[314] Hiëroglyphen (griech., hierzu Tafel »Hieroglyphen«), »heilige Inschriften«, Bezeichnung der Bilderschrift, deren sich die alten Ägypter fast 4000 Jahre hindurch zur Auszeichnung der mannigfaltigsten Texte bedienten. Bereits in den Anfängen der ägyptischen Geschichte war die Schrift der H. zu einem festen System entwickelt, und erst in der zweiten Hälfte des 3. Jahrh. n. Chr. machte die merkwürdigste und älteste aller Schriften in Ägypten der koptischen Platz, die als die christliche Schrift das griechische Alphabet gebraucht. Kaiser Decius (gest. 251) ist der letzte römisch-ägyptische Herrscher, dessen Namen wir in den H. finden. Das Material an hieroglyphischen Schriften ist so unendlich reich, daß deren Studium mit den darauf gegründeten historischen, chronologischen und geographischen Forschungen eine eigne, umfangreiche Wissenschaft ausmacht: die Ägyptologie.
Die alten Schriftsteller, die über Ägypten geschrieben haben, Herodot, Diodoros von Sizilien und Plutarch (in dem wertvollen Traktat »De Iside et Osiride«) sowie Clemens von Alexandria (in den »Stromateis«), haben nicht mehr als oberflächliche Kenntnisse über das hieroglyphische Schriftsystem besessen. Nach ihnen unternahm es ein gewisser Horapollon (Horos Apollon), ein eignes Werk über die H. in ägyptischer Sprache abzufassen, das uns in einer griechischen Übersetzung erhalten ist. Gerade diese Schrift hat aber die Veranlassung zu einer unrichtigen Deutung der H. gegeben, weil sie diese als reine Bilderschrift, in der jedes einzelne Zeichen einen selbständigen Begriff darstelle, betrachtet wissen wollte und daher die wunderlichsten Erklärungen einzelner Schriftbilder gab. Der letzte klassische Schriftsteller, der über die Hieroglyphenschrift Auskunft gibt, ist Ammianus Marcellinus (4. Jahrh. n. Chr.), der in seinem Geschichtswerk (XVII, 4) die von einem ägyptischen Priester herrührende Übersetzung der Inschrift des Obelisken gibt, den Konstantin nach Rom hat bringen lassen.
Erst nach Verlauf eines Jahrtausends wurde abermals das Bestreben wach, die Geheimnisse der Hieroglyphenschrift wieder zu entschleiern. Doch ging die Meinung der meisten frühern Gelehrten dahin, daß jene Schrift für Bilderschrift und symbolische Schrift zu halten sei. Da es aber an jeder festen Grundlage für die Erklärung der einzelnen Zeichen fehlte, so überließ sich jeder seiner mehr oder minder besonnenen Phantasie, und je mehr Erklärer endlich seit der ersten Hälfte des 17. Jahrh. aufstanden, um soviel größer wurde die Zahl der willkürlichen Annahmen und Hypothesen. Zu den ersten Erklärern dieser Art gehören Pierius Valerius (»Hieroglyphica«, Leiden 1629) und Michel Mercati (»Degli obelischi di Roma«, Rom 1589). Athanasius Kircher (»Obeliscus pamphilius«, Rom 1650, und »Oedipus aegyptiacus«, das. 165254, 3 Bde.) hinterließ Foliobände von Übersetzungen ägyptischer Inschriften; da er aber in engem Anschluß an Horapollon jedem hieroglyphischen Zeichen einen abgeschlossenen Begriff, entweder mittels natürlicher oder mittels symbolischer Erklärung, unterlegte, so ist es ihm nicht gelungen, auch nur eine einzige Hieroglyphengruppe richtig zu deuten. Am besonnensten gingen zu Werke Will. Warburton (»On the divine legation of Moyses«, Bd. 2) und Zoëga, indem sie sich damit begnügten, die Nachrichten über die H. bei den alten Schriftstellern zu sammeln und zu kommentieren. Letzterer brachte in seiner Schrift »De obeliscis« (Rom 1797) die aus den Denkmälern ausgezeichneten 958 Charaktere in sieben Ordnungen und stellte auch verschiedene Epochen der Ausbildung, Veränderung und Anwendung der H. auf; Erklärungsversuche machte er jedoch nicht. Eine neue Epoche für diese Forschungen brach infolge der Expedition Napoleon Bonapartes an, indem man einerseits durch das große von den Mitgliedern der französischen Expedition herausgegebene Werk »Description del'Egypte« mit den altägyptischen Denkmälern vertrauter wurde, anderseits ein unschätzbarer Fund, ein in drei Sprachen abgefaßtes Dekret, die richtige Entzifferung der H. ermöglichen zu wollen schien. Dieses wichtige Denkmal, die »Inschrift von Rosette«, befindet sich auf einer Granittafel, die, 1799 durch einen französischen Ingenieur, namens Bouchard, bei Rosette aufgefunden, später vertragsmäßig den Engländern zufiel und jetzt im Britischen Museum aufbewahrt wird. Sie besteht aus drei Abteilungen, von denen die obere, nur halb erhaltene, ägyptische Bilderschrift, die mittlere ägyptische Kursivschrift (demotische) und die untere griechische Schrift enthält. Die griechische Inschrift meldet, daß dem König Ptolemäos Epiphanes im neunten Jahr seiner Regierung (196 v. Chr.) von der ägyptischen Priesterschaft gewisse Ehrenbezeigungen bewilligt worden seien, und daß diese Bewilligung mit heiliger, demotischer und griechischer Schrift auf diesen Stein geschrieben worden sei. Hieraus ergab sich, daß die beiden obern Abteilungen in ägyptischer Schrift denselben Sinn ausdrückten wie die griechische, und man hatte nun einen festen Punkt, von dem man bei Entzifferung der obern Abteilungen ausgehen konnte. Man unternahm zuerst die Erklärung der mittlern Abteilung, welche die demotische Schrift enthält. Silvestre de Sacy, der in der »Lettre an citoyen Chaptal« (Chaptal war damals Minister des Innern) die Resultate seiner Vergleichung des griechischen und demotischen Textes mitteilte, hielt die hieroglyphische Schrift für durchgängig ideographische oder Wortschrift, die hieratische, die er in Papyrusrollen richtig erkannt hatte, für syllabisch oder alphabetisch, die demotische aber für eine Buchstabenschrift; doch konnte er noch nicht die einzelnen Lautzeichen entziffern und unterschied nur eine Anzahl Gruppen, die die Namen Ptolemäos, Arsinoe, Alexander enthielten. Auf diesen Ergebnissen fußend, konnte der schwedische Diplomat Akerblad (»Lettre an citoyen Silvestre de Sacy sur l'inscription de Rosette«, Par. 1802) die Entzifferung so weit fördern, daß er ein vollständiges Alphabet der kursiven (demotischen) ägyptischen Buchstaben aufstellte.
Einen weitern Schritt zum Verständnis der Hieroglyphenkunde lat 1814 der englische Arzt Thom. Young, der 1815 in dem Cambridger »Museum criticum« eine mutmaßliche Übersetzung des ganzen demotischen Teils der Inschrift von Rosette, die Entzifferung sämtlicher darin vorkommender Eigennamen und außerdem die Erklärung von 80 andern Wörtern und ein aus diesen Erklärungen sich ergebendes demotisches Alphabet veröffentlichte. Da aber noch immer der größere Teil der demotischen Schriftzeichen[314] unlesbar blieb, so kam Young zu der Ansicht, daß viele Wörter nicht alphabetisch geschrieben seien, sondern symbolisch, durch Abkürzung oder flüchtige Zeichnung der gleichbedeutenden hieratischen und hieroglyphischen Schriftgruppen. Aber alle diese Versuche zur Entzifferung der geheimnisvollen Schrift waren immer noch sehr unvollkommen und wenig förderlich; die H. waren und blieben ein ungelöstes Rätsel, und kein Mensch hätte auch nur annähernd zu sagen vermocht, was die zahllosen ägyptischen Schriften enthielten. Bereits 1807 hatte sich J. François Champollion der jüngere (s. d.), der durchdringenden Scharfsinn mit rastlosem Fleiß verband, mit dem Studium der Inschrift von Rosette beschäftigt. Er wurde der Entzifferer der Hieroglyphenschrift, indem er erkannte, daß sie aus alphabetischen oder phonetischen und ideographischen Zeichen gemischt ist; er fand das Alphabet und den Schlüssel für die Mehrzahl der Zeichen und erlangte so den Zutritt zum letzten und ältesten Gemach im Tempel der Geschichte. Epochemachend war seine berühmte »Lettre à M. Dacier relative à l'alphabet des hiéroglyphes phonétiques« (Par. 1822), worin er auf Grund der Analyse einer Reihe von Königsnamen ein hieroglyphisches Alphabet aufstellte, das, wenn es auch noch unvollständig war, sich doch bei der Erklärung von Inschriften, auf denen dieselben Zeichen vorkamen, als richtig bewährte. Sehr förderlich war für Champollions Untersuchungen die von Bankes 182 ' nach England gebrachte hieroglyphische und griechische Inschrift des 1815 aufgefundenen Obelisken von Philä. Die hieroglyphische Inschrift enthält hier zwei von Ringen (cartouches) eingeschlossene Schriftgruppen, deren eine schon aus der Rosetteschen Inschrift als der Name Ptolemäos bekannt war; die andre erkannte Champollion, von der griechischen Inschrift am Fußgestell des Obelisken geleitet, für den Namen Kleopatra. Von seiner irrigen, noch in der »Lettre à M. Dacier« festgehaltenen Meinung, daß die phonetische Bedeutung der einzelnen H. sich nur auf die Eigennamen beschränke, der übrige Text aber aus rein ideographischen Zeichen bestehe, kam Champollion erst in seinem »Précis du système hiéroglyphique« (Par. 1824) zurück, indem er darin nachwies, daß das in den Eigennamen aufgefundene Alphabet auch auf andre Hieroglyphengruppen anwendbar sei, in denen dieselben Zeichen wiederkehren. Die vollständigen Resultate seiner Untersuchungen enthält die erst nach seinem Tod erschienene »Grammaire égyptienne« (Par. 183641), eine Darlegung des Systems der hieroglyphischen Schrift und der Grundzüge der darin erhaltenen Sprache. In diesem und den gleichfalls posthumen Werken Champollions: »Dictionnaire égyptienen écriture hiéroglyphique« (Par 18411844), den »Notices« und den »Monuments«, in denen die Resultate einer wissenschaftlichen Reise nach dem Niltal niedergelegt sind, sehen wir den ganzen Reichtum von Erkenntnis, den dieser erste Hierogrammat der Neuzeit sich zu eigen gemacht hatte. Den zu früh verstorbenen Meister überholten bald, sich ihm anschließend, in Italien J. Rosellini, der ein wertvolles Werk: »Monumenti«, mit Kommentar herausgab, in den Niederlanden Konr. Leemans, der die reiche Leidener Sammlung ägyptischer Altertümer durch Veröffentlichung zugänglich machte, in Deutschland Rich. Lepsius, der Begründer einer kritischen Methode und der Grundleger der ägyptischen Geschichte und Chronologie, in England Sam. Birch, der alsbald längere Texte, hieroglyphische und hieratische, übersetzte und das erste vollständigere Wörterbuch verfaßte, in Frankreich Eman. de Rougé, der zuerst genaue grammatische Analysen lieferte und ein vielfach berichtigtes Verzeichnis der Charaktere mit ihren Lautwerten aufstellte.
Auf die Arbeiten der unmittelbaren Nachfolger Champollions stützten sich die spätern Ägyptologen, die teils durch Veröffentlichung neuer Texte, teils durch Übersetzungen und grammatische Untersuchungen, teils durch sachliche Kommentare die Wissenschaft erweiterten und bereicherten. Es sind hier besonders die folgenden deutschen, österreichischen, schweizerischen, französischen, italienischen, niederländischen, englischen und russischen Gelehrten zu nennen: v. Bergmann, Borchardt, Brugsch, Budge, Chabas, Daressy, Devéria, Dümichen, Ebers, Eisenlohr, Erman, Golenischeff, Goodwin, Griffith, Guiyesse, Krall, Lauth, Lefébure, Le Page Renouf, Lieblein, Loret, Mariette, Maspero, Meyer, Naville, Flinders Petrie, Piehl, Pierret, Pietschmann, Pleyte, Reinisch, Revillout, Rossi, Jacques de Rougé, Schäfer, Schiaparelli, Sethe, Sharpe, Spiegelberg, Steindorff, Stern, Wiedemann. Nachdem das wahre System der Hieroglyphenschrift entdeckt war, wurde es später leichter, auch die aus ihr abgeleitete hieratische und demotische Schrift zu lesen. Es versteht sich von selbst, daß es andre Wege der Entzifferung als den von Champollion betretenen nicht gibt. So sind die von Röth gemachten Übersetzungen ganz unbegründet und phantastisch, und ebenso findet sich in den frühern Schriften von Gulianoff, Spohn, Seyffarth, Uhlemann keine richtige Deutung der Hieroglyphenschrift. Die Richtigkeit der Methode, welche die Champollionsche Schule befolgte, wurde 1866 auf das glänzendste durch den ganz unerwarteten Fund eines neuen umfangreichen Dekrets in drei Sprachen bestätigt. Auf einer Reise durch das Nildelta fand nämlich Lepsius unweit des heutigen San, des alten Zoan oder Tanis, einen Stein, der ein und denselben Text unversehrt in hieroglyphischer, demotischer und griechischer Fassung enthielt. Diese Inschrift (»Dekret von Kanopos«, 1866), von deren hieroglyphischem Teil man 1881 ein Duplikat bei Damanhur gefunden hat, ist für die ägyptologische Wissenschaft von großer Bedeutung gewesen.
Die Entstehung der Hieroglyphenschrift geht in die vorgeschichtliche Zeit zurück; bereits auf den ältesten geschichtlichen Denkmälern, den Inschriften aus den Königsgräbern von Abydos, tritt uns die ägyptische Schrift wenn auch noch in etwas altertümlichen Formen, so doch bereits als ein fertiges Werk entgegen, das im Laufe der spätern Jahrhunderte nur geringe Wandlungen erfahren hat. Vor diesen ältesten uns erhaltenen Schriftdenkmälern liegt ein langer Entwickelungsgang, den wir uns in seinen wesentlichen Zügen vorstellen können. Wie in jeder Bilderschrift setzte man zur Bezeichnung eines sichtbaren Gegenstandes sein Bild hin. So schrieb man beispielsweise »Maurer« mit dem Bilde eines Maurers »Sonne« mit der Sonne , »Herz« mit dem Herzen , »Holz« mit einem Holzstück . Da man abstrakte Begriffe, Zeitwörter u. a. oft nicht zeichnen konnte, so wurden durch eine Art von Ideenassoziation konkrete Gegenstände, die irgendwie an sie erinnerten, dafür benutzt. So setzte man das Zepter, um das Wort »herrschen« auszudrücken, den Kommandostab [315] für das Verbum »mächtig sein«, das, Schreibzeug für »schreiben« u. a. m. Einen großen Fortschritt in der Schrift bedeutete es, als man auf den Gedanken kam, solche Wörter, für die man kein geeignetes Bild zur Verfügung hatte, durch die Bilder konkreter Gegenstände zu bezeichnen, die zwar eine andre Bedeutung hatten, aber zufällig dieselben Konsonanten enthielten. Wie wenn man etwa im Deutschen rebusartig »Tor«, d. h. »törichter Mensch«, mit dem Bild eines Tors (Tür), arm (elend) mit einem Arm, Hut (Schutz) mit dem Bild eines den Kopf bedeckenden Hutes u. s. s. schreiben würde, so schrieb man in der Hieroglyphenschrift pr »herausgehen« mit dem Bild eines Hofes , der ägyptisch pr heißt, wr »groß« mit der Schwalbe wr, htp »ruhen« mit der Opfertafel htp. Manche dieser Zeichen sind übrigens auf so viele Wörter übertragen worden, daß sie schließlich sich von ihrer ursprünglichen Wortbedeutung ganz loslösten und zu rein phonetischen Silbenzeichen geworden sind; so wurde wr »Schwalbe« und »groß« für jede Silbe wr, wn »Hase« und »sein« für jede Silbe wn eingesetzt. Auf demselben Wege hat man auch aus Zeichen für einlautige oder wenigstens scheinbar einlautige Wörter einlautige Silbenzeichen, d. h. also Buchstaben, gewonnen; so wurde das Wortzeichen zt »Schlange« zum Buchstaben z, š »See« zum Buchstaben s. Da man die Wörter nicht voneinander trennte und auch viele Wortzeichen verschiedene Bedeutungen zuließen, so führte man zur Vermeidung von Lesefehlern und zur Erleichterung des Verständnisses noch eine besondere Gattung von Zeichen ein, die hinter das betreffende Wort gesetzt wurden, um ungefähr dessen Sinn anzudeuten. Es sind dies die sogen. Deutzeichen oder Determinativa. So schreibt man z. B. hrw »Tag« mit den Buchstaben h-r-w und fügt ihnen am Ende noch das Determinativ für »Zeit«, eine Sonne, hinzu; also:
Die Hieroglyphenschrift, wie sie uns in der historischen Zeit nach der hier geschilderten Entwickelung vorliegt, besteht aus etwa 23000 Bildern konkreter Gegenstände (Männer, Frauen, menschliche Glieder, Säugetiere, Teile von solchen, Vögel, Glieder von Vögeln, Fische, Pflanzen, Gebäude und ihre Teile, Hausgeräte, Waffen, Werkzeuge, Gefäße etc.); doch sind nur etwa 500 dieser Zeichen in häufigerm Gebrauch. Man unterscheidet nach dem oben Gesagten vier verschiedene Klassen von Zeichen:
a) Buchstaben:
Die Vokale werden ebenso wie in den semitischen Schriften nicht geschrieben; wollte man also rad (»Fuß«) schreiben, so setzte man nur rd.
b) Silbenzeichen, einige der wichtigern sind:
c) Wortzeichen und zwar 1) solche, die den von ihnen dargestellten Gegenstand bezeichnen, z. B.: pr »Haus«; tp-t »Kopf«; jr-t »Auge«;) zbc »Finger«; hpš »Schenkel«; jcḥ, »Mond«; śb; »Stern« u. a. m.
2) Solche, die auf andre Wörter als die dargestellten übertragen sind, z. B.:
km »schwarz« (eigentlich: ein Ofen);
śm; »vereinigen« (eigentlich: Lunge);
ḥś »loben« (eigentlich: Krug);
śpd »bereiten« (eigentlich: Dreieck);
bjtj »König von Unterägypten« (eigentlich: Biene).
d) Deutzeichen (Determinative), meist solche, die allgemein den Sinn des Wortes änderten, z. B.: für Männer; Frauen, Bäume, für Begriffe, die mit dem Munde geschehen (essen, trinken, reden u. a.), kleine, schlechte Sachen, Abstrakte etc. Daneben kommen auch solche Deutzeichen vor, die genau den Gegenstand angeben, den ihr Wort bezeichnet, z. B.: nach »Himmel«, Krokodil und ähnliche. Alle diese Zeichen wurden nebeneinander gebraucht nach ganz bestimmten Gesetzen der Rechtschreibung, die freilich im Laufe der Zeit große Wandlungen durchgemacht haben; so schreibt man beispielsweise das Zeitwort pr »herausgehen« , d. h. mit dem Wortzeichen pr, dem man noch den Konsonanten r, auf den es ausgeht, hinzufügt, sowie mit dem Determanitiv für gehen; swr »trinken«. schreibt man , d. h. mit s, dem Silbenzeichen wr und dem auslautenden Konsonanten und dem Deutzeichen (s. oben). Die Schrift läuft in der Regel von rechts nach links, nur ausnahmsweise in umgekehrter Richtung; wir schreiben und drucken jedoch die H. aus Bequemlichkeitsgründen meist von links nach rechts.
Auf Stein werden die H. entweder als flaches Relief ausgearbeitet oder mit größerer oder geringerer Sorgfalt eingeschnitten; nicht selten werden sie auch ausgemalt. Nur in großen ornamentalen Inschriften pflegt man die einzelnen Bilder genau zu zeichnen. Die besten Beispiele seiner Hieroglyphenzeichnungen bieten die zuletzt von Petrie untersuchten Gräber von Medum, die aus dem Anfang des alten Reiches stammen. Einem von ihnen gehören die auf der beigefügten Tafel wiedergegebenen Inschriften und Darstellungen an. Die H. sind bis aufs kleinste im Relief ausgearbeitet und bemalt. Sie führen die Titel und[316] Oberpriesters von Heliopolis, Rahotep, auf. Die Abschnitte rechts und links enthalten genaue Listen der Gegenstände, die zum Inventar des Grabes gehörten, wie Sessel, Schreibzeug, Gefäße, Flaschen mit heiligen Olen; sogar ein Brettspiel fehlt nicht. In dem mittlern Feld ist der Verstorbene selbst, mit einem Pantherfell bekleidet, auf einem Stuhl (mit Kuhfüßen) sitzend dargestellt; vor ihm steht der Speisetisch; die H. über und unter dem letztern nennen verschiedene Opfergaben, wie Weihrauch, Schminke, Wein, Feigen u. a., deren der Tote zum Leben im Jenseits bedarf. Die Formen der H. haben im Lauf der Zeit mannigfaltige Veränderungen erfahren, und schon im alten Reich ist das Verständnis für die richtige Gestalt vieler Zeichen geschwunden. Eine Inschrift der Spätzeit, etwa aus der Regierung Psammetichs, weicht von einer aus der Zeit des Ramses oder gar der Pyramidenerbauer nicht minder erheblich ab, wie etwa eine griechische Inschrift aus der Zeit der Perserkriege von einer im heutigen Athen gesetzten.
Bediente man sich zur Herstellung der H. nicht des Meißels, sondern der Rohrfeder, schrieb man also nicht auf die Monumentalwände eines Tempels oder Grabes, sondern auf Papyrus, Holztäfelchen, Topfscherben, Kalksteinsplitter, so nahmen die Zeichen einfachere, rundere Formen an; es entsteht eine hieroglyphische Buchschrift, die sich namentlich in saubern, religiösen Handschriften findet. War man gar genötigt, im täglichen Leben Briefe, Aktenstücke, Rechnungen schnell hinzuschreiben, so wurden die Zeichen noch mehr abgekürzt und vielfach miteinander verbunden; wir haben dann eine Schreibschrift oder Kursiv, die gewöhnlich mit dem Namen hieratische Schrift bezeichnet wird, und die sich zu den eigentlichen H. ähnlich verhält wie unsre Schreibschrift zu den Drucktypen. Der Buchstabe m, das Bild einer Eule, hat in der Buchschrift die Form , während es im Hieratischen zu oder gar zu geworden ist, also eine Gestalt angenommen hat, in der man kaum noch das ursprüngliche Bild wiedererkennt. Aus dem Hieratischen hat sich im 7. Jahrh. v. Chr. durch weitere Abkürzungen und Buchstabenverbindungen eine neue Kursiv entwickelt, die demotische Schrift, die gewöhnliche Schrift der griechisch-römischen Zeit, in der literarische Stücke, vor allem aber Kontrakte, Rechnungen, Briefe abgefaßt wurden. Sie hieß daher bei den Griechen auch »epistolographische Schrift«, d. h. Briefschrift.
Über die Grenzen Ägyptens hinaus ist der Gebrauch der Hieroglyphenschrift nach Syrien, Palästina, besonders aber nach Nubien gedrungen, wo sie in den von den Pharaonen erbauten Tempeln und in sonstigen Inschriften angewendet worden ist. In späterer Zeit, in den letzten Jahrhunderten vor Christo, wurden die H. dort auch zum Schreiben der einheimischen altnubischen Sprache verwendet und haben dort mannigfache Umgestaltungen erfahren, so daß eine besondere äthiopische Hieroglyphenschrift entstanden ist. Diese ist bis jetzt noch nicht völlig entziffert. Neben ihr steht eine äthiopische Kursivschrift, die sich in nachchristlicher Zeit, wohl im Anschluß an die demotische Schrift, entwickelt hat; auch diese kann man noch nicht lesen. Die Annahme, daß die Phöniker der altägyptischen (hieratischen) Schrift ihr Buchstabenalphabet entlehnt haben, von denen in dem ägyptischen Alphabet der Ursprung fast aller europäischen Schriftarten zu suchen ist, hat viel Anklang gefunden; doch ist sie neuerdings fast allgemein wieder aufgegeben worden. Vgl. über die H.: Erman, Ägyptische Grammatik (2. Aufl., Berl. 1902); die vollständigste Liste der H. bietet das »Verzeichnis der hieroglyphischen Typen der Reichsdruckerei« (das. 1900). S. auch Ägypten, S. 190 f.
Was nun die Literatur betrifft, die uns in H. erhalten ist, so ist sie zum größten Teile religiösen Inhalts, und zwar theologisch oder mythologisch oder hymnologisch oder liturgisch. Von den zahlreichen religiösen Schriften ist die älteste Sammlung in den sogen. Pyramidentexten erhalten, die in den Pyramiden von Sakkâra aus dem Ende der 5. und 6. Dynastie gefunden worden sind. Sie stammen z. T. noch aus vorgeschichtlicher Zeit und sind für die Wissenschaft von der größten Wichtigkeit; ihr Inhalt besteht aus allerlei Sprüchen, die sich auf das Leben nach dem Tode beziehen. Herausgegeben und übersetzt sind sie von G. Maspero, Les textes des Pyramides de Sakkara (Par. 1894). Ähnlichen Inhalts ist das »Totenbuch der alten Ägypter«, das Lepsius schon 1842 nach der vollständigsten Turiner Handschrift auf 79 Tafeln herausgab. Sein ägyptischer Titel ist »Pert m heru« (»Das Ausgehen bei Tage«, d. h. der Seele aus dem Grabe). Eine zuverlässige Übersetzung existiert noch nicht und ist auch beim gegenwärtigen Stande der Wissenschaft kaum möglich. Die Herausgabe der ältern (thebaischen) Redaktion des Totenbuches rührt von E. Naville her: »Das ägyptische Totenbuch der XVIII. bis XX. Dynastie«, mit Einleitung in 2 Foliobänden (Berl. 1886). Einen Auszug aus dem Totenbuch bildet das »Schai n sinsin« (»Das Buch vom Atmen oder von der Wiederbelebung«), das viel kürzer ist und namentlich in späterer Zeit an die Stelle des umfangreichern Werkes trat. Die erste Ausgabe davon veröffentlichte H. Brugsch (»Schaien sinsin«, Berl. 1848), eine neuere de Horrack (»Schâen sensen, le livre des respirations«, Par. 1877). Die demotische Version des Totenbuches, die in einem Pariser Papyrus erhalten ist, hat E. Revillout teilweise ediert (»Le rituel funéraire de Pamonth«, Par. 1880). Das dritte verwandte Buch enthält die eigentliche Lehre von der Unterwelt und ist betitelt: »Em-tuet«, d. h. »das, was in der Unterwelt ist«; es ist gleichfalls in Papyrusrollen enthalten und wurde veröffentlicht von Lanzone (»Le domicile des esprits«, Tur. 1879) und von Jéquier (»Le livre de ce qu'il ya dans l'Hadès«, Par. 1894). Aus den Königsgräbern stammen die von E. Naville u. d. T.: »La litanie du soleil« (Leipz. 1875) veröffentlichten Texte. Ein liturgisches Buch über gewisse Bestattungsgebräuche ist das von E. Schiaparelli veröffentlichte »Libro dei funerali« (Tur. 1881). Von der gesamten religiösen Literatur sagen unserm Geschmack am meisten die vielen Hymnen an die Götter zu, deren Schwung nicht selten an die Sprache der Psalmen erinnert.
Den anziehendsten Teil der ägyptischen Literatur bilden die nichtreligiösen Texte, die sämtlich in hieratischer Kursivschrift und meist auf Papyrus geschrieben sind. In erster Reihe stehen hier die Erzählungen und Volksmärchen, die sowohl für die Geschichte dieser Dichtungsgattung als auch für die Volkssprache von größter Wichtigkeit sind (vgl. Maspero, Les contes populaires del'Egypte ancienne, Par. 1889; Erman u. Krebs, Aus den Papyrus der königlichen [317] Museen, Berl. 1899; Spiegelberg, Die Novelle im alten Ägypten, Straßb 1898). Dagegen besitzen wir nur ein Werk, in dem die Großtaten eines Königs in poetischer Erzählung verherrlicht worden sind, und das man füglich als Epos bezeichnen könnte; es ist dies das Gedicht auf die große Schlacht, die Ramses II. gegen die Hettiter bei Kadesch geschlagen hat. Das Gedicht, dessen Verfasser unbekannt ist, liegt in mehreren Fassungen vor (vgl. E. de Rougé, Le poème de Pen-ta-our, Par. 1856, und Recueil de travaux I, S. 19). Auch von der lyrischen Poesie ist leider nur wenig erhalten. In den Lobgesängen auf den König herrschen meist hohle, schwulstige Phrasen; die Liebeslieder dagegen sowie die Trinklieder, die zum fröhlichen Lebensgenuß auffordern, sind anmutig und warm und enthalten eine Menge eigenartiger Bilder und Vergleiche (vgl. W. Max Müller, Die Liebespoesie der alten Ägypter, Leipz. 1899). Mit Vorliebe wurde auch die Spruchpoesie gepflegt; ihr gehören die mannigfaltigen Lehrgedichte an, in denen ähnlich wie in den biblischen Spruchbüchern Regeln der Lebensklugheit und des guten Tons gegeben werden; hierher gehört der Papyrus Prisse (»Fac-simile d'un papyrus égyptien«, Par. 1847), die Maximen des Schreibers Ani (von Chabas in der Zeitschrift »L'Egyptologie« analysiert), die »Unterweisungen des Königs Amenemhet« u. a. Alle diese Poesien sind in Versen und in jener eigentümlichen Kompositionsart, die als Parallelismus der Glieder (s. Parallelismus) bezeichnet wird, abgefaßt. Von der Literatur, die in den Schreiberschulen des Landes gepflegt wurde, sind die Briefsammlungen zu nennen, die dem Schüler Musterbriefe boten, nach denen sie nicht nur eine schöne Schrift, sondern auch eine gute, elegante Ausdrucksweise zu lernen hatten.
Von den wissenschaftlichen Werken, deren die alten Ägypter nach dem Zeugnis des Clemens von Alexandria viele besaßen, sind uns nur wenig überliefert. Ein mathematischer Papyrus im Britischen Museum, der aus der Hyksoszeit stammt (»Papyrus Rhind«, hrsg. u. erläutert von Eisenlohr, »Ein mathematisches Handbuch der alten Ägypter«, Leipz. 1877), enthält mathematische Musteraufgaben, deren Lösungen freilich keinen allzu guten Begriff von den theoretischen Kenntnissen der Ägypter geben. Auch die medizinische Wissenschaft ging nach den ziemlich umfangreichen Proben, die von den medizinischen Werken auf Papyrus in London, Berlin, Leiden, Leipzig erhalten sind, über einfache anatomische und therapeutische Erfahrungen nicht hinaus. Das umfangreichste dieser Werke ist das auf der Leipziger Universitätsbibliothek befindliche Handbuch, der sogen. »Papyrus Ebers«, der 108 Seiten umfaßt und aus dem Anfange des neuen Reiches stammt. Er ist vollständig erhalten, in schönstem Hieratisch geschrieben und wurde herausgegeben von G. Ebers (Leipz. 1875). Eine zuverlässige Übersetzung des Werkes existiert noch nicht. Das demotische Schrifttum ist ärmer als das hieroglyphische und hieratische. Auch hier wiegt die religiöse Literatur vor; recht interessant sind einige Erzählungen, besonders die Geschichten der Hohenpriester von Memphis. Vgl. J. J. Heß, Der demotische Roman von Stne Ha-m-us. Text, Übersetzung, Kommentar und Glossar (Leipz. 1888); F. Ll. Griffith, Stories of the high priests of Memphis; the Sethon of Herodotus and the demotic tales of Khamuas (Oxf. 1900). Eine Geschichte der altägyptischen Literatur ist noch nicht geschrieben worden; die besten Übersichten finden sich in Ermans »Ägypten und ägyptisches Leben im Altertum« (Tübing. 18851887, 2 Bde.) und »Ägyptische Chrestomathie« (Berl. 1904); Erman u. Krebs, Aus den Papyrus der königlichen Museen (s. oben); F. Ll. Griffith in Warners »Library of the world's best literature« (Egyptian Literature, S. 119 ff.).
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