1. Alle Witwen sind reich.
Engl.: Widows are always rich. (Bohn I, 43.)
2. Alte Witwen sind die besten. – Petri, II, 12.
3. An Witwen und Jungfrauen, an Rüben und Schoten am Wege rupft jedermann.
Böhm.: Ušklubná semena, v poli hrách ařepa, vlidech vdova a panna každému jsou na ránĕ. (Čelakovsky, 89.)
4. An Witwen und Waisen will jedermann den Arsch wischen.
Holl.: Aan weduwen en weezen wil elk trekken en plakken. (Harrebomée, II, 444a.)
5. Arme Witwen, magere Braten. – Frischbier, 4087.
[319] 6. Bei den Witwen ist das Brot zwar fertig, aber es ist nicht jedem Magen gesund.
Poln.: U wdowy chléb gotowy. (Lompa, 32.)
7. De Wêdwe (auch: Wedefroen) Klêd is lang, elk trett der up. – Kern, 252; Goldschmidt, 162.
8. Der Witwe Anzug erinnert an die Vergangenheit, ihre Augen (Thränen) an die Gegenwart, und ihr Herz sucht die Zukunft.
9. Der Witwe Schuhe sind leicht, in denen sie dem zweiten Mann entgegengeht. – Bertram, 71.
10. Der Witwen Thränen fliessen wol die Backe herab, sie schreyen aber vber sich wider den, der sie herauss dringet. – Petri, I, 22.
11. Die reiche Witwe weint nur mit einem Auge, mit dem andern ladet sie ein. (Span.)
12. Die Witwe hat bessern Vorrath, der Kastendeckel ist fester. (Esthn.)
Eine Heirath mit ihr ist in wirthschaftlicher Hinsicht weit vortheilhafter.
13. Die Witwe steht für einen Mann.
Poln.: Wdowy za mąž gotowy. (Čelakovsky, 395.)
14. Ein Wittib, die sich wieder Verheyrat vnnd Kinder hatt, die thut wie ein Hun, sie helt sich zum Hanen vnd vergist der Hünlein. – Lehmann, 142, 43.
15. Eine reiche Witwe ist keine Witwe. – Altmann VI, 401.
16. Eine Witwe bleibt in empfänglicher Hand sitzen. – Graf, 153, 85.
Selbst in dem Falle, dass keine Verbindung der ehelichen Güter stattgefunden und die Witwe nach dem Tode ihres Ehemanns nichts mehr zu beanspruchen hatte, sollte der Erbe sie nicht sofort aus Haus und Hof des Erblassers verweisen. In der Regel waren ihr noch 30 Tage gewährt. Fürchtete der Erbe, er möge dadurch Schaden leiden an seinem Rechte, so »mag er«, wie der Sachsenspiegel, I, 22 sagt, »wol einfahren in das Gut zu der Witwe vor dem dreissigsten, auf dass nichts verloren werde, was ihm gehört; anders soll er aber keine Gewalt haben auf dem Gute bis auf den dreissigsten.«
Mhd.: Ein wittib bleibt in entphenclicher hand sitzen. (Grimm, II, 478.)
Schwed.: Den enkjan blijr falle gift. (Törning, 21.)
17. Eine Witwe hat nur noch ein halbes Herz.
Böhm.: Vdovec má jen polovici srdce. (Čelakovsky, 396.)
18. Eine Witwe het enen langen Stêrt, darup ward immer treen.
19. Eine Witwe ist ein niedriger Zaun, über den alles springt. – Simrock, 11730b.
20. Eine Witwe ist wie ein dornstrauch, da die Rosen von sind. – Petri, II, 237; Henisch, 734, 57.
21. Eine Witwe macht ihre Kalender gern nach Mannheim.
22. Eine Witwe muss man nehmen, weil sie noch im Leidjahre, und eine Jungfrau, weil sie noch gelb um den Schnabel ist.
23. Eine Witwe nehmen, heisst: alte Hosen auf dem Trödelmarkt kaufen; wer weiss, wer darin gegangen.
Poln.: Kto wdowę pojmuje, jakoby stare poczciwice na wendecie kupił: co wiedzieć, kto w nich chodził. (Čelakovsky, 396.)
24. Eine Witwe ohne Kind ist ein ganz lecker Ding.
Böhm.: Šij vdovo široké rukávy, budeš míti več pomluvu klásti. (Čelakovsky, 89.)
Schwed.: Enkian är elendig, med henne finnas få beständig. (Törning, 34.)
25. Einer jungen Witwe weiss jeder einen Klex anzuhängen.
Sehr schön sagen daher die Russen: Eine Witwe mag weite Aermel tragen, um Raum für üble Nachrede zu haben.
Böhm.: Šij vdovo široké rukávy, budeš míti več pomluvu klásti. (Čelakovsky, 89.)
26. Einer Witwe Andacht (Trauer) währt nicht länger, als bis sie einer aufnestelt. – Simrock, 11728; Körte, 6896; Körte2, 8637.
Frz.: Une femme, qui enterre un mari ne s'en soucie pas d'en enterrer un autre.
[320] 27. Einer Witwe bleibt das letzte Kind das schönste.
Holl.: Eene weduwe vindt haar laatste kind altijd schoon genoeg. (Harrebomée, II, 444a.)
28. Einer (jungen) Witwe will jeder was am Zeuge flicken.
29. Es ist gefährlich, eine Witwe zu heirathen, weil sie ihren Reiter abgeworfen hat.
30. Fromme Witwen, böse Weiber. – Rabener, Satiren, Leipzig 1761, III, 34.
31. In einer Witwe Truh findet man mehr als in eines Mädchens Schuh.
Dän.: Man finder det i enkens boe som ikke findes i pigens skoe. (Prov. dan., 166.)
32. Ist die Witwe nur reich, so kommen die Freier gleich.
Frz.: Il a épousé une veuve fort riche, il a trouvé là un bon nid.
33. Junge Witwen zu unterhalten ist ein gut Werk.
Jüdisch-deutsch in Warschau: An Almune (Witwe) is a Mizwe (frommes Werk) zü kigeln. Wird dort von Leuten gebraucht, die mit jungen Witwen unanständig schäkern unter dem Vorwande, dass es als frommes Werk gilt, Witwen (und Waisen) aufzuheitern.
34. Man muss Witwen freien, wenn es an ⇒ Jungfern (s.d.) fehlt.
In Aegypten sagt man: Wenn du kein Rosenöl hast, so räuchere mit Ambra.
35. Um die Witwe muss man freien weil sie noch trauert (Trauerkleider trägt). – Simrock, 11727; Körte, 6894.
36. Wenn eine Witwe wieder heirathet, steht St. Benedikt den ganzen Tag hinter der Thür.
Wortspiel mit »bene deto« was »Benedikt« aber auch: »Seliger« heisst, weil die Witwen gern von ihrem Seligen sprechen.
37. Wenn Witwen wieder heirathen, spaziert der Selige den ganzen Tag im Hause herum.
Spott auf die wieder verheiratheten Frauen, die dem zweiten Mann sehr häufig vom »Seligen« vorsprechen.
38. Wer die Witwe freit, der freit auch die Schulden.
In Oberitalien sagt man: Wer eine Witwe heirathet, isst Bohnen. Ob dies eine Anspielung auf die Bohnen als Symbol des Todes sein soll? Thatsache ist, dass noch jetzt in Venedig wie in ganz Oberitalien Bohnen gegessen und an die Armen vertheilt werden.
Frz.: Qui épouse la veuve, épouse les dettes. (Lendroy, 593; Cahier, 508; Gaal, 1599.)
39. Wer eine Wittib freyet, der hat dreyerlei arbeit: Erstlich das er sie von jhres ersten Mans weiss vnnd Kopff gewehnt; dass er sie von jhrer angenommen gewonheit bringt; dass er sie nach seinen sitten vnd Kopf gewehnet. (S. Fleisch ⇒ 74, ⇒ 75.) – Lehmann, 143, 59.
Dän.: Hvo som tager en enke, han faaer bord og baenke, og meget at paa taenke. (Prov. dan., 145.)
Frz.: Qui veuve prend il se repent.
Schwed.: Den som tår en enkia, han får bord och bänkia, och myckit på tänkia. (Törning, 21.)
40. Wer eine Witwe freit, der findet fertig Brot und daneben seine liebe Noth.
Die Masuren sagen: Bei der Witwe das Brot, aber auch das jähzornige Heiz. (U wdowi chleb gotowi, a serce zapalczywe.) (Frischbier, II, 3186.)
Poln.: U wdowy chleb gotowy, ale nie každemu zdrowy. (Čelakovsky, 395.)
41. Wer eine Witwe heirathet, dem wird oft der Kopf eines Todten in die Schüssel geworfen werden.
Engl.: He who marries a widow will often have a dead man's head thrown in his dish.
42. Wer eine Witwe mit drei Kindern heirathet, der heirathet vier Diebe.
43. Wer einer Witwe tröstlich ist, dem gehen beide Augen aus.
»Jedermann meynet, wer einer Wittwen tröstlich sey, vnd Guts thue, dem gehen beyde Augen auss, wie das alte Sprichwort lautet.« (Chemnitius, Postilla, II, 491.)
44. Wer um eine Witwe freit, der brauche nicht viel Zeit; wer will zur Jungfrau gehen, der lasse sich nur selten sehen.
Dass um Jungfrauen und Witwen in sehr verschiedener Weise geworben werden müsse, drücken die Engländer wie folgt aus: »He that wooes a maid, must seldom come in her sight; but he that wooes a widow, must wooe her day and night; he that wooes [321] a maid must feign, and lie and flatter, but he that wooes a widow must down with his breeches and at her.« Der Herausgeber des Hudibras (Edinburg 1773) erwähnt dies Sprichwort zu der Stelle S. 7, Kap. 1, 913 fg., welche lautet: »Honour is like a widow, won with brisk attempt and putting on, with entering manfully and erging not stow approaches like a virgin.« Dies Sprichwort findet sich in Ray's Collection (London 1768). Ray sagt, er habe Bedenken getragen, es in seine Sammlung aufzunehmen, habe es aber gethan, nachdem er es in einem kleinen Buche unter dem Titel: The Quaker's spiritual court proclaimed, written by Nath. Smith stud. in physic., gefunden. Dieser theilt darin mit, wie ihm ein angesehener Quäker in London den Rath gegeben habe, die reiche Witwe zu heirathen, in deren Hause er wohnte, was ihm durch kühnes Vorgehen gelungen sei. Aber nicht blos der fromme Quäker räth zur Kühnheit beim Freien um Witwen, sondern auch Washington Irving in seinem Sketchbook (The Christmas- dinner) führt folgendes in England verbreitete Sprichwort an: »He that will woo a widow, must not dally, he must make hay while the sun does shine; he must not stand with her, shall I, shall I? But boldly say, widow, thou must be mine.« (Vgl. Heidelberger Jahrbücher der Literatur, 1863, S. 61.)
45. Wer Witwen freit und wer Kaldaunen (oder: und Kuttelflecke) isst, der frage nicht (kümmere sich nicht, denke nicht daran), was drin gewesen ist. – Demokritos, II, 372; Frischbier, 4088.
»Wer eine Wittwe heyrathen und Caldaunen fressen wil, muss nicht denken, was drinnen gewesen, sagte der Narr, als jhm Prinz Johann Moritz von Nassau eine Schüssel Caldaunen vorsetzen liess.« (Schuppius.)
Holl.: Die weduwen trouwt en worsten kouwt, weet niet, wat er is in gedouwd. (Harrebomée, II, 444a.)
46. Wer Witwen und Waisen bedrückt, der wird vom Teufel gezwickt.
Holl.: Hij is een uitzuiger van weduwen en weezen. (Harrebomée, II, 444b.)
47. Wer Witwen vnd Waisen recht thut, dem gehen die Augen auss. – Petri, III, 15.
48. Wittwen seyn das Holtz, davon ein Jeder Spän abhawen will.
49. Wittwen seyn das Tuch, daran ein Jeder die Schuch butzen will.
50. Wittwen seyn die Scheib, darnach ein Jeder zielen will. – Dietrich, Buch der Weisheit, I, 222.
51. Wittwen seyn die Stiegel, darüber ein Jeder steigen will.
52. Wittwens andacht wehret biss sich einer auffnestelt. – Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 124.
53. Witwen drückt kein Schuh, wenn sie auf den zweiten Mann harren.
54. Witwen haben ein kurz Gedächtniss. – Schuppius.
55. Witwen sind für den Mann bereit. (Poln.)
56. Witwen und Priester haben ihren eigenen Willen.
Böhm.: Vdovička svá volička. (Čelakovsky, 395.)
Poln.: Tak u księdza jak u wdowy, každy chodzi po swéj woli. (Čelakovsky, 395.)
57. Witwen vnd Waisen soll man weisen.
»Witwe vnd Waiselin wil niemand gerne vmbsonst vber einen Wagenweg gehen lassen«; denn der Welt Reim heisset: Witwen vnd Waisen u.s.w. (Herberger, II, 252.)
58. Wo eine Witwe (ein Witwer) wohnt, da sind Bürsten und Spiegel der nöthigste Hausrath.
Man putzt sich viel, um zu gefallen.
Böhm.: Vdovĕ nĕkdy čert štĕtky půjčuje, a vdovce sám češe. (Čelakovsky, 396.)
*59. Bleib witwe, biss nümmer leut gen Rom gehn. – Schimpff, Comedien.
*60. Die Witwe setzt das Geschäft fort.
Um zu sagen, dass zwar ein Personenwechsel z.B. in der Verwaltung eingetreten sei, aber dessenungeachtet alles beim Alten geblieben sei. Besonders bei Regierungs- und Beamtenwechsel, um seine Unzufriedenheit auszudrücken, dass längst erwartete Reformen nicht eintreten, längst beklagte Uebelstände nicht beseitigt werden.
61. Frî üm de Wittwe, darwîl se no tru'rt. – Schlingmann, 1462.
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