Chile [2]

[926] Chile (Gesch.) In den ältesten Zeiten wurde Ch. von einem Volke bewohnt, welches aus 15 Stämmen bestand, die eine gemeinsame Sprache redeten, Ackerbau trieben u. Metallarbeiten, Öl-, Seife- u. Salzbereitung u. Färbekunst verstanden. Der nördliche jener Stämme wurde schon vor dem 16. Jahrh. von den Peruanern unterjocht. 1535 machten die Spanier unte Diego Almagro den Versuch, sich des goldreichen Landes zu bemächtigen, sie wurden aber. von den Promanaciern, dem herrschenden Volk im N., zurückgeschlagen, u. erst 1540 gelang es Pedro de Valdivia, festen Fuß zu fassen u. 1541 die[926] Stadt Santiago zu gründen. Nach u. nach wurden die Völkerstämme in Nord-Ch. bezwungen od. wanderten aus, wogegen sich im 16. Jahrh. bes. Gallizier in Ch. niederließen. Nie gelang es ihnen indeß, die Araucos, welche Süd-Ch. besitzen, zu unterwerfen, u. im letzten Frieden von 1775 mußtendie Spanier die Selbständigkeit dieses Volks anerkennen. Auch Nord-Ch. genoß seit der spanischen Besitznahme wenig Ruhe; seine Küsten wurden, bes. im 16. u. 17. Jahrh., häufig von englischen u. holländischen Freibeutern (s. Flibustier) beunruhigt, u. innere Unfälle verursachten, daß die Colonie in der Entwickelung der materiellen Hülfsquellen des Landes zurückblieb; erst 1742 konnte man das Land in Provinzen, die Colonisten in Ortschaften vertheilen u. auf diese Weise eine gedeihliche Organisation herbeiführen.

Die Usurpation Spaniens durch die Franzosen erregte auch in Ch. Unruhen; am 18. Juli 1810 wurde der Generalcapitán Carasco in Santiago ab- u. an seine Stelle der Graf de la Conquista als Präsident einer Regierungsjunta eingesetzt, welche Oberst Figueras 1811 vergebens zu stürzen suchte; im Juni 1811 trat der erste Congreß zusammen. Der Ehrgeiz der Brüder Carrera veranlaßte bald darauf. einen Bürgerkrieg, in Folge dessen die Spanier wieder die Oberhand bekamen. Erst durch General S. Martin, der von Buenos-Ayres 1814 einrückte, gelang es den Chilenen nach jahrelangen Kämpfen 1820 das Land bis auf Chiloe der spanischen Gewalt zu entreißen, nachdem schon am 12. Jan. 1818 die Unabhängigkeitserklärung erfolgt war, s. Südamerikanischer Befreiungskrieg. An der Spitze des Staates stand O'Higgins als Präsident; indeß erhielt sich noch immer ein Rest der altspanischen Partei (Polucones), die aus Priestern u. Adeligen bestand; dieser feindlich gegenüber standen die Liberalen, zu denen die große Masse der namentlich später eingewanderten Bevölkerung zählte. Beide Parteien wollten völlige Unabhängigkeit vom Mutterstaate. Anfang 1823 erregte. der Gouverneur von Concepcion, Ramon Freyre, weil seine Truppen nicht besoldet wurden, einen Aufstand u. zog 28. Jan. 1823 in Santiago ein; O' Higgins zog sich zurück u. Freyre wurde 9. April Präsident. Er gab dem Lande eine neue Verfassung; die oberste Gewalt sollte in den Händen eines Oberdirectors sein; ein Senat von 9 Mitgliedern über die Aufrechthaltung der Verfassung wachen u. eine Nationalkammer von 50_–200 Mitgliedern das Volk vertreten. Aber auch Freyre legte, da ihm ein Versuch, die noch von den Spaniern besessenen Chiloe-Inseln im April 1824 an sich zu bringen, mißlang, am 29. Juli 1824 seine Gewalt nieder, behielt indessen den Oberbefehl über das Heer u. nahm bald darauf wieder die höchste Stelle der vollziehenden Gewalt ein. Ein 1825 zur Revision der Verfassung berufener Congreß schloß seine Sitzungen, ohne etwas bestimmt zu haben. Dagegen organisirten sich Provinzialstände, durch welche das Föderativsystem eingeführt wurde. Die Provinz Coquimbo erklärte 26. Juni 1825 ihren Beitritt zum Föderativstaat von Ch., u. am Schlusse des Jahres schien die Unruhe in Ch. beschwichtigt zu sein. Im Nov. 1825 ging Freyre mit 4000 M. auf einer vom Admiral Blanco befehligten Flotte wieder nach Chiloe u. zwang die Spanier unter Quintanilla, das Fort S. Carlos zu übergeben. Am 15. Juni wurde der Generalcongreß wieder u. zwar diesmal in Rancagua versammelt. Dieser berief, nachdem O'Higgins die Wahl ausgeschlagen hatte, am 10. Aug. den Admiral Blanco zum Präsidenten der Föderativrepublik, u. Freyre zog sich als Gouverneur nach Concepcion zurück. Zu Anfang des Septembers wurde die neue Verfassung proclamirt, nach welcher die Regierung aus drei Gewalten: der gesetzgebenden, der vollziehenden u. der richterlichen bestehen, der Präsident 5 Jahre amtiren u. die gesetzgebende Gewalt in die Hände eines Congresses von 2 Kammern gelegt werden sollte. Im Januar 1827 brachen zwischen den beiden Parteien der Unitarier u. Föderalisten Unruhen in Santiago aus; Freyre wurde noch einmal an die Spitze der Regierung berufen, legte aber, nachdem die Ruhe hergestellt war, seine Würde nochmals nieder, u. General Antonio Pinto trat an seine Stelle. Der Kampf zwischen Unitariern u. Föderalisten dauerte inzwischen fort, doch blieb es bei heftigen Worten u. Drohungen. Der seit 28. Februar 1828 in Santiago versammelte Congreß verlegte seine Sitzungen am 1. Mai nach Valparaiso, doch blieb der Präsident Pinto in der Hauptstadt zurück, die kurz nach der Entfernung des Congresses von einer Insurrection des Militärs gegen Pinto bedroht wurde. Am 6. Aug. 1828 wurde eine neue, die Selbständigkeit der Provinzen Coquimbo, Santiago, Concepcion u. des Gebietes Chiloe anerkennende, föderale Constitution (s. Chile [Geogr.]) proclamirt, durch welche die Katholische. Religion als Staatsreligion erklärt u. ein Senat eingesetzt wurde. Don Ramon Vienna wurde im October 1829 zum Vicepräsidenten erwählt, eine Würde, um die sich auch der General Prieto beworben hatte. dieser stellte sich nun an die Spitze der Opposition in Concepcion. Nachdem Pinto 22. Oct. die Präsidentenstelle niedergelegt hatte, bildete sich in Santiago 7. Novbr. eine Insurrections-Junta, die den Vicepräsidenten Vienna aus dem Regierungspalast vertrieb. Vienna flüchtete nach Valparaiso, u. die Truppen, welche an der Insurrection keinen Theil genommen hatten, wählten den General La Lastra zum Anführer. Prieto erschien, um die Empörung niederzuwerfen, im Decbr. 1829 vor Santiago, u. obgleich er 14. Decbr. von Lastra geschlagen wurde, so mußte dieser doch am 16. Decbr. einen Vergleich schließen, dem zu Folge General Freyre den Oberbefehl über Lastra's u. Prieto's Truppen übernahm. Als Freyre aber in der Hauptstadt eine provisorische Junta constituiren wollte, brach von Neuem der Aufstand los, u. Freyre zog sich mit den Truppen nach Valparaiso zurück. Im Januar 1830 kam es zwischen Freyre u. Prieto bei Maypuzu einem unentschiedenen Gefecht, in Folge dessen ein. Waffenstillstand geschlossen wurde; jedoch schon im März brach der Bürgerkrieg wieder aus, u. Freyre wurde bei Camherayoda von Prieto geschlagen, worauf Santiago eingenommen wurde, während Valparaiso sich noch einige Zeit vertheidigte. Freyre flüchtete nun nach Peru, u. Prieto wurde 5. April 1831 mit großen Vollmachten als Präsident der Regierung eingesetzt. Er eröffnete den 1. Juni 1831 einen neuen Congreß, stellte die Ordnung her, setzte sich mit Frankreich in Verbindung, ließ seit 1833 auch spanische Schiffe in den chilenischen Häfen zu, hob mit Hülfe des Ministers u. Vicepräsidenten Portales den Handel, verringerte die Staatsschuld u. errichtete[927] eine Miliz, mit welcher er wiederholte Militäraufstände unterdrückte. Der Geistlichkeit gewährte er großen Einfluß. Freyre reizte indessen in Peru den Protector dieses Staates, Santa Cruz, gegen Ch. auf. Um ihn versammelten sich Unzufriedene von der in Ch. unterdrückten Militärpartei, u. im Juni 1836 segelte Freyre mit 2 peruanischen Schiffen zu einer Expedition gegen Ch. ab. Das eine landete auf der Insel Jean Fernando u. befreite viele Verbannte, das andere mit Freyre selbst in Chiloe, eroberte dort einige Schiffe u. versuchte dann einen Handstreich gegen Valparaiso; dieser wurde abgeschlagen u. Ch. erklärte 1837 an Peruden Krieg. Ein an die Grenzen gegen Peru versammeltes Corps entsprach jedoch den Erwartungen nicht, indem eine Meuterei in demselben ausbrach, welche nur mit Mühe unterdrückt wurde. Der Seekrieg wurde dadurch ebenfalls aufgehalten, u. erst im September segelten 4000 Mann aus Valparaiso ab, landeten in. Arequipa, wurden aber durch Santa Cruz so hart bedrängt, daß sie sich erst zum Rückzug u. dann zu Unterhandlungen genöthigt sahen. Im Novbr. 1837 kam durch Englands Vermittelung ein Vertrag zu Stande, nach welchem Ch. allen an Peru gestellten Forderungen entsagen sollte. Die Regierung von. Ch. ratificirte aber den Vertrag nicht, setzte den Krieg zur See mit Vortheil fort u. ließ im August 18386–8000 Mann unter dem General Bulnes unweit Callao landen. Derselbe rückte in Lima ein, mußte zwar diese Stadt wieder verlassen, schlug aber am 20. Jan. 1839 den Präsidenten Santa Cruz bei Yungain. hielt bis Ende 1839 Peru besetzt. Inzwischen machten die Indianer, welche auch in dem Kriege gegen die Spanier gegen die Chilenen agirt hatten, dem Staate viel zu schaffen, doch wußte die Regierung sie durch die Capitanos de Indios (Chilenen aus niederen Ständen, welche die Sprache u. die Localitäten kennen u. zugleich Dolmetscher u. Aufseher sind), in Schach zu halten.

Seit der Beendigungdes Kriegesmit Peru 1839 wurden die Verhältnisse nach außen friedlich. Der Präsident Prieto suchte die Wunden, welche der Krieg dem Lande geschlagen hatte, durch einen geordneten Staatshaushalt zu heilen u. das Volk durch Weckung u. Nährung des Nationalgefühls zu heben. Dieselben Grundsätze verfolgte auch der 1841 erwählte Präsident, General Manoel Bulnes, indem er mit Ruhe u. Mäßigung den Weg der Reform einschlug. Am 25. April 1844 wurde ein Vertrag zwischen Ch. u. Spanien geschlossen, in welchem Spanien die Chilenen als unabhängig anerkannte u. beide Staaten ihren Unterthanen, welche an dem Kriege Theil genommen hatten, Amnestie ertheilten. Außerdem wurden mit Spanien u. Neugranada Handelsverträge geschlossen. Während der innere u. äußere Friede. den nationalen Wohlstand hob, wurde die Stellung der beiden Hauptparteien des Landes in den parlamentarischen Kämpfen eine immer schroffere, u. die Radicalen traten der herrschenden conservativ-demokratischen (zwischen beiden stehen die sogenannten Progressisten) Partei in drohender Weise gegenüber. Von Wortgefechten kam es zu Thätlichkeiten, u. am 8. März 1846 brach bei Gelegenheit der Wahl der Congreßdeputirten rin Aufstand der Radicalen in Santiago aus, wobei die Aufständischen sich gegen die Nothwendigkeiteiner Executivgewaltaussprachen u. allen Reichen den Tod schwuren. Der Aufstand wurde zwar bald unterdrückt, aber am 29. März kam es in Valparaiso abermals zu tumultuarischen Auftritten, so daß das Militär mit blanker Waffe einschreiten mußte. Die energischen Maßregeln, welche dir Regierung gegen die radicalen Umtriebe ergriff, waren hauptsächlich das Werk des Ministers Montt. Schon bei der ersten Wahl des Präsidenten Bulnes (1841) hatte sich dieser als einflußreicher u. talentvoller Staatsmann bewährt. Theolog u. Jurist, u. seit 1835 Rector der Universität, gehörte er stets zur conservativen Partei u. wurde unter Bulnes Minister. Er wandte seinen Einfluß gegen den Candidaten der Radicalen (Freyre) an u. trug dadurch viel zur Wiedererwählung des Präsidenten Bülnes bei, gab aber nach Erreichung dieses Zieles seine Ministerstelle freiwillig auf, um dem Präsidenten freie Hand zu lassen, die parlamentarische Opposition durch Ernennung eines Ministeriums aus ihrer Mitte mit der Regierung auszusöhnen. Camilo Vial wurde Minister des Innern u. Äußern; als jedoch die europäischen Ereignisse von 1848 u. 1849 auch in Ch. Nachahmung fanden, u. eine parlamentarische Mehrheit im Vereine mit dem Stadtrathe der Hauptstadt Santiago den Präsidenten zum Umsturz der bestehenden. Verfassung u. Einrichtungen zwingen wollte, gelang es Montt als Präsidenten des höchsten Gerichtshofes u. Mitgliede des Gesetzgebungskörpers, diese Bewegung zu bewältigen, vorauf Bulnes das bisherige Ministerium durch. die Conservativen Antonio Varas u. Urmaneta ersetzte. Mit Frankreich (den 15 Sept. 1846), mit Belgien (1847) u. mit Peru (1848) wurden Handelsverträge geschlossen, u. die Grenzstreitigkeiten mit dem Argentinischen Staatenbunde (1848) ausgeglichen. Ein Aufstand der Patagonischen Indianer im Jahre 1850 wurde. unterdrückt. Im Jahre 1851 versuchte die radicale Partei von Neuem, durch einen Soldatenaufstand, der am 20. April in Santiago ausbrach, die Verfassung umzustürzen, wurde aber geschlagen.

Bei der am 25. Juli 1851 erfolgten Neuwahl des Präsidenten der Republik wurde Montt gewählt. Am 30. August trat er das neue Amt an u. behielt die Minister seines Vorgängers, welchem selbst er den Oberbefehl über die. bewaffnete Macht der Republik übergab. Eine Empörung der Radicalen, die unter Leitung des Generals de la Cruz am 7. Sept. ausbrach u. ein Vierteljahr lang Widerstandleistete, wurde vom General Bulnes besiegt, so daß zu Anfange des Jahres 1852 in Ch. vollkommene Ordnung u. Ruhe herrschten. Die zehnjährige conservative Verwaltung des Präsidenten Bulnes hatte gute Früchte getragen. Der dem Congreß vorgelegte Verwaltungsbericht wies einen Einnahmeüberschuß aus dem letzten Finanzjahre von 1,020,915 Pesos (1,273,220 Thlr.) nach; die Ausgaben waren auf jährliche 4,156,654 Pesos festgesetzt. Die Tilgung u. Verzinsung der Staatsschulden hatten ihren regelmäßigen Verlauf. Der Handel war in fortwährendem Steigen begriffen, namentlich in den Jahren 1848 u. 1849 der mit Frankreich, Deutschland u. Californien. Durch Übereinkunft mit Österreich, Preußen, England, Frankreich, Sardinien, Belgien, Holland, Bremen, Hamburg, Oldenburg, der Nordamerikanischen Union u. Brasilien sind gegenseitig die Differentialzölle aufgehoben worden, u. durch Gesetz vom 8. Mai 1851 hat Ch. einen neuen Zolltarif u. neue Zollgesetze eingeführt, welche der Handelsfreiheit[928] große Zugeständnisse machen, ohne die Staatseinnahmen zu verringern. Wie alle südamerikanischen Regierungen, strebt auch Ch., Einwanderer ins Land zu ziehen, bes. in die Provinzen Valdivia u. Chiloe, u. Privaten u. Auswanderungsvereine in Deutschland erwarben zu diesem. Zwecke dort Ländereien: die Gesellschaft für nationale Auswanderung u. Colonisation in Stuttgart 200,000 Morgen u. die Germania 125,000 Morgen, welche im Jahre 1849 Württemberger u. im Jahre 1850 Sachsen aus Zittau hinsandte. Am 1. Jan. 1852 wurde die erste chilenische Eisenbahn zwischen dem Hafen Caldera u. Copiapo, 18 Stunden lang, dem Betriebe übergeben. Eine Gesellschaft errichtete einen elektrischen Telegraphen zwischen Valparaiso u. Santiago, machte aber so schlechte Geschäfte, daß die Regierung zu Hülfe kommen mußte. Der Bau der Eisenbahn auf derselben Strecke (30 Stunden lang) begann im September 1852. Ch. hat vor anderen südamerikanischen Staaten voraus, daß sich aus der Klasse der großen Grundbesitzer u. Kaufleute eine Anzahl von Familien gebildet hat, in deren Händen thatsächlich sich die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten befindet, eine Art Adel, dessen Thätigkeit darauf gerichtet ist, inmitten einer demokratischen Republik die Macht des conservativen Elementes aufrecht zu halten u. den Staatseinrichtungen Halt u. Dauer zu geben, auf der anderen Seite aber praktisch vorwärts zu schreiten. Daher die Erscheinung, daß die Präsidenten, während alle 5 Jahre neu gewählt wird, 10 Jahre im Amte bleiben, u. daß beide Kammern in der großen Mehrheit conservativ sind. Auch Montt wurde am 30. Aug. 1856 zum zweiten Male zum Präsidenten der Republik gewählt; er änderte bei dieser Gelegenheit das Ministerium. An die Stelle des ersten Ministers Antonio Varas trat für innere u. äußere Angelegenheiten Francisco Javier Ovalle. Unter der Verwaltung Montt's erhielt Ch. ein Civilgesetzbuch, Handelsgerichte, eine Disconto- u. Depositenbank in Valparaiso, eine Hypothekenvorschußkasse, die mit dem Neujahr 1856 ins Leben trat, ein Gesetz über Umwandelung des Zehnten in eine Grundrente für Kirche u. Schule, ein Gemeindeverwaltungsgesetz. Ein vom Senate ausgegangener Gesetzentwurf, wonach die früher verwiesenen Jesuiten in Ch. wieder zugelassen werden sollten, wurde von der zweiten Kammer (1854) abgelehnt. Eine tiefer gehende Spaltung der conservativen Partei zeigte sich bei Gelegenheit der vom Senate zur Aussöhnung der Parteien wiederholt befürworteten allgemeinen Amnestie, welche Montt zwar für wünschenswerth, aber unausführbar erklärte. Die Thatsachen sprachen für ihn, denn im Frühjahr 1857 entdeckte man eine Verschwörung zum Umsturz der Verfassung, deren Urheber kriegsgerichtlich verurtheilt wurden. Zur Belebung des Handels schloß die Regierung mehrere Verträge: mit Frankreich einen Zusatzvertrag vom 30. Juni 1852, mit Sardinien u. der Nordamerikanischen Union (1856); auf der Grundlage der Gegenseitigkeit mit dem Argentinischen Staatenbunde einen Freundschafts-, Handels- u. Schifffahrtsvertrag am 30. April 1856. Besonders wichtig ist der zwischen Ch. u. Großbritannien auf 10 Jahre am 30. Nov. 1856 auf der Grundlage gegenseitiger Handelsfreiheit zu Stande gekommene Handels- u. Schifffahrtsvertrag deshalb, weil darin zugleich den gegenseitigen Unterthanen völlige Religionsfreiheit u. Rechtsschutz gegen Religionsverfolgungen ausgemacht ist. Mit der spanischen Regierung wurde eine Übereinkunft wegen Entschädigung derjenigen Spanier vereinbart, deren Güter im Unabhängigkeitskriege durch chilenische Behörden sequestrirt worden sind. Von den Wirren der übrigen südamerikanischen Staaten hielt sich die Regierung Montt's fern, so lange sie nicht die Interessen Ch-s berührten; als aber zwischen dem benachbarten Peru. u. Bolivia Krieg ausbrach, bot er seine Vermittelung an, u. als am 20. Novbr. 1854 zwischen der Nordamerikanischen Union u. Ecuador ein Vertrag zu Stande kam, schickte er einen außerordentlichen. Gesandten nach Ecuador, um der dortigen Regierung Vorstellungen über ein, ihre Unabhängigkeit. gefährdendes Verhältniß zu machen. Während der Besitzergreifung Nicaraguas durch Walker ergriff Montt mit Eifer den Gedanken eines völkerrechtlichen Bundes der südamerikanischen Staaten zum Schutz u. Trutz bei Angriffen auf ihre Selbständigkeit nach Art des Deutschen Bundes. Im September 1856 kamen Bevollmächtigte Ch-s, Ecuadors u. Perus in Santiago zusammen u. unterzeichneten einen völkerrechtlichen Bundesvertrag, wonach ein Bundestag, aus Gesandten der einzelnen Staaten bestehend, zusammentreten soll, um den Zweck des Vertrages zu erfüllen; Costa-Rica trat sofort bei. Die Einwanderung war nicht ganz unbedeutend; sie bestand im Jahre 1856 aus 500 Europäern. Ein Haupthinderniß derselben bilden noch immer der Mangel an Rechtsschutz, namentlich bei religiösen Verfolgungen, u. der Mangel an Straßen u. anderen Verkehrsmitteln. Im Jahre 1853 ertheilte die Regierung einem Engländer die Erlaubniß zur Herstellung einer regelmäßigen Dampfschifffahrt zwischen Liverpool u. Caldera u. gab einen Zuschuß von 60,000 Pesos jährlich ans der Staatskasse, ohne großen Erfolg. In demselben Jahre war eine neue Eisenbahn zwischen Tomé u. Chillau dem Betriebe übergeben u. 1857 eine Bahn von Santiago südwärts in Angriff genommen worden. Ackerbau, Bergbau, Handel u. Schifffahrt nahmen in erfreulicher Weise zu. Im Jahre 1854 waren in den Häfen Ch-s 4987 Schiffe ein- u. ausgelaufen (2526 aus- u. 2461 eingelaufen), mit einem Gehalte von 1,482,179 Tonnen; 1855 dagegen 5438 Schiffe von 1,661,866 Tonnen Gehalt, meist chilenische, sodann in abnehmender Reihe englische, nordamerikanische, französische, deutsche u. dänische. Vgl. Molina, Geschichte der Eroberung von Ch., deutsch Lpz. 1786; Dessen History of Ch., Middl. 1808, 2 Bde.; Gay, Historia. de Ch., 1844 ff.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 926-929.
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