[509] Credit, das Vertrauen auf den guten Willen u. die Fähigkeit eines Anderen, die Verbindlichkeiten, welche er durch Abschluß eines gegenwärtigen Geschäftes für die Zukunft übernommen hat, seiner Zeit zu erfüllen. Jedes Geschäft beruht auf einem Austausch von Leistungen. Mögen diese nun in [509] Waare, Geld od. Arbeit (Diensten) bestehen; immer steht der Leistung des Einen, welcher die Waare, das Geld od. die Arbeitskraft besitzt u. sie zur Nutzung einem Anderen überläßt, die Leistung dieses Anderen gegenüber. Gibt nun der eine Theil (Verkäufer) ein Besitzthum in die Hände eines. Anderen u. empfängt von diesem (Käufer) statt des Äquivalentes selbst nur das Versprechen, daß er zu einer gewissen Zeit für die Gegenleistung sorgen werde, so ist der verkaufende Theil Creditgeber, der kaufende Creditnehmer. A) Privatcredit. Im kaufmännischen Verkehr besteht die Leistung des Creditgebers gewöhnlich in Waaren, die Gegenleistung in Geld, welches der Creditnehmer durch Verwerthung der Waare mit Gewinn angesammelt hat. Der C., welchen der Verkäufer dabei gewährt, ist in den meisten Fällen ein persönlicher, Personalcredit, d.h. er beruhtlediglich auf dem Glauben an die Absicht des Käufers, zu bestimmter Zeit Zahlung zu leisten, u. an die Fähigkeit desselben, daß er das ihm anvertraute Gut productiv verwerthen, also durch weiteren Umtausch desselben ein Capital, einen Überschuß über die bedungene Kaufsumme, gewinnen werde. Anders ist es, wenn Geld gegen Geld getauscht wird, so daß der Creditnehmer die Verpflichtung übernimmt, das ihm anvertraute Capital zu einer gewissen Zeit mit Vergütung für die productive Nutzung desselben (Zins) zurückzuzahlen. Alsdann fordert der Creditgeber fast immer größere Sicherheit als die des Personalcredits, denn einmal läuft baares Geld in der Hand eines Dritten größere Gefahr unproductiv verwendet zu werden, als eine Waare; anderntheils hat es vor der Waare darin einen Vorzug, daß es gegen jede Waare jederzeit getauscht werden kann. Dieser Vorzug muß durch die größere Sicherheit aufgewogen werden; die Sicherheit kann nun vermehrt werden dadurch, daß der Creditnehmer einen Schuldschein ausstellt u. auf diese Weise dem Gläubiger die Verfolgung seiner Ansprüche vor Gericht erleichtert; od. daß er Bürgen beibringt, die mit ihrem Personalcredit für die Zahlung haften. Wirkliche Sicherheit erreicht indeß der Creditgeber erst dadurch, daß ihm der Schuldner ein Gut von entsprechendem Werthe verpfändet. In diesem Falle gewährt er einen Realcredit. Der Realcredit wird entweder auf Mobiliarvermögen als Waaren (Mobiliarcredit, Crédit mobilier, Lombard) u. Werthpapiere (deren Werth freilich auch wieder auf dem C. dritter Personen beruhen kann), od. auf Immobiliarvermögen (Bodencredit, Crédit foncier, Hypothek) gewährt. Indem der C. auch demjenigen, welcher kein disponibles Vermögen, dagegen Talent u. Arbeitskraft besitzt, die Möglichkeit gewährt, durch Production ein Capital anzusammeln, während sich zugleich das Capital des Creditgebers vermehrt, ist er im Güterleben ein wesentlicher Factor zur Vermehrung der Production u. des nationalen Reichthums. Die Größe des C., welchen der Einzelne genießt, u. die Leichtigkeit, mit welcher von Seiten der Capitalisten C. gewährt wird, ist von mancherlei, theils persönlichen, theils öffentlichen Verhältnissen abhängig. Der Preis (Zins), welcher für den Genuß des C. gewährt wird, ist daher auch nicht unter allen Umständen derselbe, sondern richtet sich nach der Größe der Sicherheit, mit welcher der Creditgeber auf die Gegenleistung rechnen kann. Der moralische Charakter des Schuldners, dessen geschäftliche Tüchtigkeit, die größere od. geringere Möglichkeit, sein Besitzthum in Geld umzuwandeln, werden dabei hinsichtlich der Person in Anschlag gebracht; dann aber kommen die öffentlichen Zustände in Betracht, zunächst die Sicherheit der Rechtszustände, die Größe des Schutzes, welche die Gesetze dem Gläubiger gewähren, die Festigkeit der bestehenden Staatsregierung, kriegerische Eventualitäten, die allgemeinen Handelsverhältnisse, kurz alle Umstände, welche für einzelne Handelszweige od. den Gesammtverkehr Stockungen herbeiführen u. für den Gläubiger die Gefahr vermehren können, einen Theil seines Capitals od. das ganze zu verlieren. Der natürlichen Entwickelung des C. nach den Gesetzen des Angebots u. der Nachfrage gegenüber stehen die sogenannten Wuchergesetze, welche den Creditgeber auf ein Zinsmaximum beschränken; diese Beschränkung hemmt zugleich den Unternehmungsgeist derjenigen Producenten, welche ohne Gefahr einen höheren Zins als den landesüblichen zu gewähren im Stande sein würden, nun aber vergebens C. suchen, da die Capitalisten entweder größere Sicherheit verlangen od. auch durch Geldoperationen anderer Art ihr Capital besser verwerthen können. Die Unzweckmäßigkeit der Beschränkung des Zinsfußes im kaufmännischen Verkehr, wo Capitalien in kürzeren Zeiträumen umgesetzt werden, führte zu der Gestattung von Ausnahmen. Es werden nämlich durch den C. die Creditpapiere geschaffen, Scheine, welche ein Schuldbekenntniß enthalten u. von dem ersten Besitzer an andere übertragen werden können; derjenige, welcher statt baaren Geldes ein Creditpapier annimmt, bringt von dem Betrage der Summe die Zinsen bis zu dem Tage in Abzug, an welchem die Zahlung fällig ist, d.h. das Papier in Geld verwandelt werden kann. Dieser Abzug heißt Disconto u. ist nicht dem landesüblichen Zinsfuß unterworfen, sondern seine Höhe geht aus der Natur der Handelsverhältnisse hervor; er steigt, wenn der C. im Allgemeinen durch mißliche Umstände bedroht ist, u. fällt, wenn die Gefahr nachläßt, denn im ersten Falle zieht sich das Capital vom Markte zurück, weil die Furcht vor Verlust vorherrscht, im zweiten drängt es sich wieder auf den Markt, weil die Hoffnung auf Gewinn dazu anreizt. Bei fortdauernder Steigerung des Disconto tritt endlich eine völlige Creditkrisis ein, d.h. es setzt sich kein Capitalinhaber mehr der Gefahr aus, durch Discontiren um sein Capital zu kommen, u. die Creditpapiere des Landes od. Handelsplatzes, über welchen Krisis hereingebrochen ist, verlieren ihre Fähigkeit statt des baaren Geldes als Umlaufsmittel zu dienen. Die gewöhnlichste Form, in welcher Creditpapiere umlaufen, ist die des Wechsels (s.d.) u. des Privat- u. Staatspapiergeldes, welches au porteur lautend, unverzinslich u. jeder Zeit einlösbar nach dem Nennwerthe in Zahlung genommen wird, so lange die Einlösbarkeit nicht angezweifelt ist, od. wirklich für längere od. kürzere Zeit der Schuldner (Staat od. Bank) die Einlösung desselben verweigert (vgl. Papiergeld). Andere Creditpapiere, welche aber nicht im kaufmännischen Verkehr circuliren, sondern nur an der Börse (s.d.) umgesetzt werden, sind die Staatspapiere (s.d.), Pfandbriefe u. Actien (s.d.) ...
B) Öffenlicher od. Staatscredit. Ähnlich wie mit dem Privatcredit verhältes sich mit dem öffentlichen od. Staatscredit. Ist ein Staat genöthigt, Schulden zu machen, umgegenwärtige Ausgaben[510] dadurch, daß er zukünftige Einnahmen vorweg nimmt, zu decken, so geschieht dies in neuerer Zeit gewöhnlich auf dem Wege der Anleihe (s. Staatsanleihen). Der Procentsatz richtet sich dabei lediglich nach der Größe des Vertrauens, welches die Creditgeber auf den guten Willen u. die Fähigkeit des Staates setzen, die von ihm eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Man hat dabei aber wohl zu unterscheiden, ob die Anleihen zu productiven Unternehmungen, als Eisenbahnen, Kanalbauten, Telegraphenlinien u. dergl., contrahirt werden; od. ob sie zur Deckung von Kriegsbedürfnissen dienen, also der Productivität entbehren. Nur im letzteren Falle ist der Staat als Staat Creditnehmer, im ersteren beansprucht er einen Privatcredit, wie jede Handelsgesellschaft, u. gewährt wie diese für das Capital die Garantie in der productiven Anlage desselben. Von allen Grundlagen, auf denen der Privatcredit basirt ist, fehlt dem Staatscredit eine sehr wesentliche, nämlich die Möglichkeit, Zwangsmittel gegen den übelwollenden Schuldner anzuwenden. Es fällt also das Vertrauen auf den guten Willen des Schuldners bei dem Staate um so viel schwerer ins Gewicht, als jener Rückhalt fehlt, u. der Staat, welcher einmal dies Vertrauen getäuscht hat, wird große Anstrengungen machen müssen, um den verlorenen C. wieder aufzurichten. In zweiter Linie steht das Vertrauen auf die Fähigkeit des Staates, seinen Verpflichtungen nachzukommen; dies richtet sich nach der Verwaltung des Staatshaushaltes, nach der Steuerfähigkeit seiner Angehörigen, nach der Festigkeit seiner politischen Einrichtungen u. nach der Möglichkeit, über die Finanzlage desselben zuverlässige Auskunft zu erhalten. Aus diesem Grunde ist im Allgemeinen der C. jener Staaten höher, deren Regierungen von der öffentlichen Meinung, von der Presse u. der Volksvertretung controlirt werden. Der C. der einzelnen Staaten ist ein sehr verschiedener, u. auch zu verschiedenen Zeiten hat ein u. derselbe Staat, je nach seiner politischen u. finanziellen Lage, für Anleihen sehr verschiedene Procente zugestehen müssen. Zwar pflegt man die Höhe dieser Procente dadurch zu vertuschen, daß man nominell nur einen geringen Zinsfuß zugesteht, aber indem der Staat für seine Schuldverschreibungen von 100 Wertheinheiten eine oft viel niedrigere Summe von den Übernehmern der Anleihe empfängt, zahlt er factisch einen höheren Zins. So mußte die französische Regierung 1816 für ihre Anleihe 83/4 Procent gewähren, indem sie für 100 Frcs. 5 Proc. Rente nur 57,40 empfing. Im Jahre 1821 hatte sich ihr C. so gehoben, daß sie nur noch 5,81 Proc. zu geben brauchte, ja 1830, vor der Julirevolution, konnte sie die 4 Proc. Rente zu 102,70 machen, gab also nur 3,92 Proc. Der Curs der Staatspapiere gewährt den Maßstab für den C. des Staates u. für die Höhe der Procente, die er im Fall einer neuen Anleihe zugestehen muß. Man sollte nun glauben, daß mit dem Wachsthum der Schuldenlast sich auch der C. des Staates vermindern müsse, weil die Möglichkeit der Rückzahlung eine geringere wird; dies ist indeß keineswegs der Fall, es fragt sich vielmehr lediglich, ob die Angehörigen des Staates, vermöge ihres Wohlstandes fähig sind, die durch neue Anleihen bedingte Vermehrung der Steuern zu ertragen. Noch unterscheidet sich der Staatscredit vom Privatcredit dadurch, daß er in der Regel auf eine geraume, ja auf ewige Zeit gewährt wird, auch von dem Creditgeber nicht einseitig zurückgezogen werden kann u. nur zum geringsten Theil zurückgezogen wird, wenn der Staat bei den sogenannten Conversionen seinen Gläubigern das Recht der Rückforderung zugesteht. Der Staat bietet dem Capitalisten, welcher ihm Gelder leiht, eine sichere Rente u. überhebt ihn der Mühe für die Placirung seiner Capitale zu sorgen; während beim Privatcredit der Gläubiger leicht in den Fall kommt, für eine neue Verwendung seiner