Baumwolle

[433] Baumwolle (arab. Kutun, daher englisch Coton, Cottonwool. franz. Coton, ital. Cotone, span. Algerien, holl. Katoen), wollige Fäden der Fruchtkapsel einiger Pflanzenarten, bes. aus der wärmeren Erdgegend.i. Die Baumwollenpflanze: die Mutterpflanze der B. ist A) der in Ost- u. WIndien wachsende Baumwollenbaum (Bombax). von dem es 5 Arten gibt, nämlich: B. gossypium, mit röthlicher B., B. globosum, mit rothgelber in Guinea, B. heptaphyllum, mit schmutzigweißer, B. ceila, mit grauer, B. pentandrum, mit bräunlicher B., die aber zu kurz u. nur zu Matratzen u. groben Zeugen tauglich ist u. gewöhnlich nicht ausgeführt wird. Diese Bäume sind 15–20 Fuß hoch, von der Stärke unserer Eichen u. mit Blättern, die den Lindenblättern ähneln. Weit besser ist B) die Baumwollenstaude (Gossypium L.), von welcher es viele Arten gibt: a) Baum- od. Staudenartige B-staude (G. arboreum L.), perennirend, mit strauchartigem Stamm, in OIndien wild, in Amerika, in Ägypten, in der Levante u. auf Cypern angebaut; b) Gemeine od. Krautartige B-staude (G. herbaceum), ein Sommergewächs, hat faserige Wurzel, etwas rauhen, krautartigen Stängel, gewöhnlich ein nur 3fächeriges u. 3klappiges Samenbehältniß, in Arabien u. Persien wild, in Spanien, auf Malta, Sicilien, in Apulien, Ungarn, Griechenland u. im Orient angebaut; c) Westindische B-staude (G. barbadense) 6–15 Fuß hoher Strauch, in WIndien einheimisch, aber auch in OIndien, Afrika u.a. O. gebaut; d) Gelbe B-staude (G. religiosum), Halbstrauch, 3–4 F. hoch, in Hinterindien u. China; e) Rauchhaarige B-staude (G. hirsutum); f) Getüpfelte B-staude (G. punctatum). bes. am Senegal. Fast sämmtliche Gossypien haben in 5 Lappen getheilte Blätter u. gelbe Blüthe aus denen sich die zur Zeit der Reise aufspringenden u. den meist weißen u. nur in einigen Varietäten röthlichen, od. gelben, B. gebenden Fruchtknoten von Taubeneigröße entwickeln. Die B-wollenpflanzen vertragen ein warmes Klima u. kommen in der nördlichen gemäßigten Zone nur bis 40 u. 41°, in der südlich gemäßigten nur bis 30° fort, sie werden daher in fast ganz OIndien, Persien, Syrien, Kleinasien, Cypern, Ägypten, an den afrikanischen Küsten, in Macedonien, Sicilien, SItallien, Malta, SSpanien, Brasilien, Guyana, auf den westindischen Inseln, einem Theil von NAmerika, auf den Philippinen, Isle de France etc. gebaut. Sie lieben steinichten, trockenen, doch schon angebauten Boden u. einigen Regen, werden aus Samen gezogen, der im Mai u. Juni zu 5–6 Samen in 4 Fuß von einander entfernte Löcher gesteckt, vom Unkraut gereinigt u. einigemal im August u. September abgestutzt wird, so daß sie nicht höher als 4–5 Fuß wachsen. Im Octbr. blüht die Pflanze stark. Die Kapseln werden im März u. April jeden Morgen, sobald sie platzen, abgenommen, da sonst, wenn sich die Kapsel vollends aufthut, die Wolle von der Sonne beschienen u. grau wird od. auf die Erde fällt u. vom Wind verweht wird. Die Staude wird hierauf dicht über der Erde abgeschnitten, treibt neue Schossen u. trägt jährlich bis 3 Mal Früchte. Die B. wird mit der Hand (wie in OIndien geschieht, bes. zu sehr seinen Geweben), od. durch eine Maschine, die aus 2 über einander liegenden, durch Räder verbundenen, durch eine Kurbel getriebenen Cylindern besteht, von den Samen (deren jede Kapsel etwa 6 Körner, so groß wie die Wicken, enthält u. der gekocht zum Viehfutter, Öl,[433] auch als Hausmittel zur Milchabsonderung u. in Nervenkrankheiten dient), gereinigt, die Wolle aber zusammengepreßt u. mit Stricken umschnürt. Diese Ballen enthalten 250–500 u. mehr Pfund, die amerikanischen durchschnittlich 400 Pfund. Die erste Nachricht von der Gewinnung u. Benutzung der B. gibt Herodot, u. zwar aus Ostindien. Er sagt, es wüchsen dort Bäume wild, die statt der Früchte Wolle trügen, welche an Schönheit u. andern Vorzügen die Schafwolle überträfe u. woraus die Indier Kleider machten. Plinius nennt den Baum Gossimpinos (Gossampinos), welches Namens sich die Bewohner der Insel Tylos im Persischen Meerbusen bedienten, die Früchte wären von der Größe eines Quittenapfels, reif geworden platzten sie auf u. daraus käme die Wolle, woraus sie Kleider machten, welche bes. von den ägyptischen Priestern getragen würden. Die ägyptische B. nennt Herodot Byssos (s.d.); sie kommt schon in den Büchern Mosis als Schech vor (was Luther mit weiße Seide übersetzt), in den spätern Büchern des A. T. erscheint der Name Buz. Die Byssos des N. T. übersetzt Luther durch köstliche Leinwand; allerdings bestreiten die Alten die Byssos als Leinwand, allein dies kommt daher, daß die Namen für Flachs u. B. in den orientalischen Sprachen nicht genug unterschieden sind. Von Indien erhielt man. in Europa, bis in die neuere Zeit, die B. u. zwar meist verarbeitet, während jetzt die Hauptfabrikation der B-zeuge in Europa ist, so daß jetzt von hier auch nach. Indien u. China viel Zeuge geführt werden. Die B. bildet als Rohstoff einen sehr bedeutenden Handelsartikel u. wird hier nach ihrer Farbe u. nach der Länge, Stärke u. Feinheit ihrer Fasern unterschieden. Die geringste Länge unversehrter Fasern kann man zu 1/2 Zoll, die größte zu 13/4 Zoll annehmen. Die Faser ist nicht rund, sondern. plattgedrückt u. von solcher Feinheit, daß von keinem anderen Material so gleichförmige Gespinnstfäden als von ihr gewonnen werden können. Die gelbe od. vielmehr gilbende Farbe gilt als Zeichen größerer Feinheit, dagegen die weiße Farbe gewöhnlich als Merkmal geringerer Qualität. Die verschiedenen B-nsorten haben ihren Namen meist von den Orten, wo sie erzeugt werden: die längste, feinste u. gleichförmigste ist die Sea-Island (Lange Georgia, Long staple, Blackseed-Cotton), welche gelblichweiß u. seidenartig glänzend ist; die Kurze Georgia, im Innern der Provinz angebaut, ist kurzhaarig, weiß u. nicht so zähe, u. daher auch von weit geringerem Werthe. Nach dem Lande ihrer Erzeugung kann man die B-nsorten in folgende Hauptklassen bringen: Nord-, Mittel- u. Südamerikanische, Ostindische, Levantische, Afrikanische, Italienische u. Spanische.

II. Baumwollenproduction. Die Production der B. ist in stetem Steigen begriffen; 1856 wurden über 3 Millionen Ballen producirt. An dieser Production betheiligten sich namentlich: A) In der Neuen Welt: a) die Vereinigten Staaten von NAmerika, u. zwar bes. Mississippi, Georgia, Louisiana u. Alabama; der Gewinn war 1845 1007 Mill. Pfd., der Export 875 Mill. Wann eigentlich der B-nbau hier begonnen habe, ist schwer zu bestimmen, indessen scheint doch gewiß, daß 1736 an dem östlichen Ufer der Cheasapeak-Bai, u. 40 Jahre später in Maryland, New-Jersey, Delaware u. Süd-Carolina kleine Quantitäten gewonnen wurden. Erst gegen Ende des 18. Jahrh. wurde Anbau u. Export einigermaßen bedeutend u. steigerte sich von Jahr zu Jahr. Die vorzüglichsten hier gebauten Sorten sind: Sea-Island-B. (s. oben I), welche nur auf gewissen Stellen in der Nähe der Küste von Süd-Carolina u. Georgia gedeiht; die New-Orleans-, die feinste, Alabama-, Florida- u. Upland-B.; unter letzter versteht man das Product der nördlicher gelegenen Staaten. Man hat berechnet, daß im Jahr 1848 800,000 Menschen mit der B-cultur in den Vereinigten Staaten beschäftigt waren. Der Anbau erstreckte sich über 4 Mill. Acres. b) Die Peruanische u. Bolivianische B., von denen erstere um so besser wird, je südlicher sie gebaut wird; der Export betrug 1840 35,341 Quintaux. Von Arica wird nur ungereinigte B. nach Chili verschifft. c) Die Brasilianischen B-sorten zeichnen sich bes. durch die seidenartige Feinheit ihres Flaums aus, die sie der höchsten Ausdehnung beim Spinnen fähig macht, jedoch sind sie häufig unrein. In Brasilien betrug im Jahre 1846 die Production von B. 90,000 Ballen. d) Die Westindischen B-nsorten haben ein langes, zartes, kräftiges u. finnenfreies Haar; die von Barthelemy ist die beste. Außer dieser sind die bekanntesten Sorten: Domingo, Portorico, Cuba, St. Martin, Curaçao, Jamaica, Barbadoes, Grenada, Trinidad, Tortola, Montserrat, Carriacou, St. Vincent, Bahama. 1846 wurden 20,000 Ballen geerntet. B) In der Alten Welt, u. zwar zunächst a) in Asien: aa) Ostindien, das Vaterland der B. (s. oben I.), liefert nächst NAmerika die meiste B. für den europäischen Bedarf, doch steht die ostindische der amerikanischen an Güte nach: 1846 betrug die Production hier 110,000 Ballen, bb) In China ist zwar die Production von B. bedeutend, indeß sie reicht doch nicht zum Verbrauche im Lande hin, sondern es werden jährlich 350,000 Centner von Calcutta, Madras, Manila u. NAmerika nach Canton eingeführt. Die Nanking- od. Yangtsekiang-B. wird in China selbst verbraucht. Man hat sowohl weiße als gelbe, u. der bekannte Nanking wird sowohl aus letzter, als auch aus der weißen fabricirt. cc) Asiatische u. Europäische Türkei. Im weiteren Sinne begreift man unter Levantischer B. alle die, welche in der Europäischen u. Asiatischen Türkei producirt wird, u. es gehört dazu die Macedonische, die Smyrnische u. die eigentlich Levantische. Macedonische B. sind die von Gossypium herbaceum (s. oben I. B) b) erzeugten Sorten; die besten darunter sind die Tschesma, die Uxur (Uschur) u. die Salonichi. Smyrnische heißen alle in der Asiatischen Türkei erzeugten u. über Smyrna versandten B-nsorten; die bekanntesten hiervon sind Kirkagaz, Cassaba u. Axar. Levantische B. (im engeren Sinne) ist die von mehreren Inseln Griechenlands u. der Asiatischen Türkei, mit Inbegriff einiger Küstengegenden Kleinasiens u. Syriens; die besten Sorten sind die Subuge u. Kinik, weniger gut ist die Cyprische. Überhaupt aber hat sich der Anbau von B. in der Türkei sehr vermindert, da die Levantische B. in der letzten Zeit von den theils wohlfeilern, theils besseren ostindischen u. amerikanischen Gattungen von den europäischen Märkten verdrängt worden sind. Die[434] in Persien erzeugte B. ist sehr sein, glänzend weiß u. weich u. kommt der langen Georgia (s. oben I.) am nächsten; sie wird meist im Lande selbst verbraucht, u. nur Rußland erhält etwas Weniges über Astrachan u. Orenburg. b) Afrika liefert im Ganzen wenig B.; aa) in Ägypten gibt es 2 sehr verschiedene Gattungen: die Alexandria (ordinäre ägyptische), welche meist nach Triest ausgeführt wird u. deren Anbau von Jahr zu Jahr beschränkt wird; u. die Maco (Jumel), von dem Franzosen Jumel im Jahr 1820 angebaut, bildet einen bedeutenden Exportartikel; Ägypten lieferte 1846 80,000 Ballen; bb) auf der Ostküste Afrikas liefern die Inseln Bourbon u. Mauritius eine sehr seine weiße, seidenartige B., die aber unrein u. gemischt ist. c) In Europa haben aa) außer in den unter türkischer Botmäßigkeit stehenden Ländern (s. oben B) a) cc) die Versuche der B-ncultur nur in Spanien u. Neapel dauernden Erfolg gehabt; bb) die von der spanischen B. im Handel vorkommenden Sorten sind: Motril, Sevilla, Grenada, welche sämmtlich sein, schmutziggelb, weich u. lang sind; cc) von der Neapolitanischen B. sind die besten Gattungen Castellamare u. Dellatorre; die Puglieser, in der Gegend von Bari u. Lecce erbaut, ist geringer.

III. Die Baumwollenindustrie begreift die durch Spinnerei u. Weberei erzeugten Manufacturwaaren. A) Vorbereitende Manipulationen. Die erste Reinigung der B. von den Bruchstücken der Samenkapseln. u.a. Unreinigkeiten geschieht durch die Egrenirmaschinean den Productionsorten vor der Verpackung in Ballen. An den Fabrikorten wird die B. zunächst aufgelockert u. weiter gereinigt, u. gelang: zu diesem Zweck zuerst in die Wölfe (Zauster, Devils, Willows, Whippers), welche die Wolle zerrupfen, u. dann in die erste Schlag- (Flack-) maschine (Batteur eplucher), welche die zerrupfte Wolle durch Flügelwellen schlagen u. durch Ventilatoren den Staub herausblasen; die so gereinigte Wolle geht in die 2. Schlagmaschine (Wattenmaschine, Batteur étaleur), welche die Wolle durch Druckwalzen in eine dünne Watte vereinigt u. auf Cylinder aufwickelt. Diese Wickel kommen nun auf Krempeln (Kard -od. Kratzmaschinen, Carding engines), u. zwar erst auf eine Grob- u. dann auf eine Feinkratze, worauf die B-fasern parallel gelegt werden, daß man sie zwischen einem sich drehenden Cylinder u. einem festen Deckel durchgehen läßt, deren zugekehrte Flächen mit Kratzenledern (mit seinen Drahthäkchen besetzten Lederstreifen) belegt sind. Von dem Kratzencylinder werden die Watten durch eine Art Kamm abgelöst u. dann an der letzten Feinkratze sogleich durch einen Trichter u. Walzen zu einem Bande zusammengezogen. Diese Bänder werden hierauf zu dünneren ausgestreckt u. dabei auf den sogenannten Strecken u. Duplirstühlen häufig duplirt, d.h. mehrere Bänder werden in ein einziges zusammengeleitet, welches nach dem Austritt aus der Maschine eine bedeutend größere Länge hat, als die der darin vereinigten Bänder zusammengenommen hatten. Um den eigentlichen Faden spinnen zu können, bedarf es noch der Operation des Vorspinnens. Das erste Vorspinnen gibt das grobe Vorgespinnst (Lunte), einen gedrehten Faden von der Dicke eines Federkiels; das zweite Vorspinnen reducirt den Faden auf die Dicke eines mäßigen Bindfadens (Vorgarn).

B) Baumwollengarn. Unter Garn versteht man den entweder mit der Hand (auf Spindeln od. Spinnrädern) od. mittelst Spinnmaschinen aus B. gesponnenen Faden. Die Feinheit, Gleichförmigkeit u. Güte desselben ist sowohl nach der größeren od. geringeren Güte der dazu verwendeten B-nforte verschieden, als auch nach der Art des Spinnens. a) Die Handspinnerei auf dem Baumwollenrade (s.d.) bildete sonst in vielen Theilen Asiens einen sehr bedeutenden Industriezweig. Unter den von Ostindien exportirten Handgarn war das aus Bengalen u. Surate das geringste; sein war das von Ceylon u. Tutucorei; noch seiner das aus Java u. das feinste lieferte die Küste Coromandel. Das aus der Levante kommende Handgarn ward in Gebirgsgarn. u. in Garn von den Inseln unterschieden, das erstere war besser als das letztere. Für das beste galt das von Mazli u. Nassely. Die vorzüglichsten Garngattungen von Damaskus, Smyrna, Aleppo etc. führten im Französischen den Namen Oncegarn (Unzengarn). In größerer Menge noch als das weiße Garn ward aus der Levante das sogenannte türkische Rothgarn bezogen. Aber die Handspinnerei ist mit der Zeit der Concurrenz b) der Maschinenspinnerei gewichen, da das seit 1770 von den Engländern fabricirte Maschinengarn sich allerdings sowohl durch seine Gleichheit u. Glätte, als auch durch seine Wohlfeilheit gegen das Handgarn bedeutend auszeichnet. Dieses Spinnen geschieht mit der Spinnmaschine. Schon im Jahre 1767 wurde die sogenannte Spinn-Jenny von Hargreaves, einem Zimmermann zu Blackburn in Lancashire, erfunden, u. man konnte gleich Anfangs 8 Fäden wie einen einzigen spinnen, u. später wurde diese Maschine so vervollkommnet, daß Mädchen 80–120 Spindeln in Bewegung setzen konnten. Da jedoch diese Maschine nur dazu diente, die B. für den Einschlag zu spinnen, ohne dem Garne die für die Fäden des Aufzugs nöthige Festigkeit u. Dichtheit zu geben, so ward diesem Mangel bald durch die Einführung des Spinnstuhles abgeholfen. Diese Maschine, welche aus 2 Paar Walzen besteht, die durch eine mechanische Kraft bewegt werden, spinnt eine große Anzahl Fäden von beliebiger Feinheit u. Dichtheit u. verlangt Menschenhände nur zur Zuführung von B. u. Anknüpfung der etwa abgerissenen Fäden. Nach dem Grundsatze, mittelst Walzen zu spinnen, erbaute Richard Arkwright (1796) seine Spinnmaschine (Wasserspinnmaschine, so genannt, weil sie die erste durch Wasser getriebene Spinnmaschine war), Hargreaves ging von der ostindischen Spindel, Arkwright von dem deutschen Flachsspinnrade mit Spule u. Fliege aus. Daher mußte Hargreaves, den Faden spinnend, ausziehen u. aufwickeln; Arkwright konnte dies aber nicht. da seine Spulen wie im Handrade sich nur um sich selbst, nicht aber fortbewegten; die Spulen mußten daher spinnen u. aufwickeln ohne auszuziehen (Drosselmaschine). Die Erfindung Arkwrights bestand nun darin, daß er die Locke (Lunte, den erst leicht zusammengedrehten B-nfaden), durch 2 Cylinderpaare auseinander zog od. streckte, welche dicht hinter einander lagen, u. von denen das vordere Paar geschwinder umlief als das hintere. Die Bewegung der Maschine geht von der Achse einer langen Walze aus, welche mittelst endloser Schnüre die Spindeln u. mittels verzahnter Räder die Streckwalzen in [435] Umdrehung setzt. Verbessert wurde diese Maschine von Danforth (Dansorihs Amerikanische Patentspindel), die eine schnellere Bewegung gestattet u. zugleich zum Spinnen schwachgedrehter Garnsorten verwendet werden kann. Eine derartige Spindel liefert in 12 Stunden 71/2 Schneller (Nr. 30), od. 18,900 englische Fuß Faden. Crompton verband die Cylinder Arkwrights mit der ausziehenden drehenden Spindel Hargreaves, u. nannte seine Maschine Mule (d.h. Maulthier, Bastard aus 2 Maschinen, daher Male-Twist, s. unten). Durch die Einführung der Selfactors (Selbstwirkende Mulemaschinen) wurden diese Maschinen soweit verbessert, daß eine Spindel in 6 Tagen etwa 21 Schneller von Nr. 20 liefert u. zu 2 doppelten Maschinen (240 Spindeln) nur ein Spinner angestellt zu werden braucht. Das Maschinengarn ist entweder zur Weberei bestimmt, u. zwar die stärkeren Sorten zur Kette, die weicheren zum Schuß; od. es dient zur Strumpfwirkerei, zur Verzwirnung als Strick-, Stick- u. Nähgarn od. auch zur Dochtfabrikation. Das englische Maschinengarn heißt Twist, u. zwar das stärkste, festeste Water-twist (Watergarn), das weniger gedrehte Mule-twist (Mulegarn). Das Watergarn wird in England auf Drosselmaschinen (Throstles), das Mulegarn aber auf Mulemaschinen gesponnen, ersteres von starker Drehung wird meist zur Kette, letzteres von allen Graden der Drehung ist zum Schuß bestimmt; auch unterscheidet man eine Mittelsorte, Medio od. Halbkette. Zu den höheren Nummern des Watergarns wird bes. langhaarige B. gebraucht; doch wird auch eine bedeutende Quantität von Watergarn aus der kürzeren B. (aus Surate) gesponnen. Drosselmaschinen findet man in Deutschland nur selten, da das Zettel- od. Kettengarn fast nur auf Mules gesponnen wird. Diese Gespinnste bezeichnet man in England mit Medio od. Mock Water, weshalb eine Vergleichung zwischen dem deutschen Kettengarn u. dem englischen Water-twist nicht statthaft ist. Die Garne werden in Strähne od. sogenannte Schneller gehaspelt, welche aus 7 Gebinden bestehen, in jedem Gebinde 80 Fäden von 11/2 Yards, im Ganzen also 840 Yards (980 Wiener Ellen). Die Anzahl solcher Schneller, welche auf ein Pfund geht, giebt die Nummer des Garns, d.h. die Feinheit desselben an. Im Handel kommen Garne von Nr. 8 bis Nr. 240 vor.

C) Baumwollenstoffe od. Baumwollenzeuge auf dem Stuhl od. auf eignen Maschinen (s. Weberstuhl) gefertigt. a) Diese Zeuge selbst geben, als Waare betrachtet, einen weit ausgedehnten Handelsgegenstand ab, sind, einem großen Theile nach, der Mode unterworfen u. zeigen sowohl ihrem Äußeren nach od. in Bezug auf Qualität, Breite, Appretur etc., als auch in Betreff ihrer Namen die größte Mannichfaltigkeit. Sie lassen sich in folgende Klassen bringen: aa) einfache, glatte u. dichte Stoffe, wie Shirtings, Calicoes (Kattune), Nankings, Sarsenets (Futterkattune), Ginghams, Caurics etc.; ferner halbdichte, wie Jaconets, Musselins; endlich klare od. locker gewebte, wie Mull, Gaze, Bobbinet etc.; bb) schwere glatte, geköperte od. gemusterte Stoffe, wie Quiltings (Piques), Domestics, Sateens (Englisches Leder), Drells, Rips, Dimity etc.; cc) durchbrochene, brochirte, gestickte Stoffe, wie genadelte u. brochirte Gaze, Musselin, brochirte Gardinenzeuge etc.; dd) sammelartige Stoffe, wie Velveteens (Manchester), Velvets (Sammetmanchester), Fustians, Pillows; ee) gemischte Stoffe die theils mit Schafwolle od. Leinen, theils mit Seide untermengt sind u. unter sehr verschiedenen Benennungen vorkommen. Unter allen Ländern steht England in der Baumwollenindustrie, sowohl in Betreff der technischen Ausbildung u. Vollkommenheit, als auch hinsichtlich der Productionsmenge oben an. Indessen ist es mehreren anderen Ländern doch gelungen, sich von der früheren Abhängigkeit von der britischen Industrie mehr od. weniger zu befreien, u. Deutschland, Frankreich u. Belgien nehmen nicht nur lebhaft Theil daran, andere Völker mit ihren B-nwaaren zu versorgen, sondern in einzelnen Artikeln übertreffen auch Deutschland u. Frankreich die Engländer (in buntgewebten u. vielen gemusterten Modewaaren), sowie es diesen auch NAmerika in seinen Domestics zuvorthut. Nur in der Twistfabrikation, bes. in den feineren Nummern, behauptet England noch seine Überlegenheit u. Unentbehrlichkeit. 1846 exportirte England für 17,726,966 Pfd. Sterl. B-nwaaren. b) Fabrikation. Die ersten Anfänge der B-fabrikation fallen aa) in Großbritannien in die erste Hälfte des 17. Jahrh., wo die Stadt Manchester in London B., die aus Smyrna u. Cypern kam, aufkaufte, solche zu Barchent, rothen Tüchern, geköperten u. andern Zeugen verarbeitete u. dann wieder nach London zum Absatz schickte. Zwar wird schon früher Kattun, baumwollener Sammet, Barchent etc. in Manchester erwähnt; jedoch wurden diese ganz aus Schafwolle fabricirten Stoffe wahrscheinlich baumwollene deshalb genannt, weil die aus Indien u. Italien importirten B-nstoffe dabei zum Muster gedient hatten. Bis um 1773 war nur der Einschlag aus B., aber der Aufzug ganz aus flächsenem Garne, das bes. aus Irland u. Deutschland eingeführt ward. In Folge der Anwendung der Maschinen sind die Preise des B-ngarns u. der B-nzeuge immer billiger geworden. Der älteste u. wichtigste Sitz der B-nfabrikation ist Lancashire (Manchester, Oldham, Rochdale, Bolton etc.), dann Cheshire, Yorkshire etc. In England waren 1857 etwa 22 Mill. Spindeln im Gange. Ausgeführt wurde 1855 an Garn 131,278,169 Pfund zu dem Werthe von 28,645,455 Dollars, an B-ngeweben u. zwar weiße, gefärbte u. bedruckte Waaren 1,335,654,751 Yard u. an Strumpfwaaren 1,354,273 Pf. St. zu einem Gesammtwerth von 26,890,794 Pf. St. Im Ganzen kann man etwa 1,300,000 Personen annehmen, die in Großbritannien bei der B-nindustrie beschäftigt sind. bb) In Frankreich hat sich die B-nindustrie immer mehr entwickelt, jedoch nicht ohne Krisen u. Erschütterungen. 1857 waren etwa 54 Mill. Spindeln in Thätigkeit u. dabei 80,000 Arbeiter beschäftigt. Die B-nweberei beschäftigte bei 275,000 Stühlen 390,000 Arbeiter u. lieferte 1840 schon 870,000 Centner (etwa 27 Mill. Thlr. werth) zur Ausfuhr, namentlich nach Spanien. Die gesammte B-nindustrie (mit Einschluß der Färberei, Druckerei, Strumpf-, Band- u. Spitzenfabrikation). soll an 600,000 Arbeiter beschäftigen. cc) In Österreich waren 1854 über 13/4 Mill. Spindeln thätig, von denen die weit größte Mehrmahl auf Böhmen, Niederösterreich, Tyrol mit Borarlberg u. Lombardei kam. Die Zahl der B-nwebestühle übersteigt z.B. in Böhmen 75,000,[436] in Italien etwa 36,000. Der Gesammtwerth der fabricirten Waaren aus B. war 1837 an 37,800,000 Thlr, dd) Im Deutschen Zollverein war der frühere Stand der B-nindnstrie im Durchschnitt auf 1 Jahr vereinsländischer Garnproduction = 194,776 Centner. Der Gesammtverbrauch an B-ngarn 609,995 Ctnr. (also 415,219 Ctnr. ausländisches); die Production an B-nwaaren 609,995 Ctnr., dazu etwa 12,092 Ctnr. Einfuhr u. 78,902 Ausfuhr, so blieb als vereinsländische Consumtion 543,185 Ctnr. Im 4jährigen Durchschnitt aber hat die Ausfuhr an B-nwaaren die Einfuhr beinahe um das Siebenfache überschritten, u. im Jahr 1844 ist, bei verminderter Einfuhr u. gestiegener Ausfuhr, die Ausfuhr gleich dem Neunfachen der Einfuhr gewesen. Nach den Mittheilungen des statistischen Bureaus in Berlin vom Jahre 1849 ergibt sich für die B-nindustrie der sämmtlichen Staaten des Deutschen Zollvereins an 1 Mill. Spindeln mit mehr als 21,000 Arbeitern u. 156,000 Stühle mit über 217,633 Arbeitern. Sie wird jetzt an Spindelzahl um mehrere 100,000 überschritten. Rücksichtlich der einzelnen Staaten des deutschen Zollvereins ist in Preußen die B-spinnerei am bedeutendsten in den Regierungsbezirken Düsseldorf, Köln u. Koblenz; die Weberei in den Regierungsbezirken Breslau, Düsseldorf (mit Ausnahme der Kreise Nees u. Kleve), Sachsen, Brandenburg, Westfalen; in Baiern sind die wichtigsten Sitze der B-nindustrie Augsburg, Hof, Kirchenlamitz, Pirmasens, Zweibrücken; im Königreich Sachsen gab es im J. 1855133 B-nspinnereien mit über 554,000 Feinspindeln; noch über 100,000 Spindeln sind im Bau. Die B-nweberei u. die Weberei gemischter Zeuge wird in der Oberlausitz, dem Voigtlande u. dem Erzgebirge auf mehr als 30,000 Jaquardmaschinen, Handstühlen u. anderen mechanischen Webestühlen getrieben. Größere Fabrikgeschäfte bestehen für Kattune u. leichte baumwollene Zeuge in Aue, Ebersbach, Auerbach, Falkenstein, Lengefeld, Plauen etc., für Piques, Barchente u. schwere B-ngewebe in Mittweida, Waldheim, Hohenstein, Callenberg etc., u. für baumwollene Buntweberei in Chemnitz, Frankenberg, Sebnitz, Ölsnitz, Lößnitz, Zittau, Ebersbach, Seifhennersdorf u. mehreren anderen Orten der Oberlausitz; ee) Belgien hat seine Hauptspinnereien in u. bei Gent mit 8–900,000 Spindeln, dann folgt Ostflandern, Hennegau, Lüttich, Verviers, Ardenne, Brüssel mit Umgebungen etc. In Gent sind auch die Kraftstühle für die B-nweberei, welche circa 72 Mill. preußische Ellen liefern; auf den Handwebestühlen bei Brüssel, Courtrai etc. werden über dies 45 Mill. Ellen verfertigt. ff) In der Schweiz sind die Hauptsitze der B-nmanufactur die Cantone Zürich (15,000 Webestühle), Thurgau u. Aargau; nach ihnen Basel u. für Musselinweberei Appenzell u. St. Gallen. Diese Cantone besitzen 1 Million Feinspindeln u. führen seine Garne u. Gewebe aus. gg) Spanien bedarf ungeachtet seiner bedeutenden Fabriken in Catalonien (1839 28,204 Webestühle mit 102,213 Arbeitern), auf den Balearen (1839 2000 Stühle) u. einem kleinen Theile von Valencia, doch über 1/3 seines Verbrauchs an B-nwaaren vom Auslande. Es hat über 800,000 Spindeln. hh) Portugals B-nindustrie besteht in einigen Webereien u. Spinnereien. ii) In Italien sind im Königreich Neapel die B-nwebereien jetzt nicht unbedeutend; bedeutende Spinnereien befinden sich zu Scafati u. Piedimonte; das Königreich Sardinien besitzt größere B-nmanufacturen zu Genua, Rapallo, Sta. Margherita etc., führt jedoch noch viel baumwollene Waaren ein. Im übrigen Italien ist die B-nindustrie ebenfalls nicht von Bedeutung, u. nur Toscana u. Lucca besitzen einige größere Etablissements hierfür. kk) In Rußland waren unter 607 Fabriken, welche sich 1839 mit B-nwaaren beschäftigten, 35 Spinnereien mit etwa 700,000 Feinspindeln; jetzt soll Rußland mit 1 Mill. Spindeln arbeiten. ll) In den Niederlanden sind die Spinnereien nicht von Bedeutung, aber zahlreiche Webereien zum Theil mit Maschinen, bes. für glatte weiße Zeuge. mm) Dänemark besitzt Maschinenspinnereien in B. gar nicht. Maschinenweberei findet in Schleswig u. Holstein statt. nn) Schweden producirte 1840 14,000 Ctnr. B-ngarn. Die B-ngewebe werden größtentheils auf dem Lande als Nebenbeschäftigung gearbeitet. In Norwegen werden die wenigen baumwollnen Waaren, deren der Landmann sich bedient, von den Hausfrauen verfertigt. oo) Die Europäische Türkei scheint B-nspinnereien gar nicht zu besitzen; baumwollene Gewebe u. Gewebe aus B. u. Seide aber werden an mehreren Orten verfertigt. Der Verbrauch von B. zur Handspinnerei u. Weberei in der Türkei u. Griechenland wird auf 240,000 Ctnr. geschätzt. pp) Der wichtigste Fabrikplatz der Vereinigten Staaten von Nordamerika ist Lowell in Massachusetts; der Gesammtbetrag der Erzeugnisse der B-nfabrikation war 1847 etwa für 70 Mill. Doll. Zur Zeit sind gewiß 8 Millionen Spindeln in Thätigkeit; selbst die Verarbeitung der B. zu Garn u. Geweben hat jetzt ungemein zugenommen,

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 433-437.
Lizenz:
Faksimiles:
433 | 434 | 435 | 436 | 437
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Elixiere des Teufels

Die Elixiere des Teufels

Dem Mönch Medardus ist ein Elixier des Teufels als Reliquie anvertraut worden. Als er davon trinkt wird aus dem löblichen Mönch ein leidenschaftlicher Abenteurer, der in verzehrendem Begehren sein Gelübde bricht und schließlich einem wahnsinnigen Mönch begegnet, in dem er seinen Doppelgänger erkennt. E.T.A. Hoffmann hat seinen ersten Roman konzeptionell an den Schauerroman »The Monk« von Matthew Lewis angelehnt, erhebt sich aber mit seiner schwarzen Romantik deutlich über die Niederungen reiner Unterhaltungsliteratur.

248 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon