1. Den vile förchten, muss vile förchten. – Franck, I, 71a; Henisch, 1297, 41; Lehmann, II, 67, 190; Mayer, I, 129; Körte, 1705.
»Von vielen sich gefürchtet fühlen, muss billig Furcht erwecken vor vielen.« (Spruchreden, 402.)
Dän.: Den mange frygter, maa og reddes for nogen. (Prov. dan., 205.) – Han maa frygte mange, som frygtes af mange. (Prov. dan., 469.)
It.: Chi è temuto da molti, molti ha da temere. (Pazzaglia, 371, 3.) – Chi vuol esser temuto, convien che tema. (Pazzaglia, 371, 10.)
Lat.: Dubia pro certis solent timere reges. (Philippi, I, 125.) – Multos timere debet, quem multi timent. (Publ. Syr.) (Binder II, 1938; Philippi, I, 264; Faselius, 159; Wiegand, 1148.)
2. Der jm förcht (oder fleucht), der macht sein mutter nit waynen. – Franck, I, 45b.
It.: È meglio haver la paura, che la paura et il danno. (Pazzaglia, 364, 4.)
3. Ein jeder fürcht sich, wenn der Todt für der Thür ist. – Henisch, 1296, 15.
4. Es förchten nicht alle, die vil drewen. – Henisch, 48.
5. Es fürchten sich mehr vor der Welt, als vor Gottes Urtheil. – Opel, 375.
6. Es ist nicht zu fürchten, dass der Arsch den Kopf abreissen wird. (Wend. Lausitz.)
7. Förcht den, der armuth förchtet. – Franck, I, 73b; Lehmann, 228, 54; Petri, II, 321; Henisch, 1296; Gruter, I, 41.
8. Förcht vil, bistu vilen ein grewel. – Franck, I, 158a.
9. Fürchst du dich für den Pintzen im Hanf, so frisst er dich, fürchst du dich nicht, so thut er dir nichts. – Henisch, 1296, 45.
10. Fürcht den, der Leib vnd Seel in die Helle werfen kan. – Petri, I, 41.
11. Fürcht d'r nüd, se g'steht der nüd. (Luzern.)
12. Fürcht du dess Teuffels List, ob er ein scheinender Engel ist. – Petri, I, 41.
13. Fürchte dich vor einem geheimen und einem stummen Hunde!
14. Fürchte, die dich fürchten. – Körte, 1704; Simrock, 2937.
15. Fürchte nicht den Tod, er hilft aus aller Noth.
16. Fürchten, dass man nicht vmgehen kan, ist ein thorheit. – Henisch, 1295, 40.
17. Fürchten und Zagen hat manchen geschlagen.
18. Ich fürcht mich für zehenen nicht, wenn ich allein bin. – Petri, III, 8; Henisch, 1295, 9; Simrock, 2933.
19. Ich fürchte mich nicht, sagte die Spinne, aber es überläuft mich ein Schauer.
Spott auf lächerliche, nichtige Ausrede oder Ableugnung.
20. Ich fürchte Tod und Teufel nicht.
Wahlspruch Franz von Sickingen's. Mit Tod und Teufel hat ihn auch Albrecht Dürer gemalt; das Bild befindet sich in Rastatt.
[1277] 21. Je mehr man sich vor sich selber fürchtet, je weniger fürchtet man andere.
22. Jeder förcht seiner Haut. – Gruter, III, 880.
23. Man fürcht keinen feindt länger, dann er lebt. – Henisch, 1297, 37; Petri, II, 446.
24. Man fürcht nur der schweigenden. – Petri, II, 446.
25. Man muss nicht fürchten, was man nicht vermeiden kann.
Dän.: Daarligt er at frygte det man ei kan flye. (Bohn I, 351; Prov. dan., 205.)
It.: Pazzo chi teme quel che non può evitare. (Pazzaglia, 371, 9.)
26. Mancher förcht sich vor seinem Schatten, vnnd hat ein Löwen Maul vnd ein Haasen Hertz. – Lehmann, 226, 12.
27. Mancher fürchtet bey hellem Tag, er gehe im finstern. – Lehmann, 227, 30.
28. Nicht fürchten ist der beste Harnisch.
»Wer fürchtet sich?« fragt A. Ruge (Sämmtliche Werke, II, 45), und antwortet: »Wer sich selbst und sein Eigenthum, die unbezwingliche Macht des Geistes vergisst.«
29. Oft fürchtet man den Richter mehr als den Kläger. – Graf, 410, 70.
Und hat, wenn er nicht das Organ der Gerechtigkeit, sondern irgendeiner Leidenschaft ist, Ursache dazu. »Daz man oft den Richter hartter fürcht, denn den chlager.« (Ruprecht's v. Freysingen Rechtsbuch.)
30. Was einer förcht, das ligt jm täglich auff dem Halss. – Franck, I, 67a; Lehmann, II, 834, 134.
Frz.: Qui craint de souffrir, souffre de la crainte. – Qui craint de souffrir, souffre déjà ce qu'il craint. (Cahier, 468 u. 469.)
31. Was man fürchtet, glaubt man leicht.
Frz.: Chacun croit fort aisément ce qu'il craint et ce qu'il désire. (Cahier, 471.)
32. Was man fürchtet, trifft eher zu, als was man hofft.
Wer die Pest fürchtet, der ist vor ihr am wenigsten sicher, sagen die Russen; und die Neger auf Surinam haben das Sprichwort: Die Ziege fürchtet die Küche und doch wird sie in der Küche sterben. (Reinsberg II, 85.)
33. Wen man fürchten soll, der muss sich wieder fürchten.
It.: Chi vuol esser temuto, convien che tema. (Pazzaglia, 371, 10.)
34. Wen man fürchtet, dem gibt man mehr, als ihm gehört.
Span.: A quien miedo le han, lo suyo le dan. (Bohn I, 201.)
35. Wen man fürchtet, den hasst man.
Lat.: Oderint dum metuant.
36. Wen man fürchtet, den liebt man nicht.
Dän.: Ingen elsker den man reddes for. (Prov. dan., 469.)
37. Wen man fürchtet im Angesicht, dem schadet man im (hinter dem) Rücken.
38. Wer alles fürchtet, hat sonst nichts zu fürchten.
39. Wer alles fürchtet, strauchelt über seinen eigenen Schatten.
It.: Mal delibera, chi troppo teme. (Gaal, 615.)
40. Wer alles nicht fürcht, den beisst der Teuffel auch wol. – Henisch, 1297, 46.
Span.: Miedo guarda viña. (Cahier, 3538.)
41. Wer es fürchtet, den jagt es.
42. Wer fürcht, er thu zu vil, der thut jmmer zu wenig. – Henisch, 1297, 48; Petri, II, 709.
43. Wer fürchtet, das hinter allen Stauden Wölff liegen, bleibt gern daheim. – Lehmann, 226, 10.
Frz.: Qui a peur il est asseur. (Leroux, II, 290.)
44. Wer jhm fürcht, der leg ein Pantzer an. – Henisch, 1175, 29; Lehmann, II, 841, 275.
45. Wer jm förcht, der lauff in die kirch. – Franck, II, 42a; Henisch, 1295, 25; Tappius, 169b; Petri, III, 15; Lehmann, II, 851, 332; Simrock, 2930.
Die Serben sagen: Wer sich fürchtet, der säuge Kinder. (Wurzbach I, 305.)
46. Wer nit förcht die Wölff vmb Liechtmess, die Baurn vmb Fassnacht vnnd die Pfaffen in der Fasten1, der ist ein verwegener Kriegsmann. – Gruter, I, 81; Eiselein, 197.
1) Wegen der Ohrenbeichte.
47. Wer sagt: er fürchte sich nicht, hat noch keinen Finger übers Licht gehalten.
[1278] 48. Wer si all förcht, ist niena sicher. (Appenzell.)
Wer sich immer fürchtet, findet nirgends Sicherheit.
49. Wer sich fürcht, den beisst der Teuffel. – Henisch, 1297, 51.
50. Wer sich fürcht, der lässt jhm gleich die Kuh nehmen. – Lehmann, 228, 50.
Dän.: Jo meere man frygter, jo nærmere er man skade. (Prov. dan., 205.)
51. Wer sich fürcht, der schläfft gern auff gantzer Haut. – Lehmann, 226, 7.
52. Wer sich fürcht, der stösst an allen Dreck, der im weg ligt. – Lehmann, 228, 50.
53. Wer sich fürchtet, dass die Halme beissen, der muss nicht ins Stroh scheissen.
Mhd.: Swer dâ fürht daz in die helme bîzen, dern sol niht in daz strô schîzen. (Morolf.) (Haupt, VI, 307, 42.)
Lat.: Qvi pauet exculmis stipulis non incubet ullis. (Haupt, VI, 305, 42.)
54. Wer sich fürchtet, den packt's überall. (Wend. Lausitz.)
Frz.: Qui craint de souffrir, souffre de crainte. (Bohn I, 49.)
55. Wer sich fürchtet, den zupfen Feinde vorn und hinten.
56. Wer sich fürchtet, der hält Rebhühner für Raketen. – Scheidemünze, I, 2368.
57. Wer sich fürchtet, der ist halb geschlagen.
Frz.: Qui a peur, est à demi battu. (Cahier, 1363.)
It.: La paura al nemico gl' è una ferita. (Pazzaglia, 269, 5.)
58. Wer sich fürchtet, der stellt sich todt in der Schlacht.
59. Wer sich fürchtet, dien' als Amme.
60. Wer sich fürchtet, droht gern.
Frz.: Tel menace qui a grand peur. (Lendroy, 996.)
It.: Chi teme, brava. (Pazzaglia, 371, 2.)
61. Wer sich fürchtet, ist nirgends sicher. – Kirchhofer, 154.
62. Wer sich fürchtet, nehme ein Bret auf den Rücken.
It.: Carico di ferro, carico di paura. (Pazzaglia, 269, 1.)
63. Wer sich fürchtet, stärkt den Muth seines Feindes.
It.: La paura al nemico gl' è una ferita. (Pazzaglia, 269, 5.)
64. Wer sich fürchtet vor den Blicken, der schadet hinterm Rücken.
It.: Ch' in presenza ti teme, in assenza ti nuoce. (Pazzaglia, 371, 5.)
65. Wer sich nicht fürcht, dem ist kein übelthat zu viel. – Lehmann, 227, 26; Simrock, 2936.
66. Wer sich nicht fürcht't vor seiner Frauen, der mag den Backen 'runter hauen. (Wien.)
Bezieht sich auf ein altes wiener Wahrzeichen, eine Speckseite, die am Rothen Thurme unterm Thor hing und folgenden Reimspruch enthielt, aus dem das vorstehende Sprichwort ein Fragment ist: »Befind't sich irgend hier ein Mann, der mit der Wahrheit sprechen kann, dass ihm seine Heirath nicht gerauen, und fürcht't sich nicht vor seiner Frauen, der mag diesen Backen herunterhauen.«
67. Wer sich vor allem fürchtet, strauchelt auch über seinen eigenen Schatten. – Winckler, XV, 75.
68. Wer sich vor sich selbst fürchtet, hat nichts weiter zu fürchten.
69. Wer von jedermann geförcht wird, muss sich vor jedermann förchten. – Opel, 386.
70. Wer will gefürchtet sein, der muss ander wider fürchten. – Henisch, 1297, 54; Petri, II, 779.
71. Wol zu fürchten ist der Mann, der falsch ist vnd wol reden kan. – Henisch, 1298, 7.
72. Wovor man sich fürchtet, daran stirbt man.
*73. Der furchtet sich vor yhm selbs. – Agricola I, 129.
*74. Er furcht sich fur seinen eigen . ... – Luther's Ms., S. 2; Sailer, 298.
Das letzte Wort ist unleserlich und heisst wahrscheinlich: Schatten. Henisch hat die Redensart S. 1294.
Dän.: Som frygter for sin egen skygge. (Prov. dan., 205.)
Holl.: Hij heeft vrees voor de schaduw zijner vingeren. (Harrebomée, II, 409.)
Lat.: Vel muscas metuit praetervolantes. (Philippi, II, 242.)
*75. Er fürchtet bei hellem Tage, er geh' im Finstern.
Frz.: Il a peur que la terre ne lui manque. (Lendroy, 1417.)
[1279] *76. Er fürchtet, dass d' Läus 'n Katarrh krieg'n. (Oberösterreich.) – Baumgarten, 116.
Scherzhaft von einem, der seine Kopfbedeckung nicht lüpfen will.
*77. Er fürchtet den Teufel nicht. (Nürtingen.)
*78. Er fürchtet die Nägel in der Wand.
Er glaubt, sie werden herausfallen, da sie doch fest eingeschlagen sind.
*79. Er fürchtet immer, die Katz' komm' ihm aus. – Kirchhofer, 360.
*80. Er fürchtet sich davor, wie die Gans vor der Haferkiste.
*81. Er fürchtet sich vor dem Halstuch, das der Meister mit den rothen Hosen spendirt. – Parömiakon, 494.
Er würde stehlen, aber er hat Respect vorm Hängen.
*82. Er fürchtet sich vor ihm, wie vor der Pest.
*83. Er fürchtet sich vor seinem eigenen Schatten.
*84. Er fürchtet sich weder bei Tage noch bei Nacht.
Frz.: Il ne le craint ny aux champs ny à la ville. (Prov. dan., 234.)
*85. Er fürchtet sich, wenn ihm eine Fliege bei der Nase vorbeifliegt.
*86. Er fürchtet sich, wie der Hirsch vorm Schuss. (Stockerau.)
*87. Er fürchtet sich, wie der Maulwurf vorm Wege.
*88. Er fürchtet sich, wie der Teufel vorm Donner.
Litauisch: vor Perkunas.
*89. Er fürchtet sich wie der Teufel vorm Kreuze (oder Weihwasser).
*90. Er fürchtet sich, wie die Diebe vorm Lärm.
*91. Er fürchtet sich, wie die Hund' vorm Prügel. – Lehmann, 228, 63.
*92. Er fürchtet sich (vor ihm), wie die Katze vor der Maus.
H. Heine in einem Briefe vom 16. Nov. 1839 an einen Freund: »Ich fürchte sie, wie ein Centner Arsenik ein Loth Grünspan.« (Hausblätter, Stuttgart 1857, S. 228.)
*93. Er fürchtet sich wie eine Fischotter. – Laus. Magazin, XXX, 252.
*94. Er fürchtet sich wol nicht, er zittert nur. – Winckler, XVIII, 72.
*95. Er fürchtet weder Himmel noch Hölle.
Holl.: Hij vreest noch God noch zijne heiligen. (Harrebomée, I, 244.)
*96. Er fürchtet weder unsern Herrgott noch den Teufel.
Wenn die Franzosen diesen Gedanken ausdrücken wollen, so sagen sie: Il ne craint ni les Rez ni les tondus. (Leroux, II, 23.) Die Rez waren vor ein paarhundert Jahren eine sehr mächtige und einflussreiche Familie in der Champagne. Ein paar andere ähnliche Sprichwörter lauten: Terny, Viry, Compey son le meillou maison du Genevey, Salenove e Menton ne le craignon pas d'un bouton. – Ventadour vante, Pompadour pompe, Turenne règne, et Chasteauneuf ne les craint pas d'un oeuf. Descars, Richeux, Bonneval, noblesse. (Leroux, II, 24 u. 25.)
*97. Er hat von mir nichts zu fürchten.
Lat.: Non sum ex istis heroibus. (Philippi, II, 45.)
*98. Er möcht sich für furcht beschmeissen. – Mathesy, 140b.
*99. Fürcht a sich nich der Sünde? – Gomolcke, 401.
So ist bei Gomolcke gedruckt, in Schlesien aber spricht man (zur Zeit): Fercht't a sich nich der Sinnde? Auch fertten wird statt fürchten gesprochen. A Ferttading ist ein Gegenstand, der Furcht erregt, fürchten macht.
*100. Ich fürchte dich wie der Hund den Hasen.
Lat.: Utre territas. (Philippi, II, 239.)
*101. Nur nicht gefürchtet, nur brav gezittert!
Spottweise zu einem Verzagten.
Frz.: N' ayés point de peur, tremblés toujours. (Kritzinger, 692.)
102. Ich fürchte mich vor niemand, sagte jener Müller, aber die Raben hackten ihm die Augen aus.
103. Was fürchtest du dich? Ist dir bange, dass du in dem Hintern ertrinkest?
Bei Tunnicius (480): »Wat vruchtestu? Is dy leide, dattu in dem êrse vordrinkest? (Umbram quid metuis? animo depelle timorem.)«
104. Wer sich fächt, dean gritt dr Schetz. (Oberhessen.)
Wer sich fürchtet, den kriegt der Schütz. Wer es mit Unsicherheit, Aengstlichkeit unternimmt, führt es selten glücklich durch.
105. Wer sich fürcht, den fängt die Patrouille.
Sagen die Sachsenhäuser. (Auerbach, Neues Leben, I, 291.)
106. Wer sich fürcht, der zieh einen Panzer an. – Petri, II, 758.
*107. Der fürcht' sich wiera scheissiger Hund. (Oberösterreich.)
108. Ich fürchte Tod und Teufel nicht. – Eiselein, 599.
Tod und Teufel hat Albrecht Dürer gemalt; das Bild befindet sich in Rastadt.
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