Ecuadōr

[359] Ecuadōr (s. Karte bei Artikel »Peru«), südamerikan. Republik, so genannt, weil der Äquator (span. ecuador) dieselbe durchschneidet, liegt zwischen 1°23´ nördl. und 4°45´ südl. Br. und zwischen 73°10´ und 81° westl. L., grenzt im S. an Peru, im W. an den Stillen Ozean, sonst an Kolumbien, von dem es durch den Napo und seinen Nebenfluß Coca getrennt wird, und umfaßt 299,600 qkm, mit den zugehörigen Galapagosinseln 307,243 qkm.

[Physische Verhältnisse.] Die über 800 km lange Küste hat nur zwei bedeutendere Einschnitte, die Golfe von Guayaquil und von Ancon. Das Innere zerfällt in die Küstenebene, die Gebirge mit der zwischen ihnen liegenden Hochebene und die Ebene im O. desselben. Das Gebirge, ein Teil der südamerikanischen Kordilleren, besteht aus zwei von S. nach N. ziehenden, durch ein breites Längstal geschiedenen Parallelketten mit erloschenen und noch tätigen Vulkanen. In der östlichen Kette erheben sich der Imbambura (4582 m), Cayembe (5840 m), Antisana (5756 m), die noch tätigen Vulkane Cotopaxi (5943 m) und Tunguragua (5087 m), der Capac-Urcu oder Altar de los Collanes (5404 m), der östlich von der Kette liegende und von ihr getrennte Sangay (5323 m), der tätigste aller Vulkane Ecuadors; in der westlichen der Cotacachi (4966 m), Pichincha (4787 m), Corazon (4787 m), Iliniza (5305 m), Carihuairazo (5106 m) und Chimborazo (6310 m). Das zwischen beiden Ketten liegende Längstal, das sogen. interandinische Gebiet, zerfällt durch Querriegel in die durchschnittlich 35 km breiten und nicht unter 2500 m Höhe herabgehenden Becken von Ibarra, Quito, Latacunga-Ambato, Riobamba, Alausi, Azogues-Cuenca, des Rio Jubones und dasjenige von Loja. In ihnen ist von alters her der Hauptsitz der Bevölkerung. Die Abfälle beider Ketten sind besonders steil nach außen, wo kurze Ketten vorspringen, so an der Ostseite die Kordilleren von Pastaza und de los Upanos; an der Westseite liegt der Bergknoten der Montaña de Sandomo, die Wasserscheide zwischen den zum Guayaquilgolf fließenden Flüssen und den nördlichen Küstenflüssen. Daran schließen sich mit dichten Urwäldern bedeckte Tiefebenen. Die Flüsse gehen teils zum Amazonenstrom (Napo mit Coca und Curaray, 1200 km lang, wovon 800 km für Dampfer schiffbar, Tigre, Pastaza, Morona, Santiago, Chinchipe), teils in den Stillen Ozean (Guallabamba-Esmeraldas, Guayas). Von den Seen im Ostteil des Landes ist der zum Tigre abfließende Manaume der bedeutendste.

Geologisches. Die östliche Kordillere besteht hauptsächlich aus steil gestellten kristallinischen Schiefern (Gneis, Glimmerschiefer, Hornblendeschiefer, chloritischen Schiefern, Quarzit- u. Tonschiefer), mit Syenit und Granit. Die westliche Kordillere dagegen ist aus weichen, meist schwarzen Schiefern mit eingelagerten Diabasen, Porphyren und aus mächtigen, oft steil gestellten, flyschähnlichen Sandsteinen, beide wohl kretazeischen Alters, zusammengesetzt. Auf den Kämmen beider Kordilleren bauten vulkanische Ausbrüche die genannten Vulkane auf, die der Chimborazo alle an Größe überragt. Andesitische Tuffe erfüllen, mit Lavaströmen wechsellagernd, namentlich die tiefen Längseinsenkungen zwischen den beiden Kordilleren und erreichen bei Quito, Latacunga und Riobamba, wo sie Reste von jungtertiären und diluvialen Säugetieren einschließen, mehrere hundert Meter Mächtigkeit. Zwischen der Küste und der westlichen Kordillere erlangen tertiäre und quartäre Ablagerungen ausgedehnte Verbreitung und scheinen auch in dem noch wenig durchforschten östlichen Landesteil zu herrschen. An nutzbaren Mineralien ist E. im ganzen nicht reich. Die Flüsse führen etwas Gold; in der Ostkette findet sich Silber. Eisen-, Blei-, Zink- und Kupfererze, Petroleum und Braunkohlen sind ohne Bedeutung. Interessant ist der karbonische quecksilberführende Sandstein im interandinischen Gebiet, der als Fortsetzung des peruanischen Quecksilbervorkommens auch Asphalt und andre bituminöse Stoffe führt. – Das [359] Klima ist in den Tiefebenen überaus heiß, feucht und ungesund, auf den Hochebenen auffallend gleichmäßig; Quito (2850 m Seehöhe) Jahrestemperatur 13,1°, kältester Monat Juli 12,5°, wärmste Monate November bis Januar 13,6°, mittlere Jahresextreme 23,7° und 3,3°; Antisana (4060 m Seehöhe) Jahrestemperatur 4,9°, kälteste Monate Juli und August 3,0°, wärmster Monat Januar 6,2°, mittlere Jahresextreme 11° und -6,2°. Es fällt viel Regen (Quito Jahressumme 119 cm). Man unterscheidet hauptsächlich zwei Jahreszeiten, den Sommer (verano), vom Juni bis November, die relativ trockne Zeit, in der auf den Hochebenen schönes Wetter herrscht, aber auch die Winde am heftigsten wehen, und die Regenzeit (invierno), vom Dezember oder Januar bis Mai oder Juni. In der Tiefebene des Westens ist die Hitze groß, die Nächte aber sind kühl. Der Regenfall ist dort bedeutender, während es auf den feuchtheißen Ebenen des Ostens fast täglich regnet.

Die Pflanzenwelt gehört zum Gebiet der tropischen Anden, mit Ausschluß des dem Äquator nahegelegenen Westgehänges südwärts von der Bai von Guayaquil, wo die Tropenformationen fehlen. Die tropische Region (bis gegen 1300 m Höhe) ist charakterisiert durch eine reiche Vegetation aus allen tropisch-amerikanischen Gattungen, wobei unter den Palmen die Steinnußpalme, Phytelephas macrocarpa, zu nennen ist. Unter den übrigen Laubbäumen ragen Myrtazeen hervor. Auch die subtropische Andenregion (1300–3400 m) weist eine reiche Flora auf. Die untere Stufe enthält Palmen, Bambusdickichte (Guaduas) und Farnwälder, denen die Region der Fieberrindenbäume (Cinchona), dann die der Wachspalmen (Ceroxylon andicola, cerifera u.a.), in noch größerer Höhe die der Andesrosen (aus der Erikazeen-Gattung Bejaria), schließlich alpine Sträucher der Gattungen Buddleja, Baccharis, Barnadesia, Escallonia, Drimys und Podocarpus folgen. Auf den von 3400 m beginnenden unwirtlichen Hochebenen verschwindet der Baum- und Strauchwuchs. Nur noch das weißwollige Culcitium, dessen harzreiches Gewebe selbst in der Nässe Feuer fängt, harrt aus; im übrigen ist der Boden bis zur Schneegrenze bedeckt mit kreisrunden Büscheln eines gelbgrauen, saftlosen Grases, Stipa Ichu. Es ist die Region der Param os. Die Tierwelt gehört zur brasilischen Subregion der neotropischen Region. Von Säugetieren finden sich die neuweltlichen Affen, darunter speziell der Schieferaffe (Lagothrix), der amerikanische Tapir, die Warzenschweine oder Pekari und Hirsche. Sehr reich ist die Vogelwelt vertreten, unter der Papageien und Kolibris die größte Rolle spielen, außerdem lebt hier das wilde Truthuhn, zahlreiche Drosselarten u. von Raubvögeln besonders der Kondor. Reptil ien und Amphibien kommen in vielen Formen vor, ebenso die Gliedertiere.

[Bevölkerung.] Die Einwohnerzahl betrug 1893: 1,204,200, wozu noch gegen 200,000 wilde Indianer im O. kommen, so daß die Gesamtbevölkerung auf rund 1,400,000 (4,6 auf 1 qkm) zu veranschlagen ist. Dieselbe verteilte sich auf die einzelnen Provinzen wie folgt:

Tabelle

Auf die Spanier und Mestizen kommen etwa 500,000, auf Indianer 700,000, auf Neger und Mischlinge 200,000. Die Zahl der reinen Weißen beträgt nur 100,000, die der Ausländer betrug 1875 nur 8336, mit Ausnahme von 400 Europäern sämtlich aus dem spanischen Amerika. Die Indianer des Westens sind mit der weißen und schwarzen Bevölkerung bis zur Unkenntlichkeit vermischt. Rein erhalten haben sich nur die 2500 Köpfe starken Caypa im Flußgebiet des Santiago. Diese Indianer sind genügsam und gelehrig, infolge des lange auf ihnen lastenden Druckes sehr gefügig und werden daher von den Grundbesitzern gewissenlos ausgebeutet. Von den wilden Indianern der östlichen Tiefebenen (s. Oriente) sind die kriegerischen Jivaros und die friedlichen, aber tapfern Zápara die bedeutendsten. Unter letztern gründeten die Jesuiten viele Missionen, die aber nach ihrer Vertreibung (1767) und vollends nach Ausweisung ihrer Nachfolger, der Franziskaner, beim Abfall Südamerikas von Spanien gänzlich verfielen, so daß die Indianer in den alten Zustand der Barbarei zurückgekehrt sind. Die Landessprache ist ein stark mit indianischen Wörtern vermischtes Spanisch. Die Religion ist die römisch-katholische mit Ausschluß jeder andern, doch ohne allzu große Intoleranz. Ein Erzbischof residiert in Quito, Bischöfe in Cuenca, Guayaquil, Ibarra, Loja, Portoviejo, Riobamba. Auch gibt es 36 Mönchs- und 11 Nonnenklöster. Bei den wilden Indianern herrscht krasser Fetischismus. Das Bildungswesen ist arg vernachlässigt. In Quito ist eine alte, jetzt unbedeutende Universität (mit ihr hängen Lehranstalten in Cuenca und Guayaquil zusammen), eine medizinische und eine polytechnische Schule, hier und in Guayaquil sind auch Handels- u. Gewerbeschulen, außerdem 9 höhere Schulen u. zahlreiche Elementarschulen. Eine Bibliothek, ein naturhistorisches Museum, eine Sternwarte sind in Quito.

[Erwerbszweige.] Fast einzige Erwerbsquelle bil det der Landbau. Im Tiefland des Westens und in den Flußtälern des Ostens gedeihen Kakao, Zuckerrohr, Reis, Kaffee, Bananen, während auf den Hochebenen alle Getreidearten, Kartoffeln und die Gewächse der gemäßigten Zone fortkommen. Die Viehzucht (Pferde, Rinder, Esel, Maultiere, Lamas) ist namentlich auf dem Hochland von Wichtigkeit, wo auch die Käsebereitung in größerm Maßstabe betrieben wird. Starke Ausfuhr von Rindern findet nach Peru statt. Der Bergbau ist unbedeutend; es wird etwas Waschgold gesammelt, die Goldgruben bet Zaruma beutet eine englische Gesellschaft aus. Auch die Industrie steht auf sehr niedriger Stufe und beschränkt sich auf Herstellung gröberer Zeuge aus Wolle und Baumwolle und auf Flechtarbeiten, wie Panamahüte, Hängematten aus Palmstroh oder aus Pita (Agavefasern). Wichtiger ist der Handel. Die Ausfuhr hatte 1900 einen Wert von 15,671,712 Sueres, wovon der allergrößte Teil auf Kakao kam (10,701,000 Sucres), das übrige auf Steinnüsse, Kautschuk, Häute, Silber, Strohhüte, Zucker, Kaffee, Gold u.a. Die Einfuhr (13,416,878 Sucres) besteht vorwiegend aus Baumwoll- und Wollwaren, Wein, Mehl und den verschiedensten Manufakturwaren und kommt hauptsächlich aus England, den Vereinigten Staaten, Deutschland und Frankreich. Haupthafen ist Guayaquil (s. d.). Der Transport der Waren läßt sich fast nur im Sommer bewirken; in der Regenzeit ist er fast unmöglich. Die Waren können nur mit Eseln oder Maultieren, größere Kisten nur durch Indianer befördert werden. Auf der Hochebene läuft die alte[360] Hauptstraße (Camino real) von der Nord- bis zur Südgrenze (1160 km), von Guayaquil aus schließen sich zwei weitere Straßen an nach Cuenca und über den Chimborazopaß (4280 m). In neuester Zeit ist für die Verbesserung der Wege, Anlage von Brücken manches geschehen. Eine Eisenbahn verbindet Guayaquil mit Guamote (2980 m) auf dem Hochplateau des Innern, eine zweite soll vom Stapelplatz Babahoyo bis zum Aufstieg der Kordillere (40 km) geführt werden und eine dritte Quito mit der Bahia de Caraquez verbinden. Durch den Telegraphen sind alle Provinzialhauptstädte verbunden; 1899 bestanden 60 Linien, ihre Länge betrug 1327 km. Von Ballenita führt ein Kabel bis zum Isthmus von Tehuantepec, das wiederum mit New York verbunden ist. In Guayaquil ist eine Fernsprechleitung. Die Post (1893: 81 Postämter) beförderte im äußeren Verkehr 1893: 8,2 Mill. Sendungen. In den Häfen der Republik liefen 1900 ein 862 Schiffe mit 53,358 Ton., hinaus gingen 850 Schiffe mit 50,651 T. Durch Konsuln ist Deutschland in Quito und Guayaquil, durch einen Konsularagenten in Manta vertreten. Ein Gesetz vom 6. Dez. 1856, das die metrischen Maße und Gewichte einführte, ist im Privatverkehr nicht durchgedrungen; man bedient sich hier noch altkastilischer Größen. Seit März 1884 bildet der dem Fünffrankstück nachgeahmte Sucre = 4,05 Mk. (Gold zu Silber = 15 1/2: 1) die Währungseinheit, und die drei zur Notenausgabe berechtigten Banken müssen für ein Drittel ihres Umlaufs Gold- oder Silbermünzen in der Kasse halten.

[Staatliche Verhältnisse.] Die Verfassung, ursprünglich aus dem Jahre 1830 stammend, aber seitdem (zuletzt 1897) vielfach abgeändert, legt die Exekutive in die Hand eines Präsidenten, die gesetzgebende Gewalt in die Hände eines Kongresses, der aus einem Senat und einem Abgeordnetenhaus besteht. Die 30 Senatoren (meist je zwei für jede Provinz) werden auf 4, die 41 Abgeordneten (je einer auf 30,000 Einw.) auf 2 Jahre gewählt. Stimmrecht hat jeder des Lesens und Schreibens kundige Bürger. Präsident und Vizepräsident werden direkt vom Volk auf 4 Jahre gewählt. Der Präsident ernennt seine vier Minister, die mit weitern sieben Notabilitäten (und dem Oberstaatsanwalt) einen Staatsrat unter Vorsitz des Vizepräsidenten bilden. Adelsvorrechte und Sklaverei sind abgeschafft, aber die Indianer sind tatsächlich Hörige. An der Spitze jeder der 17 Provinzen steht ein Gouverneur. Die richterliche Gewalt üben ein oberster Gerichtshof in Quito, drei Obergerichte zu Quito, Guayaquil und Cuenca und ein Gerichtshof in der Hauptstadt einer jeden Provinz aus. Ein Handelsgericht ist in Guayaquil. Die Finanzen befanden sich lange im traurigsten Zustand; erst in neuester Zeit konnte man das Gleichgewicht herstellen. Nach der Abrechnung für 1900 betrugen die Einnahmen 8,137,161, die Ausgaben 7,375,140 Sucres. In diesem Jahre betrug die äußere Staatsschuld 693,160 Pfd. Sterl., die innere Ende 1896: 4,580,000 Sucres. Das Heerwesen ist nach dem Wehrgesetz vom 15. Jan. 1902 geregelt und bestimmt: Die allgemeine Dienstpflicht dauert vom 18.–60. Lebensjahr. Das stehende Heer besteht aus den aktiven Truppen und der Reserve. Die Wehrpflichtigen dienen 3 Jahre bei den erstern, 5 in der Reserve, sind aber während dieser Zeit der Kompagnie der Nationalgarde ihres Wohnorts zugeteilt. Jedes der neun Infanteriebataillone hat außer dem Stab drei Kompagnien zu je 100 Mann, das Kavallerieregiment neben dem Stab drei Schwadronen zu je 100 Mann. Jede der drei Artilleriebrigaden besteht aus dem Stab und drei Batterien. Die Nationalgarde ist in 88 Bataillone Infanterie, 12 Regimenter Kavallerie und 3 Artilleriebrigaden eingeteilt, zusammen rund 90,000 Mann stark. Die Leitung des ganzen Heerwesens ist dem Kriegs- (zugleich Marine-) Minister unterstellt. Im Budget 1902 betrugen die Ausgaben 131/3 Mill. Sucres, darunter für Kriegs- und Marineministerium 33/4 Mill. Sucres. Militärbildungsanstalten gibt es für Offiziere vom Unterleutnant bis Oberstleutnant die Kriegsakademie, für Heranbildung zum Offizier das Militärkolleg (acht Semester), für Korporale und Sergeanten die Unteroffizierschule. Die Flotte zählt nur einen Kreuzer, ein Kanonenboot und ein Transportschiff mit 128 Mann. Das Wappen zeigt auf ovalem Schild einen Felsen am Meer, überspannt von einem Regenbogen, der mit einer goldenen Sonne und den Zeichen des Tierkreises belegt ist, im Hintergrund ein Dampfschiff; auf dem mit einem Liktorenbündel unterlegten Schild, hinter dem sich je zwei Fahnen kreuzen, sitzt ein Kondor (s. Tafel »Wappen III«). Die Flagge trägt die Landesfarben: Gelb, Blau, Rot, horizontal gestreift, der oberste Streifen doppelt so breit wie die andern (s. Tafel »Flaggen I«).

Geschichte.

E. hatte vor Ankunft der Spanier einen Teil des Inkareiches Peru gebildet und kam mit diesem durch Pizarro 1532 unter spanische Herrschaft. Von 1548 bis 1710 bildete E. als Presidencia de Quito einen Teil des Vizekönigreiches Peru, dann desjenigen von Santa Fé de Bogotá (Neugranada), bei dem es bis zur Losreißung von Spanien blieb. Einzelne Aufstandsversuche fanden schon 1809 und 1811 statt, aber erst die 1820 zu Guayaquil ausgebrochene Revolution führte mit Bolivars Hilfe zum Ziel. Der Sieg der Generale Santa Cruz und Sucre bei Pichincha zwang die Spanier 22. Mai 1822 zur Kapitulation. E. schloß sich darauf den bereits konstituierten Republiken Neugranada und Venezuela an und wurde als Departement del E. der 1821 errichteten Zentralrepublik Colombia einverleibt. Bei deren Zusammenbruch erklärte sich E. im Mai 1830 auf dem Kongreß von Riobamba zur unabhängigen Republik unter der Präsidentschaft des Generals Juan José de Flores. Schon 1834 brach eine Empörung aus, doch wurde Flores 1835 in seiner Präsidentschaft wieder bestätigt und eine neue Verfassung erlassen, wonach die ausübende Gewalt in die Hand des Präsidenten, die gesetzgebende in die eines aus zwei Kammern bestehenden Kongresses gelegt wurde. Gleich darauf wurde der Liberale Rocafuerte Präsident, unter dessen verständiger Leitung Gedeihen und Ruhe eintraten. Doch behielt Flores den Oberbefehl über die Truppen. 1839–45 war er wieder Präsident, Ende 1841 erreichte er von Spanien die Anerkennung der Unabhängigkeit der Republik. Seine Präsidentschaft endete infolge eines Aufstandes; nach mehrmonatigem Bürgerkrieg mußte sich Flores zu dem Vertrag vom 17. Juni 1845 bequemen, der ihn mit Belassung der Generalswürde und eines Gehalts von 20,000 Dollar zwang, außer Landes zu gehen. Ihm folgte als Präsident Vicente Roca, ein Farbiger. Verschiedene Versuche des Generals Flores, sich der Regierung wieder zu bemächtigen, schlugen fehl. Als aber im Oktober 1839 der Kongreß zusammentrat, um einen neuen Präsidenten zu wählen, standen die Parteien einander so schroff gegenüber, daß wiederholte Abstimmungen erfolglos blieben und am Ende[361] die vollziehende Gewalt vorläufig auf den Vizepräsidenten Ascasubi überging. Nach längern Parteiumtrieben ward endlich 8. Dez. 1850 Diego Noboa, der Kandidat der klerikalen Partei, zum Präsidenten erhoben. Dieser verfügte sofort die Zurückrufung der Jesuiten und die Aufnahme aller aus Neugranada flüchtig gewordenen Konservativen, kam aber infolgedessen mit Neugranada in Streit und wurde schon im Juli 1851 von dem General Urbina gestürzt.

Diese Umstände hielt Flores für günstig, von neuem hervorzutreten. Am 14. März 1852 erschien er mit einem Geschwader vor Lumbas im Golf von Guayaquil, erlitt aber eine Niederlage und rettete sich mit Mühe nach Peru, das ihn aber auch sofort auswies. Auf Urbina folgte 1856 in der Präsidentschaft General Francisco Robles, der durch Gesetz vom 6. Dez. 1856 das französische Münz-, Maß- und Gewichtssystem einführte und im folgenden Jahre zur Sicherung von Handel und Verkehr gegenüber den zahlreichen Freibeuter-Expeditionen ein Bündnis mit Peru und Chile schloß. 1858 führte eine an sich unbedeutende Grenzstreitigkeit zu einem Krieg mit Peru, infolgedessen sofort auch im Innern wieder Unruhen ausbrachen; Robles sah sich genötigt, nach Chile zu flüchten. Nach verschiedenen Wirren und Kämpfen wählte ein Nationalkongreß im Januar 1861 den klerikalen Professor Garcia Moreno zum Präsidenten und übertrug Flores den wichtigen Posten eines Gouverneurs von Guayaquil. Moreno hat durch Anlegung von Straßen und Hafenorten, durch Beförderung europäischer Ansiedelungen und durch Reformen in der Verwaltung die materiellen Zustände des Landes vielfach verbessert, sah sich aber allenthalben durch den Haß der Demokraten in seiner Wirksamkeit gehemmt. Namentlich erhob sich ein Sturm gegen ihn, als er sich für die Stellung Ecuadors unter französische Schutzherrschaft erklärte, und auf Andrängen des Klerus 1863 ein letzterm viele Rechte einräumendes Konkordat mit Rom schloß, den Klerus von der weltlichen Gerichtsbarkeit befreite und den Jesuiten den Unterricht überlieferte. Diese innere Gärung benutzte der Präsident von Neugranada, General Mosquera, um gegen Moreno vorzugehen. Er verlangte im September 1863 von Moreno die Zustimmung zur Vereinigung beider Republiken und erklärte, als dieser den Plan ablehnte, den Krieg. Doch wurden nach kurzem Kampf, wobei der General Flores bei Cuaspud geschlagen wurde, in dem Vertrag von Pensaqui vom 30. Dez. 1863 die frühern freundlichen Beziehungen beider Staaten zueinander wiederhergestellt. Mehrere Versuche Urbinas, Moreno zu stürzen, mißlangen ebenfalls. Da 1864 auch der alte Unruhestifter, General Flores, mit Tod abging, so gelang es Moreno, 1. Mai 1865 bei der Wahl eines neuen Präsidenten, z. T. allerdings mit gewaltsamen Mitteln, seinem Kandidaten, Geronimo Carrion, die Stimmenmehrheit zu verschaffen und für sich selbst den Posten des Gouverneurs von Guayaquil davonzutragen. Carrion verfolgte aber insofern eine neue Politik, als er sich mit Peru verständigte, worauf 1866 die drei Staaten E., Peru und Chile in dem Streite des letztern mit Spanien eine gemeinsame Kriegserklärung erließen.

Doch dauerte die Regierung Carrions nicht lange. Durch finanzielle Schwierigkeiten und durch die Opposition Morenos, der übrigens im September 1867 aus E. verwiesen wurde, sah er sich veranlaßt, im Dezember 1867 abzudanken. Am 13. Jan. 1868 ward Xavier Espinosa zum Präsidenten erwählt. Auch unter dieser neuen Regierung fand das Land keine Ruhe. Der ehrgeizige Moreno stürzte schon im Januar 1869 die bestehenden Verhältnisse um und schwang sich von neuem an die Spitze der Republik. Er stützte sich nun ganz auf die klerikale Partei, begünstigte die Jesuiten und suchte der Republik den Charakter eines theokratischen Staates zu geben. In Übereinstimmung damit verfügte der Handelsminister, daß die Einführung von Büchern und Zeitungen, die von den Jesuiten nicht approbiert würden, streng bestraft werden solle, und ein Beschluß des Kongresses bestimmte, daß jährlich 10 Proz. der Staatseinnahmen dem Papst als Beitrag des getreuen Volkes gezahlt werden sollten. Doch die Ermordung Morenos 6. Aug. 1875 durch seine eignen Kreaturen machte der Jesuitenherrschaft in E. plötzlich ein Ende. Die Liberalen erhoben sich in Guayaquil und bewirkten die Wahl Borreros zum Präsidenten. Da dieser aber gemäßigt herrschte, die Klerikalen schonte und auch die Berufung von konstituierenden Cortes ablehnte, erhob sich 1876 in Guayaquil der Führer der Radikalen, General Veintimilla, gegen ihn, besiegte die Regierungstruppen bei Galtes und zog 26. Dez. in Quito ein, wo er zum provisorischen Präsidenten proklamiert wurde. Nachdem 1877 diese Wahl ratifiziert worden war, wurde die Verfassung in liberalem Sinn umgeändert und 1878 das Konkordat mit Rom aufgehoben. Durch eine Verbindung der gemäßigten Liberalen mit den Klerikal-Konservativen wurde die Regierung Veintimillas schon 1883 wieder gestürzt und Caamano zum Präsidenten erwählt. Unter ihm und seinem Nachfolger L. Cordero (1892 bis 1896) herrschten verhältnismäßig ruhige Zeiten. 1894 entstand ein Grenzstreit mit Peru, der jedoch friedlich beigelegt wurde. 1896 konnte keine Wahl vorgenommen werden, aber General E. Alfaro bemächtigte sich der Gewalt und setzte 1897 seine verfassungsmäßige Wahl durch. Ihm folgte 1901 Leonidas Plaza. Vgl. Velasco, Historia del reino de Quito (Quito 1841–44, 3 Bde.; franz., Par. 1840); Herrera, Apuntos para la historia de Quito (Quito 1874); Cevallos, Resúmen de la historia del E. (Guayaquil 1885); Moncayo, El E. de 1825 à 1875 (Santiago 1886); Gonzalez Suarez, Historia general de la Republica del E. (bisher 5 Bde. und Atlas, Quito 1890–1903); Mor. Wagner, Naturwissenschaftliche Reisen im tropischen Amerika (Stuttg. 1870); Kolberg, Nach E. (4. Aufl., Freiburg 1897); Wolf, Viajes cientificos por la republica del E. (Guayaquil 1879); Derselbe, Geografia y geologia del E. (Leipz. 1892); Stübel, Die Vulkanberge von E. (Berl. 1897); Hassaurek, Vier Jahre unter den Spanisch-Amerikanern (deutsch, Dresd. 1887); Simson, Travels in the wilds of E. (Lond. 1887); Whymper, Travels amongst the Great Andes of E. (das. 1892); Child, The Spanish American republics (New York 1891); Wolf, Carta geografica del E. (1:445,000, Leipz. 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 359-362.
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