Lager [2]

[19] Lager, Ort, wo Truppenabtheilungen außerhalb bewohnter Orte für einen Tag od. auch für längere Zeit untergebracht werden. Je nach der Art der Unterkunft der Truppen unterscheidet man Freilager (Bivouacq), Zelt- u. Hüttenlager; je nach der Dauer, in welcher ein L. benutzt wird, unterscheidet man Marsch- u. Standlager. Die Sorge für ein solches L. begründet die Lagerkunst (Castramentation), welche einen wesentlichen Theil der Kriegskunst ausmacht. In der älteren Kriegführung war dieser Zweig der Kriegskunst wichtiger, als in der neueren, wenigstens in Betreff der Marschlager, weil jedes L. auch Defensivstellung war. Die jetzigen Bivouacqs haben das Bleibende mehr auf allgemeine Grundsätze beschränkt. Zu einem L. bedarf es zunächst eines schicklichen Orts, wo Stroh u. vor Allem Holz u. Wasser in der Nähe ist; man wählt dazu lieber die Höhen, od. die sanften Abhänge, als die Thäler, indem in den Niederungen feuchte Luft u. Nebel der Gesundheit der Soldaten nachtheilig sind, auch daselbst bei heftigen Regengüssen Überschwemmung zu fürchten ist. Um das L. möglichst zu sichern, wählt man es gern da, wo man, unerwartet angegriffen, ein Gefecht annehmen darf, so daß es also eine gute Position gewährt. Oft verschanzt man auch das L. (s. unten). Zum Schutze der lagernden Truppen werden Vorpostenabtheilungen (s. Vorposten) nach dem Feinde zu vorgeschoben, welche mit Postenketten, Feldwachen u. deren Unterstützungstrupps den nahenden Feind aufhalten od. doch zeitig genug bemerken sollen, bis die Truppen im L. sich in Gefechtsbereitschaft gesetzt haben. Außerdem werden zum unmittelbaren Schutze eines L-s in geringer Entfernung davor u. dahinter, hauptsächlich zur Aufrechterhaltung der Lagerordnung, Wachen u. Posten ausgestellt, die sogenannten Fahnen- u. Brandwachen. Die Lagerordnung, nach welcher das L. gebaut u. der Dienst, sowie der Verkehr in demselben geregelt wird, richtet sich nach den Umständen. Meist werden die Truppen so aufgestellt, wie sie zum Gefecht aufmarschiren, daher sonst die Reiterei auf den Flügeln, die Infanterie in der Mitte stand; od. treffenweise, od. nach der Aufstellung in Brigaden od. Divisionen mit ihren Reserven in Colonnen (Gassenlager) od. in Linie (Linienlager). Die Truppen stellen die Gewehre zusammen u. schlagen hinter der Fronte ihre Zelte auf od. bauen Hütten daselbst. Diese Hütten werden von Stroh, Stangen, Ästen, meist parallel mit der Frontlinie, gebaut. Jede Hütte nimmt gewöhnlich ein Quadrat von 15 Fuß Seitenlänge ein u. ist auf 15 Mann berechnet. Jede steht' von der andern zwei Schritte ab. Aus vier Eck- u. einigen Mittelstangen, welche oben durch einige Latten verbunden werden, wird ein Satteldach gebildet u. dieses mit Stroh, Strauchwerk u. dgl. gedeckt. Die Seitenwände werden durch dieselben Materialien od. Erde, Rasen etc. errichtet. Der Eingang ist immer auf der Frontlinie u. 5 Fuß hoch u. 3 Fuß breit. Jede Hütte wird von einer Rinne zum Ableiten des Regenwassers umschlossen. Hinter den Hütten sind die Kochlöcher. Zelte werden meist senkrecht auf der Frontlinie aufgeschlagen. Der leere Raum zwischen zwei Reihen Zelten od. Hütten heißt Gasse u. werden je nach dem Truppentheil, Compagnie-, Bataillons-, Regimentsgasse, benannt. Diese Gassen werden mit der Compagnieleine abgesteckt; der Zwischenraum zwischen den Zelten der Gemeinen heißt Brandgasse. Die Pferde der Cavallerie stehen an besonderen Campagnepfählen, mindestens 20 Schritte vor der Mannschaft. Die Geschütze der Artillerie stehen auch vor der Fronte, jedes 10–16 Schritt von dem andern entfernt; 30 Schritte hinter ihnen sind die Munitionswagen aufgefahren u. 10 Schritt hinter diesen stehen die Pferde, worauf erst das L. für die Mannschaft folgt. Besondere Geschicklichkeit im schönen u. zierlichen Lagerbau besitzen die Franzosen, welche, wenigstens ehedem, ihre Lagergassen mit Masten, Tannenbäumen, Adlern, Fahnen u. andern Zierrathen, auch Tanzbuden möglichst elegant schmückten.

Je nach dem Zwecke, welcher sich mit der Errichtung eines L-s verbindet, unterscheidet man: A) Friedenslager, welche entweder a) Lustlager, d. h. zu Begehung irgend eines militärischen Festes aufgeschlagen; od. b) Exercierlager sind, welche zu größeren militärischen Übungen bezogen werden. Solche L. werden meist mit Schönheitssinn, oft auch nicht nach der angenommenen Schlachtordnung, sondern so angelegt, daß Artillerie, Cavallerie u. Infanterie bes. lagern. B) Versammlungslager, wo man ein Corps Truppen, um eine künftige Operation vorzubereiten, od. die feindlich scheinenden Maßregeln des Gegners zu beobachten, zusammenzieht. Diese L. stehen hinsichtlich der Anordnung zwischen den Kriegs- u. Friedenslagern mitten inne. C) Marschlager, in denen man blos eine Nacht od. höchstens einen Ruhetag verweilt. Wenn sie über 10 Meilen vom Feinde entfernt sind, läßt man, um Umwege der Truppen u. Ermüdungen zu vermeiden, die Divisionen[19] od. Brigaden am Wege einzeln hinter einander lagern u. die Bataillons neben einander in Colonnen ruhen, so daß jede Compagnie eine Linie für sich bildet. Die Artillerie wird zu beiden Seiten der Straße aufgefahren; nur selten hat man Zeit, die Truppen Hütten bauen zu lassen; vgl. Bivouacq. D) Kriegslager (Postenlager). Diese müssen mit aller Sorgfalt ausgewählt werden, um a) aus ihnen sogleich zum Angriff des zurückgeschlagenen Feindes übergehen (Offensive L.); od. b) sich doch gegen den Feind mit Vortheil behaupten zu können (Defensive L.). Eigentlich muß jedes defensive L. zugleich zu einem offensiven benutzt werden können. Von jedem L. aus müssen daher mehrere wohlbestrichene Straßen nach dem Feinde zu gehen, um sogleich mit Infanterie, auch Cavallerie u. Artillerie, nach Abschlagung des Angriffs, zur Verfolgung des Feindes losbrechen zu können. Die übrigen Erfordernisse einer zu einem Postenlager geeigneten Stellung s.u. Position. Außerdem gibt es noch c) Observationslager, welche man bei der Belagerung einer feindlichen Festung mit einem besonderen Corps bezieht, um den Entsatz zu verhindern. d) Das Einschließungslager, mit welchem ein Belagerungscorps eine Festung umgibt, wird außerhalb des Schußbereichs derselben, mit Benutzung des zur Abwehr von Ausfällen günstigen Terrains, rings um die Festung, od. doch eine Front derselben umfassend, genommen. e) Paßlager, welche die Bestimmung haben, dem Feind den Durchgang durch irgend einen Paß zu wehren; vgl. Paß. Rückzugs- (Wiederversammlungs-) L., welche man nimmt, um ein geschlagenes Heer wieder zu sammeln. Jedes Postenlager ist die Folge des Defensivzustandes u. wird von dem Schwächern bezogen, deshalb gelingen die meisten Angriffe auf L. u. deshalb wird erst jedes Kriegslager zu einem E) verschanzten L. Oft gewinnt ein solches L. durch Schanzen, Flankenvertheidigung, vorgeschobene Außenwerke das Ansehen einer Festung. Höchstens verbindet man aber die Schanzen (meist geschlossene Redouten od. hinten pallisadirte, tenaillenförmige Werke), welche das Lager schützen, da wo eine offensive Bewegung nicht wahrscheinlich ist, mit Verhauen, Pallisadirungen, Wolfsgruben u. dgl., denn L. mit zusammenhängenden Verschanzungen, wie sonst (vgl. Linien), sind jetzt außer Gebrauch. Die Truppen lagern in einem solchen verschanzten L. unweit der Punkte, zu deren Vertheidigung jede Abtheilung bestimmt ist, um bereit zu sein, sogleich ins Gewehr zu treten. Die meisten Geschütze stehen in den Schanzen, die anderen, in Batterien vertheilt, in Reserve. Eine gleiche bilden die anderen Truppentheile, bes. die Cavallerie, um den Feind, welcher einzelne Schanzen genommen hat, od. zwischen zwei Schanzen durchgegangen ist, kräftigst anzugreifen. Oft lehnen sich verschanzte L. an eine Festung, um zu einem Versammlungs-, Vertheidigungs- od. Rückzugslager zu dienen. Oft werden dergleichen L. an wichtigen strategischen Punkten schon im Frieden vorbereitet (Neisse, Maubeuge, Köln, Coblenz, Linz).

Über die Anlage u. Ordnung des L-s bei den Hebräern weiß man nichts Gewisses; aus der Anordnung des L-s beim Durchzug durch die Wüste läßt sich für das Kriegslager nur so viel entnehmen, daß die Priester mit der Bundeslade die mittelste Stelle einnahmen. Die Kämpfer lagerten entweder nach Stämmen, od. nach der Gleichheit der Waffen; die Form des L-s war wohl, nur Analogie der L. der Beduinen, gewöhnlich rund, änderte sich aber wahrscheinlich auch nach dem Terrain. Bewacht wurde das L. durch ausgestellte Vorposten. Das L. der Griechen vor Troja hatte einen Wall (Teichos), durch denselben führten Thore (Polä), daran waren Warten (Skopiai), hinter deren Zinnen (Krossai) die Kämpfer geschützt standen. Brustwehren (Epalxeis) von Manneshöhe u. vorstrebende Pfeiler (Stelä) schützten die Mauer. Um den Wall zog sich ein Graben (Taphros), an dessen Rande Pfähle (Charakes, Skolopes) eingerammt waren. Auf dem Raum zwischen Wall u. Graben hielt sich die Wache auf u. machte auf ihm die Runde. Innerhalb des Walles standen auch die aufs Land gezogenen Schiffe stufenartig hinter einander. Zwischen den einzelnen Schiffslagern befanden sich Straßen. Für die vornehmsten Anführer waren besondere Zelte (Klifiai) aufgeschlagen, auf Bretern u. mit Fellen gedeckt, die bei Homer als Erdhütten erscheinen, welche aus Stroh, mit Weidenruthen verbunden, an den Enden mit Erde befestigt u. mit Binsen bedeckt waren. Ein besonderer Platz des L-s war zu Opfern u. Weissagungen u. zur Versammlung des Kriegsraths bestimmt. Während der Nacht stellte man Wachen aus u. zündete Leuchtfeuer an. So blieben die L. der Griechen im Ganzen auch später; die Lacedämonier zogen die runde Form vor. Von besonderer Bedeutung war das Lagerwesen bei den Römern. C. diurna (Mansiones) hießen während des Marsches auf kürzere Zeit errichtete L.; C. stativa, stehende L., worin das Heer eine längere Zeit beisammen blieb. Ein gewöhnliches L. für zwei Legionen bildete ein Quadrat, dessen Mittelpunkt, Groma, der Schnittpunkt der beiden Hauptstraßen des L-s war, welche sich rechtwinklich schneidend, das ganze L. in vier Rechtecke theilten u. den Wall an vier Punkten trafen, wo die vier Thore waren. Von jenem Mittelpunkte aus bestimmte zuerst der Messende mit der Groma, einem dioptrischen Instrument, die vier Linien, wodurch die vier Gassen (Viae) bezeichnet wurden. Nach Westen od. nach der von dem Feinde abgewendeten Seite gerichtet, bestimmte er zuerst den Decumanus, welcher das L. der Länge nach, u. dann den Cardo, welcher dasselbe der Breite nach durchschnitt. Auf den Decumanus wurde eine 50 Fuß breite Gasse angelegt, an deren Ende auf der Seite nach dem Feinde zu die Porta praetoria (P. extraordinaria), auf die entgegengesetzte die Porta decumana kam; auf dem Gardo wurde die 100 Fuß breite Hauptgasse, Via principalis, angelegt, an deren beide Endpunkte die Porta principalis dextra u. sinistra kamen. Die eine, dem Feinde abgewendete Hälfte des L-s zwischen der Via principalis u. der Porta decumana zerfiel in sechs doppelte, an Größe ungleiche, zur Via principalis im rechten Winkel liegende, 50 Fuß von einander abstehende Zeltreihen (Ordines, Strigae), welche von einer mit der Via principalis parallel laufenden Gasse (Via quintana) durchschnitten wurden. Die Truppenvertheilung war so, daß die vier mittleren Reihen für die römischen, die beiden äußersten für die Bundesgenossentruppen bestimmt waren; die Lagerung in den einzelnen Reihen so, daß in einer jeden Truppen von verschiedener Gattung Rücken an Rücken, mit der Fronte nach den Lagergassen zu lagen, u. zwar in der vorderen Hälfte der ersten [20] Reihe nach dem Decumanus zu die römischen Reiter, in der hinteren schmäleren die Triarier; in der zweiten Reihe in gleich breiten Abtheilungen vorn die Principes, hinten die Hastati; in der dritten vorn die Reiter der Bundesgenossen u. hinten, also nach dem Walle zu, die Infanterie der Bundesgenossen; die Bundesgenossen hatten die größten Räume, namentlich die Infanterie. Gerade so lag die zweite Legion auf der anderen Seite des Decumanus. In der anderen, dem Feinde zugewendeten Hälfte des L-s, der Frontseite, zwischen der Via principalis u. der Porta praetorta, waren zunächst an. der Via principalis, gegenüber den vier Zeltreihen der Legionstruppen, die Zelte der je sechs zu einer Legion gehörenden Tribunen, durch den Decumanus auch in zwei Theile geschieden; hinter diesen Zelten folgte ein leerer Raum für die Bagage der Tribunen; dann kam, auf den Decumanus selbst angelegt, das Praetorium, das Zelt der Obercommandanten, neben welchem sich rechts das Quaestorium, ein Platz, wo Vorräthe u. Beute aufbewahrt wurden, u. links das Forum, der Markt, befanden. Zu beiden Seiten dieser Plätze lagerte die Delecta manus imperatoris, die Garde, u. zwar wieder die Cavallerie nach innen, die Infanterie nach der Wallseite zu. Diese drei Plätze u. zwei Zeltreihen reichten nicht bis an den Wallweg an der Porta praetoria, sondern ließen dort einen etwa die Hälfte so breiten Platz übrig, wo die extraordinären Truppen der Bundesgenossen, wieder die Reiter nach innen u. das Fußvolk nach außen, also diese an dem dem Feinde am nächsten Theile lagen; zu beiden Seiten aber lagen endlich die Truppen der Hülfsvölker (Auxilia). Um das L. herum lief ein Wall (Vallum), zwischen welchem u. den Lagerreihen ein 200 Fuß breiter freier Raum war, wo die Wagen, das Schlachtvieh u. die Zugthiere standen, durch welche der Aufmarsch der Truppen geschah u. welcher auch zugleich bei einem etwaigen Überfall Schutz gegen die feindlichen Geschosse bot. Später, namentlich seit den Punischen Kriegen, als die Zahl der Hülfstruppen größer u. für dieselben mehr Platz im L. nöthig wurde, erlitt die innere Einrichtung des L-s einige Abänderung: der vormals für das Praetorium, Quaestorium u. Forum bestimmte Platz wurde seitdem noch den Extraordinären u. Hülfstruppen eingeräumt, wofür jene Abtheilung in die hintere, den Legionen u. Bundesgenossentruppen bestimmte Hälfte des L-s verlegt wurden, u. zwar wurde zu diesem Zweck der dortige Theil des Decumanus auf 250 Fuß verbreitert u. hier zunächst der Groma das Praetorium, dann nach einander das Eorum u. zunächst der Porta decumana das Quaestorium angelegt, weshalb dieses Thor auch Porta quaestoria hieß. Unmittelbar an dem Praetorium war nach der Groma zu auf der einen Seite das Augurale (Auguratorium), wo die Augurien (s.d.) angestellt wurden; auf der anderen Seite das Tribunal, wo der Feldherr etwaige Kriegsgerichte hielt; zwischen beiden die Ara, worauf die Opfer gebracht wurden. In der letzten Zeit der Republik u. unter den Kaisern ging im Lagerwesen abermals eine große Veränderung vor, weil die Stärke der Heere ganz unbestimmt war, die Bundesgenossen ganz aufhörten u. die Zahl der Hülfstruppen viel größer wurde. Man unterschied jetzt Winterlager (Hiberna), Lager an eigenen befestigten Plätzen, wo die Armee über Winter blieb, u. von denen noch hier u. da in den Barbarenländern Spuren übrig sind, wo nicht selbst Städte aus denselben wurden; u. Sommerlager (Aestiva), gewöhnliche L., die in Feldzügen auf dem Marsch bezogen wurden. Das L. war jetzt seiner Gestalt nach gewöhnlich ein Rechteck, 1/3 länger als breit; doch legte man auch halbmondförmige (Castra lunata), dreieckige, kreisrunde u. halbkreisförmige L. an. Ein wesentlicher Unterschied in der Lagerung der Truppen war der, daß die Legionäre, als die zuverlässigen Truppen, jetzt an der ganzen Ausdehnung des Wallweges lagen u. von dem inneren Theil des L-s durch einen, im alten L. gar nicht vorkommende Weg, die 30 Fuß breite, auf allen vier Seiten des L-s dem Wallwege parallel laufende Via sagularis geschieden waren. Das Innere des L-s selbst zerfiel jetzt in drei Abtheilungen: die Hauptabtheilung war die mittlere, Latera praetorii (zwischen der Via principalis u. quintana, wo das Praetorium war); über derselben die Praetentura (zwischen der Via principalis u. der Porta praetoria u. von der Via praetoria der Länge nach durchschnitten) u. unter jener die Retentura (zwischen der Via quintana u. Porta decumana). Die Breite der Viae war gemindert, dagegen ihre Zahl vermehrt durch die zwischen den einzelnen Zeltreihen durchlaufenden Wege (Viae vicinariae). Je 10 od. (wegen Abwesenheit eines Theils der Mannschaft auf den Posten) je 8 Mann bildeten ein Contubernium u. hatten ein Zelt (Papilio), daher jede Cohorte acht Zelte für die Leute u. eins für den Centurio hatte. Die Absteckung des L-s geschah in früherer Zeit durch einen Tribunen u. mehre Centurionen; zur Zeit der Bürgerkriege kommt ein besonderer Lagerabmesser, Metator castrorum, vor, u. zur Kaiserzeit besorgten dies die gewöhnlichen Ingenieure (Metatores, Mensores agrarii, Agrimensores) mit. Zuerst wurde das Prätorium abgesteckt u. der Platz mit einem weißen Fähnchen, die anderen Linien durch farbige Fähnchen u. Lanzen bezeichnet, daher beim Einzug des Heeres in das L. jeder Theil seine Stelle sogleich fand. Wenn das Heer auf dem Platze angekommen war, so begann die Lagerarbeit in der Grabung der Graben (Fossa) u. Aufwerfung des Walles (Vallum), welcher gewöhnlich auch durch Pallisaden (Valli) erhöht wurde; dies besorgten an der Längenseite die Bundesgenossen, an den beiden Breiteseiten die Legionstruppen unter Aufsicht der Centurionen u. der Oberaufsicht zweier Tribunen u. Praefecti sociorum, welche auch das Werk nach der Vollendung prüften u. überhaupt die Aufsicht über das ganze L. hatten. Wenn der Wall aufgeworfen war, wurden die Zelte abgepackt u. aufgespannt. Bei Abbruch des L-s wurden dann auf das erste Signal die Zelte abgebrochen, unter denselben zuerst das des Feldherrn u. der Tribunen; auf das zweite dieselben aufgepackt; beim dritten erfolgte der Abmarsch. Die Wachen, Excubiae, waren entweder Vigiliae bei Nacht, od. Stationes am Tage. Vor dem Prätorium leistete allemal, bes. des Nachts, ein ganzer Manipel Wache. Jeder Manipel mußte 4 Mann zur Wache stellen; folglich waren immer 400 Mann aus zwei Legionen zur Wache im L. Die Nacht über vertheilten sich diese in vier Vigilien, deren jede 3 Stunden währte u. davon die erste Abends 6 Uhr begann. Dazu kamen noch die Wachen der Bundesgenossen. Die Außenwerke des L-s[21] wurden von den Leichtbewaffneten besetzt, ihre Hütten hießen Procestria. Die Visitirung der Wachen u. die Ronde besorgte die Reiterei. Das römische L. in der Zeit der Republik ist beschrieben von Polybios (6,27–32) u. das in der Kaiserzeit von dem Gromatiker Hyginus (De munitionibus castrorum, herausgeg. von Schele, Amst. 1660, u. von Lange, Gött. 1848); vgl. Du Choul, Sur la castramentation des Romains, Wesel 1672; Roy, The military antiquities of the Romans in Britain and partic. their ancient system of castramentation, Lond. 1793; Rettig, Polybii castrorum romanorum forma, Hannov. 1828; Klenze, Das römische Lager u. die Limitation, in dessen Philologischen Abhandlungen, Berl. 1839; Planer, De castris romanis, Berl. 1842.

Das Schiffslager (Seelager, C. nautica, Navalia) wurde in feindlichen Ländern errichtet, wo. kein bequemer Hafen war, in dem man, wenn man überwintern wollte, die Schiffe ans Land zog u. von der Land- u. Seeseite befestigte. Vor dem ersten warf man Graben in Gestalt eines halben Mondes auf, u. gegen die See hin schloß man die ganze Flotte mit starken, spitzigen eingerammten Pfählen.

Die übertriebene Achtung, in der im Mittelalter die Reiterei stand, trug nicht wenig dazu bei, die regelmäßigen L. außer Gebrauch zu bringen. Man lagerte kreisförmig um das Zelt des Feldherrn her, od. das L. bildete, indem jede Abtheilung besonders lagerte, eine Linie od. einen halben Mond ohne weitere besondere Ordnung. Nur selten hatten diese L. eine viereckige od. runde Umwallung, zu deren Verstärkung sich die Engländer starker, mit Eisen beschlagener Stäbe (Pinnen- od. Schweinsfedern), die sie als Pallisaden in die Erde steckten, bedienten. Später, zur Hussitenzeit, kamen Wagenburgen, zur Vertheidigung im L. wieder auf. Regelmäßigkeit kannte man aber damals in diesen Wagenburgen, so wie in den anderen, durch einen leichten Graben u. Erdaufwurf geschützten Lagern, nicht. Als im 16. Jahrh. das Geschütz mehr gebräuchlich wurde, kamen diese Wagenburgen wieder ab u. wurden nur noch gegen die Türken gebraucht; dagegen kamen, bes. in den Italienischen Kriegen, verschanzte L. auf, die entweder durch die Schlangenschanze, eine in schlänglicher Linie laufende Verschanzung, gedeckt waren, od. aus großen Vierecken, mit Rondelen an den Ecken, bestanden, od. eine sägeförmig gebrochene Umfassung hatten. Nun gewannen die L. wieder Regelmäßigkeit, indem man sie durch zusammenhängende Verschanzungen, bestehend aus Brustwehr, Graben u. Pallisaden, möglichst sicherte. Kurz vor u. während des Dreißigjährigen Krieges ging man zuweilen von der Sitte, die L. durch zusammenhängende Verschanzungen zu decken, ab; bald kehrte man indessen zur alten Gewohnheit zurück, doch bestanden die Verschanzungen damals aus geschlossenen Redouten, die nur mit Linien verbunden waren. Aber stets sicherte man ein L., sobald es nur länger als eine Nacht dauerte, durch Schanzen. Gustav Adolf ging zuerst von der alten Art zu lagern (nach der die Regimenter hinter einander campirten u. so ein großes Viereck bildeten) ab, indem er sein Heer in Flanken in einer u. dann in zwei Linien lagern ließ. Bald nahmen auch die anderen Armeen diesen Gebrauch an. Zur Zeit Ludwigs XIV. gab man die Sitte, Stand- u. Marschlager zu befestigen, fast ganz auf u. schloß sich nur in den Kriegen gegen die Türken in ein mit Hindernissen aller Art gesichertes L. ein. Die Russen aber bedienten sich der Wagenburgen u. Spanischen Reiter zur Deckung ihres L-s auch gegen europäische Truppen. Nur die Linien (s.d.) waren bei den französischen u. deutschen Armeen eine Art verschanztes L. Bei Belagerungen deckte man das L. durch Contra- u. Circumvallationslinien, innerhalb deren man lagerte. Unter Ludwig XIV. kamen auch die Zelte, die etwa 100 Jahre früher waren, wieder auf. In der Mitte des 18. Jahrh. kamen die zusammenhängenden Verschanzungen wegen ihrer Unzweckmäßigkeit ganz ab, u. man deckte sich durch einzelne Redouten im Fall der Noth. Friedrich der Große hielt übrigens auf Verschanzungen der L. sehr wenig. In der neuesten Zeit hat die Lagerkunst die wesentlichsten Veränderungen erlitten. Als nämlich zu Anfang der Französischen Revolution die französische Armee an Zahl so ungeheuer wuchs, waren nicht für Alle Zelte vorhanden, man beschloß sie also abzuschaffen; statt derselben bediente man sich der Baraken u. führte, um die Beweglichkeit der Armee noch zu erhöhen, das Requisitionssystem (s.d.) ein. Bald waren die anderen europäischen Armeen genöthigt, die Franzosen nachzuahmen; s. Bivouacq. Eigentliche verschanzte L. gab es in den letzten Kriegen sehr wenig. Noch verdienen die verschanzten L. der Türken Erwähnung, die kreisförmig um das Zelt des Großvezirs od. sonstigen Feldherren angelegt werden. Vor letzterem steht das Richtzelt für die Hinrichtungen, u. bevor dieses errichtet ist, darf kein anderes aufgeschlagen werden. Das Ganze umgibt eine kreisförmige od. im Zickzack laufende Umwallung.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 19-22.
Lizenz:
Faksimiles:
19 | 20 | 21 | 22
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

In die Zeit zwischen dem ersten März 1815, als Napoleon aus Elba zurückkehrt, und der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni desselben Jahres konzentriert Grabbe das komplexe Wechselspiel zwischen Umbruch und Wiederherstellung, zwischen historischen Bedingungen und Konsequenzen. »Mit Napoleons Ende ward es mit der Welt, als wäre sie ein ausgelesenes Buch.« C.D.G.

138 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon