[618] Canăda (Gesch.). Der Name C. soll von dem spanischen aca nada! (d.i. hier [im Norden] ist nichts!) herkommen, welches die Spanier, es entdeckend, wegen des unproductiven Landes ausgerufen hätten; nach Andern von dem Cabo de Nada, einem Vorgebirg am Lorenzstrom, od. vom schippewäischen Canata, großes Dorf. Zuerst besuchten die Italiener Giovanni u. Sebast. Cabot mit 6 englischen Schiffen 1497 das Land, doch wurde von den Engländern keine Notiz von dieser Entdeckung genommen. Um 1500 besuchten die Franzosen unter den Italiener Giovanni Verragani das Land, das dieser für Frankreich in Besitz nahm; 1506 Denis u. 1508 Aubert; 1534 u. 1535 fuhr Jacq. Cartier den Lorenzstrom hinauf u. nannte das Land Neu-Frankreich; er schloß Verträge mit den Eingebornen u. baute eine Festung. Um 1600 wurde schon ein großer Pelzhandel zwischen C. u. Frankreich getrieben. 1603 u. 1608 gingen Handelsgesellschaften von Rouen, St. Malo u. La Rochelle nach C.; 1608 legte Capitän Champlain den Grund zu Quebec, worauf die Colonie zum französischen Vicekönigreich gemacht wurde. Den Titel Vicekönig von Neu-Frankreich erhielt 1620 der Marschall Montmorency. 1628 ging auf Richelieu's Antrieb eine neue Handelsgesellschaft von 100 Mitgliedern von Frankreich nach C.; sie erhielt das ausschließliche Privilegium, mit C. zu handeln, machte sich aber anheischig, in 3 Jahren 300 u. bis 1643 16,000 Handwerker u. Ackerbauer dahin zu bringen. Wie die früheren Colonisten, so vermochten auch diese nicht die dortigen Zustände zu verbessern u. zu consolidiren. Fortdauernde Streitigkeiten mit den Indianern, welche von den Ansiedlern perfid behandelt wurden u. daher ihnen feindselig gesinnt waren, traten dem Gedeihen der Colonie hindernd entgegen. Noch schlimmer gestalteten sich die Verhältnisse, als die Religionsverfolgung der Jesuiten sich auch in den Colonien gegen die Reformirten wendete, so daß diese auch dort keine Zuflucht fanden. 1629 nahmen die Engländer Quebec, gaben es aber 1631 den Franzosen zurück u. 1640 wurde Montreal gegründet. Seit 1664 wurde C. von der Französisch-westindischen Colonie verwaltet u. die Colonie unter königliche Oberaufsicht gestellt. Indeß wurden schon 1674 der Gesellschaft die Territorien wieder entzogen u. eine Regierung nach C. geschickt. Diese, Conseil souverain, bestand aus dem Gouverneur als königlichem Commissär, einem apostolischen Vicar zur Wahrnehmung der kirchlichen Interessen u. 4 Edelleuten als Räthen. Die Colonien wurden nun blühend, aber dies gab den Engländern Veranlassung zur Eifersucht, u. es entstanden fortwährend Kämpfe an den Grenzen der beiden Mächte. 168588 waren kaum 12,000 Franzosen in dem Lande; viele Protestanten hatten sich, um den Verfolgungen zu entgehen, in der Wildniß angebaut. Nachdem die Engländer schon 1690 u. 1711 vergebliche Versuche gemacht, sich C-s zu bemächtigen u. 1756 durch den Marquis Montcalm, der in C. landete, mehrere Forts nahm u. 2000 Franzosen zu Gefangenen machte, sie aber durch insgeheim gewonnene Indianer niedermachen ließ, mehrere Vortheile gewonnen hatten, eroberten sie unter General Wolfe 1759 Quebec, u. Frankreich mußte im Frieden zu Paris 1763 C. abtreten. Diesen Verlust hatten die Franzosen mehr dem Unfug der Beamten in C., die sich allerhand Ungerechtigkeiten zu Schulden kommen ließen, als dem Unglück gegen die Engländer zuzuschreiben. Berüchtigt sind bes. die Namen Beaujon u. Bigot. Von der französischen Regierung ward eine Untersuchung über jene Beamten verhängt, in deren Folge Mehrere in die Bastille gesetzt, Andere verbannt wurden. Die Briten führten nun durch Proclamation vom 7. October 1763 englisches Recht u. englische Gerichtshöfe für die Civil- u. Criminalprocesse ein; dies erregte aber als Antastung der französischen Nationalität Unwillen, u. als die Nordamerikanischen Unruhen ausbrachen, wurde für alle älteren Colonisten 1774 die alte französische Seigneurverfassung (d.h., daß ein Individuum einen ganzen District in Lehn bekam u. diesen nun Einzelnen, ihm Lehnbaren, abtrat) u. das französische Recht mit Ausnahme des Criminalrechts hergestellt, während die neuen, d.h. englischen Ansiedler, in ihren Townships das englische Recht beibehielten. Diese Maßregel u. der Umstand, daß die damals an Despotie gewöhnten Franzosen, besser mit der englischen Regierung daran waren, als mit ihrer eignen, waren Ursache, daß, als der Nordamerikanische Freiheitskrieg ausbrach u. 1775 die amerikanischen Generale Montgomery u. Arnold C. zu insurgiren versuchten, die Einwohner von C. der britischen Regierung treu blieben. Auch mißlang das Unternehmen der Amerikaner auf Quebec im December 1775 u. Bourgoyne reinigte C. von den Insurgenten. 1784 wurde die Habeascorpus acte in C. eingeführt. Auf Pitts Betrieb wurde, um C. ganz den anderen englischen Colonien gleichzustellen, die neue Constitution von 1791 verfaßt. Danach wurde C. in 2 Gouvernements, Ober-C. u. Unter-C., getheilt u. jedem vom König zu ernennenden Gouverneur ein berathender Vollziehungsrath u. 2 parlamentähnliche Corporationen, der gesetzgebende Rath u. die Assembly (s. Canada, Geogr.) beigegeben. Aber diese echt englische Einrichtung sagte dem französischen Charakter nicht zu, die in Nieder-C. die englische Nationalität um das 4fache überwiegende französische Bevölkerung trat mit der rein englischen gesetzgebenden Versammlung u. dem Geheimenrath bald in dem Repräsentantenhaus in geheime Opposition, u. die meisten in diesem durchgegangenen Bills wurden in der gesetzgebenden Versammlung verworfen. Dadurch wurde die Verschmelzung des französischen u. englischen Elements gehindert, u. immer schärfer sonderten sich die Elemente, daß in Nieder-C. das französische u. in Ober-C. das englische das herrschende wurde. Bei alle dem wankte die Treue der Canadier gegen England nicht, u. der Prinz-Regent sprach laut seinen Dank gegen dieselben über ihr Benehmen in dem Kriege gegen die Vereinigten Staaten 1812 aus.