Baarmittel sich zu bemühen, wenn der Schuldner dieselben zurückzahlt. Die Capitalanlage in Staatspapieren ist daher in vielen Fällen wünschenswerther, abgesehen davon, daß eine Verwandlung derselben in baares Geld leicht durch den Verkauf an der Börse realisirt werden kann. Daher concurrirt der Staatscredit stets mit dem Privatcredit u. zwar in einer für diesen u. damit für das wirthschaftliche Gedeihen des Volkes nachtheiligen Weise; denn indem den Privaten das Capital entzogen wird, welches der Staat in Anspruch nimmt, wird der Unternehmungsgeist beschränkt, die Productivität gehemmt u. damit der Aufschwung des nationalen Wohlstandes niedergehalten. Es ist dabei ziemlich gleichbedeutend, ob der Staat im Inlande od. im Auslande C. sucht, denn durch den internationalen Verkehr findet rasch eine Ausgleichung statt, wenn auch für den Augenblick der Privatindustrie des Inlandes keine Capitalien entzogen werden.
C) Geschichte. Im frühesten Alterthume u. überhaupt da, wo nur Tauschhandel bestand, kommt der C. nicht vor. Erst mit der Entstehung u. Anhäufung des Capitals in einzelnen Händen u. mit der Festsetzung gesetzlicher Bestimmungen für den Handel in einzelnen Staaten, anderntheils mit der Ausbreitung des Handels u. der Ordnung der internationalen Verhältnisse bildete u. erweiterte sich auch das Creditwesen. In Griechenland war z.B. der C. gering, doch besaßen ihn große Handelshäuser in allen griechischen Staaten u. konnten Geld auf ihre Namen aufnehmen; dagegen waren wieder einzelne Staaten u. Städte, wie z.B. die Bewohner der Stadt Phaselis in Pamphylien, als unzuverlässig verrufen u. bekamen keinen C. Fehlendes Vertrauen ersetzte in Athen die Bürgschaft, die gesetzlich auf 1 Jahr gültig war. Dem C. waren in Athen die Schuldgesetze nicht förderlich, deren Strenge gegen den Creditnehmer sich auf die Meinung gründete, daß der Handel von den Creditgebern ausgehe, ohne welche kein Fahrzeug, kein Schiffer, kein Reisender abgehen könne, nicht aber von dem Borgenden. Bei den Römern spielte der C. im Handelsverkehr eine sehr untergeordnete Rolle u. hatte fast lediglich locale Bedeutung. Strenge Schuldgesetze hinderten das Creditnehmen, u. das Ausleihen von Geldern gegen Zins galt für ein so verächtliches Geschäft, daß der Diebstahl dagegen weniger sträflich geachtet wurde. Auch das Mittelalter kannte einen nur localen C., welcher theils persönlicher Natur, theils gegen Bürgschaft od. Faustpfand gewährt wurde. Erst als gegen Ende des Mittelalters die Schifffahrt der seemächtigen Republiken Italiens, der Niederländer u. der deutschen Hansa den Handel zur Blüthe brachten, indem der Waarenaustausch auch entfernter Länder dadurch erleichtert wurde, stellte sich allmälig die Nothwendigkeit des Creditgebens ein. Der Schutz, den die Städte genossen, die strengere Handhabung der Landesgesetze u. humanere [511] Grundsätze in Bezug auf das Schuldenwesen förderten die Erweiterung des kaufmännischen C-s. Als das Metallgeld nicht mehr zur Vermittelung der Geschäfte ausreichte, auch wegen der Übelstände, welche durch den Mißbrauch des Münzrechtes von Zeit zu Zeit entstanden, namentlich im internationalen Verkehr als Umlaufsmittel keinen ausreichenden Dienst thun wollte, wurden die Creditpapiere u. zwar zunächst der Wechsel als Stellvertreter des Geldes erfunden. Zugleich bildete sich eine eigene Klasse von Geschäftsleuten aus, welche sich lediglich damit befaßten, gegen eine bestimmte Vergütung demjenigen C. zu gewähren, der desselben zum Betriebe seines Geschäftes bedürftig war u. in seiner Person od. durch Faustpfänder die nöthigen Garantien bot. Als die Capitale der einzelnen Creditgeber nicht mehr zur Befriedigung des Bedürfnisses ausreichten, traten mehrere derselben zur gemeinsamen Tragung des Risicos zusammen, u. es entstanden auf solche Weise die Lombardbanken zu Unterstützung des Mobiliarcredits u. die Hypothekenbanken zur Unterstützung des Bodencredits. Mit dem Bankwesen entwickelte u. erweiterte sich auch der C. (s. Bank.). Das umlaufende Capital vermehrte sich durch die Schöpfung neuer Creditpapiere, der Banknoten u. des Staatspapiergeldes. Der Staat, wenn er auch schon gegen Ende des Mittelalters als Creditnehmer erscheint (die älteste Rente Frankreichs wurde 1375 von Karl V. gegründet), benutzte erst im 17. u. 18. Jahrh. seinen C. in ausgedehnterer Weise, um Schulden zu contrahiren. Bei den alten Völkern half sich der Staat in finanziellen Verlegenheiten durch Gewaltmaßregeln, indem er in Feindes Land od. auch die eigenen Angehörigen brandschatzte. Diesen Brauch kannte auch das frühe Mittelalter, später erscheinen die Fürsten oft als persönliche Schuldner von Creditgebern, ohne daß diese einen Regreß an den Staat selbst hatten. Die modernen Staaten fanden ein Auskunftsmittel darin, daß sie bei gegenwärtigem Geldbedürfniß Anweisungen auf zukünftige Einnahmen (Schatzscheine, Tresorscheine, Exequer bills, Bons du trésor) ausstellten, welche, sobald der Betrag fällig geworden war, mit Zinsvergütung angenommen wurden. Später wurde das unverzinsliche Papiergeld creirt. Der Aufschwung, welchen die Industrie in Folge der großartigen Erfindungen des 19. Jahrh. nahm, erheischte abermals eine Erweiterung des C-s, denn nur durch diesen wurde dem Talente die Möglichkeitgewährt, bei mangelndem Capitale Entdeckungen auf dem Gebiete der Technik zu nutzen u. seine Arbeitskraft productiv zu machen. Der Capitalist aber gewann, indem er der industriellen Thätigkeit seine disponiblen Fonds zuwandte, einen höheren Zins als bei der Veranlagung derselben in Hypotheken od. Staatspapieren. Je leichter indeß das Capital den industriellen Unternehmungen zuströmte, um so größer mußte der Anreiz zur Speculation werden, bis endlich die Production an verschiedenen Stellen u. in verschiedenen Industriezweigen eine Höhe erreichte, die dem Bedürfniß der Consumenten nicht mehr entsprach. Zugleich wurden von den Creditnehmern immer größere Summen an gewagte Speculationen gesetzt, welche beim Fehlschlagen den Creditgeber um sein Capital brachten. So führte die allzugroße Ausdehnung des persönlichen C-s im Laufe der Zeit mehrere Male zu zahlreichen Bankerotten, indem bei der engen Verbindung, welche der Wechsel zwischen den einzelnen Handeltreibenden begründet, der Sturz eines Speculanten eine ganze Reihe anderer nach sich zog. Dieser Ausartung des Handels in schwindelhafte Speculationsgeschäfte, welche in keinem Verhältnisse zu dem Capitale stehen, auf welches der C. schließlich basirt ist, wurde in neuester Zeit namentlich in Amerika durch die sich ungemein rasch vermehrenden Creditanstalten ein großer Vorschub geleistet. Schon 1838 brach deshalb in den Vereinigten Staaten eine förmliche Creditkrisis aus, deren Wirkungen auch in Europa an den größeren Exportplätzen verspürt wurden. Das allmälige Verschwinden des C-s kündigte sich auf der Börse durch Erhöhung des Disconto an, diese Erhöhung selbst war wieder eine Folge der Verminderung des Capitals auf dem Geldmarkte u. der dadurch gesteigerten Nachfrage nach baarem Gelde. Solche drohenden Anzeichen treten mitunter früh genug ein, um den Unternehmungsgeist zurückzuschrecken, so daß der C. sich nach einiger Zeit wieder erholen kann, wenn die Furcht vor Verlusten in größerem Umfange verschwunden ist; ist dies nicht der Fall, so endigt der Zustand mit völliger Creditlosigkeit, wie dies 1857 zuerst abermals in den Haupthandelsplätzen Amerikas, dann als Folge davon auch in Hamburg u. Kopenhagen der Fall war, nachdem Schottland u. England nur mit großen Anstrengungen den C. aufrecht erhalten hatten. Als die Erschütterung vorüber war, welche gewaltsam in die Vermögensverhältnisse der Creditgeber eingriff u. die unsoliden Glieder aus der Kette des Weltverkehrs ausschied, die Creditnehmer aber zu der Vorsicht mahnte, ihrem C. keine größeren Dimensionen zu geben, als es ihr Geschäftsfond gestattete, kehrte der C. nach u. nach u. verhältnißmäßig sehr rasch wieder zurück. Der Disconto, welcher Mitte December 1857 an den wichtigsten europäischen Börsen auf 910 Procent gestiegen war, sank daher bis Mitte Januar 1858 aus die normale Höhe von 43 Procent herab Die Staatsregierungen haben zu wiederholten Malen bei dem Ausbruche von Creditkrisen, namentlich wenn sie die Existenz der größeren u. privilegirten Creditanstalten bedrohten, zu exceptionellen Maßregeln ihre Zuflucht genommen. Dahin gehören die General- u. Specialmoratorien, welche die Zahlungsverbindlichkeit des ganzen Handelsstandes od. einzelner Handelshäuser für einen bestimmten Zeitraum suspendiren, die Aufhebung einzelner gesetzlicher Bestimmungen zu Gunsten der Schuldner, die Ausdehnung der Befugnisse von Banken zur Notenausgabe, die Vermehrung des Staatspapiergeldes u. desgl. Noch im Jahre 1857 ging die Stadt Lübeck so weit, den §. 29 der deutschen Wechselordnung einseitig außer Kraft zu setzen. Alle diese Operationen haben sich theils als unzulänglich erwiesen, theils verletzen sie die Interessen der Einen um den Vortheil der Anderen zu wahren, ja sie machen den Schutzder Gesetze, auf welchen der C zum Theil basirt ist, illusorisch u. geben Veranlassung zu einer leichteren Wiederkehr der Calamität, indem sie die Furcht vor den Folgen leichtsinniger Speculation vermindern. Einen Entschuldigungsgrund finden derartige Maßregeln, wenn die Erschütterung des C-s nicht dem Handelsstande selbst, sondern äußeren Umständen, wie Krieg, Mißwachs u. dergl. zur Last fällt; aber sie verletzen das[512] Rechtsbewußtsein aufs Empfindlichste, wenn sie die Folgen der Überspeculation u. des Hazardspieles an der Börse abwenden sollen. Zwar wird auch mancher vorsichtige Geschäftsmann ohne Schuld in das allgemeine Verderben hineingezogen, aber es ist jedenfalls besser ihn fallen zu lassen, als die Gesetze anzutasten, damit in Zukunft dem C. die solide Grundlage erhalten bleibe. Auch finden sich noch andere Hülfsmittel, um die unverschuldet von der Krisis bedrohten Handlungshäuser zu stützen, wie dies 1857 in Hamburg durch die österreichische Anleihe u. die Herbeiziehung fremder Capitalien ermöglicht werden konnte. Vgl. Nebenius, Der öffentliche C. etc., 2. Aufl., Karlsr. 1829; Desforges, Nouveau mode de crédit public et privé etc., Antw. 1929; Szeeheni, Über den C., aus dem Ungarischen, Lpz. 1830; Dessewffy, Zergliederung des Werkes: Über den C., aus dem Ungarischen, Kaschau 1831; Ziehl, Unsere Creditverhältnisse u. die Creirung neuer Circulationsmittel, Aachen 1850; Bülow-Cummerow, Über die gegenwärtige allgemeine Creditlosigkeit u. über die Mittel sie gründlich zu beseitigen, ebd. 1850; Einige Worte an Herrn Bülow-Cummerow über seine neueste Broschüre, ebd. 1850; Cieskowski, Du crédit et de la circulation, 2. Ausg. Par. 1847; Horn, Das Creditwesen in Frankreich, 2. A. Lpz. 1857; Bodmer, Die Wirkungen der Creditpapiere, ebd. 1853.
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