Hamburg [1]

[676] Hamburg (Freie und Hansestadt H.; hierzu die Karte »Umgebung von Hamburg«), Bundesstaat des Deutschen Reiches, an der untern Elbe, wird von den preußischen Provinzen Schleswig-Holstein und Hannover begrenzt. Das Staatsgebiet ist 415 qkm (7,58 QM.) groß, wovon 7690 Hektar auf die Stadt (einschließlich der ihr gegenüber am südlichen Elbufer liegenden Inseln Veddel, Kleiner Grasbrook und Steinwärder, Kuhwärder etc.), 26,050 Hektar auf das Landgebiet und 7780 Hektar auf das Kuxhavener Gebiet an der Elbmündung kommen. Etwa 3280 Hektar sind davon Wasserflächen. Das Landgebiet ist in vier Landherrenschaften unter je einem Senator als Landherrn eingeteilt. Im N. schließen sich unmittelbar an das Stadtgebiet sechs Landgemeinden an, die mit den im Holsteinischen gelegenen vier Walddörfern zusammen die Landherrenschaft der Geestlande bilden, im O. sieben Landgemeinden der Marschlande, wozu noch die Marschgemeinde Moorwärder auf der Spitze der Gabelung der Hamburger Norderelbe und der Harburger Süderelbe sowie Finkenwärder und Moorfleeth auf zwei Elbinseln kommen, und weiterhin östlich die Landherrenschaft Bergedorf (Stadt Bergedorf, die Vierlande [Neuengamme, Kirchwärder, Altengamme und Curslack], Ostkrauel und die Dorfschaft Geesthacht, eine Enklave in lauenburgischem Gebiet), endlich als vierte Landherrenschaft Ritzebüttel mit Kuxhaven, zehn kleinen Dorfschaften und der Insel Neuwerk. Zwei Flüsse, die Alster und Bille, münden innerhalb der Stadt in die Elbe, deren Mündung in die Nordsee bei Kuxhaven von H. 125 km entfernt ist. Ursprünglich mündete der Strom an der Stelle, wo jetzt H. liegt, und die Elbinseln zwischen H. und Harburg stellen das Elbdelta dar, während die sogen. Unterelbe von H. bis Kuxhaven der durch Deiche flußartig zusammengedrängte Meerbusen ist, dessen Grenzen die gewaltigen Dünenhügel von oberhalb H. bis Blankenese und von Harburg[676] im weiten Bogen elbabwärts bildeten. Ebbe und Flut machen sich deshalb in den Hamburger Häfen sehr bedeutend bemerkbar; der Wasserstand ist im Durchschnitt bei Flut 1,89 m höher als bei Ebbe, bei Sturmflut sogar noch 2–3 m mehr. Die höchste bekannte Sturmflut, 4. Febr. 1825, brachte sogar 6,85 m höheres Wasser, als der Durchschnitt beträgt. Heute sind alle Hafen- und Kaianlagen selbst bei solcher anormaler Höhe vollkommen flutfrei. Der Einfluß von Ebbe und Flut ist noch etwa 20 km oberhalb Hamburgs, in Geesthacht, zu spüren, bei Sturmfluten sogar bis Boizenburg. Im Laufe der Jahrhunderte ist der Elbstrom immer näher und kräftiger nach H. künstlich herangezogen worden. Die Hauptdurchstiche zu diesem Zweck erfolgten 1550, im Anfang des 17. Jahrh. und zuletzt 1875–79 durch die Insel Kaltenhofe, wodurch die jetzige Norderelbe entstand. Die bei Harburg vorbeifließende Süderelbe steht durch den Reiherstieg, einen kanalartigen Durchstich der Insel Wilhelmsburg, und den Köhlbrandarm mit der Norderelbe in Verbindung. Die Alster, die in alten Zeiten vor dem jetzigen Stadtteil St. Pauli in einen Elbarm mündete, ist durch ein Schleusenwerk zu einem seeartigen Becken aufgestaut, das wieder durch einen Damm mit Brücke (Lombardsbrücke) in zwei Teile, die größere Außenalster und die kleinere Binnenalster, mit einer Gesamtwasserfläche von 168,73 (Binnenalster 19,43) Hektar, getrennt ist. Die Alster ist für Dampfer und Transportfahrzeuge (Schuten und Ewer) bis Eppendorf hinauf schiffbar. Mehrere schiffbare Kanäle, z. T. aus frühern Bächen hergestellt, gehen rechts und links von ihr ab. Unterhalb der Stauschleuse bei der Schleusenbrücke teilt sich die Alster in mehrere Kanäle, Fleete genannt, die mit der Elbe in Verbindung stehen, so daß Waren auf kleinern Fahrzeugen direkt an die Speicher der Hauptgeschäftsstraßen gebracht werden können. Die Bille entspringt in Holstein, durchfließt den Sachsenwald, mündet bei der Brandshofer Schleuse im Hammerbrook in die Elbe und ist auf 9,5 km von der Mündung aufwärts schiffbar gemacht. Im Hammerbrook teilt sie sich in zahlreiche Kanäle, an die Fabriken stoßen. Die Fleete und Kanäle stehen unter sich und mit der Elbe durch Vermittelung von Schleusen in Verbindung. Das Marschland, das etwa die Hälfte des ganzen Staatsgebietes ausmacht, erhebt sich im Durchschnitt nur wenig über den mittlern Wasserstand der Elbe, so daß bei Hochwasser weite, nicht genügend durch Deiche geschützte Strecken überflutet werden. Im äußern Hammerbrook, wo der Damm der H.-Berliner Bahn den Deichschutz für die Stadt bildet, sind mächtige Pumpwerke aufgestellt, um im Frühjahr und Herbste das stagnierende Wasser von den Ländereien wegzuschaffen. Das Geestgebiet erhebt sich durchschnittlich 20–40 m ü. M. Der höchste Punkt in der Nähe von Geesthacht liegt 97 m über dem Nullpunkt des Hamburger Pegels oder 93,4 m ü. M., der niedrigste in Billwärder 3,2 m über Hamburger Null oder 40 cm unter dem Meeresspiegel.

Das Klima ist durch die Nordsee beeinflußt, von der H. etwa 120 km entfernt ist. Im Winter ist es wärmer, im Sommer kühler als im Binnenlande; die Regenmenge und Zahl der Nebeltage ist größer als dort. Die mittlere Jahrestemperatur ist 8,4°, die höchste +32°, die niedrigste -19°. Die Zahl der Regentage ist durchschnittlich 218 im Jahre, die Niederschlagshöhe 730 mm, der mittlere Luftdruck 760,8 mm.

[Bevölkerung.] Die Bevölkerung des Staates H. betrug 1. Dez. 1900: 768,349 Personen, die der Stadt H. 705,738 Personen. Für Anfang November 1903 wurde die Gesamtbevölkerung auf 818,576, die der Stadt auf 751,842 Personen berechnet. Das Anwachsen der Bevölkerung ergibt sich aus folgender Tabelle:

Tabelle

Die Bevölkerungszunahme der Jahre 1895–1900 betrug also 86,717 Personen, davon 52,573 oder 61 Proz. durch Überschuß der Gebornen über die Gestorbenen und 34,144 oder 39 Proz. durch Zuzug von auswärts. Männlich waren 375,811, weiblich 392,538 Personen; demnach kamen auf 1000 männliche 1044 weibliche Personen. Evangelisch-lutherisch waren 702,102 Personen (91,38 Proz.), reformiert 7512 Personen (0,98 Proz.), katholisch 30,903 Personen (4,02 Proz.), Israeliten 17,949 Personen (2,34 Proz.). Die Katholiken haben seit 1871 um 23,132 Personen oder 1,72 Proz., die Israeliten nur um 4153 Personen zugenommen, was eine Abnahme von 1,73 Proz. im Vergleich zur Allgemeinheit ergibt. Von den Bewohnern waren staatsangehörig in H. 413,844, in den übrigen deutschen Staaten 337,845, in den übrigen europäischen Staaten 14,615, in außereuropäischen Staaten 1684, zusammen also 354,144 Fremde gegen 413,844 Einheimische, und bei 361 Personen war die Staatsangehörigkeit nicht festzustellen. Unter den Fremden waren 10,468 Personen mit fremder Muttersprache. Geboren wurden 1902: 22,464 Kinder oder 28,2 auf je 1000 Einw., gestorben sind 12,915 Personen. Die Sterbeziffer ist in den letzten Jahrzehnten infolge hygienischer Verbesserungen wesentlich heruntergegangen. Während sie im Jahrzehnt von 1882–91: 24,65 auf 1000 Bewohner betrug, war sie 1900 auf 20,1 und 1902 auf 16,7 gefallen. Die ansässige Bevölkerung gehört meist dem niedersächsischen Volksstamm an; die Volkssprache ist ein niedersächsischer, plattdeutscher Dialekt. Nach der Berufs- und Gewerbezählung vom 14. Juni 1895 betrug bei einer Bevölkerung von 606,788 Seelen die Zahl der Erwerbstätigen im Hauptberuf ohne Angehörige und Dienende 243,929 Personen (darunter 50,307 weibliche), d. h. 40,2 Proz.; davon entfielen auf Land- und Forstwirtschaft, Fischerei etc. 2568, Bergbau, Hüttenwesen, Industrie und Baugewerbe 107,102, Handel und Verkehr 101,511, häusliche Dienste, Lohnarbeit 12,693, Armee-, Staats-, Gemeinde- und Kirchendienst etc. 20,055. Ohne Beruf und Berufsangabe waren außerdem 27,440 Personen. Haupterwerbszweige sind Handel und Schiffahrt mit allen ihren Nebenzweigen: Schiffsbeladung und -Entladung, Spedition, Transportwesen zu Wasser und zu Lande, Baggerei, Schiffbau etc. Auch die chemische Industrie und das Bauwesen beschäftigen viele Personen.

[Landwirtschaft.] Von den 415 qkm des hamburgischen Staatsgebietes sind (1900) 17,042 Hektar Ackerland, 2943 Hektar Gartenland, 3135 Hektar Wiesen, 7220 Hektar Weiden, 1787 Hektar Forsten und Holzungen. Die Landwirtschaft beschäftigt sich hauptsächlich mit Viehzucht und Milchproduktion, weniger mit Getreide- und Futterbau. Die Ernte lieferte[677] 1902: 1380 Ton. Weizen, 4394 T. Roggen, 95 T. Gerste, 4988 T. Hafer, 11,732 T. Kartoffeln, 12,290 T. Wiesenheu etc. Sehr stark entwickelt ist der Gartenbau, besonders in den Vierlanden und in einigen Gemeinden des Marschgebietes. Man zählte 1900: 349,613 Obstbäume (meist Apfel- und Pflaumenbäume). Von der Vierländer Obst- und Blumenzucht werden Erdbeeren, Kirschen, seine Äpfel sowie Maiblumen in großen Mengen auch ausgeführt. An häuslichen Nutztieren wurden 1. Dez. 1900 gezählt: 16,738 Pferde, 13,443 Rinder, 2753 Schafe, 21,393 Schweine, 122,245 Hühner, 8527 Enten, 5628 Gänse und 1679 Bienenstöcke.

[Verfassung und Verwaltung.] H. ist ein Stadtstaat, d. h. die städtische und staatliche Verwaltung wird von denselben Behörden ausgeübt. Die Grundlagen der Staatsform sind in dem Hauptrezeß von 1712, in der Verfassung von 1860 und der revidierten Verfassung vom 13. Okt. 1879 niedergelegt (s. unten, Geschichte). H. ist eine Republik mit ständiger Regierungsgewalt. Die Senatoren, 18 an der Zahl, von denen neun Rechts- oder Kameralwissenschaften studiert haben und wenigstens sieben dem Kaufmannsstand angehören müssen, werden mit lebenslänglicher Amtsdauer gewählt und verteilen den Vorsitz im Senatskollegium (Bürgermeister) sowie in allen Behörden unter sich. Die Vertretung der Bürger heißt Bürgerschaft. Sie besteht aus 160 Mitgliedern und kann vom Senat weder aufgelöst noch vertagt werden. Senat und Bürgerschaft üben gemeinschaftlich die höchste Staatsgewalt, vornehmlich die der Gesetzgebung und der Verwendung der Staatsmittel aus, die zu bewilligen die Bürgerschaft allein befugt ist. Die vollziehende Gewalt hat der Senat als oberste Verwaltungsbehörde. Die Bürgermeisterwürde pflegt herkömmlich unter den drei amtsältesten rechtsgelehrten Senatoren in der Weise abzuwechseln, daß jeder von ihnen zunächst ein Jahr zweiter, das folgende Jahr präsidierender Bürgermeister ist und dann ein Jahr überschlägt, um als zweiter denselben Turnus wieder zu beginnen. Doch ist die Bürgermeister würde keineswegs den rechtsgelehrten Senatoren vorbehalten, sondern auch jeder kaufmännische Senator kann zum Bürgermeister erkoren werden, wie es auch mehrfach geschehen ist. Die Bürgermeister haben das Prädikat »Magnifizenz«. Das Gehalt der rechtsgelehrten Senatoren ist 25,000 Mk., das der übrigen 12,000 Mk. Der erste Bürgermeister erhält 5000 Mk., der zweite 3000 Mk., der Polizeiherr freie Wohnung als persönliche Zulage. Die rechtsgelehrten Senatoren dürfen keinerlei geschäftliche Tätigkeit ausüben. – Als Hilfskräfte hat der Senat vier Syndiker und zwei Sekretäre, von denen einer der Chef des Staatsarchivs ist, sowie eine Anzahl von Räten. – Die Wahl der Senatoren geschieht durch die Bürgerschaft aus einem Wahlaufsatz, der von je vier Vertrauensmännern des Senats und der Bürgerschaft in geheimer Verhandlung hergestellt wird. Dieser Wahlaufsatz enthält vier Namen, von denen der Senat nach seinem Belieben zwei streicht und zwei der Bürgerschaft zur Wahl vorlegt. Von den Mitgliedern der Bürgerschaft werden 80 durch allgemeine direkte Wahlen mit absoluter Majorität und Stichwahlen, 40 von den Eigentümern städtischer Grundstücke ebenfalls mit absoluter Majorität und 40 von den aktiven und frühern Mitgliedern der Gerichte und Verwaltungskollegien (Deputationen), die man Notable zu nennen pflegt, mit relativer Majorität gewählt. Jedes Mandat hat sechsjährige Dauer; nach je drei Jahren wird die Hälfte der Bürgerschaft neu gewählt. Jeder Gewählte muß die Wahl annehmen und kann nur, wenn ein triftiger Grund vorliegt, durch einen Beschluß der Bürgerschaft aus seinem Amt entlassen werden. Die Sitzungen der Bürgerschaft, die sich selbst einen Präsidenten, zwei Vizepräsidenten und vier Schriftführer wählt, sind öffentlich. Aus der Mitte der Bürgerschaft wird der aus 20 Mitgliedern bestehende Bürgerausschuß gewählt, der die Beobachtung der Verfassung und der auf das öffentliche Recht bezüglichen Gesetze und Verordnungen zu überwachen hat, auf Antrag des Senats außerordentliche Ausgaben bewilligen und in dringenden Fällen gesetzliche Verfügungen bis zur spätern Zustimmung der Bürgerschaft genehmigen kann.

Bürger werden kann jeder großjährige Staatsangehörige kostenlos, der fünf Jahre hintereinander mindestens 1200 Mk. versteuert hat; er muß Bürger werden, wenn er mindestens 3000 Mk. versteuert. Das aktive Wahlrecht der Bürger beginnt mit dem vollendeten 25., das passive mit dem vollendeten 30. Lebensjahr. Wählen können nur die Bürger, die in dem betreffenden Jahre rechtzeitig ihre Steuern bezahlt haben. Die Verwaltung erfolgt unter unentgeltlicher Mitwirkung bürgerlicher Kräfte durch Behörden, die Deputationen, Kommissionen oder auch nur Behörden genannt werden. Polizeibehörde und Justizverwaltung, Erbschaftsamt und die Landherrenschaften haben keine bürgerlichen Mitglieder. Die Verwaltungsabteilung für das Zollwesen, die aus drei Senatsmitgliedern besteht, ist eine Beratungsbehörde, bestehend aus einem Senator als Vorsitzenden, 10 ordentlichen und 16 außerordentlichen Mitgliedern, die teils vom Senat ernannt, teils von der Handelskammer und der Gewerbekammer erwählt sind. Vorsitzende der verschiedenen Verwaltungsabteilungen sind Senatoren, Syndiker oder Senatssekretäre. Die bürgerlichen Mitglieder werden von der Bürgerschaft frei gewählt, ohne Beschränkung auf Bürgerschaftsmitglieder; nur für die Mitglieder der Finanzdeputation ist die Bürgerschaft an die Wahl aus einem vom Senat vorgelegten Aufsatz gebunden. Eine ganz besondere Behörde ist die Feuerkassendeputation (s. unten). Als Vertretungen des Handels- und Gewerbestandes gibt es eine Handels- und eine Gewerbekammer und seit 1904 auch eine Detaillistenkammer.

Die Hauptaufgabe der Bürgerschaft ist die Feststellung des Staatsbudgets nach einer Vorlage des Senats. Der Entwurf des Staatsbudgets für 1904 (das Rechnungsjahr läuft vom 1. Jan. bis 31. Dez.) schließt in Einnahmen mit 104,482,900 Mk. und in Ausgaben mit 107,981,916 Mk., woraus sich ein Defizit von 3,499,016 Mk. ergeben würde, das aber, einschließlich von etwa 4 Mill. Mk. Nachbewilligungen im Laufe des Jahres, erfahrungsgemäß durch höhere Einnahmen und geringere Ausgaben, als veranschlagt waren, gedeckt wird. Die Hauptzahlen sind aus der Übersicht S. 679 zu ersehen.

Von der beweglichen Einkommensteuer werden so viele Einheiten alljährlich bewilligt, als zur Deckung des Budgets erforderlich erscheinen. Die Staatsschulden betrugen 1903: 482,4 Mill. Mk. Ein direkter Vergleich der Zahlen des Staatsbudgets mit denen andrer deutscher Staaten ist unmöglich, weil in H. die staatlichen und kommunalen Einnahmen und Ausgaben nicht getrennt sind.

Die Rechtspflege wird unter Leitung der Verwaltungsabteilung des Senats für das Justizwesen durch die Amtsgerichte in H., Bergedorf und Ritzebüttel, das Landgericht H. und das Oberlandesgericht[678] ausgeübt, das allen drei Hansestädten gemeinsam ist. Die Staatsanwaltschaft besteht aus einem Oberstaatsanwalt und elf Staatsanwalten sowie fünf Amtsanwalten. H. ist auch der Sitz eines Seeamts (Seegerichts), eines Gewerbegerichts und eines Schiedsgerichts für Unfallversicherung. Die mit Disziplinarbefugnis ausgestatteten Seemannsämter und die Strandämter unterstehen der Deputation für Handel und Schiffahrt. Innerhalb der Stadt besteht noch als Gefängnis das alte Zucht- und Spinnhaus in Verbindung mit einer Polizeiwache, ein Gefängnis für leichte Vergehen bei der Hüttenwache und das Detentionshaus, während das große Zentralgefängnis bei Fuhlsbüttel liegt.

Tabelle

Die Kirche ist in H. vollständig vom Staate getrennt und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig. Seit 1887 wird von den evangelisch-lutherischen Gemeinden und seit 1904 auch von den Katholiken eine Kirchensteuer erhoben. Alle Religionsgemeinschaften stehen unter der Oberaufsicht des Senats, die evangelisch-lutherischen unter den als Patronat konstituierten evangelisch-lutherischen Senatoren. Die oberste kirchliche Behörde ist der Kirchenrat, bestehend aus zwei Senatoren als Vorsitzenden, dem Senior der Geistlichkeit und zwei weitern Geistlichen, sowie vier Kirchenvorstehern und Gemeindeältesten, die von der Kirchensynode gewählt werden. Die Synode ist die Vertretung der evangelisch-lutherischen Gesamtkirche im hamburgischen Staate. Den Vorstand bilden dieselben Senatoren wie im Kirchenrat und der Senior, Mitglieder sind die vier andern Hauptpastoren von den städtischen Hauptkirchen und Abgeordnete aller Gemeinden. Jede Gemeinde hat ihre eigne Verwaltung. Der evangelisch-lutherischen Landeskirche gehören 33 Gemeinden mit 39 Kirchen und 2 Kapellen an; außerdem gibt es noch Kirchen und Kirchensäle in acht städtischen Anstalten und Stiftungen sowie 3 Nebenkirchen, die nicht der Synode unterstellt sind. Das geistliche Ministerium bilden der Senior, die vier Hauptpastoren und die Pastoren der städtischen Kirchen; die übrige Geistlichkeit ist in Kollegien von 3 Kirchenkreisen eingeteilt. Neben den evangelisch-lutherischen gibt es eine deutsch-reformierte, eine französisch-reformierte, eine englisch-bischöfliche und eine englisch-reformierte, eine römisch-katholische Gemeinde mit 5 Kirchen, eine katholisch-apostolische, eine Baptisten- und eine Mennonitengemeinde. Die Israeliten sind geteilt in eine deutsch-israelitische Gemeinde mit Synagogen- und Tempelverband, 3 Haupt- und etwa 30 Privatsynagogen, und eine portugiesisch-jüdische Gemeinde mit einer Synagoge.

Das Militärwesen Hamburgs ist durch einen Vertrag mit Preußen geregelt. Die Garnison besteht aus 3 Bataillonen des 2. Hanseatischen Infanterieregiments Nr. 76 unter preußischen Offizieren. Die Mannschaften tragen die hamburgische Kokarde und leisten dem Senat den Treueid. In Kuxhaven ist die 4. Matrosenabteilung (3 Kompagnien), ein Artillerie- und ein Minendepot stationiert. – Dem hamburgischen Staat stehen auf der Unterelbe von H. bis zum Meer uralte Hoheitsrechte zu, wogegen er die Unterhaltung des Fahrwassers durch Baggerung, die Betonnung und Beleuchtung sowie das Lotsenwesen auf eigne Kosten besorgt. Die jährlichen Ausgaben dafür betragen ca. 5,5 Mill. Mk., abgesehen von den sehr großen Kosten der Regulierung des ganzen Elbfahrwassers, die jetzt bis etwa 20 km elbabwärts durchgeführt ist und bis Brunshausen fortgesetzt wird, von wo ab die natürliche Tiefe genügt. – Nach der Reichsverfassung hat H. eine Stimme im Bundesrat, und das hamburgische Gebiet umfaßt drei Reichstagswahlkreise (s. Karte »Reichstagswahlen«). Die drei Hansestädte sind bei der königlich preußischen Regierung in Berlin durch einen gemeinsamen Gesandten vertreten.

Das Wappen zeigt silbern in rotem Feld eine zinnenbekrönte Mauer (mit geschlossenem Tor), über der sich drei Türme erheben, die beiden äußern mit Zinnen, der mittlere mit kuppelförmigem Dach, auf dem ein Kreuz steht. Über den beiden Seitentürmen schwebt je ein sechsstrahliger silberner Stern (s. Tafel »Wappen I«, Fig. 14). Der Helm mit rot-silberner Decke und eben solchem Wulste trägt als Kleinod sechs goldgestielte rote Fähnchen mit dem Schildbilde, zwischen den Fähnchen drei goldgestielte Pfauenwedel. Der Schild wird von zwei goldenen, rückwärts schauenden [679] Löwen gehalten. Die Flagge zeigt die weiße Burg in rotem Felde (s. Tafel »Deutsche Flaggen« beim Artikel »Deutschland«, Band 4, S. 799). Die Landesfarben sind Weiß und Rot.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 676-680.
Lizenz:
Faksimiles:
676 | 677 | 678 | 679 | 680
Kategorien:

Buchempfehlung

Holz, Arno

Die Familie Selicke

Die Familie Selicke

Das bahnbrechende Stück für das naturalistische Drama soll den Zuschauer »in ein Stück Leben wie durch ein Fenster« blicken lassen. Arno Holz, der »die Familie Selicke« 1889 gemeinsam mit seinem Freund Johannes Schlaf geschrieben hat, beschreibt konsequent naturalistisch, durchgehend im Dialekt der Nordberliner Arbeiterviertel, der Holz aus eigener Erfahrung sehr vertraut ist, einen Weihnachtsabend der 1890er Jahre im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon