Deutscher Orden

[733] Deutscher Orden (Orden der Ritter des Hospitals St. Marien des Deutschen Hauses oder der Deutschen zu Jerusalem, später auch wohl Deutschherren oder Marianer genannt), der jüngste der drei großen, zur Zeit der Kreuzzüge im Heiligen Land entstandenen geistlichen Ritterorden. Bei der Belagerung von Accon (Akka) im dritten Kreuzzug errichteten deutsche Kaufleute aus Lübeck und Bremen unter Leitung eines gewissen Siegebrand zur Pflege kranker Landsleute Zelte, aus denen allmählich ein Hospital erwuchs. Die Pfleger gaben sich eine geistliche Organisation und nahmen die Regeln der Johanniter an. Bei ihrer Heimkehr übertrugen die Kaufleute den Schutz über ihre Stiftung zwei Begleitern des Herzogs Friedrich von Schwaben, dem [733] Kaplan Konrad und dem Kämmerer Burkhard. Auch Herzog Friedrich selbst nahm sich der frommen Stiftung gern an und empfahl sie seinem Bruder, Kaiser Heinrich VI. Auf sein Bemühen erfolgte, einige Wochen nach seinem Tode, 6. Febr. 1191 die Bestätigung durch Clemens III., die 21. Dez. 1196 Cölestin III. wiederholte. Als die deutschen Fürsten, die 1197 nach dem Heiligen Lande gekommen waren, auf die Nachricht vom Tode des Kaisers sich zur Heimkehr entschlossen, verwandelten sie 5. März 1198 in Accon mit Beirat der beiden ältern Ritterorden und andrer geistlicher und weltlicher Großen des Orients den Krankenpflegerorden in einen geistlichen Ritterorden. Papst Innocenz III. bestätigte ihn durch die Bulle vom 19. Febr. 1199; außer den drei Mönchsgelübden übernahm der neue Orden gleich den Templern auch die Verpflichtung zum Heidenkampf und erhielt als Kleidung den weißen Mantel mit schwarzem Kreuz.

Nun wuchs der Orden schnell an Besitz und Macht. In Unteritalien verliehen ihm Kaiser Heinrich VI. und Friedrich II. Grundbesitz; auch in Griechenland, Spanien, Frankreich, am meisten aber in Deutschland erwarb er solchen. Die oberste Leitung des Ordens hatte der Hochmeister; an der Spitze größerer Bezirke standen Landmeister oder Landkomture; in jeder Burg waltete ein Komtur (Kommentur, Kommendator), dem der Konvent der zur Burg gehörigen Ordensritter beratend zur Seite stand. Der Landmeister hielt mit der Jahresversammlung seines Landkapitels Rat, der Hochmeister mit dem jährlich einmal zusammentretenden großen oder Generalkapitel. Einen ständigen engern Rat bildeten die fünf Großwürdenträger oder Gebietiger des Ordens: der Großkomtur, der die Aussicht über den Ordensschatz und alle Vorräte zu führen und den Hochmeister bei längerer Krankheit oder Abwesenheit zu vertreten hatte; der oberste Marschall, dem das Kriegswesen, der oberste Spittler, dem die Krankenpflege und das ganze Spitalwesen, der oberste Trappier, dem die Beschaffung und Verteilung aller Kleidung, endlich der Treßler, dem die Verwaltung des gesamten Finanzwesens oblag. Die Großwürdenträger und die Landmeister bildeten das Generalkapitel und die unter einem Landmeister stehenden