Kohle

1. Alte (verleschte) Kolen soll man nicht wieder auffblasen.Petri, II, 12.


2. An einer Kohle kann man sich wol verbrennen, aber nicht wärmen.


3. An glammen Kööl as egh so gut to midin üs an Flam. (Nordfries.) – Lappenkorb; Firmenich, III, 3, 27.

Eine glimmende Kohle ist nicht so gut zu meiden als eine Flamme.


4. Auff heissen Kolen ist böss still sitzen.Lehmann, 829, 10.

Holl.: Op gloeijende kolen is het kwaad stil staan. (Harrebomée, I, 430a.)


5. Bei grossem (vielem) Kohl(en) wärmt man sich wohl.Petri, II, 44.


6. Bei grossen Haufen Kohlen wärmt man sich bass, wenn man nicht hineinfällt.Eiselein, 387.


7. Besser eine Kohle als gar kein Feuer.Sprichwörtergarten, 466.


8. Blase subtil in die Kohlen, sonst fliegen dir die Funken ins Angesicht.Eiselein, 196.

Lat.: Per ignem incedis. (Eiselein, 196.)


9. Brauchst du Kohlen, musst sie aus der Asche holen.Wenzig, 79.


[1457] 10. Die Kohle ist nie so ausgelöscht, wenn man sie zum Feuer bringt, sie glimmt wieder.

Frz.: Le charbon n'est jamais si bien éteint, qu'en l'approchant du feu il ne se rallume. (Kritzinger, 124.)


11. Die Kohle wird durch Russ nicht schwärzer.Reinsberg IV, 45.


12. E jêder zecht Kilen za seinjer Fan.Schuster, 963.


13. Ein glüender Kol1 zündet den andern an. Petri, II, 191; Henisch, 1669, 5; Lehmann, 925, 30.

1) Das Wort Kohle erscheint althochdeutsch als schwaches Masculinum: cholo, und als starkes Neutrum: chol, ebenso noch mittellhochdeutsch. Auch neuhochdeutsch kommt es anfangs und landschaftlich jetzt noch in dieser doppelten. Form vor. So heisst es noch: ein brinnender kole, glüender kole, brenniger kol, geleschter kol; und jetzt noch alemannisch im Bregenzerwalde, mittelrheinisch, in aachener Mundart. (Kehrein, 239; Grimm, V, 1582.)

Böhm.: Jeden se řeřavý uhel od druhého hřeje. – Uhel živý, přiložený k jíným, i mrtvé obživuje. (Čelakovsky, 130.)

Dän.: Et gloende kull tænder et andet op. (Prov. dan., 91.)


14. Ein lebend Kol zündt die todte Kol neben sich an.Lehmann, 150, 160.


15. Ein lebendig kohl zündet die andern an. Lehmann, 466, 83; Sailer, 171.

Leben weckt Leben, ein Gedanke erregt den andern, eine Leidenschaft die andere. Auch russisch Altmann VI, 481. So kann auch ein gutes Gemüth durch böse Gesellschaft verderbt werden. Auch die Macht der Liebe! (Vgl. Neumeister, Worte der Weisen.)

Frz.: Qui plaisir fait, plaisir attend.


16. Ein Todter Kolen brend niemand.Petri, II, 229.


17. Eine Kohle allein erlischt bald.


18. Eine Kohle, die nicht zur Zeit brennt, brennt nimmer.

Wenn der rechte Augenblick versäumt ist, ist alles Thun nutzlos.

19. Eine Kohle glüht auch oft unter grauer Asche.

Auch das Alter selbst ist nicht frei von Leidenschaften.


20. Eine Kohle maust besser als zehn Katzen.


21. Eine Kole neben der andern wird angeglemmet.Herberger, Herzpostille, I, 422.


22. Geleschte Kohlen werden im Fewer wieder glutig.Lehmann, 62, 10.


23. Gemach in die Kohlen geblasen, so fährt dir keine Asche in die Nasen.Eiselein, 387; Simrock, 5809; Körte, 3470; Braun, I, 1927.


24. Glüende Kohlen muss man mit der Zang auss der Ess nemen, nicht mit der Hand.Lehmann, 936, 30.

Span.: Sacar el ascua con mano agena. (Bohn I, 255.)


25. Jeder scharrt die Kohlen um seinen Topf.

Böhm.: Každy hrabe uhlí ke svým vejcim. (Čelakovsky, 57.)

Holl.: Elk schrapt de kolen naar zijne koeken. (Harrebomée, I, 430a.)


26. Kalte Kohle gibt kein Feuer.Bertram, 44.


27. Kohle und Kreide sind oft Nachbarn.

»Böse bei Guten thut Gott leiden, wir finden Kohlen bei weisser Kreiden, Werch und Bast bei linder Seiden, Feigenbaum bei bittrer Weiden


28. Kohlen, die glühen, pflegen zu sprühen.

Ein bewegtes Herz bricht leicht in Worte aus.

Engl.: Glowing coals sparkle oft. (Bohn II, 80.)


29. Kohlen muss man aus der Asche holen.


30. Kohlen sind des Köhlers Reichthum.


31. Lebendige Kohle zündet erloschene an.Eiselin, 387.


32. Man muss die glühenden Kohlen nicht von seinem Herde in Nachbars Scheuer werfen.


33. Man muss die Kohlen brennen, wie die Grube sie gibt.Altmann VI, 485.


34. Man muss gemach in die Kohlen blasen, sonst fahren die Funken ins Angesicht.Lehmann, 69, 18.


35. Man muss nicht Kohlen in den Pelz setzen.

Lat.: Ignis non extinguitur igni. (Binder I, 689; II, 1368; Buchler, 157; Philippi I, 186.)

36. Man muss seine Kohlen im Sommer kaufen.

It.: Nè carbone nè legna comprarai quando gela. (Pazzaglia, 60, 8.)


37. Man muss sich nicht an fremden Kohlen die Finger verbrennen.

Die Engländer: Verbrenne dir nicht deine Lippen mit anderer Leute Brühe (oder an einer fremden Suppe). (Reinsberg IV, 59.)


[1458] 38. Ohne Kohle und Kreide kommt ein Maler nicht weit.

Dän.: Kull og kridt giøi maleren riig. (Prov. dan., 409.)


39. So Kohlen bleiben am Hafen hangen, wird ein Regen bald anfangen.Fischart, Prakt., in Kloster, VIII, 647; Körte, 3471; Braun, I, 1919; Boebel, 109.


40. Verborgene Kohlen sind die gefährlichsten.

Die Venetier: Versteckte Glut durchlöchert die Schürze. Die Bergamasken: Die stillen (stummen) Feilen arbeiten am besten. (Reinsberg III, 14.)


41. Verbrenne dich nicht an fremden Kohlen. Lohrengel, I, 665.


42. Viel Kohlen beisammen erhalten das Feuer am besten.

Dän.: Mange ghøder tilsammen holder ilden best ved lige. (Prov. dan., 243.)


43. Wäm d'r Kohl om Fôss lit, dä schöddelt enn. (Düren.) – Firmenich, I, 482, 16.


44. Weil die Kolen riechen, bleibt die Köchin beim Pfaffen.Petri, II, 616.


45. Wenn die einen Kohlen nagen, finden die andern am Kuchen Behagen. (Böhm.)


46. Wenn die Kohle nicht brennt, so schwärzt sie doch.

Ein ähnliche Wirkung hat die Rede des Verleumders.


47. Wer auff heissen kohlen sitzt, der kan nit ruhig seyn.Lehmann, 81, 48.


48. Wer brennend Kohlen in Geren (Lacinia vestis) leit und Schlangen in seinem Busen treit und in seiner Tasche zeucht eine Maus, solch Gäste lant wenig Nutzen im Haus.Petri, II, 688; Henisch, 570, 12.

Lat.: Quisquis habet cattum, lacerumque foramine saccum et corvum, et mures, certos habet hic sibi fures.

49. Wer Kohlen auf dem Kopfe hat, dem wackeln auch die Füsse.


50. Wer Kolen auss einem fewrigen Ofen nimpt, der verbrennt sich.Petri, II, 705.


51. Wer mit Kohlen umgeht, macht sich schwarz.

Holl.: Wie gaat er met kolen om, wiens handen niet zwart worden? (Harrebomée, I, 430.)


52. Wer mit kolen vmbgehet, der beschmutzt leichtlich die Hende.Henisch, 226, 39.

Die Russen: Wer Kohlen brennt, hat russige Hände. (Altmann VI, 400.)


53. Wer sich bey viel kolen wermet, der erwermet sich baldt.Geiler, Nsch., 18.

Viel Aemter machen bald reich.


54. Wer sich mit Kohlen wäscht, weisser wird er nicht.


55. Wie solt jemand auff Kolen gehen, dass seine Füsse nicht verbrennt werden.Petri, II, 792.


56. Wo eine Kohle glimmt, kann oft ein kleiner Wind Feuer blasen.


57. Wo es an Kohlen fehlt, geht das Feuer aus.

Ennl.: Where no fewel is, the fire goes out. (Gaal, 1100.)


*58. Auf glühenden Kohlen sitzen (stehen). Lohrengel, II, 31.

In grösster Unruhe, in Verlegenheit sein.

Frz.: Avoir les pieds sur la braise. ( Starschedel, 490.)

Holl.: Hij zit op gloeijende (heete) kolen. (Harrebomée, I, 430a.)


*59. Aus Kohlen Kreide machen.


*60. Die Kohle liegt ihm auf dem Fusse.

Es drängt ihn, er kann nicht anders, er wird von gebieterischen Umständen getrieben.


*61. Die Kohlen vom Schmiede kaufen.

Das Korn vom Bäcker, die Wurst vom Hunde. (S. Fleisch 168 und Hafer 44.)


*62. Einem etwas auf die Kohlen werfen.Melander, Jocos., I, 168.


*63. Einem feurige Kohlen aufs Haupt sammeln.Röm. 12, 20; Büchmann, 164.

Seinen Feind durch Grossmuth und Wohlthaten beschämen. (Vgl. Grimm, V, 1584, 6a.)

Frz.: Amaaser les charbons ardens sur la tête de l'ennemi. (Starschedel, 419; Kritzinger, 124.)

Lat.: Bene factis pensare delicta. (Faselius, 31.)


*64. Einen durch die Kohlen ziehen.

Ihm grosse Schmerzen zufügen, ihn martern. Scheint an eine Straf- oder Torturform zu erinnern. (Vgl. Grimm, Rechtsalt., 700.) »Wen er (Gott) lieb hat, den straft er auch uud zeucht ihn durch die Kohlen.« (Guistl. Lied von Ringwald.)


[1459] *65. Er hat Kohlen unter den Füssen.

Frz.: Il a des oeufs de fourmi sous les piés. (Kritzinger, 330.)


*66. Er kann eher eine glühende Kohle im Munde behalten.


*67. Er sieht keine Kohle in einer Schüssel Milch.

Holl.: Hij zou geene kool zien in eenen schotel melk. – Hij zou geene raaf merken in eenen emmer melk. (Harrebomée, I, 430.)


*68. Es sind taube Kohlen.

Holl.: Het komt op doove kolen uit. (Harrebomée, I, 430a.)


*69. Für einen in die Kohlen schlagen.

»Hab ich manchmal für ihn in die Kohlen geschlagen so ist mir's auch darnach bekommen.« (Zelter an Goethe, 489.)


*70. Ich dechte, a wär' schund durch de Kohlen geruckt wurden. (Schles.) – Frommann, III, 410, 377.


*71. Kohlen bleichen (waschen).


*72. Kohlen einlegen.

Ein Feuer schüren.


*73. Sich mit kolen weiss machen (waschen). Franck, II, 13b; Lehmann, 181, 6.

Verkehrtes Mittel zum Zweck. »Wann ein vnflat sich mit dem andern wil schön machen, das ers die Eua zeicht vnd sich mit jrem Dreck wil waschen vnd reyn machen. Also sagen wir auch: thut es doch der vnd dieser; d.h. den ars mit heffen wischen, sich mit eins andern dreck wöllen waschen, wischen vud schön machen. Lutum luto pugare.«

Lat.: Ebur atramento candide facere. (Segbold, 143.)


*74. Sie finden kolen fürn Schatz.Nas, 379a.


*75. Sie hat Kohlen im Gewissen.

Hält sie Ausguck, ob ich komme? Hat sie Kohlen im Gewissen? (Jos. Rank, Dorfbrutus, II, 151.)

*76. Unsere Kohlen stinken nicht.Winckler, XIX, 63.


*77. Wie auf Kohlen sitzen (stehen).Frischbier, 408; Frischbier2, 2096; Hennig, 130.

Von höchster Ungeduld, in der man ruhig aushalten muss. »Ich habe hier gestanden wie auf Kohlen.« (Lessing, I, 595.) Ik sitt ass upp Kaoln, sagt man, wenn man irgendwo warten muss, während man an einem andern Orte nöthig ist und erwartet wird. (Danneil, 96.)


[Zusätze und Ergänzungen]

78. A Kojl (Kohle) is e muhl schwarz ün e muhl roth. (Jüd.-deutsch. Warschau.)

Von Leuten, deren Charakter sehr wandelbar ist.


79. Der muss gute Kohlen haben, der den Teufel will schwarz machen.Luther's Werke, I, 91a.


*80. Ich will keine Kohlen tragen.

Diese Redensart kommt in Shakespeare's Romeo und Julia vor. Ueber ihren Sinn gehen die Erklärungen vielfach auseinander.


*81. In die Kohlen schlagen.

Eine Sache durch erfolglose Mittel bekämpfen. »Alle Gegner einer geistreichen Sache schlagen nur in die Kohlen; diese springen umher und zünden da, wo sie sonst nicht gewirkt hätten.« (Goethe's Sprüche in Prosa, S. 114.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 2. Leipzig 1870.
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