Als jedoch nach dem Frieden 1816 viele Offiziere u. Beamten in C. Anstellung u. Fortkommen suchten u. der milde u. umsichtige Generalgouverneur Sir Sherbrooke, der seit 1816 diese Stelle bekleidet hatte, 1818 abging, zeigte sich in Nieder-C. nicht mehr der frühere Geist, man[618] klagte bes. unter dem Generalgouverneur Herzog von Richmond u. unter dem Untergouverneur von Nieder-C., Dalhousie, über Nepotismus, Bedrückungen, Veruntreuungen, Parteilichkeit etc. Als man daher die Wiedervereinigung der beiden C-s in Eine Colonie 1822 im britischen Parlament zur Sprache brachte, fand dies nicht nur in diesem großen Widerspruch, sondern noch mehr in Unter-C., von wo eine Petition gegen diese Bill an das britische Parlament ging, welches dieselbe fallen ließ. An der Spitze der französischen Opposition stand Papineau, nachmals Präsident der Assembly von Unter-C., dessen Rednergabe auf die Bewegung großen Einfluß übte. Man verlangte bes. größere Verantwortlichkeit der executiven Gewalt u. mehr Regelmäßigkeit in der Finanzverwaltung, die ungeachtet des großen Zuschusses Englands immer schlechtere Resultate gab. 1826 erregte die Canadalehnacte (Canada-tenures-act), welche das alte Seigneurverhältniß aufhob, den Unwillen der französischen Bevölkerung, noch mehr steigerte sich die Unzufriedenheit, als der Generalgouverneur im November 1827 sich weigerte, die Wahl Papineaus als Sprecher in der Assembly von Unter-C. anzuerkennen. Die Assembly ging aus einander, setzte jedoch einen Ausschuß nieder, welcher eine Beschwerdeschrift an das britische Parlament richtete, worin bes. die Verwendung von 1/2 des ganzen Grundeigenthums für die englische Kirche hervorgehoben war; zugleich bat man um Dalhousies Abberufung. In Folge dessen wurde eine Commission zur Untersuchung der canadischen Verhältnisse vom englischen Ministerium abgesandt u. Dalhousie abberufen. Die Commission fand die meisten Beschwerden gegründet, u. da in Rio u. Kempt u. später in Lord Aylmar unparteiische u. umsichtige Gouverneure eingesetzt wurden, so beruhigten sich die Gemüther, obgleich keine Maßregeln getroffen wurden, welche auf eine durchgreifende Veränderung des bisherigen Verwaltungssystems abzweckten. Eine Palliativmaßregel 1832, nach der auch 11 französische Canadier in die gesetzgebende Versammlung aufgenommen werden sollten, befriedigte das Verlangen der französischen Colonisten nicht, u. nachdem 18331835 kein Budget zu Stande gekommen war, ging 1834 Roebuck als Abgesandter der Assembly von Unter-C. nach London, um eine neue Beschwerde einzureichen. 1835 erschien eine Parlamentscommission, Lord Gosford, der zugleich zum Gouverneur in Unter-C. bestimmt war, an der Spitze, in C., die Assembly gerieth mit derselben in Conflicte, so daß es zu keiner Verständigung kommen konnte, u. 1836 beschloß sie, um die Regierung zu definitiven Maßregeln zu nöthigen, mit großer Stimmenmehrheit, für jetzt nur noch auf 6 Monate die Steuern u. zwar unter der Bedingung zu bewilligen, daß die gesetzgebende Gewalt künftig von einem, aus Wahlen hervorgegangenen Repräsentantenhause bestehen, die Executivgewalt aber verantwortlich sein solle. Beides schlug das britische Parlament am 13. März 1837 ab u. empfahl die Deckung des durch die Budgetverweigerung entstandenen Deficits. Auch in Ober-C. hatte sich indessen Unzufriedenheit gezeigt, man beklagte sich bes. über die Familienaristokratie der alten Ansiedler (vor. 1812), den Family compact; diese waren strenge Anglikaner, hatten sich alles noch unbebauten Bodens durch Kauf, Lehen u. Abtretung, u. zugleich sämmtlicher Richter-, Civil-, Kirchen- u. Schulämter bemächtigt u. zogen jeden neuen Gouverneur in ihr Interesse. Gegen die dadurch hervorgerufene Mißverwaltung zeigte sich in der Assembly eine starke Opposition, welche ebenfalls auf Verantwortlichkeit der Regierungsbeamten antrug. An der Spitze der obercanadischen Opposition stand seit 1832 Mackenzie, welcher es dahin brachte, daß 1834 eine Petition mit ziemlich denselben Klagepunkten, wie die untercanadische, nach England abgesendet wurde; Gouverneur war damals Francis Head.
Als im Juni 1837 die Entscheidung des britischen Parlaments über die Angelegenheiten Unter-C-s anlangte, wurde die Proclamation Lord Gosfords sogleich von den Milizen in Quebec abgerissen, u. die Assembly von Unter-C. erklärte in einer Antwortsadresse am 18. August, daß sie diese Entscheidung als einen Mißbrauch der Gewalt ansähe u. so lange die Steuern verweigern würde, bis die Resolution des britischen Parlaments nicht zurückgenommen u. die Forderungen bewilligt wären. Nachdem Gos ford in Folge dieses Beschlusses die Assembly aufgelöst hatte, traten die Demokraten, mit Papineau. Nelson, Cote, Drolet an der Spitze, zu einer revolutionären Gesellschaft (Söhne der Freiheit) zusammen, welche zu Montreal einen Centralausschuß zur Leitung ihrer Unternehmungen constituirte. Dieser sprach die Trennung von England offen aus, u. 6 Grafschaften traten im October zu einer Conföderation unter Nelson zusammen. Dagegen organisirten die Loyalisten ebenfalls einen Clubb, u. der Gouverneur zog zur Unterdrückung der Bewegung, welche bereits den Charakter des Bürgerkriegs angenommen hatte, Truppen herbei. Oberst Gore wurde von 1500 M. unter Nelson bei St. Denis am Lorenzstrome den 23. November 1837 zurückgeschlagen, Obristlieutnant Wetheral stürmte aber den 26. November die Verschanzungen der Insurgenten unter Brown bei St. Charles u. drang bis St. Denis vor, welches er in Brand steckte. In Unter-C. wurde am 4. Decbr. das Kriegsgesetz erklärt u. die Assembly dieser Provinz suspendirt. Am 14. u. 15. December wurden die Insurgenten bei St. Eustach u. Grand Brulé angegriffen u. zerstreut, mehrere Anführer blieben, andere retteten sich nach den Vereinigten Staaten. Gleich darauf wurde Lord Gosford abberufen u. Sir John Colborne provisorisch zum Gouverneur von Unter-C. ernannt. Auch in Ober-C. versuchte ein Insurgentenhaufe unter Mackenzie u. van Egmont die Hauptstadt Toronto (York) in der Nacht zum 5. December zu überfallen, wurde aber am 7. December von Oberst Mac Nab, dem Sprecher der Assembly von Ober-C., angegriffen u. zerstreut. Van Egmont wurde gefangen, die übrigen Häuptlinge entkamen. Mackenzie floh nach Buffalo, im Staate New-York, nahm hier den Titel Präsident der Canadischen Republik an u. brachte von nordamerikanischen Freischaaren, sogenannten Sympathizers, verstärkt, auf der canadischen Navyinsel bei Buffalo Lebensmittel u. Waffen zu einem Angriff auf Ober-C. zusammen. Er bediente sich eines Dampfschiffes Karoline, das einem Bürger von Buffalo gehörte, um die Verbindung mit dieser Insel zu unterhalten. Dieses Dampfschiff wurde, während es am New-Yorker Ufer bei dem Orte Schlosser vor Anker lag, vom Capitän Drew in[619] der Nacht zum 30. December 1837 in Brand gesteckt, von der Strömung in den Niagarafall getrieben u. dort zerschmettert. Die Navyinsel wurde am 14. Januar 1838 von den Briten angegriffen u. die Insurgenten vertrieben. Dieser Vorfall hätte leicht die ernstlichsten Folgen haben können. Mac Nab ward 1840, 2 Jahre nach dem Vorfall, als Betheiligter bei dem Überfall der Karoline auf dem Gebiete des Staates New-York verhaftet u. unter Insulten u. Todesdrohungen in ein Staatsgefängniß geworfen. In Folge dessen drohte ein Conflict zwischen Großbritannien u. der Union auszubrechen, doch wurden die Schwierigkeiten mit der Freisprechung Mac Nabs glücklich beseitigt.
Unterdessen hatte das britische Parlament am 16. Jan. 1838 die Canadabill mit 110 Stimmen gegen 8 bestätigt, wodurch die Verfassung von 1791 u. alle späteren Verordnungen bis zum 1. November 1840 suspendirt u. Lord Durham als Generalgouverneur mit unbeschränkter Vollmacht nach C. gesendet werden sollte. Dieser landete am 21. Mai in Quebec, u. eine seiner ersten Maßregeln war, daß er alle politisch Compromittirten nach den Bermudasinseln verbannte. In Folge der Indemnitybill, welche auf Antrag Lord Broughams die Acte des Generalgouverneurs als Vollmachtüberschreitung für nichtig erklärte, legte Durham sein Amt nieder u. kehrte im November 1838 nach England zurück. Inzwischen wurde die Ruhe nur noch an einigen Orten von einzelnen Insurgentenbanden u. Sympathizers gestört u. kehrte vollständig zurück, als der Vorschlag Lord Russels, beide C-s in Hinsicht der Gesetzgebung durch Ein Parlament zu vereinen u. eine neue liberale Verfassung einzuführen (s. Canada, Geogr.), im Juli 1840 vom Parlament angenommen u. das betreffende Gesetz am 23. Juli 1840 in C. proclamirt wurde. 1841 wurde Sir Charles Bagot als Generalgouverneur nach C. geschickt. 1842, wo endlich nicht ohne Opfer von Seinen Englands die Streitigkeiten zwischen der Union u. England, welche Grenzbestimmungen zwischen dem Staate Maine u. C. betrafen, beigelegt wurden, erhielt die Regierung freiere Hand zu den beabsichtigten Verwaltungsreformen. Die Durchführung derselben erweckte ihr jedoch die Gegnerschaft der alten Ansiedlerfamilien in Ober-C. (die Toryistische od. Sächsische Partei genannt), die ihre durch Nepotismus starke Macht durch die liberalen Neuerungen bedroht sahen. An ihrer Spitze stand Mac Nab. Ihnen mißfiel die Vereinigung beider C-s, die Wahl der Minister des Gouverneurs aus den französischen Abkömmlingen u. die Umschmelzung der Regierungsform zu einer constitutionellen mit einem Vicekönig, verantwortlichen Ministern u. parlamentarischer Regierung. Doch sahen sie sich durch das Zusammenhalten der Franzosen Unter-C-s unter sich u. mit den Radikalen Ober-C-s stets in die Minorität gedrängt. Ein unwesentlicher Streitpunkt führte endlich zum offenen Ausbruche der Parteileidenschaft. Schon in dem letzten getrennten Parlament von Ober-C. war nämlich ein Gesetz über Entschädigung aller durch die jüngste Revolution Beschädigten durchgegangen, u. die englische Schatzkammer war hinsichtlich derselben in Anspruch genommen worden. Das erste vereinigte Parlament trat dem Beschlusse bei. Die also bestätigte Bill erhielt im Allgemeinen wohl die Genehmianna des englischen Ministeriums. nicht aber in dem Punkte wegen des Anspruches auf die englische Schatzkammer, worauf das Council C-s den Antrag auf Zahlung der Entschädigung aus den consolidirten Fonds der vereinigten Provinzen stellte. Dagegen erhoben sich wieder die, ohnehin pecuniär durch die Vereinigung beeinträchtigten französischen Canadier, den unterdeß amnestirten Papineau (s. oben) an ihrer Spitze. Das canadische Ministerium fand die Protestation billig, u. das Council beschloß, bei dem Gouverneur darauf anzutragen, daß die Entschädigung, wenn auch unter beschränkenden Bedingungen, auch für Unter-C. einträte (ausgeschlossen von der Begünstigung der Entschädigungsbill sollten nämlich hier Alle sein, welche an der Empörung thätigen Antheil genommen), während für Ober-C. gar keine Beschränkungen gelten sollten. Hiernach ward auch die in Unter-C vorgenommene Abschätzung von den Commissären bis auf 100,000 Pfd St. herabgesetzt. Im Anfange der Verwaltung des, nach Zurücktritt des Lord Metcalfe neu ernannten Gouverneurs Lord Elgin (seit August 1847) blieb die Sache jedoch auf Rath der conservativen Minister, die mit den Loyalen zu brechen fürchteten, gänzlich ruhen. Erst als Lord Elgin in Hoffnung auf eine günstigere Parteistellung im Sommer 1847 die Versammlung aufgelöst, die Neuwahlen, bes. aus Ober-C., jedoch nur eine Verstärkung der liberalen Partei u. durch sie den Sturz des Ministeriums zur Folge gehabt hatten, brachten die neuen liberalen Minister die Entschädigungsfrage wegen Unter-C. zur letzten Beschlußfassung vor das im Januar 1849 neu eröffnete Haus u. erhielten im März dessen Beistimmung, selbst von Seiten der Majorität der englischen Vertreter. Die Partei Mac Nab gerieth durch den Beschluß völlig außer sich. Waren schon seit Eintritt des liberalen Ministeriums mehrmals Unruhen in Toronto (22. März) u. Montreal ausgebrochen, so kam es nun zum offenen Aufstand. Am 25. April 1849, dem Tage der Sanctionirung der Bill durch Lord Elgin, brachen die Loyalen, seit Kurzem in eine British American League unter Oberst Mac Nab organisirt, in Montreal los, insultirten den Gouverneur, demolirten mehrere Häuser ihrer Gegner u. erstürmten u. verbrannten endlich das Parlamentshaus mit der Bibliothek der Legislatur. Die Unthätigkeit der Garnison, den Aufrührern wohl um 1000 M. überlegen, gab einen neuen Beweis für den Charakter des Aufstandes als eines reinen Racenkampfes gegen die Franzosen. Dagegen verhielt sich die Assembly ganz unparteiisch. Am 28. April gab die große Mehrheit dem Gouverneur ein Vertrauensvotum. Hierauf wendeten sich die Loyalen um Unterstützung nach England, von wo nach der Nachricht von dem Aufstande 3 Schiffe mit Truppen nach C. gingen. Unterdessen stieg die Aufregung immer mehr; es ging eine Adresse nach England, um die Regierung um ihr Veto gegen die Entschädigungsbill u. um Abberufung Lord Elgins zu bitten. Allein die englische Regierung rief den Lord Elgin nicht ab, billigte im Gegentheil seine Politik. Ende Mai wurde die Legislatur durch den Oberbefehlshaber der Truppen, Generalmajor Rowan, als Stellvertreter des Gouverneurs Elgin, vertagt. Neue Unruhen brachen am 15. August in Montreal nach Verhaftung einiger, in der Aprilrevolte Compromittirter aus u. am 7. September zwischen den Reformern u. Tories[620] zu Bytown, wo erstere zusammengekommen waren, um eine Glückwünschungsadresse an den Gouverneur zu beschließen; die Letzteren behaupteten den Platz, bis das Militär sie vertrieb. Kurz darauf ward der Regierungssitz von dem unruhigen Montreal nach Toronto verlegt.
Unterdessen währte die Agitation für den Anschluß an die Vereinigten Staaten, welche selbst ruhige Leute nicht aus politischen, sondern aus commerciellen Gründen wünschten, fort u. rief verschiedene Adressen deshalb hervor. Lord Elgin verfügte darauf die Absetzung aller bei den Anschlußadressen betheiligten Beamten. Zugleich sah er sich genöthigt, gegen die im November 1849 aufständig gewordenen Chippewas-Indianer in den Bergwerksbezirken der oberen Seen, die, von Speculanten um ihr Land betrogen, lange ihr Recht bei der Regierung vergebens gesucht hatten, mit Waffengewalt einzuschreiten. In dem am 14. Mai 1850 zu Toronto neu eröffneten Parlament erklärte sich der Gouverneur gegen jeden Versuch, das Land von England loszureißen. Die 3 Hauptparteien des Landes: die altenglischen Conservativen unter Mac Nab, die entschieden antienglischen Republikaner Ober-C-s unter Papineau u. die französische Reformpartei in Unter-C., welche eine Erweiterung des Wahlrechtes erstrebt hatten, schienen indeß seitdem darin einig zu sein, daß sie, wenn auch aus sehr verschiedenen Motiven, die Annexation an die Vereinigten Staaten für das Ersprießlichste halten. Die Nordstaaten der Union unterließen nicht, diese Sympathien eifrig zu unterstützen, schon um in C. eine Verstärkung ihres Übergewichts gegenüber den südlichen Sklavenstaaten zu erhalten, u. die Regierung der Vereinigten Staaten wird, bes. um ihrer Handelspolitik willen, den Gewinn des neuen Staates stets mit Freuden begrüßen. Die schwache Bevölkerung C-s zu stärken, lenkte England, bes. seit 1847, den Strom der europäischen Auswanderung dahin, u. wirklich zählte man in diesem Jahre 100,000 Einwanderer, während früher deren kaum 20,000 gewesen waren. Allein eben dadurch wurde über C. großes Verderben gebracht, denn die Einwanderer, meist arme Irländer, auf der Überfahrt in größeres Elend versunken, wurden, dort angekommen, noch zu Tausenden die Opfer des Typhus u. machten diese Krankheit in C. heimisch. Lord Elgin wurde im September 1852 vom Ministerium Palmerston abberufen u. an seiner Stelle Lord Harris zum Generalgouverneur ernannt. Unter Beider Verwaltung nahm die Colonie an Bevölkerung wie an materiellen Hilfsquellen zu. Im Jahre 1853 fanden zu Montreal u. Quebec Unruhen statt, die in Folge der Reden des methodistischen Predigers Govazzi von der katholischen Bevölkerung angestiftet waren, aber bald unterdrückt wurden. Eine Spannung zwischen der Regierung u. dem Colonialparlament trat 1855 ein, wurde jedoch durch Nachgiebigkeit der Ersteren, welche in die Wählbarkeit des Oberhauses (Legislative council) u. in die Verfügung über die der Hochkirche reservirten Güter zu öffentlichen Zwecken willigte, ausgeglichen. Große Eisenbahnbauten, welche im Jahre 1856 zur Ausführung kamen u. die Hauptorte des Landes, Quebec, Toronto u. Montreal, unter einander u. mit den nächsten Handelsplätzen der Vereinigten Staaten in Verbindung brachten, trugen zum Aufschwung des Handels u. der Industrie wesentlich bei, während durch Errichtung von Normalschulen für die Verbesserung des Unterrichts Sorge getragen wurde. Die Agitation für den Anschluß an die Vereinigten Staaten ließ in demselben Grade nach, wie die Regierung bemüht war, den Forderungen des Parlaments entgegenzukommen u. das Wohl der Colonie durch zweckmäßige Maßregeln zu befördern. Collection des mémoires, etc., sur l'histoire ancienne du Canada, Quebec 1840; Brasseur de Bourbourg, Hist. du C., de son église en de ses missions, Par. 1852, 2 Bde.
Brockhaus-1809: Canada · Canada
Brockhaus-1911: Canada [2] · Canada
Meyers-1905: Dominion of Canada · Cánada · Canāda
Pierer-1857: Ost-Canăda · Upper-Canada · West-Canada · Nieder-Canada · Canăda [1] · Capillair de Canăda · East-Canăda-Creek
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