Spirĭtus [2]

[757] Spirĭtus (hierzu Tafel »Spiritusfabrikation« mit Tert), mehr oder weniger reiner Alkohol (Äthylalkohol), aus zuckerhaltigen Flüssigkeiten durch Gärung und Destillation gewonnen. Bei der Gärung zerfällt der Zucker in Kohlensäure und Alkohol, und letzterer wird durch Destillation abgeschieden. Früher, als noch der S. größtenteils zum Genuß in der Form von Branntwein (s. d.) bereitet wurde, war dieser Industriezweig hauptsächlich Branntweinbrennerei (Brennerei). Der neuere Betrieb (Spiritusfabrikation) unterscheidet sich von letzterer durch das Arbeiten in größerm Maßstab und auf alkoholreichere Destillate. Branntweine enthalten 25–50 Volumprozent Alkohol; die zu andern Zwecken dienenden, bis über 90 Volumprozent Alkohol enthaltenden Destillate heißen S. Bei dem Branntwein hat der je nach dem Ursprung (und zum Teil der Bereitungsweise) verschiedene Geruch und Geschmack Einfluß auf den Handelswert, der wesentliche Bestandteil ist aber stets der berauschend wirkende Alkohol, und beim S. kommt allein der Alkoholgehalt in Betracht, die fremden, riechenden Stoffe, die als Nebenprodukte bei der Alkoholbildung auftreten, werden bei Herstellung von hochgradigem S. möglichst vollständig entfernt. Das Produkt heißt dann gereinigter S. (Sprit). Zur Darstellung der zuckerhaltigen Flüssigkeit, aus der der S. gewonnen wird, benutzt man a) feste oder flüssige Stoffe, die Zucker fertig gebildet enthalten, wie Zuckerrüben, Maisstengel, Sorghum, Obst, Beeren, Melasse[757] und andre Rückstände oder Abfälle der Zuckerfabrikation, Abfälle der Weinbereitung und Bierbrauerei, Honig u. a.; b) Stoffe, die keinen Zucker, wohl aber Stärkemehl enthalten, das durch Einwirkung von Malz (Diastase) in Zucker übergeführt wird, wie Kartoffeln (Topinambur), Getreide, Mais, manche Leguminosen und andre Samen. Oft verwendet man auch als Rohmaterial eine bereits alkoholhaltige Flüssigkeit, wie Traubenwein, Obstwein, und die Rückstände ihrer Bereitung (Trester, Hefe etc.). In Deutschland spielen die Kartoffeln als Rohmaterial weitaus die größte Rolle.

Verarbeitung zuckerhaltiger Rohstoffe.

Von zuckerhaltigen Rohstoffen wird in Deutschland die Zuckerrübe sehr wenig benutzt, während man in manchen Gegenden Frankreichs, je nach Handels- und Preisverhältnissen der Jahrgänge, die Rüben auf Zucker oder auf Spiritus verarbeitet. Melasse wird mit etwas Schwefelsäure erhitzt, mit Wasser auf einen Gehalt von 12–25 Proz. verdünnt und mit Kunsthese aus Roggenschrot oder Mais und Darrmalz in Gärung versetzt. Meist aber wird Melasse vorteilhafter auf Zucker verarbeitet. Aus Traubenwein werden namentlich im südlichen Frankreich die gesuchtesten Traubenbranntweine (Franzbranntweine, Kognak) gewonnen. Die Darstellung des zum Branntweinbrennen bestimmten Weines zielt auf möglichsten Alkoholgehalt; die Art der Destillation, des Abbrennens und der Aufbewahrung ist auf den Geschmack des Produktes von wesentlichem Einfluß. Die Rückstände der Weinbereitung liefern den Tresterbranntwein, die bei der Gärung abgeschiedene Hefe den Drusenbranntwein. Zur Darstellung von Rum werden Rückstände von der Darstellung des Zuckers aus Zuckerrohr benutzt. Von Obst oder andern süßen Früchten werden Äpfel und Birnen, Kirschen, Zwetschen, Brombeeren, Heidelbeeren, Holunderbeeren u. a. durch Zermalmen, Reiben oder Stampfen in einen Brei verwandelt, den man auspreßt oder unmittelbar in Tonnen füllt, in denen der Saft oder der Brei bald in Gärung kommt. In manchen Gegenden bildet die Obstbrennerei eine ländliche Industrie, die in kleinerm und größerm Maßstabe betrieben wird; es werden aus den einzelnen Obstarten zum Teil sehr geschätzte Trinkbranntweine dargestellt, die durch bestimmten Geschmack gekennzeichnet sind. Nachdem die Gärung begonnen, werden die Tonnen nach der erfahrungsmäßig besten Zeit dicht verschlossen und so lange an einem kühlen Ort aufbewahrt, bis die Reihe des Abbrennens an sie kommt; das Abbrennen dauert das ganze Jahr hindurch, so daß manches Obst ein Jahr, Zwetschen auch wohl zwei Jahre und mehr in der Tonne verbleiben; die Dauer dieser überaus langsamen Gärung ist von bestimmtem Einfluß auf die Eigenschaften, namentlich auf die Klarheit, des Erzeugnisses. Die Verarbeitung der Abfälle der Brauerei und der Weinfabrikation sowie der Erzeugnisse der kleinbäuerlichen Obst- und Weinbauwirtschaften faßt man als Materialbrennerei zusammen. Zuckerrüben liefern neben hohem Spiritusertrag von der Bodenfläche ein geschätztes Viehfutter als Rückstand. Die Rüben werden auf einer Maschine in Stücke geschnitten, aus diesen wird der Saft durch Auslaugen mit säurehaltigem Wasser oder mit Schlempe gewonnen und mit Hefe oder mit Hefe enthaltendem, gärendem Rübensaft in rasch verlaufende Gärung versetzt. Nach Leplay wird der Saft nicht abgeschieden, sondern die Rübenschnitzel werden unter Zusatz von etwas Schwefelsäure in gärenden Rübensaft gebracht. Im erstern Fall wird der Rübensaft, im letztern werden die Rübenschnitte als solche nach Vollendung der Gärung (nach 1–2 Tagen) der Destillation unterworfen. – Von der gesamten Spiritusproduktion Deutschlands wurden 1891–1900 nur ca. 5,5 Proz. oder jährlich 176,080 hl reinen Alkohols aus zucker-, bez. alkoholhaltigen Rohstoffen gewonnen, und an dieser Produktion ist der aus Melasse dargestellte S. mit 80 Proz. beteiligt.

Verarbeitung stärkemehlhaltiger Rohstoffe.

Die Verarbeitung stärkemehlhaltiger Rohstoffe, namentlich der Kartoffeln, ist in Deutschland von größter volkswirtschaftlicher Bedeutung. Die Kartoffel ist für große Länderstrecken mit sandigem Boden das hauptsächlichste Landesprodukt, erträgt aber keine hohen Transportkosten. Die Umwandlung in ein teureres, Frachtkosten leicht ertragendes Produkt, den S., erscheint um so vorteilhafter, als das Nebenprodukt, die Schlempe, ein wertvolles Futtermittel für Milchtiere bildet. Die Spiritusfabrikation tritt deshalb auch meist als landwirtschaftliches Gewerbe auf, das eine große Viehhaltung ermöglicht, so daß der ärmere Boden stark gedüngt werden kann und bei der intensiven Bearbeitung, welche die Kartoffel erfordert, so wesentlich verbessert wird, daß auch der Getreidebau sich lohnend erweist. Zur Verzuckerung des Stärkemehls bedarf die Kartoffel aber des Malzes, bez. der Gerste in solchem Verhältnis, daß man auf die Kartoffelernte von je zwei oder drei die Gerstenernte von einem Morgen Landes nötig hat. Es muß also die erforderliche, zum Gerstenbau geeignete Landoberfläche zur Verfügung stehen, oder es muß Gerste eingeführt (gekauft) werden. Dazu kommt in neuerer Zeit die Aufnahme des Maiskorns in den Brennereibetrieb und eine solche Hebung der Verkehrsmittel, daß gegenwärtig große Mengen Kartoffeln auf weitere Entfernungen transportiert werden. Im Durchschnitt der Jahre 1891–1900 wurden 2,514,980 hl S., bez. reinen Alkohols oder 78 Proz. der Gesamtproduktion aus Kartoffeln gewonnen, wozu durchschnittlich jährlich 2,300,000 Ton. oder beinahe 7 Proz. der gesamten Kartoffelernte verarbeitet wurden. Von andern mehligen Rohstoffen wurden in derselben Zeit jährlich nur 348,000 T. verarbeitet und daraus 545,400 bl reinen Alkohols gewonnen. Von Getreide werden vorzugsweise Mais (bei uns hauptsächlich als Zusatz zu Kartoffeln), Roagen, Gerste und zuweilen Weizen und Reis auf S. verarbeitet. Wie in der Bierbrauerei werden diese Rohstoffe in der Weise mit Malz behandelt, daß durch die in letzterm enthaltene Diastase das Stärkemehl in Dextrin und Zucker verwandelt wird. Während aber bei der Bierbrauerei Dextrin im fertigen Produkt erhalten bleiben soll, bezweckt die Spiritusfabrikation eine möglichst vollständige Vergärung.

Maischverfahren.

Bei der Verarbeitung von Getreide auf Kornbranntwein wird ein Gemenge von Roggen mit Weizen- oder Gerstenmalz oder Weizen mit Gerstenmalz, und zwar 1 Teil Malz auf 2–3 Teile ungemalztes Getreide, möglichst sein geschroten und mit Wasser (etwa 4,5 Teile auf 1 Teil Trockensubstanz) eingemaischt. Das Maischen des Getreides wird in kleinern Brennereien durch Handarbeit, in größern mittels Maischmaschinen bewirkt, die erforderliche Temperatur teils durch Erhitzen des zum Maischen verwendeten Wassers, teils durch Einleiten von Dampf erzielt. Bei der Handarbeit wendet man zum gründlichen Durcharbeiten Maischhölzer, bei der Maschinenarbeit ähnliche Vorrichtungen an, wie sie bei der Kartoffelbrennerei üblich sind. In England zieht man[758] nach vollendeter Verzuckerung des Stärkemehls wie bei der Bierbrauerei eine Würze, in Deutschland dagegen läßt man die ganze Maische mit den Trebern gären. Bei der Verarbeitung von Roggen auf Trinkbranntwein wird das geschrotene Material mit Wasser eingeteigt und durch Dampfeinleitung gekocht. Anwendung von hohem Druck benachteiligt den Geschmack des Branntweins. – Kartoffeln werden zunächst auf Waschmaschinen gewaschen, indem man sie z. B. in Wasser geneigt liegende und rotierende Lattentrommeln passieren läßt. Auch sind Vorrichtungen zur Absonderung etwa beigemengter Steine vorhanden. Die Kartoffeln enthalten 14–28, in der Regel 18–20 Proz. Stärkemehl, zu dessen Verzuckerung 2,5–5 Proz. der verarbeiteten Kartoffeln an Grünmalz erforderlich sind. Rohes Stärkemehl wird aber durch Diastase nicht angegriffen, es muß vielmehr vor dem Maischen durch Erhitzen mit Wasser auf Temperaturen bis 100° verkleistert oder bei höhern Temperaturen in Lösung gebracht werden. Die gewaschenen Kartoffeln werden nach dem ältern Verfahren mittels frei einströmenden Dampfes in nicht dampfdicht geschlossenen (meist hölzernen) Bottichen (Dampffässern) gekocht, noch heiß mittels Quetschwalzen oder mittels andrer Vorrichtungen zerdrückt und dann unter Zusatz von Wasser mit dem Malz vermischt, eingemaischt. Man maischt entweder die ganze Menge Malz und Kartoffeln zugleich oder bringt die Kartoffeln in kleinern Anteilen zu dem vorher eingemaischten Malz, oder man mischt die Kartoffeln in kleinern Mengen ebenfalls mit Anteilen des Malzes, bis die Masse jedesmal durch die Zuckerbildung dünnflüssig geworden ist. Über Maischapparate s. Tafel, Fig. 1 u. 2.

Nach dem neuern Maischverfahren, das eine vollständigere Verzuckerung der Stärke erreicht, werden die Kartoffeln sowie auch Getreide und besonders in neuerer Zeit auch Mais, letzterer in eingequelltem Zustand, in geschlossenen Gefäßen unter einem Druck von etwa 3 Atmosphären und bei der demselben entsprechenden höhern Temperatur gedämpft. Für diesen Zweck sind nach dem Vorgang von Hollefreund (Tafel, Fig. 3–8) eine ganze Reihe von Apparaten konstruiert worden, die eine vollkommen aufgeschlossene Masse liefern. Diese gelangt gekühlt in den Vormaischbottich, in dem sie, mit gequetschtem und im Maischapparat mit wenig Wasser eingeteigtem Malz gemischt, eingemaischt wird. Die meist eisernen Vormaischbottiche besitzen ein Rührwerk zum Mischen der Materialien, auch wohl Vorrichtungen zu einer nachträglichen Zerkleinerung derselben und zum Kühlen der Maische. Die Diastase des Malzes verwandelt das Stärkemehl in Maltose und Dextrin, und zwar am energischsten bei 55–65°. Bei höherer Temperatur wird die Diastase geschwächt, bei 70–80° vermag sie Stärke nur noch zu verflüssigen, und bei 85° hört ihre Wirkung auf. In konzentrierten Zuckerlösungen erträgt sie ohne Schaden eine Temperatur von 70°, so daß man die Maische nach vollendeter Zuckerbildung auf diese Temperatur erhitzen kann, um schädliche Mikroorganismen zu töten. Unter sehr günstigen Verhältnissen kann Diastase 96 Proz. der Stärke in Maltose verwandeln, in der Brennereipraxis ober erreicht man nur ein Gemisch von 81,9 Maltose und 19,1 Dextrin. Das Dextrin ist nicht direkt gärungsfähig, wenn aber bei der Gärung die Mal lose allmählich verschwindet, indem sie durch die Hefe in Alkohol und Kohlensäure zerlegt wird, dann verwandelt in der gärenden Masse noch vorhandene Diastase das Dextrin in Maltose, die nun ebenfalls vergärt. Diese »nachwirkende Kraft der Diastase« muß also sorgfältig geschont werden, und das geschieht durch Vermeidung hoher Temperatur und der Bildung von Buttersäure durch Bakterien, die zwischen 40 und 50° am wirksamsten auftreten. Zur möglichst vollständigen Verzuckerung ließ man früher die Maische etwa zwei Stunden stehen, die bessere Ausschließung des Stärkemehls unter Druck läßt aber das Ziel schneller erreichen. Durch Anwendung von trockenem Dampf und möglichste Abscheidung des Kondensationswassers sucht man sehr konzentrierte Maischen zu erhalten (Dickmaischverfahren), weil solche bei Maischraumsteuer eine Ersparnis an Steuer bedingen, und weil sie glatter und reinlicher vergären, also höhere Ausbeute liefern.

Zur Verarbeitung des Maises in den Hochdruckapparaten bringt man die ganzen, event. vorgequellten Körner in den Henzedämpfer, der auf 100 kg Mais etwa 150–160 kg Wasser enthält, kocht bei offenem Mannloch unter lebhafter Bewegung des Maises eine Stunde lang, schließt dann das Mannloch, dämpft wieder eine Stunde unter steigendem Druck, zuletzt eine Viertelstunde bei 3,5–4 Atmosphären, und bläst endlich unter diesem Druck aus. Geschrotener Mais wird in horizontal liegenden, mit Rührwerk versehenen Dämpfern unter weniger hohem Druck verarbeitet. Soll der Mais mit Kartoffeln verarbeitet werden, so maischt man ihn, nachdem er abgekühlt ist, für sich ein, verteilt ihn mit der erforderlichen Hefe auf zwei oder drei Gärbottiche und setzt die Kartoffelmaische zu. Nach dem alten Verfahren blieben bei Kartoffeln 5–10 Proz., bei Mais 10–12 Proz. der Stärke unaufgeschlossen, nach dem neuen Verfahren wird bei Kartoffeln die Stärke nahezu vollständig verzuckert, bei Mais bleiben nur 2,5, höchstens 5 Proz. unaufgeschlossen.

Verarbeitung der Maische.

Die verzuckerte Maische, die eine Temperatur von etwa 60° besitzt, muß so schnell wie möglich auf die zum Hefegeben und zum Einleiten der Gärung erforderliche Temperatur (ca. 15°) abgekühlt werden. Dies geschah früher allgemein auf Kühlschiffen, flachen Gefäßen von solcher Größe, daß die Maische darin nur eine dünne Schicht bildet, deren Abkühlung noch durch Umrühren und starken Luftwechsel befördert wird. Hierbei verweilt die Maische lange Zeit auf der für die Entwickelung schädlicher Mikroorganismen günstigen Temperatur, so daß eine Infektion mit säurebildenden Bakterien sehr leicht eintritt, und man wendet daher vorteilhafter kaltes Wasser und Eis in Oberflächen- oder Röhrenkühlern an. Über den Kühlapparat von Hentschel s. Tafel, Fig. 9. In neuerer Zeit bevorzugt man Maischapparate, die durch Einbauen von Taschen- oder Röhrenkühlern zugleich als Kühlapparate funktionieren und eine Vereinfachung des Betriebes gestatten.

Die auf die eine oder die andre Weise erhaltenen gärungsfähigen Flüssigkeiten, d. h. im wesentlichen Traubenzuckerlösungen von passender Verdünnung und Temperatur, werden nunmehr durch Hefe in Gärung versetzt, wobei der Zucker möglichst vollständig in entweichende gasförmige Kohlensäure und in der Flüssigkeit bleibenden Alkohol zerfallen soll. Man kann den Maischen die als Nebenprodukt der Bierbrauerei erhaltene Hefe oder Preßhefe zusetzen, meist aber wendet man Kunst- oder Maischhefe (s. Kunsthefe) an, die aus frisch bereiteter Maische und gut gewachsenem Grünmalz bei ca. 60° dargestellt wird. Dies Hefengut läßt man in 20–24 Stunden[759] auf etwa 48° abkühlen, um Milchsäuregärung einzuleiten, da von der Gegenwart der Milchsäure, die andre schädlich wirkende Bakterien, wie Buttersäurebakterien unterdrückt, der gute Verlauf der Gärung abhängig ist. Man benutzt zur Einleitung der Säuerung auch Reinkulturen des Milchsäurebazillus, um eine größere Sicherheit des Betriebes zu erreichen. Das gesäuerte Hefengut wird auf die Anstelltemperatur (15–19°) abgekühlt und zu Beginn der Kampagne mit Preßhefe versetzt. Besser wird durch Reinzüchtung aus nur einer Hefezelle gewonnene Reinhefe von ganz bestimmter Rasse, die für Brennereizwecke besonders günstige Eigenschaften besitzt, als Anstellhefe benutzt. Während der Gärung findet eine lebhafte Neubildung von Hefe statt, aber nur bis der Alkoholgehalt der Maische 5 Proz. beträgt. Sobald dieser Punkt erreicht ist, wird Mutterhefe zur Anstellung neuer Kunsthefe abgenommen, die Hauptmenge der Kunsthefe aber wird der Maische zugesetzt. In Frankreich und Belgien wird fast nur Bier- oder Preßhefe benutzt. Man rechnet auf 1000 kg 1–2 Lit. breiige Hefe oder 0,75–1 kg Preßhefe. – In allen Fällen wird die Gärung der Hauptmaischein großen hölzernen, meist offenen Gefäßen, Bottichen, bewirkt, sie muß möglichst energisch und vollständig und in derjenigen Zeitdauer (in 66–72 Stunden) verlaufen, die unter den bestehenden Steuergesetzen als die vorteilhafteste erscheint. Im ersten Stadium der Gärung (Vorgärung) findet geringe Temperatursteigerung, aber starke Vermehrung der Hefe statt, die dann die Hauptgärung hervorruft, wobei die Maische unter starker Entwickelung von Kohlensäure in wallende Bewegung gerät und die Temperatur bedeutend (um ca. 17°) steigt. Dabei nimmt die Dichtigkeit der Maische ab, da Zucker zersetzt und spezifisch leichter Alkohol gebildet wird. In der folgenden Nachgärung, in der das Dextrin in gärungsfähige Maltose verwandelt wird, nimmt die Kohlensäureentwickelung ab und die Temperatur sinkt. Zur Erzielung möglichst hoher Ausbeute an Alkohol muß ein hinreichender Diastasegehalt der Maische erhalten bleiben, die Hefepilze müssen gesund und kräftig sein, und zur Verhinderung der Ansiedelung schädlicher Bakterien ist peinlichste Sauberkeit erforderlich (s. oben), auch werden zu diesem Zwecke doppeltschwefligsaurer Kalk, Flußsäure und Fluoride angewandt. Man hat auch die Kunsthefe (Reinhefe) durch Züchtung mit allmählich steigenden Mengen von Flußsäure letzterer angepaßt und dadurch mancherlei Vorteile erzielt, indes sind die Ansichten über den Wert des Flußsäureverfahrens geteilt. Konzentriertere Maischen stellt man bei 15°, verdünntere bei 20° an, man kann aber auch erstere wärmer anstellen, wenn man den Verlauf der Gärung durch Bottichkühlung regelt. Zur Kühlung benutzt man von kaltem Wasser durchströmte kupferne Kühlschlangen, die in die Maische eingesenkt, auch auf und ab bewegt werden, um schnelleres Entweichen der gärunghemmenden Kohlensäure zu erreichen. Um mit weniger stärkereichen Kartoffeln konzentrierte Maische herstellen zu können, die nicht zu dick und schwer beweglich ist, benutzt man Maischentschäler, liegende, konische Siebtrommeln, in denen eine Schnecke die Maische nach der engen Ausflußöffnung bewegt. Die Flüssigkeit läuft dabei durch Siebe in den Gärbottich, während die festen Bestandteile ziemlich trocken abgepreßt die Vorrichtung verlassen. Statt der Hefe hat man auch andre Pilze als Gärungserreger benutzt, und Collette und Boidin in Lille haben mit Amylomyces Rouxii gute Resultate erzielt.

Die vergorne, weingare Maische enthält außer Alkohol (5–10 Proz.) viele aus dem Rohmaterial stammende Extraktivstoffe und Salze, auch Nebenprodukte der Gärung, wie namentlich die Fuselöle. Zur Abscheidung des Alkohols dient die Destillation (s. d., das Abtreiben, Abbrennen). Reines Wasser siedet bei 100°, reiner Alkohol bei 78,3°. Der Siedepunkt eines Gemisches von Alkohol und Wasser liegt zwischen diesen beiden Punkten und ist im allgemeinen um so höher, je geringer sein Alkoholgehalt ist. Wird ein solches Gemisch der Destillation, d. h. dem Kochen in einem Apparat, unterworfen, der die vollständige Wiederverdichtung des gebildeten Dampfes in einem andern Teile des Apparats durch Abkühlung gestattet, so kann man aus dem Dampf eine Flüssigkeit, ein Destillat, erhalten, das im Verhältnis zum Wasser mehr Alkohol enthält als die siedende Flüssigkeit (vgl. Destillation). Der einfachste Destillationsapparat, bei dem der aus der kochenden weingaren Maische sich entwickelnde Dampf sofort vollständig verdichtet wird und in dem Kochgefäß, der Blase, ein alkoholfreier wässeriger Rückstand bleibt, liefert ein alkoholarmes Produkt (Lutter, Läuter, Lauer), aus dem bei abermaliger Destillation (Rektifikation, Wienen) in gleicher Wesse ein alkoholreicheres Produkt erhalten werden kann. Die Apparate, die gegenwärtig bei der Spiritusfabrikation in Anwendung sind, arbeiten periodisch oder kontinuierlich, liefern aber alle sofort ein alkoholreiches Produkt (85–95 Proz.) und führen die Verdichtung des alkoholreichen Dampfes in sehr verschiedener Weise und mit sehr verschieden gestalteten Apparat teilen aus. Bei dem einfachen Destillationsapparat benutzt man zur Verdichtung der Dämpfe kaltes Wasser, bei den vollkommnern aber Maische, die bei dieser. derwendung vorgewärmt wird; anderseits schaltet man zwischen Blase und Kühler Verstärkungsvorrichtungen (Verdampfer und Niederschlagsvorrichtungen) ein und trifft Vorkehrungen, um den vollständigen Abtrieb (namentlich durch Anwendung zweier Blasen) zu sichern. In Deutschland war Pistorius der erste, der zwei Brennblasen statt einer anwandte und mit den Blasen Rektifikatoren und Dephlegmatoren auf sehr zweckmäßige Weise verband. Wenn man von einem normal konstruierten Apparat verlangt, daß man mit seiner Hilfe nicht nur allen Alkohol aus der Maische, sondern diesen auch möglichst rein konzentriert und zwar mit dem geringsten Aufwand an Zeit, Arbeitslohn und Brennstoff erhalte, so muß man anerkennen, daß der Apparat von Pistorius viel leistet. Sehr gebräuchliche Apparate sind ferner: der Pistoriussche säulenförmige Apparat, der Gallsche Wechselapparat, außerdem die Apparate von Neumann, Dorn, Egrot, Siemens und besonders auch der kontinuierlich arbeitende Apparat von Ilges, der beim ersten Abtrieb S. von mindestens 94 Proz. liefert. Die von Savalle gebauten Säulen- oder Kolonnenapparate sind besonders in Frankreich und Belgien verbreitet; sie sind meistens für kontinuierlichen Abtrieb eingerichtet und enthalten in vielen Fällen keine eigentliche Blase. Die Verstärkungseinrichtungen sind bei denselben vielfach nicht sehr ausgeprägt, und sie werden dann nur zur Herstellung von 35–50proz., oft sogar nur von 25proz. Destillaten benutzt. Sie sind vorzugsweise für starken, fabrikmäßigen Betrieb bestimmt und setzen, wenn 80proz. S. erzeugt werden soll, eine zweite Destillation oder die Hinzufügung von Verstärkungseinrichtungen voraus. Ein in Frankreich verbreiteter Apparat für kontinuierlichen Betrieb[760] ist endlich der von Derosne verbesserte von Cellier-Blumenthal. Er war ursprünglich für die Destillation von Wein bestimmt; doch dient er jetzt auch zur Destillation von andern dünnen Flüssigkeiten, wie Rübensaft.

Um Trinkbranntwein zu erhalten, wird Rohspiritus von 80–82 Proz., der etwa 0,3 Proz. Fuselöle enthält, mit Wasser verdünnt, zuweilen durch Filtration über Holzkohle in geringem Maße von den unangenehm riechenden und schmeckenden Fuselölen gereinigt (Entfuseln) und außerdem öfters mit aromatischen, bittern etc. Stoffen versetzt. In dieser Weise werden nur fuselig schmeckende Branntweine erhalten. Reinere und ganz reine Branntweine bereitet man aus 90–94proz. Sprit, wie er durch Verfeinerung (Raffinierung) des Rohsprits erhalten wird. Die weitaus größere Menge eigentlichen Trinkbranntweins wird aber von der gewünschten geringen Stärke des Produktes (40–50 Proz.) unmittelbar durch Destillation solcher Maischen gewonnen, die eigens zu diesem Zwecke hergestellt werden. Man sucht vor allem, dem Produkt gewisse Beimengungen (meist zu den obenerwähnten Fuselölen gehörig) in sehr geringem Verhältnis zu erhalten, die den besondern, von dem des reinen, verdünnten Alkohols abweichenden Geschmack bedingen. So wird in kleinen Brennereien aus vergorner Weizen- und Gerstenmalzmaische zuerst durch Abtrieb in der einfachen Blase über freiem Feuer Lutter dargestellt und aus diesem durch eine zweite Destillation in derselben Weise Branntwein von der gewünschten Stärke gewonnen (vgl. Genever). Dagegen wird Kartoffelspiritus mit Kornlutter, Essenzen etc. verschnitten als Kornbranntwein in den Handel gebracht. Der Abtrieb des Obstbranntweins aus den verschiedenen Obstmaischen (s. oben) geschieht im Kleinbetrieb ausschließlich in ganz kleinen, einfachen kupfernen Blasen über freiem Feuer. Es wird aus der Maische (durch das Rauch brennen) 15–20proz. Lutter, dann aus diesem (durch das Läutern) mittels derselben Blase das fertige Produkt erhalten. Zuweilen wird noch ein drittes Mal geläutert. Weinbranntwein, Franzbranntwein, Kognak werden in Frankreich aus Wein, entweder mittels des Apparates von Cellier-Blumenthal und Derosne (s. oben) oder auch mittels der einfachen, im Wasser- oder Dampfbad erhitzten Blase, erhalten. Für die feinern Branntweine wird der Nachlauf, d. h. der gegen Ende des Abtriebes kommende schwächere Branntwein, wegen seines geringern Geschmackes getrennt aufgefangen.

Die Fuselöle sind weniger flüchtig als Wasser und treten erst in der letzten Periode der Destillation auf. Neben ihnen kommen aber noch andre riechende und schmeckende Stoffe vor, die, leichter flüchtig als Alkohol, bei der Destillation zuerst erscheinen und hauptsächlich aus Aldehyd bestehen. Die Reinigung des Rohspiritus von diesen Beimengungen geschieht in den Rektifikationsanstalten oder Spritfabriken. Man verdünnt ihn auf 40–50 Proz., behandelt ihn zur Gewinnung feinster Ware mit frisch ausgeglühter Holzkohle und unterwirft ihn in besondern Destillationsapparaten einer nochmaligen Destillation, wobei man sorgfältig Vorlauf und Nachlauf abtrennt. Man gewinnt auf diese Weise den gereinigten S. oder Sprit, und zwar feinsten Weinsprit, Feinsprit und Primasprit. Als Nebenprodukte der Spiritusfabrikation gewinnt man die Preßhefe und als Destillationsrückstand die Schlempe.

Man benutzt S. zu Getränken (Branntwein, Likör), als Lösungsmittel zur Darstellung von Tinkturen, Firnissen, Parfümen, Extrakten, Alkaloiden, auch in der Färberei und Rübenzuckerfabrikation, ferner zur Bereitung von Essig, Äther, Chloroform, Chloralhydrat, Jodoform, Salizylsäure, zusammengesetzten Äthern, Aldehyd, Knallsäuresalzen, Soda, Pottasche, Teerfarben und vielen andern Präparaten, zum Konservieren fäulnisfähiger Substanzen (zoologische und anatomische Präparate u. dgl.), als Desinfektionsmittel, als Brennmaterial in Spirituslampen, Spirituskochapparaten, zum Heizen von Öfen, zum Erhitzen von Plätteisen etc., als Leuchtmaterial (Leuchtspiritus, Spiritusglühlampen), zum Betrieb von Explosionskraftmaschinen (Spiritusmotor), zum Füllen von Thermometern, zur Regeneration alter Ölgemälde, als Arzneimittel etc. Zur bequemern Benutzung des S. dient der Hartspiritus, eine Lösung von stearinsaurem Natron in S. Er bildet eine trockene, gummiartig sich anfühlende Masse, die ohne zu tropfen und zu fließen verbrennt und sehr wenig Asche hinterläßt. Hartspiritus kann in verschlossenen Gefäßen aufbewahrt werden, während an der Luft der S. verdunstet. – Was die Ausbeute betrifft, so sollten Stärkemehl 56,78 Proz., Rohrzucker 53,8, Traubenzucker 51,1 Proz. Alkohol liefern, tatsächlich aber erhält man weniger, z. B. aus Rohrzucker nur 51,1 Proz. Alkohol. In der Praris liefern:

Tabelle

Multipliziert man die Literzahl mit dem Alkoholgehalt in Volumprozenten, so erhält man Literprozente. Ein metrischer Zentner Gerste liefert danach 2232, Gerstenmalz 2748, Weizen 2461, Roggen 2290, Kartoffeln 916 Literprozent Alkohol. Märcker nimmt an, daß in der Kartoffelbrennerei der Verlust (unaufgeschlossenes Stärkemehl, unvergornes Stärkemehl, Nebenprodukte der Gärung) beträgt bei

Tabelle

Für Maismaische sind die Ausbeutezahlen um 1–2 Proz. niedriger. 1 kg Melasse liefert 26–30 Literprozent Alkohol (etwa 56 Literprozent auf 1 kg Zucker). Nach Literprozenten rechnet man im deutschen Spiritushandel, und zwar nimmt man 10,000 Literprozent (100 Lit. à 100 Proz.) als Einheit an und bezieht auf sie die Preisnotierungen.

Verunreinigung und Prüfung.

Der raffinierte S. ist fast reiner Äthylalkohol. Dies gilt besonders von Kartoffelspiritus. Kornbranntwein wird niemals in dem Maße von flüchtigen Gärungsprodukten befreit, weil die letztern in ihrer Eigenart gerade den Wert des Kornbranntweins bedingen. Rohspiritus enthält etwa 3 Proz. Verunreinigungen. Aldehyd, Paraldehyd, Acetal, ferner die höhern Homologen des Äthylalkohols, Propyl- und Isopropylalkohol, normalen und gewöhnlichen Butylalkohol, sekundären und gewöhnlichen Amylalkohol, dann einfache und zusammengesetzte Äther, flüchtige Fettsäuren, Amine, Furfurol, Collidin etc. Bei der Raffination gehen die flüchtigern Stoffe, namentlich Aldehyd, in den Vorlauf, die minder flüchtigen in den Nachlauf und bilden das Fuselöl. Kornspiritus enthält neben Butylalkohol etc. Önanthäther, Önanthsäure, Kapryl-, [761] Kaprinsäure und Kornöl. 265 im Reichsgesundheitsamt untersuchte Proben von Branntwein des Kleinhandels ergaben:

Tabelle

12,4 Proz. dieser Branntweine waren fuselfrei. Auf Alkohol berechnet, ergab sich im Minimum 0,034, im Maximum 1,177 Volumprozent Fuselöl. Die Untersuchung des Branntweins befaßt sich in erster Linie mit der Nachweisung des Fuselöls. Man schüttelt 250 ccm Branntwein mit 100 ccm Äther, setzt 350 ccm Wasser zu, schüttelt wieder und hebt die Ätherschicht ab. Nach einer zweiten Ausschüttelung vereinigt man beide Ätherauszüge und verdunstet sie. Bei Abwesenheit von ätherischen Ölen erkennt man das Fuselöl am Geruch. Versetzt man den Verdampfungsrückstand, ohne zu schütteln, mit der vierfachen Menge einer frisch bereiteten, durch Salzsäure grün gefärbten Lösung von Methylviolett, so scheiden sich bei Anwesenheit von Fuselöl augenblicklich rötlichblaue Tropfen auf der Flüssigkeit aus. Zur quantitativen Bestimmung des Fuselöls benutzt Röse das Verhalten des Chloroforms beim Schütteln einer gewissen Menge desselben mit einer bestimmten Menge verdünnten S., um eine konstante Volumzunahme zu erfahren, deren Größe von der Temperatur, dem Mengenverhältnis und der Konzentration des Alkohols abhängig ist, aber bedeutend wächst, wenn die Flüssigkeit höhere Homologe des Äthylalkohols enthält. Diese Methode, von Stutzer und Reitmair verbessert, gibt bei Ausführung in einem von Röse angegebenen und von Herzfeld verbesserten Apparat sehr genaue Resultate. Bei der kapillarimetrischen Methode von Traube benutzt man die Tatsache, daß in den homologen Reihen organischer Verbindungen die höhern Homologen in einem kapillaren Rohr eine geringere Steighöhe zeigen als die niedern Glieder. Bei größerm Extrakt- und Zuckergehalt des Branntweins wird ein Destillat hergestellt und dies auf eine bestimmte Stärke gebracht. Auf wesentlich gleicher Grundlage beruht die stalagmometrische Methode von Traube, bei der man die Tropfen zählt, die der auf eine bestimmte Stärke gebrachte Branntwein beim Ausfließen aus einem vesondern Apparat, dem Stalagmometer, bildet. Die Rösesche Methode, die den Vorzug verdient, gestattet die Bestimmung von 0,01 Volumprozent Fuselölgehalt mit vollkommener Sicherheit. Kornschnaps wird mit Schwefelsäure versetzt, um das Perlen zu verstärken. Durch die saure Reaktion und die Trübung des entgeisteten Rückstandes mit Chlorbaryum ist die Schwefelsäure leicht nachzuweisen. Zur Färbung von Likören dienen höchst selten giftige Farbstoffe. Von Teerfarben kommt wohl nur Fuchsin zur Verwendung, das wie im Weine nachgewiesen wird. Ebenso bestimmt man Alkohol- und Extraktgehalt des Branntweins wie bei Wein oder Bier.

Produktion etc. In der Spiritusindustrie ist im Gegensatz zum Brauereigewerbe noch der Kleinbetrieb vorherrschend, weil die Darstellung von Rohspiritus und Getreidebranntwein meist ein landwirtschaftliches Nebengewerbe bildet. Von den vorhandenen Brennereien sind aber nur etwa zwei Drittel im Betrieb, von den übrigen ist die Mehrzahl minderwertig, nicht konkurrenzfähig. Die Tabelle 1) zeigt die Anzahl der im Betriebsjahr 1905/06 im Betrieb gewesenen Brennereien und das große Übergewicht der landwirtschaftlichen Brennereien.

1) Im Deutschen Reich waren im Betrieb Brennereien, die hauptsächlich verarbeiteten:

Tabelle

Die Tabellen 2) bis 4) lassen die Mengen der verarbeiteten Rohmaterialien und des daraus gewonnenen S. erkennen und zeigen die Abhängigkeit vom Produktionsort des Rohmaterials. In den östlichen Provinzen Preußens, in denen das Vorherrschen leichter trockener Bodenarten und das ziemlich regelmäßige Eintreten längerer Trockenperioden im Mai und Juni den Anbau des Sommergetreides unsicher machen, hat der Kartoffelbau große Ausdehnung gewonnen, und daher haben diese Provinzen hauptsächlich Kartoffelbrennereien. Während ihre Bevölkerung dieser Provinzen nur etwa 30 Proz. der Bevölkerung des Reiches beträgt, sind sie an der Kartoffelernte mit 45–50 Proz. beteiligt. Da Getreide transportfähiger ist als Kartoffeln, sind die Getreidebrennereien weniger an den Ort des Getreidebaues gebunden; bei ihnen überwiegen nach dem Umfang der Produktion und der Leistungsfähigkeit die gewerblichen Brennereien, die sich vorzugsweise im Westen, besonders in den nordwestlichen Provinzen Preußens, finden. Wenn Getreidebrennereien noch vielfach als landwirtschaftliches Nebengewerbe betrieben werden, so geschieht das wohl teils zwecks Ausnutzung des Kapitals, das in den Brennereien angelegt ist, teils auch, weil die Verwertung des Getreides zu Brennereizwecken bei niedrigen Getreidepreisen vorteilhafter erscheint.

2) Diese Brennereien verbrauchten an Rohstoffen:

Tabelle

3) An Alkohol wurden Hektoliter gewonnen in Brennereien, die hauptsächlich verarbeiteten:

Tabelle

[762] 4) Menge der zur Branntweinerzeugung verwendeten Stoffe in Doppelzentnern (= 100 kg):

Tabelle

Die Melassebrennerei ist hauptsächlich im Rübengebiet vertreten, die Materialbrennerei in Baden und in den Reichslanden. An Obst wurden 1905/06 in Baden, den Reichslanden und in Bayern verarbeitet Hektoliter:

Tabelle

5) Der Verbrauch des erzeugten S. in den Jahren 1896–1906 ergibt sich aus der folgenden Tabelle. An Alkohol wurden verbraucht Hektoliter:

Tabelle

Die Ein- und Ausfuhr von S. im Deutschen Reich gibt folgende Tabelle in Doppelzentnern an.

Tabelle

Geschichtliches. Alkoholische Getränke waren schon in den ältesten Zeiten bei vielen Völkern bekannt, aber erst im 8. Jahrh. gewann man durch Destillation von Wein einen S. In den nördlichen Ländern war bis zum Ende des 18. Jahrh. der Kornbranntwein allein herrschend. Die ersten Versuche mit Kartoffeln scheinen 1775 in Schweden angestellt worden zu sein, und 1796 wurde in Franken Kartoffelbranntwein gewonnen. Wichtigkeit erlangte die Kartoffelbrennerei aber erst seit 1810, und 20 Jahre später war die Kartoffel in Deutschland das Hauptmaterial für die Branntweingewinnung. Infolge der Kartoffelkrankheit wandte man sich wieder mehr dem Getreide, dann aber auch dem Mais, der Melasse und den Zuckerrüben zu. Zur Verarbeitung der Kartoffel gaben der ältere und der jüngere Siemens 1818 und 1840 zweckmäßige Apparate an. Die alten Destillierblasen wurden vielfach verbessert, durch direkten Dampf geheizt (Gall 1829) etc. Zusammengesetzte Destillierapparate konstruierten Adam und Solimani in Nîmes (1801), Pistorius (1816), Cellier-Blumenthal und Derosne (1818), Dorn (1819), Schwarz (1833), Siemens (1850) etc. Die von Lowitz 1790 entdeckte Eigenschaft der Kohle, das Fuselöl zu absorbieren, wurde schnell in die Praxis eingeführt. Die neuesten Fortschritte betreffen die gründlichere Aufschließung des Materials durch gespannte Dämpfe und Zerkleinerungsapparate vor dem Maischen (Hollefreund, Bohm, Henze), namentlich aber ist die Spiritusfabrikation auch durch wissenschaftliche Untersuchungen über den Gärungsprozeß, die Ernährung der Hefe und durch Verbesserung der analytischen Methoden gefördert worden. Das Laboratorium und die Versuchsstation des Vereins der deutschen Spiritusfabrikanten in Berlin (s. den Artikel S. 764) hat wesentlich beigetragen, für die Spiritusfabrikation eine wissenschaftlich begründete Basis zu gewinnen. Vgl. Stammer, Die Branntweinindustrie (Braunschw. 1895); Märcker, Handbuch der Spiritusfabrikation (8. Aufl. von Delbrück, Berl. 1903) und Anleitung zum Brennereibetrieb (3. Aufl. von Delbrück und Lange, das. 1904); Bersch, Die Spiritusfabrikation und Preßhefebereitung (das. 1881); Gumbinner, Anleitung zur Spiritusfabrikation (das. 1882); Behrend, Anleitung zum praktischen Brennereibetrieb (2. Aufl., Stuttg. 1900); Freiesleben, Der Brennereibau (Berl. 1885); Lintner, Handbuch der landwirtschaftlichen Gewerbe (das. 1893); Dejonghe, Traité de la fabrication de l'alcool et des levures (Par. u. Lille 1899 bis 1904, 3 Bde.); Wender, Die Verwertung des S. für technische Zwecke (Wien 1904); Szilágyi, Die Betriebskontrolle der Spiritusfabrikation (Berl. 1907); Brachvogel, Industrial Alcohol (Lond. 1907); »Zeitschrift für Spiritusindustrie« (hrsg. von Delbrück, Berl., seit 1878, Organ des Vereins der Spiritusfabrikanten); »Alkohol« (das., seit 1890); »Allgemeine Zeitschrift für Spiritus- und Preßhefeindustrie« (Wien, seit 1880); »Die Spiritusindustrie« (das., seit 1883).[763]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 757-764.
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