1. An der Strasse steht ein Haus, da mancher macht ein Tadel draus; wenn jeder dächte nur an sich, so gäb' es keine Feinde nich. – Hertz, 18.
2. Auf der Strasse ein Bettler, hinter dem Hag ein Dieb. – Klosterspiegel, 58, 14.
3. Auf der Strasse ein Engel, daheim ein Teufel.
Lat.: Intus Hecuba, foris Helena. (Binder II, 1548; Eiselein, 48.) – Intus Herodes, foris Johannes. (Binder II, 1548; Novarin, 238.)
4. Auf der Strasse hoch her und daheim der Brotschrank (Keller) leer.
Dän.: Paa gaden bæres guldet rød, men hiemme ledes efter brød. – Stolt i stræde og lidet i pynge, det er folskt. (Prov. dan., 90 u. 532.)
5. Auf der Strasse nach dem Maul, treibt Hansmichel schnell den Gaul.
6. Auf der Strasse sittig, in der Kirche andächtig, im Hause heiter und nett, nur freundlich im Bett.
Holl.: Zedig ter strate aandachtig in de kerk, blijde in huis vriendelijk te bed. (Harrebomée, II, 312a.)
7. Auf der Strasse soll man nicht auf seine Feinde schelten.
Span.: Quando fueres por camino, no digas mal de ta enemigo. (Bohn I, 244.)
[892] 8. Auf der Strasse wachst nichts. (Oberösterreich.)
Spricht die Absicht aus, dass die Anlegung neuer oder die Erweiterung bisheriges Strassen kein Gewinn sei, weil der Boden dem Anbau entzogen werde; eine, Ansicht, die einer Widerlegung nicht bedarf, da gute Verkehrstrassen den Wohlstand nicht hemmen, sondern fördern.
9. Auf der Strasse wie ein Gaul und zu Hause stinkend faul. (Köthen.)
10. Auf der Strasse wo niemand ist, kann man niemand finden.
In dem Sinne: Wo nichts ist u.s.w.
Dän.: Der gribes ingen paa de veye man ikke kommer. (Prov. dan., 253.)
11. Auf der Strasse zu gehen, wird niemand gehindert. (Altröm.)
Allgemeine Dinge stehen auch zu allgemeinem Gebrauch.
12. Auf gebahnter Strasse wächst kein Gras.
Frz.: A chemin battu il ne croit point d'herbe. (Cahier, 203; Kritzinger, 132a.)
13. Besser auf bekannter Strasse bleiben, als auf fremdem Fussweg gehen.
Span.: Quien deja el camino real por la vereda, piensa atajan y rodea. (Cahier, 3273.)
14. Besser von der Strasse geblieben, als irre gehen. – Winckler, XIX, 19.
15. Bleib in der Strassen, so die Natur zeigt. – Lehmann, 129, 15.
16. De Struote1 es kainen Wiesebom lank, et es men (nur) en klain Entken, ba as guet smaket. (Iserlohn.) – Firmenich, III, 187, 75; Woeste, 78, 324.
17. Die appenzeller Strassen sind so schmal, dass eine Kuh mit zwei Hörnern nicht durchkommen kann.
18. Die Strasse ist für einen so frei wie für den andern.
»Sagt, ist die Strasse nicht so frei für mich als für euch?« (Köhler, 42, 19.)
19. Die Strasse nach Darbstädt und Klagenheim führt über Hopfenfeld und Weinberg.
Wer sein Einkommen in Bier und Wein vertrinkt, kommt in Krankheit und Noth.
Poln.: Do Leżajska, jak zdawna stare świadczą kwity: Nu Chmielnik i Winiary jest gościniec bity. (Lipiński, 46.)
20. Eine alte Strasse ist besser als ein neuer Fusssteig.
It.: E meglio strada vecchia che sentier nuovo. (Pazzaglia, 364, 8.)
21. Es führen viel Strassen zur Armuth.
22. Es gehen viel strassen zur Armuth vnd auff die wüsten Häuser Derbstett vnd Mangelburg. – Lehmann, 45, 42; Sailer, 73; Simrock, 1499; Germania, V, 314.
Viel Wege führen in Noth und Elend.
23. Es gibt viel Strassen (Gärten) in Wien, aber nur Einen Prater.
Die Russen in Petersburg: Es gibt viel Strassen in Petersburg, aber nur einen Newskij-Prospect. (Altmann V, 81.)
24. Grosse Strassen, grosse Flüsse und grosse Herrn hat man nicht zu Nachbarn gern.
Dän.: Der ere tre onde nabœr: store floder, store herrer og alfarvei. (Bohn I, 356.)
25. Jede Strasse führt nach Rom.
Span.: Todo camino vá á Roma. (Bohn I, 259.)
26. Kein gewüssere straass zum Spittal gadt, dann so eins all nüw sitten hat. – Bullinger, 79b.
27. Man kann die Strasse kehren, aber rein bleibt sie nicht.
28. Man muss nicht die bekannte Strasse verlassen, um eines unsichern Fusswegs willen.
Böhm.: Nespouštĕj se silnice pro nejistou pĕšinku. (Čelakovský, 256.)
Poln.: Dla ścieżki gościńca nieopuczczaj. – Dzierżąc się gościńca niezbłądzisz. (Čelakovský, 256.)
29. Mancher ist auf der Strasse und fragt nach dem Wege.
Die Russen: Viele suchen den Pfad, wo kein Weg ist. (Altmann VI, 416.)
30. Mancher mir die Strasse wehrt, die er selber gerne fährt. – Eiselein, 581.
[893] 31. Mitten in der Strasse ist das sicherste Gehen.
Holl.: Ga altijd midden op de straat, zoo gaat gij zekerst. (Harrebomée, II, 311b.)
It.: Và per la mezza strada cosi non casche rai. (Pazzaglia, 364, 7.)
32. Nicht jede neue Strasse führt zum Himmel.
33. Op der Strosse Kirmes, em Hûs Quattertempel1. (Köln.) – Weyden, II, 8.
34. Strassen muss man pflegen. – Graf, 509, 166.
»Das man der Strassen pflegen sol, wann ir menniglich bedarf.« (Maurer, II, 67.)
35. Strassen müssen allezeit offen sein. – Graf, 509, 164.
Das ganze Gemeinwesen und jeder in demselben bedarf ihrer, es darf daher auch niemandem ihr Gebrauch entzogen werden. »Alle strezze di sulle geoffent ze aller zeit.« (Westenrieder, I, 157.)
36. Was bekannt auf allen Strassen, wird sich schwerlich dämpfen lassen.
37. Was helfen die Strassen, wenn die Häuser fehlen. – Altmann V, 88.
38. Wer an de Strât wahnt, hett väl Anfechtung.
39. Wer an der Strasse bauen will, hat der Widersacher (Krittler) viel. – Eiselein, 581; Körte, 5759; Braun, I, 4319.
»Wer bawen will an einer Strassen, muss sich von vielen meistern lassen.« Das Haus Judenstrasse Nr. 1528 zu Halberstadt hat die Inschrift: »Wer an die Strassen bauen will, der findet Momus Brüder viel. Bald ist es einem hier nicht recht, dem andern dünkets dort zu schlecht, der dritte tadelt alles dran, ob er gleich wenig bauen kann. Doch Mome, was fragst du darnach, geh', sorge nur für deine Sach'. Ob dir gleich dieses nicht gefällt, es kostet mein und nicht dein Geld.« (Vgl. K. Scheffer, Inschriften und Legenden halberstädter Bauten, Halberstadt 1864, S. 35; Hertz, 22.)
It.: Chi fà la casa in piazza ò ch' ella è tropp' alta, o troppo bassa. (Pazzaglia, 40, 3.)
Lat.: Mille docent hominem, prope callem qui struit aedem. (Loci comm., 80.)
40. Wer an die öffentliche Strassen bauwet, muss sich Jedermann registriren lassen. – Opel, 383.
»Welcher an der Strasse bauwt, spricht man, der bekompt viel Meister.« (Wurstisen, Basler Chronik, Vorr.) Die Russen: Wer sich an die Strasse setzt, darf den Angaffern nicht abhold sein. (Altmann VI, 434.)
41. Wer an die Strasse baut, hat viel Meister.
Dän.: Hvo som bygger ved alfar-vey faaer mange mestere. (Prov. dan., 24.)
Holl.: Die aan den weg timmert, heeft veel berechts. (Bohn I, 308.) – Die timmert aan de straat, veroorzaakt veel gepraat. (Harrebomée, II, 311b.)
Lat.: Solem dies non effugit. (Fischer, 192, 72; Seybold, 574.)
42. Wer an die strassen bawt, muss sich von iedem richten lassen. – Lehmann, 155, 48.
It.: Chi fabbrica la casa in piazza, o è tropp' alta o troppo bassa.
Lat.: Qui struit in triviis, multos habet ille magistros. (Seybold, 502.)
Schwed.: Den som bygger sitt hus wid allmäna landswägen, får mång byggmästare. (Marin, 8.)
43. Wer auf der Strasse säet, ermüdet seine Ochsen und verliert sein Korn. – Winckler, XVI, 51.
It.: Chi semina sulla strada, stanca i buoi, e perde la semenza. (Pazzaglia, 345, 6.)
44. Wer auf der Strasse schläft, hat keine Herberge zu bezahlen.
Holl.: Die op straat slaapt, heeft geen logis te betalen. (Harrebomée, II, 311b.)
45. Wer bauet an die Strassen, muss die Leute (Narren) reden lassen. (S. ⇒ Weg.) – Eiselein, 581; Körte, 5759; Braun, I, 4318.
Frz.: Qui fait la maison dans la place, ou la fait trop haute ou la fait trop basse. (Masson, 282.)
Holl.: Die aan den weg bouwt, moet gekken verdragen. (Harrebomée, II, 446b.)
Span.: Quien en plaza á lobrar se mete, muchos administradores tiene. (Bohn I, 248.)
46. Wer die Strasse der Weisheit nicht recht weiss, der stürzt leicht in die Grube der Thorheit.
47. Wer die Strasse fortgeht, kommt schon in eine Schenke.
Port.: Caminha pelco estrada acharàs pousada. (Bohn I, 271.)
48. Wer die Strasse verloren, wird bald über den Fusssteig fluchen. (Lit.)
[894] 49. Wer einmal auf der Strasse strauchelt, muss darum das Ausgehen nicht vermeiden. – Winckler, IV, 78.
50. Wer sich auf der Strasse verirrt, der kehre wieder nach Hause. – Winckler, XX, 30.
51. Wer viel auf der Strasse verkehrt, der wird leicht betheert.
Kommt ins Gerede, sein Ruf leidet.
Holl.: Veel op te straat, ligt op den praat. (Harrebomée, II, 312a.)
52. Wo Strasse, da Leben.
Frz.: Le ou l'en cuide la belle voye la y est le bouillon. (Leroux, II, 243.)
*53. Auf der breiten (grossen) Strasse bleiben.
Dem Schlendrian folgen, vom eingeführten Gebrauche, von der alten Weise nicht abgehen, es mit der Mehrzahl halten.
Frz.: Suivre le chemin battu; le grand chemin des vaches.
*54. Auf der Strasse mähen wollen.
Frz.: A voye publique aguyser faulx.
Lat.: Ad publicum viam acuere falcem. (Bovill, II, 106.)
*55. D' Strass' war iem bald z' eng. (Oberösterreich.)
Von Betrunkenen, die im Zickzack gehen.
*56. D' Stross isch em z' schmal. (Solothurn.) – Schild, 79, 252.
Er ist betrunken.
*57. De Schtrôss frässt dets. (Siebenbürg.- sächs.) – Schuster, 85.
*58. Einen auf die Strasse setzen.
Holl.: Hij wordt op straat gezet. (Harrebomée, II, 312a.)
*59. Er ist immer auf der Strasse.
Frz.: Il est toujours par voie et par chemin. (Lendroy, 1555.)
*60. Er misst die Strasse.
Ist betrunken.
*61. Et is 'n kort Strat, dat wol smeckt. – Eichwald, 1855.
*62. Hai héäd 'ne Struàte1 as wan se med Dîelen besguáten2 wär. (Grafschaft Mark.) – Frommann, V, 163, 159.
1) Kehle, italienisch strozza.
2) Von bespaiten = beschiessen. (Vgl. Grimm, Wb.)
*63. Ich bin auch nicht auf der Strasse gefunden. (S. ⇒ Misthaufen 5, Sau ⇒ 370 u. ⇒ 372 und ⇒ Zaun.)
*64. Immer auf der Strasse liegen.
Frz.: Battre l'estrade. – Cet homme est toûjours par chemin. (Kritzinger, 63a u. 132a.)
*65. Lât mi frê Strât. (Holst.) – Schütze, IV, 208.
Lass mich in Frieden.
*66. Mit jemand Eine Strasse gehen.
*67. 'S ist e grossi Strôss bis ge Basel abe. – Sutermeister, 16.
Um Staunen oder Verwunderung auszudrücken.
*68. Ueber Strass' und über Stege. – Fundgrube, I, 261.
Eine alte Segensformel. (Vgl. Dietrich Flucht, 2696; Suchenwirth, I, 204.)
69. Es ist gut auf der Strasse bleiben.
Lat.: Extra publicam viam ne deflectas. (Philippi, I, 146.)
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