Burgkomture sein Landkapitel. Das Generalkapitel hatte alle Gesetze zu genehmigen und die Rechenschaft der Gebietiger über ihre Amtsführung, namentlich über die Finanzverwaltung, entgegenzunehmen; auch wurde es bei Ernennung und Absetzung der Gebietiger gehört. Entsprechend waren die Rechte der Landkapitel bemessen. Die Beamten, die als Ordensmitglieder zu unbedingtem Gehorsam gegen ihre Obern verpflichtet waren, blieben so lange in ihren Stellen, bis sie entweder unbrauchbar oder einer Beförderung würdig erschienen. Der Hochmeister wurde auf Lebenszeit gewählt und zwar meist auf einem außerordentlichen Generalkapitel, und konnte nur in ganz besondern Fällen abgesetzt werden. Die Mitglieder des Ordens, die rittermäßigen Standes sein mußten, zerfielen in Ritterbrüder und Priesterbrüder, neben ihnen gab es auch dienende Brüder niedern Standes (Graumänner); zu gewissen Dienstleistungen (in den Hospitälern und auf den Höfen) konnten auch weibliche Personen als Halbschwestern aufgenommen werden. Damit ferner der Orden mehr Leuten nutze sein möge, wie es in den Statuten heißt, in Wirklichkeit aber wohl mehr, um die Verpflichtung, für das Wohl des Ordens mitzuwirken, auf weitere Kreise auszudehnen und um Erbschaften zu erlangen, war es auch weltlichen Leuten, verheirateten und unverheirateten, gestattet, »die Heimlichkeit des Ordens zu empfangen«, ohne daß sie aus ihrem Stand austraten; zum Zeichen trugen sie das halbe Kreuz. Genauere Einsicht in das Wesen und die Verwaltung des Ordens gewähren die Statuten oder Ordensbücher, von denen das älteste vorhandene Exemplar (in deutscher Sprache) der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. angehört. Die Bulle des Papstes Honorius III. vom 15. Dez. 1220 faßte die sämtlichen päpstlichen Privilegien des Ordens zusammen: Von den Besitzungen, die er bereits vor dem großen Laterankonzil von 1215 innehatte, durfte niemand von ihm den Zehnten fordern, sondern nur von den später erworbenen; nahm der Orden Geistliche an, die nicht zu ihm selbst gehörten, so hatte über sie nicht der Diözesanbischof, sondern Meister und Kapitel die Jurisdiktion; andre bischöfliche Funktionen aber (Weihe von Altären und Kirchen, Einsetzung von Geistlichen und andre kirchliche Sakramente) standen nicht dem Meister zu, sondern blieben, allerdings zu unentgeltlicher Leistung, dem Bischofe vorbehalten; in Gebieten endlich, die der Orden den Ungläubigen abnahm, durfte er Kirchen und Kapellen anlegen, die nur dem päpstlichen Stuhl unterworfen sein sollten. Vom König von Jerusalem erhielt der Orden, wie später auch in andern Ländern, Zollfreiheit und auf seinem schwarzen Kreuz das goldene Kreuz Jerusalems (nach der Tradition 1219); Kaiser Friedrich II. verlieh ihm das Recht, Reichslehen und Allodien durch Schenkung oder Kauf an sich zu bringen, und gewährte dem Hochmeister sowie dem Landmeister in deutschen Landen eine bestimmt geregelte, gastfreie Aufnahme am Hof.

Als erste Vorsteher des Ordens werden in Urkunden erwähnt Siegebrand, Gerard (auch Curaudus), Heinrich, Hermann Walpoto, dem in der Versammlung vom März 1198 die Meisterwürde übertragen wurde, Otto und Heinrich; der letztere, auch Hermann genannt, kommt nur in Chroniken vor. Hermann von Salza wird 15. Febr. 1211 zum erstenmal urkundlich erwähnt. Ein treuer Freund und Ratgeber des Kaisers Friedrich II., auch von der Kurie geachtet und begünstigt, wußte er seinem Orden nicht bloß Privilegien zu gewinnen, sondern legte auch durch ausgedehnten Landerwerb den Grund zu seiner Macht, wie sie keiner der andern während der Kreuzzüge entstandenen Ritterorden erreichte und der Deutsche Orden neben den ältern Johannitern und Templern im Morgenland nie hätte erreichen können. Der erste Erwerb war freilich nur vorübergehend. 1211 schenkte der König Andreas von Ungarn dem Deutschen Orden das Land Burza in Siebenbürgen, um die Angriffe der wilden Kumanen abzuwehren und das Land selbst zu kultivieren. Kaum aber hatte der Orden durch Anlegung von Burgen das Gebiet einigermaßen gesichert und Anbau und Kolonisation gefördert, als der König es ihm wieder entriß. Daß es nach einigen Jahren dem Papst gelang, den König zur Rückgabe des Landes und zur Erweiterung der Freiheiten und Gerechtsame des Ordens zu bewegen, half nicht viel; denn 1225 wurden die Ritter abermals durch den König aus dem Burzenland vertrieben und diesmal für immer. Um dieselbe Zeit wurde aber dem Orden ein neues Arbeitsfeld eröffnet, indem der Herzog Konrad von Masovien den Orden zur Bekämpfung der heidnischen Preußen, deren er sich nicht mehr erwehren konnte, herbeirief und ihm als Preis für die Hilfe nicht bloß das bereits zum polnischen Reich gehörige, nur augenblicklich von den Preußen besetzte[734] Kulmer Land als Eigentum verhieß, sondern ihm auch zur Eroberung aller preußischen Gaue seine Einwilligung zusicherte. Doch durch das eben erfahrene Mißgeschick vorsichtig gemacht, ging der Hochmeister nicht eher auf das Anerbieten ein, als bis auch der Kaiser ihm den Besitz jener Lande, wenn er sie den Heiden abnähme, urkundlich zugesichert hatte. Im Märzt 226 verlieh Kaiser Friedrich II. dem Hochmeister Hermann von Salza und seinen Nachfolgern das Kulmer Land und Preußen und übertrug sie ihnen für den Fall der Eroberung als Reichslehen. Hierdurch erhielten die Hochmeister des Deutschen Ordens die Reichsfürstenwürde, und wahrscheinlich fügten sie bei dieser Gelegenheit zu ihren ältern Schildeszeichen noch den schwarzen Adler hinzu. Die etwas beschränkte Zustimmung des Papstes erfolgte ein paar Jahre später.

Nach mehrjährigen Verhandlungen, durch die genauere politische und kirchliche Abmachungen mit polnischen Fürsten und Bischöfen getroffen wurden, entsandte endlich der Hochmeister zu Anfang des Jahres 1230 den Ordensritter Hermann Balk mit Rittern und Knechten zur Eroberung der übertragenen Lande und ernannte ihn zugleich zu ihrem Landmeister. Da die Kirche in Deutschland das Kreuz gegen die Preußen predigen ließ und denen, die gegen sie kämpften, dieselben kirchlichen Vorteile zusicherte wie den Kreuzfahrern nach Palästina, so strömten bald jedes Frühjahr den Ordensrittern in Preußen Kreuzfahrerheere aus Deutschland und den Nachbarländern zu, mit deren Hilfe sie das Land zwischen Weichsel und Pregel bald erobern konnten (s. Ostpreußen, Geschichte). Nach 30jährigen Kämpfen wurden alle Erfolge wieder in Frage gestellt durch einen furchtbaren Aufstand der preußischen Stämme, der nach einem erbitterten Vernichtungskrieg 1283 niedergeschlagen wurde. Mit der Eroberung des Landes hielt die Kolonisation gleichen Schritt: von den unter großen Begünstigungen hereingerufenen deutschen Einwanderern wurden Städte gegründet, verwüstete Dörfer hergestellt und neue angelegt, zuziehenden Rittern Grundeigentum gewährt und auch solchen Eingebornen, die sich gutwillig unterwarfen, Landbesitz gelassen. Eine bedeutende Vermehrung des Machtbereichs des Ordens trat ein, als der 1202 zur Bekämpfung der Liven, Kuren und Esthen gestiftete Orden der Schwertbrüder (s.d.), der keine große Macht besaß und in die äußerste Gefahr geraten war, mit päpstlicher Bewilligung 1237 sich mit dem Deutschen Orden verschmolz und ihm seine Besitzungen und Anrechte zubrachte; der letztere gewann hierdurch Kurland, Semgallen und Livland, während Esthland noch über ein Jahrhundert lang im Besitze der Dänen blieb. Doch war dieser Zuwachs an Landbesitz und Streitkräften auf der andern Seite mit Nachteilen verknüpft, indem der Orden in ärgerliche Händel mit den dortigen Bischöfen verwickelt wurde. Diese nahmen eine wesentlich andre Stellung als die vier preußischen ein, vor allem der Erzbischof von Riga, der Metropolitan für Livland und Preußen. Auch die Zahl der äußern Feinde wuchs an. Die Russen freilich kamen nur für den äußersten Osten in Betracht; aber die Litauer konnten ihre Angriffe nun nach beiden Seiten hin machen, nach Livland wie nach Preußen. Um sie sobald wie möglich zu bezwingen, und um ihrer ursprünglichen Verpflichtung, der Bekämpfung der Heiden, auch weiterhin obzuliegen und sich so die fernere Unterstützung der Christenheit zu sichern, begannen die Ritter den Krieg gegen die heidnischen Litauer, die sich mit Zähigkeit verteidigten. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. dehnten sich die Besitzungen des Ordens am weitesten aus: wir hören von Landkomturen von Livland, Preußen, Deutschland, Österreich, Apulien, Sizilien, Spanien, Romanien (griechisches Kaiserreich) und Armenien; Palästina verwaltete der Hochmeister selbst. Mit der Zeit gingen aber die Besitzungen in diesen Ländern bis auf die ersten vier verloren. Aus Palästina mußten die Ritter 1291 weichen, als Accon, der einzige Punkt, den die Christen noch behauptet hatten, verloren ging. Nun wurde der Hauptsitz des Ordens, das Ordenshaupthaus, nach Venedig verlegt.

Auf Hermann von Salza, der am 19. März 1239 zu Barletta in Apulien starb, folgte als Hochmeister Landgraf Konrad von Thüringen, der aber schon 24. Juli 1240 in Rom starb, dann Gerhard von Malberg, der Ende 1241 gewählt wurde, aber Ende 1244, wohl unfreiwillig, resignierte und 29. Nov. 1245 starb, Heinrich von Hohenlohe, der am 15. Juli 1249 starb, Günther, von dem nur Name und Todestag (3. Mai 1253) bekannt sind, Poppo von Osterna, der im Sommer 1257 abdankte; Anno von Sangerhausen, der 1256 gewählt wurde, starb 8. Juli 1274, Hartmann von Heldrungen 19. Aug. 1282 in Accon; Burkhard von Schwanden trat 1290 zurück, Konrad von Feuchtwangen starb 1296, Gottfried von Hohenlohe, gewählt 3. Mai 1297, entsagte im Oktober 1303, Siegfried von Feuchtwangen, gewählt 18. Okt. 1303, starb 5. März 1311. Letzterer verlegte, da an eine Rückkehr nach Palästina nicht mehr zu denken war und dauerndes Verbleiben in Venedig wegen der schwierigen Beziehungen zu der Republik nicht rätlich schien, 1309 die hochmeisterliche Residenz nach Preußen und zwar nach Marienburg, wo die bereits bestehende Burg im 14. Jahrh. zu einem in gotischem Stil erbauten prachtvollen Ordensschloß erweitert wurde. Um sich nicht durch die Polen von der Verbindung mit Deutschland abschneiden zu lassen, kaufte der preußische Landmeister 1308 das Herzogtum Pomerellen mit den Hauptorten Danzig, Dirschau und Schwetz, um das seit dem Aussterben der eingebornen Herzogsfamilie ein Erbfolgestreit zwischen Brandenburg und Polen geführt wurde, von den zumeist berechtigten Markgrafen von Brandenburg. Das erstarkende Polenreich zeigte seitdem immer offener seine Eifersucht auf die wachsende Macht des Ordensstaates und bereitete ihm, wenn auch weniger mit den Waffen als auf diplomatischem Wege, manche Schwierigkeit. Die Kurie, hieran anknüpfend, wollte den Orden gefügiger und seine Lande ergiebiger machen, und der Erzbischof von Riga strebte danach, in Livland die Obergewalt zu erlangen, die Stadt Riga aber nach Selbständigkeit. Doch alle diese Gefahren wußte der Orden zu überwinden und seine Macht im 14. Jahrh. zum höchsten Glanze zu erheben. Die Hochmeister dieser Zeit waren: Karl von Trier, 1311 bis 12. Febr. 1324; Werner von Orfselen, gewählt 6. Juli 1324, ermordet 18. Nov. 1330; Herzog Luther von Braunschweig, 17. Febr. 1331 bis 18. April 1335; Burggraf Dietrich von Altenburg, 3. Mai 1335 bis 6. Okt. 1341; Ludolf König, gewählt 6. Jan. 1342, dankte 14. Sept. 1345 ab; Heinrich Dusemer, gewählt 13. Dez. 1345, trat 1351 zurück; Winrich von Kniprode, vom 16. Sept. 1351 bis 24. Juni 1382; Konrad Zöllner von Rothenstein, 2. Okt. 1382 bis 20. Aug. 1390; Konrad von Wallenrod, 12. März 1391 bis 25. Juli 1393; Konrad von Jungingen, 30. Nov. 1391 bis 30. März 1407. Die ununterbrochenen Kriegszüge gegen die [735] Litauer erweiterten zwar die Grenzen des Staates nicht erheblich, erhielten aber dem Orden den Ruhm des Kampfes für die Christenheit. Eine ganz hervorragende Stellung, einige Zeit fast die leitende Rolle gewann der Hochmeister in den nordischen Verhältnissen: im Bunde mit der Hansa erlangte der Orden im Kampfe mit den nordischen Kronen 1370 den Frieden von Stralsund, in dem sich Dänemark unterwarf, und half das Unwesen der räuberischen Vitalienbrüder in der Ostsee bewältigen. Die vortreffliche Regierung des Staates und die landesväterliche Fürsorge für die Untertanen bewirkten, daß diese trotz vieler schwerer Opfer, trotz manchen kleinen Zwiespalts in treuer Ergebenheit zu den Rittern, den »Herren«, standen. Durch den Ankauf der Neumark von Brandenburg 1402 erlangte der Ordensstaat die größte Ausdehnung seines Gebiets.

Im höchsten Grade schädlich war für den Orden die Vereinigung Litauens mit Polen durch die Vermählung des litauischen Großfürsten Jagello mit der polnischen Thronerbin Hedwig (1386). Obwohl die Litauer infolgedessen, wenn auch nur äußerlich und nicht allgemein, das Christentum annahmen, stellte der Orden die Heidenfahrten nach Litauen zunächst noch nicht ein und gab dem König Wladislaw Jagello, der sofort die Vernichtung des Ordensstaates ins Auge gefaßt hatte, genügenden Anlaß zu Klage und Drohung. Als sich dann der Hochmeister Ulrich von Jungingen (gewählt 26. Juni 1407), um mit einem Schlage die Entscheidung herbeizuführen, übereilt in den Kampf stürzte, verlor er in der Schlacht bei Tannenberg 15. Juli 1410 Sieg und Leben. Nur die Umsicht und der Mut Heinrichs von Plauen, der die Marienburg erfolgreich verteidigte, verhinderten, daß der Orden im Frieden von Thorn (1411) größere Verluste erlitt. Durch Wiederherstellung der strengen Ordenszucht und durch Heranziehung des landsässigen Adels und der Städte zur Regierung des Staates versuchte der am 9. Nov. 1410 zum Hochmeister erwählte Heinrich von Plauen dem Orden neues Leben einzuhauchen und die Bevölkerung zu größern Opfern für die Erhaltung des Staates zu bewegen. Denn seitdem die Zuzüge der Kreuzfahrer zu den Kämpfen gegen die Litauer aufgehört hatten, mußte der Orden mit schweren Kosten Söldner erwerben, um seine Grenzen zu schützen. Aber die selbstsüchtigen und entarteten Ordensritter setzten Heinrich von Plauen 14. Okt. 1413 ab und verweigerten dem Adel und den Städten jeden Anteil an der Verwaltung des Landes, legten dagegen den Untertanen so drückende Lasten auf, daß Ackerbau, Handel und Gewerbe verfielen. Hierdurch entstand eine solche Erbitterung, daß der Adel und die Städte in Westpreußen sich den Polen zuwendeten. Da der Polenkönig bereitwillig Erhaltung der Privilegien und Besserung der Zustände versprach, ergriff man vereint mit ihm die Waffen gegen die verhaßte Ordensherrschaft. Nach 12jährigem Kriege (1455–66) verlor der Orden im zweiten Frieden von Thorn Westpreußen mit Ermeland an Polen und mußte für Ostpreußen die Lehnshoheit des Polenkönigs anerkennen. Die Residenz des Hochmeisters wurde nach Königsberg verlegt. Seit der Absetzung Heinrichs von Plauen verwalteten das Hochmeisteramt: Michael Küchenmeister, 9. Jan. 1414 bis März 1422, Paul von Rußdorf, 10. März 1422 bis 2. Jan. 1411 (beide dankten ab); Konr ad von Erlichshausen, 12. April 1411 bis 7. Nov. 1419; Ludwig von Erlichshausen, 21. März 1450 bis 4. April 1467; Heinrich Reuß von Plauen, 17. Okt. 1469 bis 2. Jan. 1470; Heinrich von Richtenberg, 29. Sept. 1470 bis 20. Febr. 1477; Martin Truchseß von Wetzhausen, 4. Aug. 1477 bis 2. Jan. 1489; Hans von Tiefen, 1. Sept. 1489 bis 25. Aug. 1497. Um bei den deutschen Fürsten Beistand zu gewinnen, wählten die Ritter 29. Sept. 1498 den Herzog Friedrich von Sachsen zum Hochmeister, der auch nach Deutschland ging, aber, ohne seinen Zweck zu erreichen, 13. Dez. 1510 daselbst starb. Auch sein Nachfolger (seit 13. Febr. 1511), Markgraf Albrecht von Brandenburg, konnte die Hoffnungen der Ritter nicht erfüllen, er wurde auf einer Reise in Deutschland für die Reformation gewonnen und entschloß sich auf den Rat Luthers, den Ordensstaat in einen weltlichen Staat zu verwandeln. Es gelang ihm, seinen Oheim, den Polenkönig, für den Plan zu gewinnen, und 10. April 1525 wurde er in Krakau mit Ostpreußen als einem weltlichen, von Polen lehnbaren Herzogtum erblich belehnt. Diesem Beispiel folgte 1561 der livländische Heermeister Gotthard von Kettler, indem er Livland an die Krone Polen abtrat und Kurland und Semgallen als erbliches Herzogtum und polnisches Lehen erhielt.

Während die Ordensritter in Preußen und den baltischen Provinzen bereitwilligst die Säkularisation annahmen, erhoben die Ritter im Reich und mit ihnen der Papst und der Kaiser gegen die Beraubung der Kirche den entschiedensten Widerspruch. Der Landmeister in Deutschland oder Deutschmeister wurde auf dem Augsburger Reichstag 1530 vom Kaiser Karl V. mit der hoch meisterlichen Würde und mit Preußen belehnt (seitdem führte das Oberhaupt des auf Deutschland beschränkten Deutschen Ordens den Titel Hoch- und Deutschmeister). Obwohl Herzog Albrecht in die Reichsacht erklärt und zur Herausgabe des Landes aufgefordert ward, blieb dies gänzlich wirkungslos, da niemand im stande war, die Herausgabe Preußens zu erzwingen. Der Orden konnte wegen seines geringen Besitzes (2200 qkm) zu keiner politischen Bedeutung mehr gelangen. Die fast im ganzen Reiche zerstreuten Güter des Ordens, dessen Hauptsitz Mergentheim wurde, waren in 12 Balleien, deren jede unter einem Landkomtur stand, verteilt: Thüringen, Österreich, Hessen, Franken, Koblenz, Elsaß, Bozen oder an der Etsch, Utrecht, Alten-Biesen, Lothringen, Sachsen und Westfalen. Diese Besitzungen wurden bedeutend geschmälert, als im Frieden von Lüneville (9. Febr. 1801) drei Ordensballeien links vom Rhein an Frankreich abgetreten wurden. Im Preßburger Frieden erhielt Kaiser Franz II. das Recht, die Hoch- und Deutschmeister würde einem Mitglied seines Hauses erblich zu verleihen, und ernannte dazu seinen Bruder, den Erzherzog Anton; doch hatten die Fürsten von Bayern, Württemberg und Baden schon 1805 die in ihren Landen gelegenen Ordensgüter zugewiesen erhalten, und 24. April 1809 erklärte Napoleon den Orden in allen Staaten des Rheinbundes für aufgehoben, so daß der Orden nur noch in Österreich und in den Niederlanden (Ballei Utrecht) bestehen blieb.

Kaiser Ferdinand gab in Österreich 28. Juni 1840 neue Statuten, die den Orden als geistlichritterliches Institut unter einem Großmeister (seit 1894 wieder: Hoch- und Deutschmeister) und der Oberlehnshoheit des Kaisers herstellten-Die Ordensritter und Priester werden nach ihren Ordensgelübden als Religiosen angesehen und teilen sich in Großkapitulare, Profeßritter und Ehrenritter. Außerdem[736] hat der Orden Priester und Schwestern, welch letztere sich mit Kindererziehung und Krankenpflege befassen. Die Ehrenritter müssen acht Ahnen aufweisen, katholisch sein, desgleichen 1500 Gulden Eintritt und jährlich 100 Gulden zahlen. Wie die Johanniter, machte sich auch der Deutsche Orden die freiwillige Sanitätspflege im Kriege zur Aufgabe und stellt seit 1875: 41 ausgerüstete Feldsanitätskolonnen und 4 Spitäler. Das Ordenszeichen (vgl. die Abbildungen 1–3) besteht für die drei Klassen in einem schwarz emaillierten, silbergeränderten Kreuz von Gold.

Fig. 1. Altes Wappen des Hochmesiters, spätern Hoch- und Dentschmeisters. – 2. Wappen des Deutschen Ritterordens. – 3. Ritterbrustkreuz (Öfterreich).
Fig. 1. Altes Wappen des Hochmesiters, spätern Hoch- und Dentschmeisters. – 2. Wappen des Deutschen Ritterordens. – 3. Ritterbrustkreuz (Öfterreich).

Dieses ist von dem blauen Helm mit goldenen Spangen, roter Füllung und fünf Federn gedeckt, zwei schwarzen zwischen drei weißen, an denen der Ring sich befindet. In diesen schlingt sich das breite schwarzseidene Band, an dem das Kreuz um den Hals getragen wird. Dazu tragen die Ritter noch ein schwarzsilbernes emailliertes Kreuz auf der Brust. Der Hoch- und Deutschmeister (Inhaber des Infanterieregiments Nr. 4) trägt eine besondere Dekoration auf der Brust und am Hals. Seit dem Tode des Erzherzogs Anton (1835) waren Hoch- und Deutschmeister: Erzherzog Maximilian (gest. 1863) und Erzherzog Wilhelm (gest. 1894); seitdem ist Erzherzog Eugen (58.) Hoch- und Deutschmeister.

Fig. 4. Wappen des Hoch- und Deutschmeisters.
Fig. 4. Wappen des Hoch- und Deutschmeisters.

Als solcher führt er seit 1896 den vorliegenden Wappenschild (s. Fig. 4). Der Schild ist geviert u. zeigt oben heraldisch rechts Ungarn, links Böhmen, rechts unten Galizien u. Lodomerien, links Altösterreich. Auf der Herzstelle liegt das genealogische Wappen des Hauses: Österreich, Habsburg, Lothringen (neues Wappen der öfterreichischen Erzherzöge, verliehen 11. Febr. 1896). Zwischen dem kleinen und großen Schild ist das hoch- und deutschmeisterische Kreuz mit dem alten Reichsadler belegt und wegen der bessern Trennung von den Farbenfeldern mit Weiß eingefaßt eingeschoben. Die goldenen Arme des Krückenkreuzes von Jerusalem sind seit 1896 wieder nach altem Muster mit goldenen Lilien besetzt worden. Vormals erschien nur ein Lilienstabkreuz.

In den Niederlanden besteht die Ballei Utrecht noch fort, die eine der größern Balleien war und 15 Komtureien besaß, von denen noch 10 bestehen. Erster Landkomtur war der Ritter Anton von Ledersake (gest. 1266). Zur Zeit der Reformation riß sich die Ballei vom Hochmeistertum in Mergentheim los und wurde von den Staaten der Provinz Utrecht in ein protestantisches Institut verwandelt. Napoleon hob 1811 auch die Utrechter Ballei auf, König Wilhelm stellte sie aber 1815 wieder her. Der Orden hat jetzt einen Landkomtur, welcher der königlichen Bestätigung bedarf, Komture und Ritter. Zur Aufnahme gehören vier Ahnen von 200jährigem Adel. Die Mitglieder beziehen die Einkünfte der Ballei. Die Exspektanten dürfen ein kleines Kreuz tragen, zahlen aber dafür 760 Gulden zur Ordenskasse.

Vgl. Joh. Voigt, Geschichte Preußens (Königsb. 1827–39, 9 Bde.); Derselbe, Geschichte des Deutschen Ritterordens (Berl. 1857–59, 2 Bde.); Rethwisch, Die Berufung des Deutschen Ordens gegen die Preußen (das. 1868); Strehlke, Tabulae ordinis Theutonici (das. 1869); Röhricht, Die Besitzungen des Deutschen Ordens im Heiligen Lande (in der »Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins«, X, 267); Perlbach, Preußische Regesten (Königsb. 1875–76); Ewald, Die Eroberung Preußens durch die Deutschen (Halle 1872–86, 4 Bde.); Lohmeyer, Geschichte von Ost- und Westpreußen (Gotha 1880); »Die Statuten des Deutschen Ordens« (hrsg. von Perlbach, Halle 1890); »Archieven der ridderlijke Imitsche Orde, Balie van Utrecht« (hrsg. von I. I. de Geer, Utrecht 1871, 2 Bde.); »Urkunden des Deutschordens-Zentralarchivs zu Wien« (hrsg. vom Grafen von Pettenegg, Prag u. Leipz. 1887); Salles, Annales de l'Ordre teutonique (Wien 1887); Nedopil, Deutsche Adelsproben aus dem Deutschen Ordens-Zentralarchiv (das. 1868, 3 Bde.); Steinbrecht, Die Baukunst des Deutschen Ritterordens in Preußen (Berl. 1885–88, 2 Bde.); Deeleman, Der Deutsche Ritterorden einst und jetzt (Wien 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 733-737.
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