[843] Stöchiometrie (v. gr., Messung der Bestandtheile), die Lehre von den Gesetzen u. Zahlenverhältnissen, nach denen sich chemische Verbindungen aus ihren Bestandtheilen zusammensetzen I. Allgemeine Lehrsätze der S.: a) Gesetz der bestimmten Proportionen: Zwei ungleichartige Körper vereinigen sich zu derselben chemischen Verbindung in einem bestimmten, unabänderlichen Verhältniß. Dieses Gesetz gilt nicht blos bei Verbindungen von Elementen unter einander, sondern auch, wenn sich zusammengesetzte Körper verbinden, sobald das Product ein neuer, von beiden verschiedener Körper ist. Die Zusammensetzung einer jeden chemischen Verbindung ist also eine ganz bestimmte; Zinnober besteht immer in 100 Theilen aus 86,2 Quecksilber u. 13,8 Schwefel, Wasser aus 11,11 Wasserstoff u. 88,89 Sauerstoff, Schwefelsäure aus 40 Schwefel u. 60 Sauerstoff, kohlensaurer Kalk aus 56 Kalk u. 44 Kohlensäure. Wenn sich zwei gasförmige Körper chemisch verbinden, so geschieht dies ebenfalls nur unter ganz bestimmten Verhältnissen, u. diese Verhältnisse lassen sich am einfachsten durch die Volumina ausdrücken, d.h. durch die Räume, welche diese Gasarten ausfüllen, wenn auf beide ein gleich großer Druck ausgeübt wird. So verbindet sich 1 Volumen Sauerstoffgas mit 2 Volumen Wasserstoffgas zu Wasser. b) Gesetz[843] der Äquivalente: Mit ein u. derselben Gewichtsmenge eines Elements verbinden sich sehr verschiedene Gewichtsmengen der andern Elemente, daher vertreten die Elemente einander bei Substitutionen u. Zersetzungen nicht in gleichen Gewichten. 100 Theile Quecksilber verbinden sich mit 16 Theilen Schwefel zu 116 Theilen Schwefelquecksilber; mit 16 Theilen Schwefel verbinden sich aber nur 28 Theile Eisen; wird also das Schwefelquecksilber durch Eisen zersetzt, so treten andie Stelle der 100 Quecksilber 28 Eisen, es entstehen 44 Theile Schwefeleisen. Soll das Schwefelquecksilber in Quecksilberoxyd übergeführt werden, so werden die 16 Theile Schwefel durch 8 Theile Sauerstoff vertreten, denn 100 Theile Quecksilber verbinden sich erfahrungsmäßig mit 8 Theilen Sauerstoff. Wie in den vorliegenden Fällen, so vertreten bei jeder Substitution die genannten Elemente einander in den angeführten bestimmten Verhältnissen; 100 Quecksilber werden jederzeit durch 28 Eisen, 16 Schwefel immer durch 8 Sauerstoff ersetzt. 28 Eisen u. 100 Quecksilber, ebenso 16 Schwefel u. 8 Sauerstoff sind also Ersatzmengen für einander, äquivalente Mengen, Äquivalente, Äquivalentzahlen, Äquivalentgewichte für einander. Äquivalente sind also Verhältnißzahlen, Zahlen, welche das Verhältniß angeben, in denen sich die Elemente mit einander verbinden. 35,5 Chlor verbinden sich mit 39,2 Kalium, mit 23 Natrium, 20 Calcium, 28 Eisen, 32,55 Zink, 103,6 Blei etc.; diese Zahlen sind also die Äquivalente dieser Elemente für einander. Mit 39,2 Kalium verbinden sich ferner 80 Brom, 127 Jod, 16 Schwefel, 8 Sauerstoff; diese Mengen können sich vertreten u. es werden sich also auch 23 Natrium mit 80 Brom, 127 Jod, 16 Schwefel, 8 Sauerstoff, auch 20 Calcium mit 80 Brom etc. verbinden. Dieses Gesetz der Äquivalente gilt nicht nur für Elemente, sondern auch für zusammengesetzte Körper, wenn sich dieselben zu Verbindungen höherer Ordnungen vereinigen, also z.B. für Säuren u. Basen, wenn sie sich zu Salzen vereinigen. Dabei vertreten Basen einander in sehr verschiedenen Gewichtsmengen, ebenso Säuren einander; aber die Substitution zweier gegebener Basen od. Säuren erfolgt immer in demselben Verhältniß. Kohlensaurer Kalk besteht aus 28 Theilen Kalk u. 22 Theilen Kohlensäure, die letztere kann aber durch 51 Essigsäure od. 54 Salpetersäure, od. 40 Schwefelsäure od. 75,5 Chlorsäure etc. ersetzt werden, es sind mithin diese Säuremengen äquivalent; die 28 Theile Kalk können ferner vertreten werden durch 47,2 Kali, 31 Natron, 39,7 Kupferoxyd, 36 Eisenoxydul, 111,6 Bleioxyd etc.; die Zahlen 47,2, 31, 39,7, 36, 111,6 drücken also die Gewichtsmengen der angeführten Basen aus, welche sich mit 22 Kohlensäure verbinden können. Es folgt hieraus, daß sich auch 47,2 Kali mit 51 Essigsäure, 54 Salpetersäure, 40 Schwefelsäure etc., 40 Schwefelsäure mit 47,2 Kali, 31 Natron, 39,7 Kupferoxyd, 36 Eisenoxydul verbinden. Wenn daher zwei neutrale Salze einander durch doppelte Wahlverwandtschaft zerlegen, so sind die dadurch entstandenen neuen Verbindungen ebenfalls neutral, z.B. salpetersaurer Kalk u. schwefelsaures Kali zersetzen einander, so daß die Salpetersäure des ersteren mit dem Kali des letzteren, u. andererseits die Schwefelsäure des letzteren mit dem Kalk des ersteren Salzes sich verbinden u. schwefelsaurer Kalk u. salpetersaures Kali gebildet werden. Dabei reicht die Menge Salpetersäure, welche der salpetersaure Kalk abgibt, gerade hin, um das Kali des schwefelsauren Kalis zu neutralisiren, u. ebenso reicht gerade die frei gewordene Schwefelsäure hin den Kalk des salpetersauren Kalks zu neutralisiren. Man ist hierdurch in den Stand gesetzt nicht nur die Richtigkeit einzelner Analysen von Neutralsalzen zu prüfen, sondern auch, wenn nur erst die Zusammensetzungsverhältnisse einiger Neutralsalze bekannt sind, durch Rechnung die Zusammensetzung anderer Neutralsalze zu finden, ohne dieselben vorher analysirt zu haben. Man findet z.B. durch die chemische Analyse, daß schwefelsaurer Kalk in 100 Theilen besteht aus: 58,466 Schwefelsäure u. 41,534 Kalk, daß sich also Schwefelsäure mit Kalk im Verhältniß 58,466_: 41,534 verbinden; ferner daß sich Kalk mit Salpetersäure im Verhältniß 34,462_: 65,538, Salpetersäure mit Natron im Verhältniß 63,495_: 36,505, Natron mit Salzsäure im Verhältniß 27,830_: 65,538, Salzsäure mit Kali im Verhältniß 61,508_: 38,492, Kali mit Schwefelsäure im Verhältniß 54,076_: 45,933 etc. Es kommen daher nach der Proportion
58,466_: 41,435 = 100_: x
auf 100 Theile Schwefelsäure 71 Theile Kalk u. nach der Proportion
34,462_: 65,538 = 71_: x
auf 71 Kalk 135 Salpetersäure, ferner nach der Proportion
63,495_: 36,605 = 135_: x
auf 135 Salpetersäure 78 Natron etc. Daher sind 100 Schwefelsäure äquivalent mit 135 Salpetersäure, weil sie dieselbe Quantität Basis neutralisiren, 71 Kalk äquivalent mit 78 Natron, weil sie sich mit derselben Menge Säure verbinden. Man erhält so folgende Zusammenstellung:
100 | Schwefelsäure | _71 | Kalk, |
135 | Salpetersäure | _78 | Natron, |
188 | Salzsäure | 117,7 | Kali, |
aus welcher man ersieht, daß 100 Schwefelsäure sich mit 71 Kalk od. mit 78 Natron od. mit 117,7 Kali verbinden können, ebenso 135 Salpetersäure mit 71 Kalk, 78 Natron, 117,7 Kali u. 188 Salzsäure mit 71 Kalk, 78 Natron, 117,7 Kali. Mittelst einer solchen Zusammenstellung kann man durch eine einfache Proportionsrechnung finden, wie viel einer gegebenen Quantität Basis Säure od. einer gegebenen Quantität Säure Basis zugesetzt werden muß, um ein neutrales Salz damit zu bilden, u. ebenso läßt sich die procentische Zusammensetzung eines neutralen Salzes leicht berechnen, z.B. wie viel Salpetersäure braucht man, um 18 Pfund Kali zu neutralisiren? 117,7 Kali werden durch 135 Salpetersäure neutralisirt, also 18 Pfund Kali durch:
117,7_: 135 = 18_: x (= 20,6 Pfund).
Will man die procentische Zusammensetzung des schwefelsauren Kalis finden, so hat man: 100 Schwefelsäure verbinden sich mit 117,7 Kali zu 217,7 schwefelsaurem Kali u. findet nach den Proportionen:
217,7_: 117,7 = 100_: x
217,7_: 100 = 100_: x,
x = 54,08 Kali, x, = 45,92 Schwefelsäure.
Aus dem Gesetz der Äquivalente folgt ferner, daß die Oxydmengen verschiedener Metalle, welche mit einerlei Menge von einer u. derselben Säure Salze von gleichem Neutralitätszustande bilden, gleichviel Sauerstoff enthalten. Vermöge dieses Gesetzes ist[844] man im Stande den Sauerstoffgehalt irgend eines Oxyds, welches sich anderweitig nicht zerlegen läßt, durch Rechnung zu bestimmen. Man hat nur einer u. derselben Menge einer Säure das einmal von einem Oxyde von bekanntem Sauerstoffgehalte, das anderemal von dem zu untersuchenden Oxyde so viel zuzusetzen, daß in beiden Fällen neutrale Verbindungen entstehen. Berechnet man hierauf die Sauerstoffmenge, welche in der zugesetzten Quantität des bekannten Oxyds enthalten ist, so ist diese zugleich die Menge des Sauerstoffs, welche die ebenfalls bekannte Quantität des untersuchten Oxyds enthält. Diese Fähigkeit einer Säure, von verschiedenen Oxyden immer solche Mengen aufzunehmen, daß der in letzteren enthaltene Sauerstoff jedesmal gleichviel beträgt, nennt man die Sättigungscapacität dieser Säure. Erfahrungsmäßig steht in den neutralen Salzen der Sauerstoffgehalt der Säuren zu dem der Basis immer in einem einfachen u. constanten Verhältniß. So erfordert z.B. die Schwefelsäure, wenn sie sich mit anderen oxydirten Körpern zu völlig gesättigten Verbindungen vereinigen soll, genau 1/3 so viel Sauerstoff in demselben, als die gesättigte Säuremenge Sauerstoff enthält. Nun enthalten 100 Theile Schwefelsäure 40,14 Schwefel u. 59,86 Sauerstoff, folglich ist 1/3 von 59,86, d.i. 19,96, die Sättigungscapacität der Schwefelsäure. Die Salpetersäure besteht aus 26,17 Stickstoff u. 73,83 Sauerstoff; ihre Sättigungscapacität ist 1/5 ihres Sauerstoffs od. 14,76, d.h. diejenige Quantität Base, sie sei Alkali, Erde od. Metalloxyd, welche 100 Theile Salpetersäure sättigen soll, muß 14,76 Sauerstoff enthalten. Kennt man daher die Sättigungscapacität einer Säure, so läßt sich leicht berechnen, wieviel dieselbe von jedem oxydirten Körper, dessen Sauerstoffgehalt bekannt ist, aufnehmen wird. Z.B.: Das Kali besteht aus 83,05 Kalium u. 16,95 Sauerstoff, es werden also zur Sättigung von 100 Theilen trockner Schwefelsäure 117,76 Kali erforderlich sein; denn 16,95 Sauerstoff: 19,96 Sauerstoff = 100 Kali: 117,76 Kali. 100 Theile schwefelsaures Kali bestehen aus 54 Kali u. 46 Schwefelsäure. Da nun in 100 Kali 16,95 Sauerstoff enthalten sind, so sind in 54 Kali 9,153; da ferner in 100 Schwefelsäure 59,86 Sauerstoff enthalten sind, so kommen auf 46 Schwefelsäure 27,536 Sauerstoff. Es verhält sich demnach im schwefelsauren Kali der Sauerstoff des Kalis zu dem der Schwefelsäure wie 9,153_: 27,536, d.h. wie 1_: 3. Die Sättigungscapacität der Schwefelsäure ist also = 1/3 ihres Sauerstoffgehaltes gefunden. In Verbindungen von mehren oxydirten Körpern ist die Sauerstofftmenge desjenigen Bestandtheils, welcher davon am wenigsten enthält, ein gemeinschaftlicher Theiler für die Sauerstoffmengen aller übrigen; z.B. der krystallisirte schwefelsaure Kalk besteht aus 32,899 Kalk, 46,312 Schwefelsäure u. 20,789 Wasser. Aber 32,899 Kalk enthalten 9,29 Sauerstoff, 46,312 Schwefelsäure enthalten 27,72 Sauerstoff u. 20 Wasser enthalten 18,47 Sauerstoff, es ist aber 9,29 in 27,72 dreimal u. in 18,47 zweimal enthalten. Der krystallisirte Alaun besteht aus Schwefelsäure, Aluminiumoxyd, Kali u. Wasser, u. es verhalten sich die Sauerstoffmengen in diesen Bestandtheilen wie 12_: 3_: 1_: 24. Man benutzt dieses Gesetz häufig, um die Anzahl der Äquivalente Sauerstoff in dem Theile der Verbindung zu bestimmen, welcher ein Plus von Sauerstoff zeigt. Hierin liegt auch der Grund, warum man bei Körpern von gleicher procentischer Zusammensetzung, welche also scheinbar isomer sind, doch eine verschiedene Anzahl von Äquivalenten annimmt.
Die folgende Tafel gibt die Äquivalentgewichte der einfachen Körper an u. zwar einmal bezogen auf das Äquivalent des Wasserstoffs = 1 u. dann auf das Äquivalent des Sauerstoffs = 100; beide Zahlenreihen stehen in naher Beziehung zu einander, denn kennt man das Äquivalent eines Elements für H = 1, so erhält man das für O = 100 durch Multiplication mit la 100/8, umgekehrt aus dem Äquivalent für O = 100 das für H = 1 durch Multiplication mit 8/100.
[845] Das Äquivalentgewicht einer Verbindung ist gleich der Summe der Äquivalentgewichte ihrer Bestandtheile. Kali besteht aus 1 Äquivalent (39,2 Gewichtstheilen) Kalium u. 1 Äquivalent (8 Gewichtstheilen) Sauerstoff, sein Äquivalentgewicht ist also 39,2 + 8 = 47,2; Schwefelsäure besteht aus 1 Äquivalent (16 Gewichtstheilen) Schwefel u. 3 Äquivalenten (3. 8 = 24 Gewichtstheilen) Sauerstoff; das Äquivalentgewicht der Schwefelsäure ist daher 16 + 24 = 40, u. das des schwefelsauren Kalis = 47,22 + 40 = 87,2. Das Äquivalentgewicht des krystallisirten Alauns ist:
c) Gesetz der multiplen Proportionen: In Verbindungen, welche aus denselben Bestandtheilen nach verschiedenen Verhältnissen zusammengesetzt sind, stehen die Quantitäten des einen Bestandtheils, welche in ihnen mit derselben Menge des andern Bestandtheils verbunden sind, unter sich in einfachem Verhältniß, nämlich im Verhältniß der Anzahlen Äquivalentgewichte des einen Bestandtheils, welche sich mit 1 Äquivalentgewicht des andern Bestandtheils vereinigen; oder: Wenn sich zwei Körper in mehr als einem Verhältniß mit einander verbinden, so vervielfacht sich die Menge des einen Körpers nach einfachen Zahlen od. nach sehr einfachen Brüchen, z.B. es enthält
Kohlenoxyd | auf | 6 | Kohlenstoff | 8 | Sauerstoff, |
Kohlensäure | auf | 6 | Kohlenstoff | 16 | Sauerstoff, |
Stickstoff verbindet sich in fünf Verhältnissen mit Sauerstoff u. zwar
63,63 | Stickstoff mit | 36,37 | Sauerstoff, |
46,66 | Stickstoff mit | 53,34 | Sauerstoff, |
36,84 | Stickstoff mit | 63,16 | Sauerstoff, |
30,43 | Stickstoff mit | 69,57 | Sauerstoff, |
25,93 | Stickstoff mit | 74,07 | Sauerstoff |
Berechnet man die Zusammensetzung dieser fünf Verbindungen, so daß der Stickstoff = 14 gesetzt wird, so findet man, daß sich verbinden:
14 Stickstoff mit | 8 Sauerstoff, |
14 Stickstoff mit | 16 Sauerstoff, |
14 Stickstoff mit | 24 Sauerstoff, |
14 Stickstoff mit | 32 Sauerstoff, |
14 Stickstoff mit | 40 Sauerstoff |
Die Zahlen 8, 16, 24, 32, 40 stehen aber im Verhältniß 1_: 2_: 3_: 4_: 5.
Es sind ferner enthalten im
Manganoxydul | auf 27,6 | Mangan | 8 Sauerstoff, |
Manganoxyd | auf 27,6 | Mangan | 12 Sauerstoff, |
Manganhyperoxyd | auf 27,6 | Mangan | 16 Sauerstoff, |
Mangansäure | auf 27,6 | Mangan | 24 Sauerstoff, |
Übermangansäure | auf 27,6 | Mangan | 28 Sauerstoff |
Hier verhalten sich die Sauerstoffmengen wie 1_: 11/2: 2_: 3_: 31/2. Es ist also 1 Äquivalent (27,6 Gewichtstheile) Mangan verbunden im:
Manganoxydul | mit _1 Äq. | (8 Gew.) Sauerstoff, |
Manganoxyd | mit 11/2 Äq. | (12 Gew.) Sauerstoff, |
Manganhyperoxyd | mit _2 Äq. | (16 Gew.) Sauerstoff, |
Mangansäure | mit _3 Äq. | (24 Gew.) Sauerstoff, |
Übermangansäure | mit 31/2 Äq. | (28 Gew.) Sauerstoff |
Der Schwefel geht mit dem Kalium sechs verschiedene Verbindungen ein, so daß die Mengen des mit gleichviel Kalium verbundenen Schwefels sich verhalten wie 1_: 2_: 3_: 31/2: 4_: 41/2: 5.
Der Ausdruck in chemischen Zeichen (s.d.), welcher angibt, wie viel Äquivalente der Bestandtheile in einer chemischen Verbindung enthalten sind, ist eine chemische Formel; gibt sie nun das Äquivalentverhältniß an, in welchem die Bestandtheile vereinigt sind, so ist sie eine empirische Formel; drückt sie aber zugleich aus, in welcher Weise die näheren Bestandtheile der Verbindung gruppirt sind, so wird sie rationelle Formel genannt. Die empirische Formel der Essigsäure ist C4H4O4, rationelle Formeln für dieselbe gibt es soviel als verschiedene Ansichten über die Constitution der organischen Verbindungen existiren, z.B.: C4H3O3 + HO od. C4H4 + O, od. C4H3O2 . O + HO, od. C4H3O2 od. HO . (C2H3)C2, O3 etc.; die empirische Formel des schwefelsauren Kalis ist KSO4, eine rationelle ist KO, SO3. Das salpetersaure Ammoniak hat die empirische Formel N2H4O6, die rationelle Formel dieses Salzes wird bald H3 N, HO, NO5, bald H4 NO, NO5, bald wieder anders geschrieben. Die empirische Formel einer Verbindung kann mit Sicherheit festgestellt werden, eine rationelle nicht, da dieselbe immer ein Ausdruck von theoretischen Ansichten ist, welche sich mit dem Fortschreiten der Wissenschaft ändern.
