Germanicus, geb. 10 v. Chr. in Lyon. Vernachlässigt aufgewachsen, schüchtern, mit stammelnder Sprache war er an Augusts Hofe ein Gegenstand des Spottes u. der Verachtung, während er den Sprachen u. den Wissenschaften lebte. Nach der Ermordung seines Neffen, des Kaisers Caligula, 41 n. Chr., hatte er sich aus Furcht versteckt wurde aber von der Leibwache aus seinem Versteck hervorgezogen u. als Kaiser proclamirt. Er ließ die Mörder des Caligula bestrafen, gab manche gute Gesetze, unterstützte die armen Bürger, legte Wasserleitungen an u. machte auch einen schwachen Versuch zu einem Feldzug nach Britannien. An den Grausamkeiten, welche er beging, war meist seine zweite Gemahlin Messalina schuld, s. u. Rom (Gesch.). Er war zuerst vermählt mit Plautia, welche ihm den Drusus u. die Claudia gebar; nachdem er sich von ihr hatte scheiden lassen, heirathete er die Messalina (s.d.), welche durch ihren schlimmen Einfluß den schwachen C. ganz beherrschte u. von ihm Mutter des Britannicus wurde; nachdem des Kaisers Günstling Narcissus dieselbe ermordet hatte, heirathete C. in 3. Ehe die Agrippina, welche ihn 54 n. Chr. vergiftete. Ihm folgte sein Stiefsohn Nero. Von seinen Schriften wurden die griechisch geschriebene Geschichte der Carthager u. Tyrrhener u. seine lateinisch abgefaßte Selbstbiographie als geringe Machwerke angesehen; außerdem schrieb er noch andere geschichtliche Werke über die Zeit nach Cäsars Ermordung, Vertheidigung Ciceros gegen die Angriffe des Asinius Pollio, eine Rede De civitate Gallis danda (wovon 1528 Fragmente in Lyon auf ehernen Tafeln aufgefunden wurden). Auch fügte er zu dem lateinischen Alphabet 3 neue Buchstaben (für v zum Unterschied von u. für ps u. den Zwischenlaut zwischen i u. u), welche jedoch nicht beibehalten wurden. 22) Marcus Flavius Cl. II. Gothicus, nicht aus dem Geschlecht der Vor., sondern aus Illyrien stammend u. 214 (215) n. Chr. geboren, zeichnete sich unter Kaiser Decius u. dessen Nachfolger als römischer Feldherr in seinem Vaterlande aus u. wurde nach Gallienus 268 n. Chr. römischer Kaiser; nachdem er seine Gegner, bes. den Aureolus, besiegt u. die Alemannen über die Alpen zurückgeworfen hatte, widmete er, sich der Regierung, die er streng aber gerecht führte; die Gothen, welche über die Donau gebrochen waren u. in Thracien u. Griechenland arge Verheerungen anrichteten, schlug er 249 bei Naissus u. st. 270 auf einem Zuge gegen die Königin Zenobia begriffen, in Sirmium in Pannonien an der Pest. In Rom wurde ihm auf dem Capitolium eine kolossale Erzstatue errichtet. An seine Stelle wurde 23) Marcus Aurelius Cl. Quintillus, des Vor. Bruder, vom Senat u. dem Heere in Italien als Kaiser ausgerufen, aber das Heer bei Sirmium wählte an seine Stelle den Aurelianus, u. Cl. Quintillus, welcher nicht glaubte sich gegen seinen Gegner halten zu können, ermordete sich nach einer Regierung von 17 od. 20 Tagen selbst.

II. Heiligen u. Geistliche. 24) St. C., aus fürstlichem Geschlecht zu Salins in Bourgogne, war erst Canonicus, wurde 626 Bischof von Besançon, trat 633 in den Benedictinerorden, wurde 526 Abt vom Kloster Montjou u. st. 681. Einige setzen ihn ein Jahrh. früher, Tag der 6. od. 7. Juni. Nach dem, nach ihm benannten Kloster St. Claude wurde sonst häufig gewallfahret, u. Ludwig XI. erklärte ihn für einen Patron Frankreichs. 25) C., Hofcaplan u. Vorsteher der Hofschule Ludwigs des Frommen, dann Bischof von Turin 820–39. Er warf Heiligenbilder u. Reliquien aus seinen Kirchen u. äußerte sich höchst freimüthig über den Papst; Fragmente seiner Schriften in der Bibliotheca patrum.

III. Neuere Schriftsteller. 26) Matthias, geb. 15. Aug. 1743 in Reinfeld im Holsteinschen; privatisirte Anfangs in Wandsbeck, wurde 1776–77 Oberlandscommissär in Darmstadt u. 1788 Revisor bei der Bank in Altona, ohne jedoch Wandsbeck zu verlassen; er st. 21. Jan. 1815 in Hamburg. Er nannte sich als Schriftsteller Asmus od. der Wandsbecker Bote, indem er von 1770 bis 1775 eine Zeitung unter dem Titel: Wandsbecker Bote, dann der Deutsche herausgab. Viele Lieder von ihm sind Volkslieder geworden u. unter denselben ist auch das Rheinweinlied (Bekränzt[195] mit Laub den lieben vollen Becher) allbekannt, dessen Autorschaft von Einigen ohne allen Grund, Sandern von Karlsruhe zugeschrieben worden ist. Seine Gedichte u. prosaischen Aufsätze kamen unter dem Titel: Asmus omnia sua secum portans od.: Sämmtliche Werke des Wandsbecker Boten, Hamb. 1774, 2 Thle., n. Aufl., u. fortgesetzt bis zum 8. Theile 1790–1812 heraus, neueste Aufl. ebd. 1844. Außerdem hat er übersetzt: Terassons Sethos, Bresl. 1777 f., 2 Thle.; Ramseys Reisen des Cyrus, ebd. 1780, u.a.m. Lebensbeschreibung von W. Herbst, Gotha 1857. 27) Georg Karl, geb. 1757, als Pseudonym Fr. Ehrenberg, st. 1815 in Leipzig; er schr. bes. für die Jugend: Kindertheater, Frankf. a. M. 1782–84, 2 Theile; Welt u. Menschenleben nach der Natur geschildert, Hamb. 1793; Wochenblatt für Kinder u. Kinderfreunde, Lpz. 1789 f., 2 Bdchn.; Kleine Kinderwelt, ebd. 1796–1801, 4 Bdchn.; Über die Kunst, sich beliebt zu machen, ebd. 1797–1800, 3 Thle., u. m.; Allgemeiner Briefsteller, Lpz. 1803, 13. Aufl., ebd. 1818; Rathgeber bei Geschäfts- u. Handelsangelegenheiten, ebd. 1805; den Roman, Justus Graf v. Ortenburg, 4 Bde. u. Nachtrag, ebd. 1792–1797, u. m. a.; u. gab 1804–16 das Leipziger Taschenbuch für Frauenzimmer heraus.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 194-196.
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