1. Dat loa 'k luien, sach de Köster, doa was 'me sin Wyf afstuoarwen. (Hemer in der Grafschaft Mark.) – Frommann, III, 6.
Der Ton liegt auf lasse. Diesmal lasse ich läuten, ich läute nicht selbst.
2. Es ist zu spät geläutet, wenn die Kirchkinder da sind.
Frz.: L'on a beau battre leg cloches devant que les paroisiens soient venus. (Leroux, I, 5.)
3. Es lautet so lang, bis es endlich Kirmes wird. – Riehl, Novellen, 220.
4. Es lüt und schlot de Herre-n in Roth, de Bûre-n is Koth, de Buebe-n i d' Schuel, de Meitlene uf de Spinnstuel. – Sutermeister, 117.
5. Lang' Läuten bricht den Donner (Wind). – Eiselein, 413; Simrock, 6243; Körte, 3722.
Alter Aberglaube, der schon manch Unglück herbeigeführt, hat, da das Läuten eher den Blitz anzieht als abwendet. Fischart wendet es in dem Sinne an, wie: Ein kleiner Regen mag ein grossen Wind legen. (Kloster, VIII, 178.)
6. Langes Läuten, langer Flachs.
Dies Sprichwort bezieht sich auf die in einzelnen Gegenden Norddeutschlands bestehende (oder bestandene?) Sitte des Flachsläutens. Wenn am Sonnabend nach dem Charfreitage der Küster gegen Abend dem Glockenthurme zugeht, um das Osterfest einzuläuten, so schliessen sich ihm junge Burschen und heirathsfähige Mädchen des Dorfs an, die ihm dabei helfen wollen; denn es herrscht der feste Glaube unter ihnen, dass von dem Läuten der Glocke in dieser Stunde das Gedeihen des Flachses abhängt. Langes Läuten, langer Flachs, meint der Volksglaube. Und für die meisten der Burschen und Mädchen, die mit auf den Thurm steigen, hat das Gedeihen des Flachses eine besondere Wichtigkeit. Sie sind miteinander versprochen und wollen im Spätherbst ihren eigenen Herd gründen, der sehr dürftig sein würde, wenn die Flachsernte keine gute wäre. Denn die junge Frau wird dann zur Zauberin; sie spinnt Zucker und Kaffee, Fleisch und Oel und für den Sonntag Weissbrot aus dem Flachs. Deshalb ist auch die Schar, die dem Läuter folgt, so ungeduldig; der längste und feinste Flachs liegt in ihrer Hand. Nachdem der Läuter die Glocken in Schwung gebracht hat, nehmen die Burschen den Glockenstrang in die Hand und ziehen, dass der ganze alte Thurm wackelt. Das muss einen Flachs geben, den man mit der Elle misst. Ist die Glocke auch erst durch das Christenthum in Gebrauch gekommen (und zwar hörte man das Glockenläuten zuerst im 7. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung), so weist die Sitte des Flachsläutens doch deutlich auf die heidnische Zeit und den Göttercultus unserer Vorfahren zurück. Heidnische Gebräuche und christlicher Cultus sind ja bei vielen Sitten innig durchwachsen. Der alten heidnischen Göttin Ostara. oder Freya zu Ehren wurde das Osterfest oder die Osterzeit gefeiert und unter ihrer besondern Obhut, unter ihrem Schutze stand der Flachs, die Spindel und der häusliche wie eheliche Segen. An sie als ihre Schutzgöttin wandten sich die Liebenden und erkauften sich ihre Gunst durch die Opfergaben, die ihr wohlgefällig waren. Auf welche Weise sich das Läuten der Glocken am Vorabend des Osterfestes mit diesem Cultus verbunden hat, ist zur Zeit noch unbekannt. Wegen des häufig dabei vorkommenden Unfugs, wie der zersprungenen Glocken u.s.w., ist das Flachsläuten von der Polizei an vielen Orten verboten. Ob es jetzt überhaupt und an welchen Orten es noch vorkommt, ist mir nicht bekannt. (Vgl. darüber Das Flachsläuten in Norddeutschland in Frank Leslie's Illustrirter Zeitung, Neuyork vom 23. Mai 1863, S. 242.)
7. Man kann nicht läuten ohne Glocke.
Die Russen: Wer da läuten will und hat die Glocke nicht, muss wenigstens eine Schelle haben. (Altmann VI, 489.)
8. Man kann nicht zugleich läuten und das Kreuz tragen. – Winckler, VII, 95.
Nicht zwei unvereinbare Geschäfte zugleich besorgen.
Frz.: On ne peut pas carillonner et aller en procession. (Cahier, 276.)
9. Man leutet so lang die mess (oder: Fasten) ein, biss sie kompt. – Franck, I, 154b; Lehmann, II, 402, 25.
[1832] 10. Man muss nicht läuten, wenn man die Glocken nicht hören kann (will). – Reinsberg III, 99.
11. Man soll nicht leuten, eh es donnert. – Petri, II, 468.
Und wenn es donnert, also das Gewitter in der Nähe ist, erst recht nicht.
Frz.: Il ne faut pas clocher devant leg boiteux. (Cahier, 391.)
12. Mancher hört wol läuten, aber nicht zusammenschlagen. – Petri, II, 450.
13. Me cha nit lüten und umgoh. (Solothurn.) – Schild, 66, 111.
Man kann nicht gleichzeitig zwei verschiedene Geschäfte besorgen wie Läuten und in Procession um die Kirche gehen. Sutermeister (144) fügt noch folgende verwandte Redensarten bei: Me ka nid trösche and Holz spalte. Me ka nid i sibe Häfe koche und de Kriesine hüete.
14. Men lüt erst, wenn et dondert. – Schambach, II, 161.
Man läutet erst, wenn es donnert. Man trifft nicht eher Massregeln, einem Uebel abzuhelfen, bis es aufs höchste gestiegen ist. Von dem Volksglauben und der auf demselben ruhenden Sitte, bei schweren Gewittern die Glocken zu läuten, um dessen Kraft zu brechen; worauf sich ein Theil der Inschrift der grossen, 1486 gegossenen Glocke zu Schaffhausen bezieht: Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango.
15. 'S hat em 's angere g'lüte, 's lütet em gly z'sume. (Solothurn.) – Schild, 88, 34.
Es geht mit seinen Vermögensverhältnissen oder seinem Leben zu Ende. Es hat schon zum andernmal geläutet, es läutet bald zusammen.
16. Wo geläutet wird, da sind auch Glocken.
(S. ⇒ Gerücht 19 und ⇒ Kuh 176.) – Bücking, 163; Körte, 2202.
*17. Er hat hören läuten, aber nicht zusammenschlagen. – Eiselein, 413; Ramann, Unterr., V, 9; Simrock, 6242; Braun, I, 2184.
Die Sache nur obenhin, nicht gründlich gehört oder zwar gehört, aber nicht verstanden haben. In Schlesien: A hat wull hieren loithen, ock nich zusammen schlon. (Gomolcke, 56; Robinson, 67; Frommann, III, 246, 160.) »Sollen sie (z.B. Schüler, die den Unterricht schlecht benutzen) über etwas ihre Gedanken eröffnen, so will es nicht fort, denn sie haben wol hören läuten aber nicht zusammenschlagen.« (Keller, 161d.)
*18. Er hat läuten hören, weiss aber nicht wo (in welchem Dorfe, in welcher Kirche). – Mayer, II, 187; Eiselein, 413.
Frz.: Il a oui braire une vache et il ne sait où. (Masson, 225.) – Vous prenés panier pour corbeille. (Kritzinger, 204b.)
Lat.: Audiunt, sed non intelligent. – Sus tubam audivit. (Eiselein, 413.) – Numeros memini, si verba tenerem. (Virgil.)
Poln.: Słyszy dzwonić, ale nie wié w którym kościele. (Lompa, 30; Masson, 325.)
Schwed.: Han haar fulle hördt klockan, men weet icke hwar hon hänger. (Grubb, 1343.)
*19. Er hat läuten hören, weiss aber nicht, wo die Glocken hängen. – Simrock, 6241; Körte, 2203; Lohrengel, II, 371; Braun, I, 2185.
Er weiss etwas, aber nicht genau, nicht den Grund der Sache.
*20. Er hört läuten, sieht aber nicht (an)schlagen.
Er weiss nicht, wie spät es ist; seine Kenntniss von der betreffenden Sache ist sehr ungenau.
*21. Er läutet keine gute Glocke.
*22. Er läutet mit der Schweinskeule. (Holst.)
Der Grobe.
*23. Er will zugleich läuten und zur Procession gehen.
*24. He hett lüden hört un wêt nig, wo de Klok hangt. (Holst.) – Schütze, III, 66; für Kleve: Firmenich, I, 381, 3; für Steiermark: Firmenich, II, 767, 69; für Rastede: Firmenich, III, 26, 6; für Waldeck: Curtze, 359.
*25. He lüt met der Schwîneglocken. (Lippe.)
Sagt Grobheiten, reisst Zoten.
*26. Hei heft wat lüdde gehört, wêt awer nich ön welk Kärch (oder: ön welken Derp). – Frischbier2, 2337.
Buchempfehlung
Die Geschichte des Gaius Sempronius Gracchus, der 123 v. Chr. Volkstribun wurde.
62 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro