Hamburg [2]

[901] Hamburg (Gesch.). H. kommt bes. seit Karl dem Großen als Fischerdorf vor, wo bereits ein Castell u. eine Kirche vorhanden waren, es wurde aber oft von Normannen u. Slawen heimgesucht. Den von Karl dem Großen gemachten Plan, hier ein Bisthum zu errichten, führte sein Sohn Ludwig der Fromme 631 auf dem Reichstag zu Aachen in erweiterter Maße aus, indem er H. zum Erzbisthum bestimmte, welches die gesammten Kirchen in Nordalbingen, Skandinavien u. den von den Slawen bewohnten Ländern umfassen sollte, u. St. Ansgar zum ersten Erzbischof ernannte; Papst Gregor IV. bestätigte 834 diese Stiftung. Die Domkirche wurde nun vollendet, ein Kloster mit Schule gebaut u. eine Bibliothek angelegt; dazu vergrößerte sich der Ort selbst, wurde aber 837 (839) von den Normannen gänzlich verwüstet. Der Erzbischof floh nach Ramesloh u. kaum war H. wieder hergestellt, als 845 die Normannen unter Erich die Stadt abermals plünderten. In Folge davon verband Ludwig der Deutsche 847 das Erzbisthum H. mit Bremen u. 849 wurde Ansgar in Bremen als Erzbischof eingesetzt, behielt aber den Namen von H. Die päpstliche Bestätigung erfolgte 858, s.u. Bremen (Herzogthum). 964 wurde der Papst Benedict V. hierher verwiesen u. st. 965 hier. Seit Karl dem Großen hatten kaiserliche Vögte in H. gesessen; seit 966 war ein Schöppengericht hier, das von den kaiserlichen Vögten geschützt wurde u. Herm. [901] Billung, welcher seit 957 hier als kaiserlicher Vogt wohnte, scheint der Begründer des hamburgischen Gemeindewesens zu sein. Die Erzbischöfe, obgleich in Bremen residirend, vernachlässigten H. dennoch nicht; sie wohnten oft hier u. machten mehrere kirchliche Stiftungen. 980 wurde H. wieder von den Obotriten verbrannt. Erst 1015 wurde H. unter Herzog Bernhard wieder aufgebaut; 1029 gründete Erzbischof Libentius II. ein Stift, legte ein Hospital an u. sorgte für den Unterhalt der Armen. 1037 wurde der Dom von Steinen u. die erzbischöfliche Residenz gebaut, 1063 eine Burg auf dem Süllberge bei Blankenese aufgeführt; 1072 verbrannte der Däne Jarl Kruko die Stadt; beim Wiederaufbau erhielt H. einen Rath. Gegen das Ende des 11. Jahrh. hatte die Nordische Kirche sich von dem Stuhl in H. getrennt u. in Folge davon gab Erzbischof Liemar den erzbischöflichen Sitz in H. auf u. nannte sich Erzbischof von Bremen, doch erfolgte die wirkliche Verlegung der erzbischöflichen Würde dahin erst 1233. 1106 kam die Stadt unter die Grafen von Holstein, u. Graf Adolf wirkte ihr, gegen eine große Geldzahlung zu einem Kreuzzuge, bei dem Kaiser um 1189 wichtige Freiheiten, u.a. das Weichbildrecht, eigne Gerichtsbarkeit, Zollfreiheit u. das Fischfangrecht von der Elbe bis zum Meere aus. Zünfte hatten sich schon seit 1152 gebildet u. durch den Untergang eines Theils von Helgoland soll H-s Handel gewachsen sein u. durch die Einwanderung aus dem, 1189 von Heinrich dem Löwen zerstörten Bardewiek gewann es an handelskundigen Einwohnern. 1201 ergab sich H. an den Herzog Waldemar von Schleswig nach dessen Sieg über Graf Adolf von Holstein, doch nahm dieser 1202 H. wieder ein. 1215 eroberte Kaiser Otto IV. H. u. gab ihr die Gerechtsame einer Reichsstadt; als 1223 König Knut VI. von Dänemark H. nach achtmonatlicher Belagerung eingenommen u. sein Sohn Waldemar um 56,000 Thlr. an Graf Albrecht von Schaumburg Orlamünde verkauft hatte, kauften sich die Hamburger am 9 Jan. 1224 wieder frei. Mit dem Grafen verließ auch der eingesetzte Reichsvogt die Stadt, u. an seine Stelle trat der städtische Senat (Collegium Consulare) u. Graf Adolf IV. von Schaumburg-Orlamünde wurde als Schirmherr von H. angenommen. So wurde H. eine freie Stadt

H. erfocht nun mit Adolf IV. einen Sieg bei Bovehövet über König Waldemar, u. Erster entsagte feierlich seinem Rechte an H., u. H. erhielt auch deshalb Sitz u. Stimme auf den Landtagen in Schleswig-Holstein. 1232 kaufte H. dem Herzog Otto von Braunschweig, einem Enkel Heinrichs des Löwen, sein angebliches Anrecht auf H-s Grund u. Boden ab. 1241 schlossen H. u. Lübeck ein Schutz- u. Trutzbündniß für ihren Handel, wodurch der Grund zur Hansa gelegt wurde; hierdurch, so wie durch die seit 1252 aufblühende Flandernfahrergesellschaft hob sich Gewerbe u. Handel in H. sehr. 1270 erhielt H. sein eignes Gesetzbuch; die Neustadt wurde nun angelegt, 1292 die Räthe beider Städte vereinigt u. 1325 das Münzrecht erworben. Wegen eines Streits mit dem Domcapitel gerieth H. 1336 in Bann, welcher jedoch 1356 wieder aufgehoben wurde, eine Fehde mit Holstein ward ebenfalls glücklich beseitigt. Mehrere Besitzungen in den Umgebungen, wie 1342 Eppendorf, 1351 die Elbwerder, 1394 das Amt Ritzebüttel, wurden gekauft 1390 die Feste Moorburg gebaut. Im 15. Jahrh. gab es Kämpfe zwischen Rath u. Bürgerschaft u. Krieg der ostfriesischen Edelleute gegen die Hansa, wie H. überhaupt an allen Fehden der Hansa Theil nahm; so eroberte sie mit Lübeck 1420 die Vierlande. 1464 forderte König Christian I. von Dänemark von H. die Erbhuldigung, begnügte sich aber mit dem vom Bürgermeister geleisteten Handschlag, u. Kaiser Maximilian schützte H. 1510 durch ein eignes Decret gegen die dänischen Prätensionen. 1483 erregte Heinrich von Loh, ein aus dem Hannöverschen hierher geflüchteter Leibeigner, einen Aufstand, in dessen Folge 1497 das städtische Gesetzbuch neu redigirt wurde. Um 1500 bauten geflüchtete Niederländer den westlichen Theil H-s Als die Hansa fiel, war H. wenigstens ein Handelsplatz zweiten Ranges, doch mehr in Spedition u. Commission, als im Welthandel. Die Reformation, bes. durch Otto Stimmel (Steynmeel) betrieben, begann seit 1522 hier festen Fuß zu fassen u. wurde seit 1528 durch Bugenhagen geleitet u. nach der von ihm verfaßten Kirchenordnung (Ordeninge der Erbaren Stadt Hamborg, 1529) von dem Rathe, trotz dem Widerstreben des Domcapitels, durch den Receß vom 18. Febr. 1529 eingeführt; Äpinus (Huck) wurde 1532 erster Superintendent. 1533 hier Friede zwischen Schweden u. der Hansa. 1536 trat H. dem Schmalkaldischen Bunde bei; 1548 verwarf es das Interim, allein nun drohte der Kaiser mit der Acht u. versprach nur dann Schutz gegen das die Erbhuldigung wieder prätendirende. Dänemark, wenn H. zum Katholicismus zurückkehre; dazu wurde der Senat noch durch innere Unruhen der Bürgerschaft, die darauf drang, eine Einsicht in der Verwaltung der öffentlichen Gelder zu erlangen, gestört; 1563 übergab der Senat die Verwaltung der Staatskasse in die Hände der Bürger, welche nun die Kämmerei gründeten. In den Religionskriegen des 16. Jahrh. u. im Dreißigjährigen Kriege wurde H. nicht belagert. Unduldsamkeit u. Störrigkeit der Bewohner vertrieb indessen in dieser Zeit auch manchen fleißigen Bürger aus H-s Mauern, u. Mennoniten u. andere dissentirende Protestanten siedelten sich auf holsteinischen Grund u. Boden dicht an der Stadt an u. bauten Altona. 1605 neue Einrichtung des Stadtbuchs u. vollständigere Ausbildung des Gemeinwesens. 1615 wurde die Neustadt mit in die Umwallung der Stadt gezogen. Um 1670 entstanden neue Zänkereien zwischen Bürgern u. Senat; zwar suchte eine kaiserliche Commission sie 1674 zu beseitigen, allein vergeblich; die Dänen erschienen vor der Stadt u. verlangten die Erbhuldigung. Sogleich standen die sämmtlichen Bürger gegen sie auf; zwei patriotische Bürger, Snitger u. Jastram, wurden unter dem Vorwand, daß sie die Stadt den Dänen hätten überliefern wollen, hingerichtet. Die Gährung dauerte fort u. brach, durch die Umtriebe einiger Geistlicher angefacht, 23. Nov. 1693 wieder in Aufstand aus; die aus der niederen Klasse (Mayerianer, nach ihrem Führer Mayer genannt) trugen den Sieg davon. 1609 schaffte eine kaiserliche Commission wieder augenblickliche Ruhe, aber 1703 brachen die Proletarier unter dem Prediger Krumholz los u. vertrieben den Senat. Auf des Letztern Bitten schickte der Herzog von Braunschweig u. die Directoren des Niedersächsischen Kreises, zu welchem H. gehörte, 1708 Truppen nach[902] H., u. die zugleich angekommene kaiserliche Commission brachte es endlich nach vierjährigen Verhandlungen u. nachdem die Rädelsführer hingerichtet, andere eingekerkert od. verbannt worden waren, zu dem großen Hauptreceß von 1712, in dessen Folge die Zufriedenheit der Bürger zurückkehrte u. die Ruhe nicht wieder gestört wurde. 1713 kam König Christian V. von Dänemark, H. zu belagern, wurde jedoch mit 280,000 Thlrn. davon abgebracht.

Handel u. Wohlstand war indessen seit dem Westfälischen Frieden gesunken, doch während des Siebenjährigen Krieges hob er sich wieder, H. betrieb unmittelbar mit Spanien u. Portugal Handel, sendete Schiffe zum Stockfisch-, Wallfisch- u. Häringsfang aus u. trieb ein bedeutendes Wechselgeschäft. Bes. begünstigte es hierin die schon seit 1619 bestehende Bank. Im Siebenjährigen Krieg hatte H. französische Besatzung, welche am 1. Febr. 1758 von den Preußen überrumpelt u. gefangen wurde. 22. Mai 1762 hier Friede zwischen Preußen u. Schweden. Der Vertrag zu Gottorp 1768 sicherte endlich H-s Unabhängigkeit für immer gegen holsteinische Angriffe, u. vermöge desselben erhielt es auch 1770 Sitz u. Stimme auf dem Reichstag, die es bis jetzt, ungeachtet eines günstigen Reichskammergerichtsausspruchs, von 1618 nicht hatte ausüben dürfen. Während des Amerikanischen u. Französischen Revolutionskrieges wurde H-s Handel zum Welthandel. 1778 lief das erste Schiff, unmittelbar von Amerika kommend, in H. ein. 1799 trat eine Handelskrise ein, wo H. durch Bankerotte 30 Mill. M. B. verlor. Am 29. März 1801 wurde H. durch die Dänen, unter dem Prinzen Karl von Hessen, besetzt, allein durch den Tod Pauls I. befreit, u. am 23. Mai zogen die Dänen wieder ab. 1802 erhielt H. durch. Vergleich mit Dänemark u. Hannover die Hoheitsrechte über den Dom, welche mit dem Erzbisthum Bremen im Westfälischen Frieden an Schweden u. von diesem nach Karls XII. Tode an Hannover gekommen waren, so wie einige Gebietsabrundungen. 1803 u. 1804 zwangen die Franzosen, welche Hannover besetzt hatten, H., den hannövrischen Ständen 1,060,000 Thlr. vorzuschießen, besetzten 1806–07 das Amt Ritzebüttel, um die Elbe zu sichern, u. Anfang Nov. unter Mortier die Stadt selbst, wogegen die Briten eine enge Blokade der Elbe verfügten. Am 13. Dec. 1810 wurde es mit NWDeutschland dem französischen Reiche einverleibt u. die Hauptstadt des Departements der Elbmündungen. H. litt in dieser Zeit viel, der Colonialhandel u. die Schifffahrt, die bisherigen Hauptquellen der Nahrung, wurden vernichtet. General Lauriston verließ Mitte Febr. 1813 die Stadt mit seinen Truppen; der Divisionsgeneral Cara St. Cyr blieb mit wenigen französischen Mannschgsten zurück; am 24. Febr. entstand unter dem Volke, als die Franzosen beschäftigt waren eine Anzahl Geldfässer einzuschiffen, ein Tumult, welcher sich durch die ganze Stadt verbreitete u. bei welchem mehrere Franzosen getödtet wurden. Am 12. März verließ der General Cara St. Cyr mit seinem schwachen Truppencorps H. u. am 18. zogen die Russen unter Tettenborn ein; später erschienen dänische Truppen, welche jedoch am 19. Mai wieder abzogen; am 21. Mai zogen 2400 Schweden unter General Döbbeln ein, welche aber die Stadt am 26. schon wieder verließen. In der Nacht vom 30. zum 31. Mai verließ Tettenborn, zu schwach gegen den heranrückenden Davoust H. u. am folgenden Tage besetzten 5000 Dänen u. am Abend 30 Bataillone Franzosen die Stadt; am 7. Juni erschien eine Bekanntmachung, wodurch 48 Mill. Frcs. für H. als Contribution in 6 Terminen ausgeschrieben wurden; da das erste Sechstel am 12. Juni nicht vollständig eingezahlt war, wurden die angesehensten Kaufleute festgenommen u. nach Harburg gebracht. Am 31. Juli wurde von Davoust befohlen, binnen drei Wochen alle Häuser, Gärten u. sonstige Anlagen bis auf 1500 Fuß Entfernung von den Festungswerken zu rasiren; der Krankenhof, aus welchem 900 Kranke weggeschafft werden mußten, wurde niedergebrannt; im Septbr. wurden 25,000 Menschen zur Stadt hinausgetrieben, unter ihnen 62 der schwersten Verbrecher, deren Kerker auf Davousts Befehl geöffnet worden waren; von jetzt an wurde jeder, der in Verdacht der Spionerie od. der Waffenverheimlichung gerieth, erschossen. Am 11. Nov. begannen die Beraubungen der Bank u. bis zum 17. April 1814 waren 7,489,343 M. B. weggenommen worden. Ende Decbr. 1813 begann Bennigsen mit 40,000 Russen H. auf dem rechten Ufer der Elbe einzuschließen u. auf dem linken erschien Stroganow vor Harburg; am 20. Jan 1814 griffen beide Befehlshaber an; am folgenden Tage drangen die Russen bis zur Vorstadt Hamm vor u. der Kampf dauerte bis Ende April, in welcher Zeit Davoust bemüht war, die Festungswerke zu vervollkommnen. Erst am 14. Mai 1814 übergab Davoust die Stadt, doch hatte er schon am 5. Nov. 1813 die Gelder der Bank (7,506,956 M. B.) weggenommen, um die Kosten des Belagerungszustandes damit zu decken, wogegen 1818 die königlich französische Regierung H. als Entschädigung 1/2 Mill. Fr. Renten überließ. H. schätzt den Verlust durch die Franzosen, die Bank ungerechnet, auf 89 Mill. Thlr. Am 30. Mai zogen die letzten Franzosen ab u. am 31. zog Bennigsen mit den Russen ein.

Am 27. Mai 1814 wurde auf Antrag des Senats von der Bürgerschaft eine Deputation von 20 Männern (nachher die Zwanziger genannt), gewählt, die mit dem Senate zur Reorganisation des Staates in beschleunigtem Geschäftsgang wirken sollte. Die Handelskrisis von 1825 u. 1826 wirkte auch auf H. nachtheilig, doch später blühte es wieder sehr auf, u. auch die Krisis von 1837 wirkte wenig auf dasselbe. 1829 Streit zwischen den Bürgercollegien u. dem Senat über die Fortbestehung des Zolls, weshalb, da die Bürger die von dem Senat erlangte Prolongation des Zolls nicht zugeben wollten, zum ersten Mal die Entscheidungsdeputation zusammengerufen wurde. 5.–8. Mai 1842 großer Brand, durch den von der Deichstraße über den Rödingsmarkt, den Graskeller, den alten u. neuen Wall, die großen Bleichen bis zum Jungfernstieg, auf der andern Seite von der Deichstraße über die Neueburg, Rathhaus, die alte Börse u. die Bank, Speersort, die Paulsstraße, die breite Straße, Lilienstraße bis zum Alsterbassin, Alles durch die Flammen zerstört wurde. Nur die neuerbaute Börse u. einzelne Häuser blieben innerhalb der Brandstätte stehen. Durch diesen Brand wurden 1749 Häuser, 1508 Säle, 488 Buden, 474 Keller, 102 Speicher, überhaupt 4219 Gebäude[903] in 75 Straßen, darunter Petrikirche, Nikolaikirche, Gertrudenkapelle, Rathhaus, Börsenhalle, alte Börse, Bank, Commerzgebäude, Spinn-, Zucht- u.a. öffentliche Häuser mit einem Schaden von 38,000,000 Mk. Cour. verwüstet u. über 100 Menschen verloren dabei das Leben. Nach dem Brande strömten aus ganz Deutschland reichliche Unterstützungen (4 Mill. Mark Banco) zu, welche den großartigen Wiederaufbau förderten u. das Gefühl des Zusammenhanges mit dem gemeinsamen Vaterlande neu belebten; dadurch erwachte der Geist politischer Reformen im Gegensatz zu der seit fast 200 Jahren unveränderten, in der erbgesessenen Bürgerschaft u. dem aristokratischen Senat ihre Verkörperung findenden Verfassung, ohne jedoch Wesentliches zu erreichen. Die von den Uferstaaten abgeschlossenen Verträge vom 13. April 1844 rücksichtlich der Elbschifffahrt u. des Stader Zolls wurden vom Senate u. nach einiger Weigerung auch von der Bürgerschaft genehmigt.

Noch zu Anfang des Jahres 1848 machte sich eine entschiedene Bekämpfung der Reformbestrebungen bemerklich, welche nicht einmal die Veröffentlichung der Bürgerschaftsverhandlungen dulden wollte; um so gewaltsamer waren die Ausbrüche der Volkserhebung nach der Pariser Februarrevolution. Die Bürgerschaft wählte im Einverständnisse mit dem Senate einen Ausschuß für Berathung von Reformen lediglich aus Hausbesitzern; dies befriedigte die unterdeß mächtig herangewachsenen demokratischen Vereine nicht. Dem Drängen der demokratischen Vereine u. Versammlungen nachgebend, beschlossen am 7. Sept. Senat u. Bürgerschaft, eine Verfassunggebende Versammlung unter allgemeiner Wahlberechtigung einzuberufen. Sie trat am 7. Dec. zusammen, fast lediglich aus demokratisch gesinnten Advocaten u. Literaten bestehend, mit nur einer geringen Anzahl von Vertretern aus dem Kaufmannsstande, dem eigentlichen Kern der Bevölkerung u. dem Träger des Wohlstandes, welcher außerdem durch die Sperrung der Elbmündung durch die Dänen seit dem 1. August von den empfindlichsten Verlusten betroffen worden war. In Folge der am 19. Jan. 1849 als Gesetz vom Senate veröffentlichten Deutschen Grundrechte erhielten die Juden das Staatsbürgerrecht. Das Auftreten der Demokraten, neben welchen auch der Socialismus unter den Arbeitern viel Anklang fand, wurde immer entschiedener. Die Verfassungsversammlung schaffte die lebenslängliche Senatorwürde ab u. theilte der Bürgerschaft allein die Gesetzgebende Gewalt zu, erklärte sich auch einstimmig am 14. April für Anerkennung der Reichsverfassung, von der Bürgerschaft u. noch am 6. Mai von der Bürgerwehr gefolgt; ja, am 12. Mai beschloß eine Volksversammlung sogar die allgemeine Bewaffnung zum Schutze der Deutschen Reichsverfassung. Aber schon im Juni fand eine gegen die Einführung der neuen Verfassung, welche bevorstand, gerichtete Schrift schnell 2200 Unterschriften, u. der Senat erklärte, daß die Verfassungsversammlung durch Anmaßung des Rechtes der Einführung der neuen Verfassung seine Vollmachten überschritten habe. Er legte am 5. August feierlich gegen die neue Verfassung, als eine unmögliche, Verwahrung ein, während bei den immer schwächer werdenden Volksbewegungen eine lebhafte Handelsthätigkeit sich wieder entwickelte. Zugleich hatte sich der Senat für den Anschluß an das Bündniß von Preußen, Sachsen u. Hannover wegen einer Reichsverfassung entschlossen, wofür sich auch mit großer Mehrheit die Bürgerschaft entschied, obwohl gegen die Preußen, welche mit 6000 Mann wegen eines am 13. Aug. beim Durchmarsche ihnen angethanen Schimpfes die Stadt besetzt hielten, keine günstige Stimmung herrschte. Am 29. Septbr. 1849 trat ein aus vier. Senatoren u. fünf Mitgliedern der Bürgerschaft bestehender Ausschuß (Neunercommission) zusammen, um den neuen Verfassungsentwurf den Umständen gemäß abzuändern u. ausführbar zu machen. Am 16. April 1850 wurden die Wahlen für das Erfurter Volkshaus vollzogen u. der Senat wählte ein Mitglied aus seiner Mitte ins Staatenhaus. Die Verfassungswirren wurden vorläufig mit Auflösung der Verfassungsversammlung (14. Juni 1850) beschlossen, nachdem schon am 27. Mai zwischen Senat, Bürgerschaft u. den beiden andern mitstimmenden Collegien der 60 u. 180 eine Vereinbarung über eine neue Verfassung u. ein einstweiliges Wahlgesetz zu Stande gekommen war, welche jedoch erst nach Vollendung der zur Ausführung erforderlichen Gesetze in Kraft treten sollten. Am 7. Nov. verließen die preußischen Truppen H., welches sodann ebenfalls die Dresdener Conferenzen beschickte. Die Besiegung der Schleswig-Holsteiner u. die Neutralität Preußens hatten die Besetzung H-s durch Österreicher (29. Januar 1851) zur Folge, zu deren Unterhalt eine Anleihe aufgenommen werden mußte. Nunmehr trat die kleine, aber rührige Partei hervor, welche jede Veränderung der alten Verfassung, wie sie vor 1848 bestand, rückgängig machen wollte u. im Juli 1851 sogar eine Schrift zur Verwahrung gegen die Beseitigung der Grundgesetze der Stadt beim Bundestage einreichte u. veröffentlichte, während Bürgerschaft u. Senat einige zur Ausführung der neuen Verfassung erforderlichen Gesetze vereinbarten. Am 20. Aug. verließ die österreichische Besatzung größtentheils H., nachdem eine am 8. Juni vorgefallene Schlägerei zwischen Arbeitern u. österreichischen Soldaten, wobei es viele Verwundete u. 7 Todte gab, in Verbindung mit den Auslassungen der Hamburger Blätter von einer großen Erbitterung gegen die Österreicher gezeugt hatte. Vorher hatten die beiden deutschen Großmächte dem Senate Noten überreichen lassen, welche von der unbedingten Ausführung der neuen Verfassung abmahnten. Auch der Bundestag richtete am 27. April 1852 unmittelbar eine Note an den Senat, worin die Überarbeitung der neuen Verfassung, um sie der Bundesverfassung anzupassen, gefordert wurde. Der Senat beauftragte nun die Neunercommission mit einer nochmaligen Überarbeitung der neuen Verfassung. Die Ergebnisse derselben wurden dem Senat im Juli 1853 vorgelegt, aber, obwohl sie die sorgfältigste Berücksichtigung der Bedenken des Bundestages verriethen, von der österreichischen u. preußischen Regierung mit dem Rathe als unausführbar bezeichnet, nach Maßgabe des Bedürfnisses nach u. nach nur einzelne Punkte der alten Verfassung, die allerdings in Wirklichkeit alle Stürme überdauert hatte, abzuändern. Der Senat lehnte zwar die Einmischung in die inneren Angelegenheiten ab, seit der Zeit bewendete es aber mit stillschweigender Zustimmung der Mehrzahl bei der alten Verfassung, wie sie vor 1848 bestand, denn[904] auch ein letzter Versuch des Senates im Sommer 1855 scheiterte, da die erbgesessene Bürgerschaft am 7. Juni mit 391 gegen 229 Stimmen den Verfassungsentwurf zugleich mit den Ausführungsgesetzen, dem Wahlgesetze, der Geschäftsordnung der Bürgerschaft, dem provisorischen Gesetze über die Gerichts- u. Polizeiverfassung u. über das Verfahren in Criminal- u. Untersuchungssachen, sowie endlich über die Organisation der Verwaltung ablehnte. Die Deutschen Grundrechte waren schon am 24. Septbr. 1851 aufgehoben worden. Im Februar 1852 hatten die letzten Österreicher das Hamburgische Gebiet verlassen. Vorübergehendes Aufsehen erregte im Jahre 1852 die Ausweisung des Mormonenapostels Carin, welcher in H. viele Anhänger gewonnen hatte; eine ziemliche Anzahl davon schiffte sich nach Amerika ein. Am 18. Febr. 1853 entzog der Senat den Deutschkatholiken, weil ihr Bekenntniß mit dem Christenthum unverträglich sei, die im Jahre 1848 ertheilte Concession; auch ihre Schule wurde von Amtswegen geschlossen; mit nicht geringerer Entschiedenheit hatte schon vorher der Senat den Altlutheranern das Taufen, Trauen u. die Anstellung von Geistlichen untersagt. Am 28. Febr. 1855 fand der Abschluß einer Militärconvention statt, der zu Folge H., Lübeck u. Bremen wieder in das frühere, im Jahre 1848 gelöste Brigadeverbandverhältniß zu Oldenburg traten; der Vertrag wurde dann auch von der Bürgerschaft genehmigt. In demselben Jahre wurde das Hamburger Theater versteigert, da der vom Senat beantragte Ankauf desselben keinen Anklang fand, Noch einmal tauchte die Verfassungsfrage auf; der abgelehnte Entwurf war von der Neunercommission neu umgearbeitet u. mit Zusätzen versehen worden, welche eine Vertretung der Zünfte u. Gewerbe bei der Bürgerschaft bezweckten; die Bürgerschaft erklärte sich am 27. März u. 7. April 1856 dagegen. Zum Schutze des literarischen Eigenthums kam zwischen H. u. Frankreich ein Vertrag am 2. Mai 1856 zu Stande. Im Jahre 1857 hatte H. in Folge der ungünstigen Gestaltung der nordamerikanischen Handelsverhältnisse eine Handelskrise zu bestehen, von welcher Einzelne sehr hart getroffen wurden; aber in einem Zeitraum von einem halben Jahre waren 15 Mill., die man hatte aufborgen müssen, zurückbezahlt, 5 Mill. in der Bank deponirte Eisenbahnactien u. für 8 Mill. versetzte Waaren u. Werthpapiere eingelöst worden, während in demselben Zeitraum Anleihen abgeschlossen wurden zusammen in einem Betrage von etwa 28 Mill. Am 27. April 1858 wurden die Conferenzen über das Seerecht eröffnet, an welchen sich Österreich, Preußen, Baiern, Hannover, Thüringische Staaten, Anhalt, Braunschweig, Mecklenburg, Oldenburg, Lübeck, Bremen u. Hamburg betheiligten. Bei der im Sommer 1858 in H. tagenden Elbschifffahrtsrevisionscommission legte der Senat einen Entwurf zur Ablösung der Elbzölle vor, welchem Hannover wegen des Stader Zolles beistimmte. Mit Preußen kam ein Vertrag zu Stande, worin sich beide Staaten die Vollstreckung der Urtheile ihrer Gerichte verbürgen. Trotz der vorjährigen Krisis war eine eigentliche Stockung in Verfolgung von Angelegenheiten, welche dem Gemeinwohl u. namentlich der Beförderung der Schifffahrt u. des Welthandels dienen, nicht eingetreten; indeß hatte sie doch die Hamburg-Brasilianische Dampfschifffahrt schon im Entstehen gelähmt. Immerhin unterhielten Hamburger Postdampfschiffe auch im Jahre 1858 jeden Monat eine einmalige Verbindung über Portugal mit Südamerika u. eine zweimalige mit New York, wobei der Hamburger Postdampfer Austria am 13. Sept. nicht mehr fern von New-York verbrannte; gegen 500 Menschen verloren dabei ihr Leben. Vgl. Staphorst, Hamburgische Kirchengeschichte, Hamb. 1723–28, 5 Thle.; O. Krabbe, Ecclesiae evangelicae Hamburgi instauratae historia, ebd. 1840; Bärmann, Hamburgs Chronik, ebd. 1820; F. G. Zimmermann, Neue Chronik von H., ebd. 1820; Gallois, Geschichte der Stadt H., ebd. 1856.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 901-905.
Lizenz:
Faksimiles:
901 | 902 | 903 | 904 | 905
Kategorien:

Buchempfehlung

Pascal, Blaise

Gedanken über die Religion

Gedanken über die Religion

Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.

246 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon