Preusse

1. De Preusse licket sau lange na'n hannoverschen Lanne, bet 'ne de Klöäwecken afehackt wärt. (Göttingen.) – Schambach, I, 19.

Der Preusse leckt so lange nach dem hannoverschen Lande, bis ihm die Finger abgehauen werden. Dieses jetzt wenig mehr bekannte Sprichwort scheint seînen Ursprung nach der unglücklichen Schlacht von Jena gehabt zu haben, jetzt wird es sich, nachdem die Preussen das Land verschluckt haben, für einen Welfenkatechismus eignen, um die Hoffnung der Zurückgewinnung zu nähren.


2. De Preussen hebbet twei Magen un kein Harte.Schambach, I, 19.

Die Preussen haben zwei Magen und kein Herz. Wahrscheinlich ebenfalls nach der Schlacht bei Jena entstanden. Wie die Preussen angeführt werden, gerade so haben sie »Herz«.


3. Den Preussen übersieht keiner.


4. Der Preusse ist zu hell.

Nach Jahn wird durch diese Redensart die Klugheit der Preussen von ihren Nachbarn anerkannt oder gefürchtet. (Vgl. Pröhle, Jahn's Leben, 14.)


5. Der Preussen Glaub' und harte Reu', der Spanier und Wenden Treu sammt der Italiener Andacht werden von niemand hoch geacht.Frischbier2, 3006.

Schon in alten Zeiten war man ungerecht genug, über ganze Völkerschaften mit Einem Worte abzuurtheilen [1395] und alles in Einen Topf zu werfen. So hiessen z.B. die Franken treulos, und die Longobarden sah man für so demoralisirt an, dass man behauptete, sie seien so stinkend, dass sie nicht einmal eine Nation zu heissen verdienten, ein Urtheil, das besonders die Römer über sie fällten. Sie hingegen nannten einen, den sie recht arg beschimpfen wollten, einen »Römer«. So ungerecht in Lob und Tadel ist man noch jetzt. Der Schwabe heisst den Sachsen dumm, der Sachse den Schwaben falsch. Der Schweizer heisst durchgehends ehrlich, der Spanier träge, der Franzose ein Windbeutel, der Italiener ein Spitzbube, der Preusse pfiffig u.s.w. (Vgl. Wagenseil, 21, 36.) Der obige Spruch ist aus einem alten Pritschenmeisterreim entlehnt, welcher der meisten Völker Fehler aufzählt. (S. Brücke 8.) In dem sprichwörtlich gewordenen Verse wird, wie Frischbier a.a.O. bemerkt, nicht die Treue der Preussen, sondern deren Religiosität bemängelt. Er stützt sich dabei auf Erleutertes Preussen, Oder Auserlesene Anmerkungen, Ueber verschiedene zur Preussischen Kirchen-, Civil- und Gelehrten Historien gehörige besondere Dinge u.s.w. (5 Bde., Königsberg 1724 fg.), dessen Verfasser sagt: »Im Lateinischen, woraus diese Reime entlehnt sind, heisst es ausdrücklich: Italorum devotio, Prussorum religio, Gallorum constantia, nihil valent omnia. Muthmasslich rühren die Verse von einem Mönche her, den es verdross, dass die Preussen mit unter den ersten gewesen, welche den päpstischen Aberglauben fahren liessen.«


6. Die Preussen die Waffen, die Oesterreicher die Pfaffen und die Reichsarmee die Affen.

Im Sommer 1866 im westlichen Deutschland. Andere Preussen betreffende Redensarten, als: Travailler pour le roi de Prusse, s. Arbeiten 68. La Prusse cane, s. Zurückweichen.


7. Die Preussen und die Wanzen bringt man nicht wieder 'raus.

So pflegte man in Sachsen 1866 zu sagen.


8. Ein alter Preusse nach rechter Art zieht seinen Pelz (s.d. 24) aus um Johann, und zieht ihn um Bartholomäi wie der an. (Ostpreuss.)


9. Ein Preusse bezwingt drei Sachsen (Hannoveraner, Mecklenburger, Schweden).

Jahn sagt: Den Vaterlandsstolz äussert der ungebildete Landmann in den Deutschstaaten des preussischen Reichs stets gegen die Nachbarn. Auf den Jahrmärkten der Grenzstädte beginnt gewöhnlich ein Kampf, wenn nicht die Vorzüge der Preussen bald anerkannt werden. Fast immer gewinnen die Preussen, und sind sie auch die kleinere Zahl, so dulden sie dennoch nicht ungestraft die Schmähungen ihrer Gegner. Daher bedient man sich obiger Redensart. So sind die Landleute im Hohensteinschen, Halberstädtischen, Magdeburgischen, Westfalen, allen Marken und Pommern. (Vgl. Pröhle, Jahn's Leben, 13.)


10. Ein Preusse von alter Art zieht aus den Pelz (s.d. 24) zu Himmelfahrt (s.d. 5), wenn man aber schreibt Johann, so zieht er ihn wieder an. (Ostpreuss.) (S. Mann 801.)

Die polnischen Oberschlesier sagen: Do świętego Ducha, nie wdziéwaj kożucha, a po świętym Duchu, chodż w kożuchu. (Lompa, 10.)


11. Preuss' ist Preuss', ob schwarz oder weiss.

So heftig, von verschiedenen Standpunkten die Preussen in besondern Fragen einander gegenüberstehen mögen, sobald es das engere oder weitere Vaterland in einer Lebensfrage gilt, dann sind sie einig für den grossen Zweck. Daher fügte das münchener Vaterland neulich seiner Mittheilung, dass vom 9.-12. Sept. in Breslau die Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands stattfinden werde, den obigen Spruch als Warnung bei, um zu sagen, dass auch den preussischen Katholiken in ultramontanen Dingen nicht zu trauen sei. (Vgl. Schles. Zeitung, 1878, Nr. 876.)


12. Preuss, scheiss, Pollack frisst alles. (Masuren.) – Frischbier2, 3008.


13. So schnell schiessen die Preussen nicht, sie laden zuvor. (Rottenburg.)


14. Su geschwind schiessen de Preissen net. (Oberharz.) – Lohrengel, II, 473.

Es ist mir nicht klar, was die verneinenden Redensarten (s. 13) in Bezug auf das Schiessen der Preussen sagen wollen. In Holland sagt man blos, dass die Preussen nicht so schiessen, was wahrscheinlich heissen soll: sie schiessen besser (s. Preussisch 4). Im Oberharz hebt man ihr langsameres Schiessen hervor; in ihrer Kriegführung aber kann die Redensart den Grund nicht haben. Darüber, wie die Preussen schiessen, werden wol in neuester Zeit die Franzosen die beste Auskunft geben können. Aber schon im Siebenjährigen Kriege hatte die meisterhafte Dressur gleichsam ein geistiges Zündnadelgewehr geschaffen, indem damals angenommen war, dass die preussische Infanterie dreimal schneller lade als jede andere. Und wer die Geschichte dieses Krieges kennt, wird auch wissen, dass sie nicht zu langsam [1396] geschossen haben. Wie ist also die oberharzer Lesart zu erklären? (S. Preussisches 2.)

Holl.: Zoo schieten de Franschen. – Zoo schieten de Pruissen niet. (Harrebomée, I, 196; II, 204a.)


15. Was Preussen gewonnen, ist Deutschland gewonnen; was Oesterreich gewonnen, ist Deutschland verloren.


16. Wenn der Preusse redet, hat der Gudde zu schweigen. (Lit.) – Frischbier2, 3009.

Gudde = polnischer oder russischer Bauer, Holzflösser. (Schleicher, 175.)


*17. Du hältst mich wol für einen Preussen. (Holst.)

Die Redensart ist 1865 in Holstein entstanden und wird gebraucht, wenn ein Käufer sich vom Verkäufer übertheuert glaubt. Der Neuen Preuss. Zeitung wird in einer der ersten Nummern (1866) aus Holstein geschrieben: »Dass die Preussen hier doppelte und dreifache Preise bezahlen müssen, ist Thatsache; und es fällt kaum noch auf, wenn man einen holsteiner Käufer, sobald ihm ein hoher Preis abgefordert wird, zu dem Verkäufer sagen hört: Sie halten mich wol für einen Preussen?« (Vgl. auch Kladderadatsch, Berlin 1866, Nr. 1, S. 3; Schles. Morgenblatt, Breslau 1866, Nr. 2.)


*18. Es ist ein Preuss', der seinen Herrn verrieth.Frischbier2, 3007.

Nach dem Erleuterten Preussen (I, 151) »ein uraltes Sprichwort.« Wenn man einen untreuen, falschen Menschen hat bezeichnen wollen, so pflegte man zu sagen: Es ist ein Preuss', der seinen Herrn verrieth. Ueber den Ursprung der Redensart heisst es a.a.O.: Es soll derselben die Beschuldigung der Anverwandten des abgesetzten Hochmeisters Heinrich Reuss von Plauen zu Grunde liegen, welche in einem »offenen Schmäh-Brieff unter ihren Siegeln« den Orden der Untreue anklagten und erklärten, er habe an seinem »Herrn, dem von Plauen, wie meineidige Bösewichter und Unterthanen gehandelt«. Sie luden den Orden auf das Concil zu Kostnitz 1415, um dort »Rede und Antwort zu geben«. Nach andern soll die Redensart entstanden sein, als die Schuhmacher von Rastenburg während des dreizehnjährigen Kriegs (1454-66) den dortigen Comthur Wolfg. Sauer »unter das Eyss gestecket haben«, weil er in Belagerung der Stadt nicht fest gehalten, sondern dieselbe den Feinden verrathen und übergeben wollen, worüber das Nähere im Erl. Preussen (III, 661) und bei Henneberger (391 fg.) nachzulesen ist. Noch andere beziehen die Redensart auf die Uebergabe des Preussenlandes an den König Kasimir von Polen durch das Land und die Städte im Jahre 1454. Im allgemeinen erklärt Rappolt (Erl. Preussen, V, 252), dass schon in alten Sprichwörtern die »preussische Redlichkeit so viel heisse, als bei den Römern Graeca fides«. Den Grund dazu findet er in den zahlreichen »Colonien, wodurch Preussen ist angebaut worden«. Das Erl. Preussen kommt in seinen Untersuchungen über dies Sprichwort schliesslich zu dem Resultat, dass »wenn jemals einige Untreue und Falschheit im Lande Preussen sollte vorgegangen sein, solche doch gewiss nicht sowol denen Nationalpreussen, als vielmehr den Ausländern, die anhero kommen wären, zur Last gereichen müsste«.


*19. Mit de Preussen is es nichts.Schottmüller.

Diese Redensart ist neuern Ursprungs. Die Soldaten heissen bei den Rheinländern »Preussen«; die Redensart ist in den Kasernen durch die zu entlassenden Reserven aufgekommen und drückt die Abneigung gegen den Soldatenstand im allgemeinen aus.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873, Sp. 1395-1397.
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1395 | 1396 | 1397
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