II. Von den Atomen u. Atomgewichten. Da die Körper nur dann eine chemische Verbindung eingehen können, wenn die einzelnen Theile derselben. in die innigste Berührung mit einander kommen, u. die so gebildeten Körper in allen ihren noch sinnlich wahrnehmbaren Theilen sich durchgängig von gleicher Beschaffenheit zeigen; auch andererseits solche innige Verbindungen wieder aufgehoben werden können, so daß die einzelnen von der Zusammensetzung durchaus verschiedenen Bestandtheile wieder zum Vorschein kommen: so wird man zu der Annahme geführt, jeder einfache Körper bestehe aus einzelnen gesonderten Theilchen von gleicher Größe, Gestalt u. Beschaffenheit, welche so klein sind, daß sie unserer Wahrnehmung gänzlich[846] entgehen, u. zugleich so fest, daß sie durch keine mechanische Gewalt weiter getheilt werden können. Diese kleinsten Theilchen der Körper nennt man einfache Atome (Partikeln, Corpuscula [daher Corpusculartheorie], Molecule, Körperdifferentiale, Massentheile). Von diesen Atomen nimmt man an, daß jedes derselben ein bestimmtes Gewicht hat, welches für jedes Atom desselben Körpers dasselbe ist, welches aber zu dem Gewichte eines Atoms eines anderen Körpers ein ganz bestimmtes angebbares Verhältniß hat. Für das Volumen der Atome ist eine vergleichbare Größe nicht anzugeben, doch denkt man sich dasselbe für alle Elemente gleich od. doch in einfachem Verhältniß stehend. Was ihre Form betrifft, so nimmt man an, daß sie etwas zur Krystallform der Körper beitrage, u. schließt daher rückwärts von der Krystallform eines Körpers auf die Gestalt seiner Atome. Wenn sich zwei od. mehre ungleichartige einfache Atome vereinigen, so muß diese Vereinigung wieder als ein Atom, u. zwar als ein zusammengesetztes, angesehen werden, welches eben so, wie jedes einfache, durch mechanische Kräfte nicht zertheilbar sein kann, weil der neu entstandene Körper sich uns ebenfalls in allen seinen Theilen als durchgängig gleichartig zeigt. Zugleich führen die anfänglichen Voraussetzungen auf die nothwendige Folgerung, daß ein solches zusammengesetztes Atom weder Gestalt noch Größe mit den einfachen Bestandtheilatomen haben könne. Auf dieselbe Weise können sich zusammengesetzte Atome aufs Neue zu noch zusammengesetzteren verbinden etc. Ein durch Verbindung einfacher Atome gebildetes Atom heißt ein Atom erster Ordnung; ein durch Verbindung von Atomen erster Ordnung entstandenes heißt ein Atom zweiter Ordnung etc. Die Zusammensetzung der fünf Oxydationsstufen des Stickstoffs (s. oben) läßt schließen, daß in der ersteren derselben auf ein Atom Stickstoff ein Atom Sauerstoff, in der zweiten auf ein Atom Stickstoff zwei Atome Sauerstoff enthalte etc. Weiß man, wie viele Atome des einen Elements sich mit einem Atom des andern verbinden, so lassen sich die Gewichte der Atome leicht berechnen. Im Molybdänoxydul ist z.B. das Molybdän mit dem Sauerstoff in dem Verhältniß von 85,684_: 14,316 verbunden, u. da man nach den höheren Oxydationsstufen des Molybdäns zu der Annahme berechtigt ist, daß das Molybdänoxydul durch Verbindung von je 1 Atom Molybdän mit 1 Atom Sauerstoff entsteht; so wird, wenn man das Gewicht von 1 Atom Sauerstoff = 1 setzt, das Gewicht eines Atoms Molybdän 85,684/14,316 d.i. 5,9853 solcher Einheiten betragen. Oder: hat die chemische Zerlegung gelehrt, daß sich 40,139 Schwefel mit 59,861 Sauerstoff zur Schwefelsäure verbinden, u. darf man schließen, daß die Schwefelsäure durch Verbindung von je 1 Atom Schwefel mit 3 Atom Sauerstoff gebildet wird, so folgt, wenn man wieder das Gewicht von 1 Atom Sauerstoff = 1 setzt, aus der Proportion 59,861_: 40,139 = 3: x (= 2,0116), daß das Gewicht des Schwefels 2,0116mal so groß ist, als der dritte Theil derjenigen Sauerstoffmenge, welche sich mit jenem zur Schwefelsäure verbindet. Diese so erhaltenen Zahlen nun werden die Atomgewichte der Körper (Mischungsgewichte, stöchiometrische Zahlen, chemische Äquivalente, chemische Proportionaltheile etc.), für das Gewicht von 1 Atom Sauerstoff als Einheit, genannt. Es lassen sich in derselben Weise die Atomgewichte berechnen für das Gewicht von 1 Atom Wasserstoff = 1 od. von 1 Atom Sauerstoff = 100. Die Atomgewichte sind ebenso bloße Verhältnißzahlen wie die Äquivalentgewichte, beide Ausdrücke werden oft auch als gleichbedeutend gebraucht u. die Äquivalententafel wird ebenso häufig als Atomgewichtstafel bezeichnet. Abgesehen davon, daß man bei chemischen Verbindungen wohl sagen kann, 1 Äquivalent eines Körpers sei mit 1/2 od. 1/3 Äquivalent eines andern verbunden, aber nicht, 1 Atom des einen mit 1/2 od. 1/3 Atom des andern, so kommen auch Fälle vor, wo Atomgewicht u. Äquivalentgewicht keineswegs als identisch zu betrachten sind. Die beiden Formeln FeO u. Fe2O3 repräsentiren die Atomgewichte von Eisenoxydul u. Eisenoxyd, aber keineswegs ihre Äquivalentgewichte als Basen, denn die durch Fe2O3 ausgedrückte Menge Eisenoxyd neutralisirt eine dreimal so große Menge Säure als die durch FeO ausgedrückte Menge Eisenoxydul; zur Abscheidung von Fe2O3 aus einer salzartigen Verbindung sind also z.B. 3 KO nothwendig, zur Abscheidung von FeO nur KO, es sind also 3 KO Äquivalente Fe2O3, KO äquivalent Fe O; nennt man aber die durch 1 Atomgewicht KO od. FeO ausgedrückte Menge Basis 1 Äquivalent derselben, so entspricht die durch Fe2O3 (1 Atomgewicht Eisenoxyd) ausgedrückte Menge Eisenoxyd 3 Äquivalenten. Man hat nun mit Rücksicht darauf, daß nach den gewöhnlichen Formeln die Atomgewichte zweier Verbindungen nicht die Äquivalente derselben repräsentiren, versucht in einzelnen solchen Fällen das Atomgewicht einer Verbindung mit ihrem Äquivalentgewicht übereinstimmend zu machen, indem man demselben Elemente verschiedene Atome od. Äquivalentgewichte beilegte. Reducirt man z.B. die Formel für das schwefelsaure Eisenoxyd Fe2O3, 3SO3 auf 1 Äquivalent Schwefelsäure, so erhält man Fe2/3O, SO3, eine Formel, welche als atomistische Formel nicht zulässig ist, weil 2/3 eines Atoms nicht gedacht werden kann. Nimmt man aber außer dem Eisen Fe mit dem Atom- od. Äquivalentgewicht 28 eine andere Art Eisen fe von 2/3 so großem Atomgewicht an (also vom Atomgewicht 18,7), so würde dies durch Verbindung mit 1 Atom Sauerstoff 1 Atom Eisenoxyd fe O bilden, u. dann wäre allerdings 1 Atomgewicht entsprechend einem Äquivalentgewicht; dem schwefelsauren Eisenoxydul Fe O, SO3 entspräche dann das schwefelsaure Eisenoxyd fe OSO3, FeO u. fe O wären äquivalent, zu ihrer Abscheidung aus Salzen wären gleiche Quantitäten Kali erforderlich. In derselben Weise bezeichnen manche Chemiker die mit 8 Gewichtstheilen (1 Äquivalent) Sauerstoff im Kupferoxydul verbundene Menge Kupfer (63,4 Gewichtstheile) mit cu, u. ebenso die im Quecksilberoxydul mit 1 Äquivalent Sauerstoff verbundene Menge Quecksilber mit hg, es werden dann die Formeln für
Kupferoxyd | = | CuO | |
Kupferoxydul | = | cu O | = Cu2O, |
Kupferchlorid | = | CuCl, | |
Kupferchlorür | = | cu Cl | = Cu2Cl, |
Quecksilberoxyd | = | HgO, | |
Quecksilberoxydul | = | hgO | = Hg2O, |
Quecksilberchlorid | = | HgCl, | |
Quecksilberchlorür | = | hgCl | = Hg2Cl. |
[847] In Bezug auf die Verbindungsverhältnisse einfacher Atome gilt: Es verbindet sich 1 Atom des einen (gewöhnlich elektropositiven) Elements mit 1, 2, 3.... Atomen des andern, od. 2 Atome des einen mit 1, 3, 5 Atomen des andern, od. es kommen beide Verbindungsstufen gleichzeitig vor. Wenn sich zusammengesetzte Atome verbinden, so haben sie entweder den elektronegativen, seltener den elektropositiven Bestandtheil gemeinschaftlich. Dieser gemeinschaftliche Bestandtheil erhält sich dann in dem einen zusammengesetzten Atom zu dem im anderen Atom, entweder wie 1_: 1, 2, 3, 4, 5, 6... od. wie 5_: 1, 2, 3, 4, 41/2, 6. Das erste Verhältniß findet bei mehr als 9/10 aller bekannten Fälle statt u. gilt im Allgemeinen bei den neutralen Salzen. In organische Verbindungen gehen im Allgemeinen nur wenige Elemente ein, aber die Verbindungsverhältnisse sind hier sehr mannigfaltig. Dabei findet der Umstand statt, daß die Verbindungen meist ein sehr hohes Atomgewicht haben. Keine Hypothese hat dem Fortschritte der Chemie mehr geschadet, als die, daß die organischen Körper aus ihrer großen Anzahl von Elementaratomen unmittelbar zusammengesetzt seien, daß es also binäre, ternäre, quaternäre Verbindungen gebe, daß mithin die organischen Körper keine näheren Bestandtheile, als jene wenigen Elemente enthalten. Die neuere Chemie hat aber gefunden, daß auch die bisher als organische Elemente angenommenen Körper, wenn auch nicht allemal aus binären, doch aus sehr einfachen Verbindungen jener Elemente zusammengesetzt sind. Man hat bereits eine ziemliche Menge von, in organischen Körpern verborgenen näheren Bestandtheilen mit dem Namen organische Radicale bezeichnet, d.h. zusammengesetzte Körper, welche, den anorganischen Elementen ähnlich, einen integrirenden Bestandtheil einer Reihe von Verbindungen ausmachen u. meist durch anorganische Elemente ersetzt werden od. dieselben ersetzen können. Berzelius empfahl, auf die von ihm begründete Volumentheorie (s. unten) sich stützend für eine Reihe von Elementen die Annahme der sogenannten Doppelatome. Nach der Volumentheorie sind nämlich Wasserstoff, Stickstoff, Phosphor, Arsenik u. Antimon stets zu zwei od. einer geraden Anzahl Atomen, sowohl im freien Zustand wie in allen Verbindungen, zugegen. Laurent u. Gerhardt wiesen aber zuerst auf die Regelmäßigkeiten bezüglich der Anzahl der einzelnen Atome in den Verbindungen hin u. gründeten darauf das Gesetz der paaren Atomzahlen. Die Hauptsätze dieser Lehre von den paaren Atomzahlen sind: der Kohlenstoff ist in jeder organischen Verbindung zu zwei od. einer geraden Anzahl Atomen zugegen; die Gesammtsumme der Atome des Wasserstoffs, der Halogene, der Metalle, der an Stelle des Wasserstoffs eingetretenen Atomgruppen beträgt in jeder organischen Verbindung eine gerade Zahl (daher ist Äthyl nicht C4H5, sondern C8H10 zu schreiben); die Summe der Sauerstoffatome u. der den Sauerstoff vertretenden Atome von Schwefel, Selen, Tellur ist eine gerade Zahl. Nach Laurent u. Gerhardt läßt sich dieses Gesetz der paaren Atomzahlen auch auf unorganische Verbindungen ausdehnen.
III. Volumentheorie. Da sich die Elemente in bestimmten Gewichtsverhältnissen mit einander verbinden, so mußte es von Wichtigkeit sein zu erfahren, in welchem Verhältniß die Zahlen stehen, durch welche die Äquivalente ihren Volumen nach ausgedrückt werden. Um dies zu ermitteln, dividirt man das Atomgewicht durch das specifische Gewicht u. erhält als Quotienten das Volumenverhältniß. Schwefel u. Zink verbinden sich z.B. mit einander in dem Gewichtsverhältniß von 200 Schwefel u. 403 Zink, das specifische Gewicht des Schwefels ist 1,99, des Zinkes 6,95; die Volumenverhältnisse der angegebenen Mengen Schwefel u. Zink sind mithin 200/1,99: 403/6,95 od. 100_: 58, d.h. 100 Volumen Schwefel verbinden sich mit 58 Volumen Zink. Diesen Quotienten nennt man das Atomvolumen (Äquivalent-, Molekular-, specifisches Volumen), er wird verschieden für ein u. dasselbe Element, je nachdem man O = 100 od. H = 1 setzt. Die Verhältnisse der Atomvolumen bleiben aber unverändert dieselben. Folgende Tabelle gibt die Atomvolumen derjenigen Elemente, deren specifisches Gewicht genau bestimmt ist.
Kopp machte 1839 darauf aufmerksam, daß chemisch ähnliche Körper häufig gleiches Atomvolumen haben od. daß ihre Atomvolumina in einem einfachen Verhältniß zu einander stehen. So lassen sich z.B. folgende Gruppen bilden:
[848] Die vorstehenden Gruppen enthalten Elemente, welche isomorphe Verbindungen geben; es geht daher aus allen Beobachtungen hervor, daß alle isomorphen Körper gleiches Atomvolumen haben. Dieses von Kopp aufgestellte Gesetz läßt sich auch so ausdrücken: Bei isomorphen Körpern verhalten sich die specifischen Gewichte wie die Atomvolumina, od.: äquivalente Mengen isomorpher Körper erfüllen einen gleich großen Raum. Man muß sich aber hierbei erinnern, daß vollkommene Gleichheit der Atomvolumina bei isomorphen Körpern (mit Ausnahme der Formen des regulären Systems) überhaupt nicht zu erwarten steht, da jede Isomorphie doch nur eine Homöomorphie bleibt. Je vollkommener isomorph die Verbindungen sind, desto besser stimmen die Atomvolumina überein. Vergrößert man durch Erwärmen das Atomvolumen, so tritt eine dieser Vergrößerung entsprechende Winkelveränderung ein. Es läßt sich demnach der Satz aufstellen, daß, je näher die Winkelverhältnisse der Salze übereinstimmen, um so genauer auch ihre Atomvolumina übereinstimmen. Gay-Lussac stellte zuerst das Gesetz auf, daß gasförmige Körper sich nur in sehr einfachen u. constanten Verhältnissen ihrer Volumina mit einander verbinden. Folgende Tabelle enthält die Verbindungen gasförmiger Elemente. Es verbinden sich:
1 Vol. | N | mit 1 Vol. | O | zu 2 Vol. NO2 | Gas |
1 Vol. | Cl | mit 1 Vol. | H | zu 2 Vol. ClH | Gas |
1 Vol. | I | mit 1 Vol. | H | zu 2 Vol. IH | Gas |
1 Vol. | Hg | mit 1 Vol. | Cl | zu 1 Vol. HgCl | Gas |
1 Vol. | Hg | mit 1 Vol. | Br | zu 1 Vol. HgBr | Gas |
2 Vol. | H | mit 1 Vol. | O | zu 2 Vol. HO | Gas |
2 Vol. | N | mit 1 Vol. | O | zu 2 Vol. HO | Gas |
1 Vol. | Hg | mit 1 Vol. | Cl | zu 2 Vol. Hg2Cl | Gas |
1 Vol. | N | mit 3 Vol. | H | zu 2 Vol. NH3 | Gas |
1 Vol. | As | mit 3 Vol. | O | zu 1 Vol. AsO3 | Gas |
1 Vol. | S | mit 3 Vol. | Cl | zu 3 Vol. ClS | Gas |
1 Vol. | S | mit 6 Vol. | O | zu 6 Vol. SO2 | Gas |
1 Vol. | S | mit 6 Vol. | H | zu 6 Vol. SH | Gas |
1 Vol. | P | mit 6 Vol. | H | zu 4 Vol. PH3 | Gas |
1 Vol. | As | mit 6 Vol. | H | zu 4 Vol. AsH3 | Gas |
1 Vol. | S | mit 6 Vol. | Hg | zu 9 Vol. HgS | Gas |
1 Vol. | S | mit 9 Vol. | O | zu 6 Vol. SO3 | Gas |
Es findet also, wenn sich gasförmige Körper verbinden, Contraction statt od. nicht. Nimmt man das specifische Gewicht u. das Äquivalent des Sauerstoffs als Einheit, so findet man, daß die in vorstehender Tabelle angeführten Elemente zu den specifischen Gewichten in einem sehr einfachen Verhältniß stehen od. völlig gleich sind:
__Gas: | ___ ___ __Spec.Gew.: | __Aquivalent: | Verhältniß: |
Sauerstoff | 1,000 | 1,000 | 1_: 1 |
Wasserstoff | 0,062 | 0,125 | 1_: 2 |
Stickstoff | 0,885 | 1,750 | 1_: 2 |
Chlor | 2,213 | 4,426 | 1_: 2 |
Schwefel | 6,034 | 2,000 | 3_: 1 |
Phosphor | 3,923 | 1,961 | 2_: 1 |
Arsenik | 9,400 | 4,700 | 2_: 1 |
Quecksilber | 6,329 | 12,500 | 1_: 2 |
Am deutlichsten treten die Beziehungen der Äquivalente zu den specifischen Gewichten hervor, wenn man die Räume berechnet, welche die Körper im gas- od. dampfförmigen Zustand einnehmen. Man erhält diese relativen Volumina durch Division des Äquivalents für H = 1 durch die sogenannte constante Dampfdichte, d.h. das specifische Gewicht des Gases od. Dampfes bei der Temperatur, bei welcher das specifische Gewicht constant ist. Es ergibt sich z.B. für die Elemente u. einige zusammengesetzte Substanzen:
Diese Zahlen, welche z.B. ausdrücken, daß sich die Räume äquivalenter Gewichtsmengen Sauerste u. Chlor verhalten wie 1_: 2, werden die Koppschen Normalquotienten genannt. Nimmt 1 Äquivalent des Gases od. des Dampfes den gleichen Raum ein wie 1 Äquivalent Sauerstoff, so nennt man dies Verdichtung auf 1 Maß; nimmt 1 Äquivalent des Gases den doppelten Raum ein wie 1 Äquivalent Sauerstoff, Verdichtung auf 2 Maß. Daher entspricht der Normalquotient
7,22 | der Verdichtung auf 1 Maß, |
14,44 | der Verdichtung auf 2 Maß, |
28,88 | der Verdichtung auf 4 Maß |
Die große Mehrzahl der untersuchten organischen Verbindungen geben den Normalquotienten 28, d.h. zeigen eine Verdichtung auf 4 Maß. Gerhardt, von dem Musterbild Wasser ausgehend, welches 2 Volumina Wasserstoff u. 1 Volumen Sauerstoff zu 2 Volum. verdichtet enthält, nimmt an, daß überall die Condensation auf 2 Maß einem Äquivalent entspreche u. wird deshalb zu einer Halbirung der meisten organischen Formeln geführt. Kopp fand, daß analoge flüssige Verbindungen gleiche Differenzen ihrer Atomvolumina haben, so daß z.B. das Atomvolumen jeder Äthylverbindung um 234 größer ist als das der entsprechenden Methylverbindung, das Atomvolumen jedes Säurehydrats um 534 kleiner als das des Äthyloxydsalzes u. um 300 kleiner als das des Methyloxydsal;es, u. daß solche Regelmäßigkeiten für alle analogen Flüssigkeiten gelten. Aus dem specifischen Gewicht der Säurehydrate läßt sich also das specifische Gewicht der Verbindungen derselben mit Äthyl- u. Methyloxyd berechnen, ebenso wie aus dem specifischen Gewicht einer Äthyloxydverbindung das specifische Gewicht einer Methyloxydverbindung. Kopp u. Schröder fanden auch, daß die Atomvolumina der Flüssigkeiten bei Temperaturen zu vergleichen seien, wo ihre Dämpfe gleiche Spannkraft besitzen. Man nennt solche Temperaturen correspondirende Temperaturen. So hat z.B. der Alkohol C4H6O2, welcher die Elemente von Äthyloxyd C4H5O u. Wasser HO enthält, bei seinem Siedepunkt ein Atomvolumen, welches der Summe der Atomvolumina von Äther u. Wasser bei ihren Siedepunkten[849] gleich ist. Die Siedepunkte dieser Körper sind aber Temperaturen, bei welchen die Spannkraft ihrer Dämpfe dem Luftdruck, also auch unter einander, gleich sind. Ganz dasselbe findet auch bei niedrigeren Temperaturen von gleicher Spannkraft der Dämpfe statt. Eine Spannkraft von 313 Millimeter Quecksilberhöhe haben z.B. die Dämpfe des Alkohols bei 57°, die des Äthers bei 16°, die des Wassers bei 77°; das Atomvolumen des Alkohols ist bei 57° = 762, das des Äthers bei 16° = 647, das des Wassers bei 77° = 115, es ist also: 762 = 647 + 115.
IV. Stöchiometrische Berechnungen. Aus der Formel einer chemischen Verbindung läßt sich mit Anwendung der Äquivalentgewichte leicht die procentische Zusammensetzung der Verbindung berechnen; z.B. die Formel für das Glycerin C6H8O6 bedeutet, daß darin enthalten sind:
In 92 Gewichtstheilen Glycerin sind also 36 Kohlenstoff, 8 Wasserstoff u. 48 Sauerstoff enthalten, also in 100 Gewichtstheilen: 39,13 Kohlenstoff, 8,70 Wasserstoff u. 52,17 Sauerstoff. Aus der Formel für den krystallisirten Kupfervitriol CuO, SO3 + 5 HO berechnet sich die procentische Zusammensetzung:
also in 100 Theilen sind enthalten: 31,85 Kupferoxyd, 32,07 Schwefelsäure, 36,08 Wasser. Ebenso läßt sich umgekehrt aus der procentischen Zusammensetzung einer Verbindung ihre Formel berechnen. Die procentische Zusammensetzung des Quecksilberoxyduls sei z.B. zu 96,16 Quecksilber, 3,84 Sauerstoff gefunden worden. Da 100 Gewichtstheile Quecksilber nach der Äquivalententafel 1 Äquivalent Quecksilber u. 8 Gewichtstheile Sauerstoff 1 Äquivalent Sauerstoff repräsentiren, so entsprechen 96,16 Quecksilber 0,96 Äquivalenten u. 3,84 Sauerstoff 0,48 Äquivalenten, somit kommen auf 0,96 Äquivalente Hg 0,48 Äquivalente O od. auf 2 Hg kommt 1 O, d.h. die Formel für das Quecksilberoxydul ist Hg2 O. Man erhält also durch Division der Procentgehalte durch die Äquivalentgewichte Quotienten, welche in einfachem Verhältniß, im Verhältniß der Anzahl Atome, zu einander stehen. Für das krystallisirte schwefelsaure Zinkoxyd habe man die procentische Zusammensetzung 28,24 Zinkoxyd, 27,87 Schwefelsäure, 43,89 Wasser gefunden, durch Division mit den Äquivalentgewichten erhält man die Quotienten für Zinkoxyd 0,696, für Schwefelsäure 0,696, für Wasser 4,876; diese drei Quotienten stehen aber im Verhältniß 1_: 1_: 7, also die Zusammensetzung des krystallisirten schwefelsauren Zinkoxyds ist Zn O, SO3 + 7 HO. Auf diese Weise findet man das Verhältniß der Atomgewichte, nicht aber die absolute Anzahl Atome der Bestandtheile, welche in einem Atom einer Verbindung enthalten sind. Aus der procentischen Zusammensetzung der krystallisirten Benzoësäure: 68,8 Kohlenstoff, 5,0 Wasserstoff, 26,2 Sauerstoff, berechnet sich die empirische Formel der Benzoësäure zu C7H3O2; ob aber ein Atom Benzoësäure wirklich 7 Atome Kohlenstoff, 3 Atome Wasserstoff u. 2 Atome Sauerstoff enthält, od. ob vielmehr die Formel C14H6O4 od. C21H9O6 od. C28H12O8 etc. ist, kann erst die Untersuchung eines neutralen benzoësauren Salzes entscheiden. Das neutrale benzoësaure Bleioxyd hat die procentische Zusammensetzung: Kohlenstoff 37,33, Wasserstoff 2,4, Sauerstoff 10,7, Bleioxyd 49,6, woraus das Verhältniß von Bleioxyd zu Kohlenstoff zu Wasserstoff zu. Sauerstoff sich ergibt zu 1_: 14_: 5_: 3, d.h. mit 1 Äquivalent Bleioxyd sind C14H5O3 verbunden. Nimmt man im neutralen benzoësauren Bleioxyd 1 Äquivalent Bleioxyd u. 1 Äquivalent Benzoësäure an, so muß 1 Äquivalent krystallisirte Benzoësäure 14 Äquivalente Kohlenstoff enthalten, daher ist die Formel für dieselbe nicht C7H3O2, sondern C14H6O4, woraus man die rationelle Formel C14H5O3 + HO ableiten kann; man denkt sich dann bei der Bildung eines Salzes das mit der hypothetisch wasserfreien Säure C14H5O3 verbundene Wasser durch Bleioxyd od. einer anderen Base ersetzt, od. man gibt der krystallisirten Säure die Formel
u. dem Bleisalz
Die stöchiometrischen Berechnungen der zu einer Zersetzung erforderlichen od. aus einer Zersetzung resultirenden Mengen gewisser Bestandtheile u. Verbindungen lassen sich ebenfalls mit Hülfe der Äquivalentgewichte leicht ausführen. Z.B.: Wieviel Schwefel ist nöthig, um 20 Pfund Quecksilber in Zinnober zu verwandeln? Der Zinnober ist aus 1 Atom Quecksilber = 100 u. 1 Atom Schwefel = 16 zusammengesetzt. Quecksilber u. Schwefel verbinden sich also in dem Verhältnisse von 100_: 16. Folglich gibt die Proportion 100_: 16 = 20 x (= 3,2), daß 3,2 Pfund od. 3 Pfund u. 6 Loth Schwefel erforderlich sind, um 20 Pfund Quecksilber in Zinnober zu verwandeln. Wieviel Vitriolöl von 1,850 specifischem Gewicht muß, wenn nichts verloren geht, durch das Verbrennen von 100 Pfd. Schwefel erhalten werden? Dieses Vitriolöl ist aus 1 Atom Schwefel, 3 Atom Sauerstoff u. 1 Atom Wasser zusammengesetzt, also sein Atomgewicht = 16 + 24 + 9 = 49. Da also 16 Schwefel 49 Vitriolöl geben, so werden 100 Pfund Schwefel 306 Pfd. Vitriolöl von der gedachten Beschaffenheit geben. Wieviel Kohlensäure ist in 88 Gramm kohlensauern Kalks enthalten? Der kohlensaure Kalk besteht aus 1 Atom Kalk = 28 u. 1 Atom Kohlensäure = 22, also das Atomgewicht des kohlensauern Kalks = 50. Daher gibt die Proportion 50_: 22 = 88: x (= 38,72) die Menge der in 88 Gramm kohlensauren Kalks enthaltenen Kohlensäure = 38,72 Gramm. Aus einer salpetersauern od. salzsauern Auflösung eines Minerals hat man durch Zusatz von Schwefelsäure 79,4 Gramm schwefelsauren Baryt erhalten; wieviel Baryt war in dem Mineral? Es ist 116,5_: 76,5 = 79,4: x (= 52,14) folglich in dem Mineral 52,11 Gramm Baryt enthalten. Aus 100 Pfd. krystallisirtem Bleizucker soll durch Schwefelsäure die Essigsäure ausgeschieden werden; wieviel Vitriolöl von 1,850 specifischem Gewicht ist hierzu erforderlich? Der krystallisirte Bleizucker enthält in 189,7 Theilen 111,7 Theile Bleioxyd u. diese erfordern, um schwefelsaures Bleioxyd zu bilden, 49 Theile Schwefelsäure; in 100 Pfd. Bleizucker sind nun 58,8 Pfd. Bleioxyd enthalten, diese[850] erfordern aber 25,8 Pfd. Schwefelsäure. Man will krystallisirten Bleizucker u. schwefelsaures Kali sich durch gegenseitige Verwandtschaft zersetzen lassen, um als Niederschlag schwefelsaures Bleioxyd, u. in der Auflösung essigsaures Kali zu erhalten u. bestimmt hierzu 15 Pfd. Bleizucker. Wie viel schwefelsaures Kali muß angewendet werden? Aus der Proportion 189,7_: 87,2 = 15: x folgt, daß 6,9 Pfd. schwefelsaures Kali dazu erforderlich sind.
V. Geschichte u. Literatur der S. Das Bestreben der Chemiker die Intensität der chemischen Verwandtschaft der Körper in Zahlen auszudrücken, scheint dieselben zuerst darauf geführt zu haben, daß die Körper nur in bestimmten Mengenverhältnissen chemische Verbindungen eingehen. Wenzel (Die Lehre von der Verwandtschaft, 1777) ist wohl der erste gewesen, welcher das oben aufgeführte Gesetz der Verbindungen neutraler Salze durch Versuche festgestellt hat. Seine von ihm selbst nicht weiter verfolgte u. von Andern nicht beachtete Entdeckung erweiterte Bergmann (De diversa phlogisti quantitate in metallis, Upsala 1782) durch die Entdeckung des Gesetzes der Metallfällungen. Der Irländer Higgins (A comparative view of the phlogistic and antiphlogistic theories, 1789) sprach schon die Ansicht aus, die Körper seien aus Partikeln zusammengesetzt, u. bei einer höheren Verbindung käme eine neue Partikel hinzu. Aber der eigentliche wissenschaftliche Begründer der S., welche ihm auch ihren Namen verdankt, ist J. B. Richter (s.d. 5) welcher die bis dahin bekannten Thatsachen mit den Resultaten seiner eigenen Forschungen combinirte u. glücklich der Rechnung unterwarf. Er construirte zuerst eine Tafel der Massen- od. Neutralitätsreihen, wie sie oben angedeutet ist, u. erkannte u. entwickelte schon damals alle die Vortheile u. wichtigen Folgerungen, welche sich daraus ziehen lassen (Meßkunst chemischer Elemente, Bresl. 17921795, 3 Thle; Abhandlungen über neuere Gegenstände der Chemie, ebd. 17921802). Dagegen suchte Berthollet (Essai de statique chimique, Par. 1802), die Behauptung durchzuführen, daß die Körper in jedem Verhältnisse chemische Verbindungen eingingen, u. daß nur dann feste Verhältnisse stattfänden, wenn andere Einflüsse, wie Wärme, Neigung zur Krystallisation, Elasticität, Cohäsion, Unauflöslichkeit etc. hinzuträten. Seine Theorie, welche die S. auf einige Zeit in den Hintergrund stellte, wurde am gründlichsten von dem spanischen Chemiker Proust widerlegt. Einen wichtigen Fortschritt erhielt die S. durch Dalton (A new system of chemical philosophy, 180810, 2 Bde., deutsch von Wolf, Berl. 1812), welcher, wie Higgins, Atome annahm, aber diese Ansicht viel bestimmter aussprach u. durchführte u. zuerst den Satz der multiplen Proportionen aufstellte. Bei der von ihm construirten Atomtafel legte er das Atom Wasserstoff als Einheit zu Grunde. Er blieb nicht, wie Richter, bei den Verhältnißzahlen der Säuren u. Basen stehen, sondern ging bis auf die einfachen Körper zurück, u. durch seine Atomenlehre kam man dahin, sich von den Ursachen jener Verhältnisse eine deutliche Vorstellung zu machen. Daltons Entdeckungen verfolgten u. verbreiteten weiter Wollaston, Thomson, Davy u. Schweigger. Der Erstere legte den Äquivalententafeln das Atomgewicht des Sauerstoffs zu Grunde u. führte, um die Rechnungen zu erleichtern, die logarithmischen Rechenstäbe ein, welche für diesen Zweck gleich mit den nöthigen Zahlen versehen wurden (stöchiometrische Scala). Um diese Zeit entdeckten Gay-Lussac u.a. v. Humboldt, daß die Gasarten bei ihrer Verbindung ebenfalls eine Gesetzmäßigkeit rücksichtlich ihres Volumens zeigten. Dies gab Veranlassung zu der sogenannten Volumentheorie (s. oben III). Von 1806 an wendete sich Berzelius der S. mit großem Eifer zu, so daß dieselbe ihm bei weitem die meisten Bereicherungen verdankt. Unter Anderem führte er eine einfache u. passende Bezeichnung der verschiedenen Atome ein, welche jetzt allgemein angenommen ist. Außer den oben genannten Schriften sind noch zu erwähnen: J. L. G. Meinecke, Chemische Meßkunst, Halle 18151817, 2 Bde.; J. W. Döbereiner, Darstellung der Verhältnißzahlen der irdischen Elemente zu chemischen Verbindungen, Jena 1816; Derselbe, Neueste stöchiometrische Untersuchungen, ebd. 181619; C. G. Bischoff, Lehrbuch der S., Erlangen 1819; J. J. Berzelius, Versuch über die Theorie der chemischen Proportionen, deutsch von Blöde, Dresd. 1820; J. L. Falckner, Beiträge zur S. u. chemischen Statik, Bas. 1824; Van Mons, Conspectus mixtionum chemicarum etc., 1827; H. Buff, Versuch eines Lehrbuchs der S., Nürnb. 1829; H. Osann, Meßkunst der chemischen Elemente, 2. Aufl. Jena 1830; H. Ch. Creuzburg, Katechismus der S., Wien 1834; P. Z. Meißner, Chemische Äquivalenten- u. Atomenlehre, Wien 1834, 2 Bde.; O. B. Kühn, Lehrbuch der S., Lpz. 1837; Schweigger, Über stöchiometrische Reihen, Halle 1853; Frickhinger, Katechismus der S., Nördl. 1853; Streng, Die Äquivalentgewichte der einfachen Stoffe, Klausthal 1859.
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