Corpus juris

[455] Corpus juris (lat., Rechtsw.), 1) die Gesammtmasse eines Rechts; 2) bes. die Zusammenfassung der sämmtlichen römischen Rechtsquellen. I. C. j.. od. C. j. civilis (C. j. romani, C. j. Justinianei), die jetzt gebräuchliche Sammlung der als gemeines Recht geltenden Justinianeischen Gesetzgebung nebst einigen Rechtsbüchern aus späterer Zeit; zuerst so genannt in einer Schenkungsurkunde von 1262 u. als allgemeines Titelblatt zuerst 1583 von Dion. Gothofredus gebraucht. Das schon von den Glossatoren (s.d.) als ein Ganzes betrachtete Justinianeische Recht theilten A) die Glossatoren in 5 Theile (Volumina), von denen die der ersten auf die Pandekten (s. unt.), der vierte die 9 ersten Bücher des Codex (s. unt.), der fünfte die Institutionen, das Authenticum u. als deren Decima collatio die Libri feudorum enthielt. Der Text des C. j. ist entweder eine Lectio vulgata, od. ein durch Handschriften berichtigter, kritisch zuerst von Haloander, Budäus, Contius, Russardus, Charondas, Pacius u. A. hergestellt. Das C. j. u. dessen. Recht ist da, wo Römisches Recht gilt, nur nach Überlieferung der Glossatoren aufgenommen, daher auch nur so weit es glossirt worden (s. unt.). Die Ausgaben sind a) glossirt, d.h. mit der, aus den früheren Glossen[455] der Handschriften zusammengestellten Glosse des Accursius versehen, z.B. von Contius, Par. 1576, Fol., 6 Bde.; von Gothofredus, Lyon 1589, 6. Bde., Fol. u. ö.; von Baudoza, ebd. 1593, zuletzt u. am Besten von I. Fehii, ebd. 1627, 2 Bde., Fol. b) Unglossirt: aa) mit Noten, z.B. von Russard, Lyon 1560, 2 Bde., Fol., Antw. 1567, 7 Bde. u. ö.; von Contius, Par. 1562 u. ö.; von Charondas, Antw. 1575; von Pacius, Artois 1580, Fol.; von Gothofredus, Lyon 1583, u. ö.; von Gebauer u. Spangenberg, Gött. 1776–97, 2 Bde.; von Schrader, Berl. 1832, 1 Bd.; bb) ohne Noten, z.B. oft bei Elzevir in Amsterdam, von denen die schönsten von 1663 u. 1664 nach dem Druckfehler Pars secundus genannt sind; von Freiesleben, Altenb. 1721 u. ö.; von Beck, Lpz. 1825–36, 5 Bde., u. stereotypirt ebd. 1829–37, 2 Bde.; von Gebrüder Kriegel, fortgesetzt von Herrmann u. Osenbrüggen, Lpz. 1833–42. Übersetzungen, französisch von Hulot, Bartholet u. A., Par. 1803–11, 7 Bde.; deutsch von Otto, B. Schilling u. Sintenis, Lpz. 1830–33, 7 Bde. B) Nach heutiger Ordnung enthält das C. j.: a) Institutiones (Inst. Divi Justiniani), ein nach Beendigung des Codex (s. u.) u. der Digesten (s. u.) auf Justinians Befehl unter Leitung Tribonians von den Rechtslehrern Theophilus u. Dorotheus bearbeitetes Elementarwerk der Rechtswissenschaft, zum Lehrbuch bestimmt u. zugleich als Gesetz vom Jahresschluß an, am 21. November 533 (Prooemium institutionum) verkündet. Den Institutionen des Gajus sich anschließend, dessen Res quotidianae u. den Institutionen anderer Juristen entlehnt, unter Nachtrag des neuen Rechts aus den Constitutionen, behandeln die Institutionen in 4 Büchern, welche in Titel zerfallen, das gültige Römische Recht u. öfters dessen Geschichte, in dem Buch I. Einleitung u. Jus personarum, Buch II. u. III. bis Tit. 12 Jus rerum, Buch III. Tit. 14 bis Buch IV. Tit. 5 Jus obligationum, Tit. 6–16 Jus actionum, Tit. 17–18 einen Anhang De officio judicis u. De publicis judiciis enthaltend. Die 98 Titel der Institutionen sind jeder später in ein Principium (Pr.) u. Paragraphen getheilt, daher citirt wird, z.B. §. 3 Inst. de nuptiis (I. 10) od. §. 3 Inst. I. 10 od. §. 3 Inst. de nuptiis, früher: §. Fratris vero Inst. de nuptiis. Die Institutionen sind durch zahlreiche Handschriften des 14. u. 15., mehrere des 12. u. 13. Jahrh. u. wenige frühere, von denen die wichtigste eine Turiner aus dem 9. Jahrh. ist, überliefert. Ausgaben außer im C. j. bei P. Schöffer, Mainz 1468, Fol.; Editio Haloandrina, Nürnb. 1529; Ed. Cujaciana, Par. 1585; von F. A. Biener, Berl. 1812; von C. Bucher, Erlang. 1826; von Schrader, Berl. 1832. Commentare außer von diesen Herausgebern u. der griechischen Paraphrase des Theophilus (s.d.), von Balduin, Baxo, Hotomannus, Bachov, Vinnius, I. H. Böhmer, Otto u. A., zuletzt von Hänsel, als Handb. der Inst., Lpz. 1842 f. b) Digesta (gr. Πανδέκται, Pandectae, Pandekten), das aus den Schriften römischer Juristen zusammengestellte, das ganze Rechtsgebiet umfassende große Gesetzbuch Justinians. Von ihm durch Constit. de conceptione digestorum vom 15. December 530 (L. 1. C. I. 17, Const. De auctore genannt) dem Tribonian aufgetragen, von diesem u. 16 Rechtsgelehrten in 3 Jahren ausgeführt, sind die Digesta am 16. December 533 durch die Constit. Tanta (L. 2. Cod. I. 17) u. die griechische Constit. δέδωκεν od. Dedit nobis Deus (L. 3. C. I. 17) mit Gesetzeskraft vom 30. December 533 veröffentlicht u. durch Const. Omnem reipublicae den Rechtslehrern anempfohlen worden. Die Digesta bestehen aus 50 Büchern, welche nach Beispiel des Edicts in 7 Partes getheilt wurden: aa) Πρῶτα Buch 1–4; bb) De judiciis Buch 5–11; cc) De rebus (nämlich creditis) Buch 12–19; dd) Umbilicus Buch 20–27, von denen die griechischen Ausleger Buch 20–22 Antipapinianus od. Antipapianus nannten; ee) De testamentis Buch 28–36; ff) Buch 37–44; gg) Buch 45–50, von denen Buch 47 u. 48 Libri terribiles heißen. Mit Ausnahme von Buch 30–32, welche De legatis I. od. De leg. II. od. De leg. III. angeführt werden, theilt sich jedes Buch in Titel, diese in Fragmenta (Fr.) od. Leges (L.) mit besonderer Überschrift des Namens des Verfassers u. Werkes (Inscriptio), diese Fr. od. L. in ein Principium (Pr.) u. Paragraphen, daher citirt man z.B. L. 5 §. 6 D. de jure dotium (23. 3) od. Fr. 5 §. 6 D. 23. 3., früher: L. profectitia §. si pater D. de iure dotium. Die 9000 u. mehr Stellen aus den zur Aufnahme bestimmten in der Florentiner Handschrift (s. u.) verzeichneten (Index Florentinus) 39 Juristen sollen mit Rücksicht auf den Gebrauch derselben für eines der drei Unterrichtsjahre der Rechtsschulen, in 3 Massen, sogenannte Sabinus-, Edicts- u. Papinianusmasse getheilt u. aufgenommen worden sein (dagegen Tigerström, De ordine et historia Dig., Berl. 1829; Reimarus, Bemerkungen über die Inscriptionsreihen der Papinianusmasse, Gött. 1830). Bei den Abweichungen von dem ursprünglichen Texte unterscheidet man Abänderungen od. Weglassungen (Emblemata Triboniani), Stellen an ungehörigem Orte (Leges fugitivae, Leges errativae), u. doppelt aufgeführte Stellen (Geminationes). Die in der Handschrift verloren gegangenen, daher als nicht glossirt (s. oben), nicht gültigen, erst aus Basiliken von Cujacius vervollständigten Stellen heißen Leges restitutae; es sind L. 7–11. D. 48. 20. L. 10–19. D. 48. 22. Der jetzige Text der Dig. richtet sich nach den, ihm zu Grunde liegenden Handschriften, u. ist aa) Lectio vulgata od. Lectio Bononiensis, bei den Glossatoren Litera communis, in den Ausgaben von Polician u. Bolognini, welcher die meist unter Einfluß der Glossatoren entstandenen Handschriften des 12.–15. Jahrh., Codices vulgati, zu Grunde liegen; bb) Lectio Florentina od. Lect. Taurelliana, bei den Glossatoren Litera Pisana, in den Ausgaben der Torelli, von Russard, Pacius, Charondas, Contius u. Gebauer-Spangenberg, nach dem früher in Pisa, seit 1406 in Florenz aufbewahrten Codex Florentinus aus dem 7. Jahrh., welchen man, ungeachtet der Abweichungen von allen anderen Handschriften, früher irrig für deren alleinige Quelle gehalten hat; cc) Lectio mixta, mit kritischer Auswahl der Lect. vulg. u. Lect. Florent., wohin alle neuere Ausgaben gehören. Zuerst stellte G. Haloander, Nürnb. 1529, 3 Bde., einen kritisch behandelten Text auf, Lectio Haloandrina, Lectio Norica; erste Ausgabe: Digestum vetus, Perugia; Infortiatum u. Digestum novum, Rom 1476, Fol. Commentare[456] von Odofredus, Alciat, Budäus, Duaren, Cujacius, Faber, Huber, Jensius, Voet, Noodt, neuerdings von Glück mit Fortsetzungen von Mühlenbruch u. Fein. c) Codex Justinianeus repetitae praelectionis, eine auf Justinians Befehl in der Constit. Haec quae necessario, de novo Cod. faciendo durch Tribonian u. 4 Rechtsgelehrte 534 besorgte neue Redaction (Repetita praelectio) des Cod. Justinianeus von 529 mit Aufnahme der inzwischen erlassenen Decisionensammlung (Quinquaginta decisiones) u. kaiserlichen Constitutionen, auch einiger früher übergangenen, welche unter Aufhebung des früheren Cod. u. Decisionensammlung am 16. Nov. 534 publicirt ist u. vom 29. December an Gesetzeskraft, erhielt durch die Constit. Cordi nobis est, de emendatione Cod. Just. Er enthält nach Ordnung der Digesten in 12 Büchern, welche in Titel, diese in einzelne Constitutiones. auch Leges genannt, mit einem Principium (Pr.) u. Paragraphen zerfallen, 4648 Constitutionen in 765 Titeln, u. wird citirt z.B. Const. od. L. 22. C. mandati vel contra (4. 35.). Der Text leidet an denselben Willkührlichkeiten wie bei den Digesten (s. oben), die Glossatoren haben später Novellen (Authenticae) eingeschaltet, u. die Zahl der Leges restitutae ist sehr groß; vgl. Witte, Die Leg. rest. des Cod., Bresl. 1830; F. A. Biener u. C. G. Heimbach, Beiträge zur Revision des Cod., Berl. 1833. Ausgaben: zuerst der Liber ordinarius (s. oben), Mainz 1475; der Lib. extraord., Rom 1476, Fol.; von Haloander, Nürnb. 1530, Fol.; von Contius, Par. 1566, Fol., u. mit dem ganzen C. j. (s. oben). Commentare von Azo, Odofredus, Cujacius, Donelli, Giphanius, Peres, Zoesius, Brunnemann, Wissenbach u. A. d) Novellae constitutiones Justiniani (gr. Νεαραὶ διατάξεις), die vom 1. Januar 535 bis an seinen Tod, zuletzt um 565 erlassenen, mindestens 165 nachträglichen Verordnungen (Novellae constitutiones) Justinians, meist in griechischer, od. zugleich in lateinischer Sprache. Außer dem kurzen lateinischen Auszuge eines unbekannten Rechtslehrers in Constantinopel, Julian, von 125 Novellen noch unter Justinian um 570 (Epitome Juliani, Ep. novellarum, Liber nov., von großem Ansehen im Abendlande, herausgegeben von Boërius, Lyon 1512; von Miräus, ebd. 1561; von Augustinus, 1567; von Pithöus, Basel 1576, u. A. Deutsch, Frankf. 1565), war in Italien eine lateinische Übersetzung gesammelt, welche die Glossatoren für den gesetzlichen Text unter dem Namen Authenticum od. Liber authenticorum anerkannten, die brauchbaren als Ordinariae in 9 Collationen, die unbrauchbaren als Extraordinariae, Extravagantes nach Muster des Codex (s. oben) eintheilten u. dieeinzelnen Novellen Authenticae od. Tituli nannten, die in dieser Eintheilung in die Handschriften übergingen. Glossirt u. von gesetzlichem Ansehen sind nur 98 Novellen, von denen aber die nicht auf die heutige Verfassung anwendbaren, z.B. die 10., 41., 116. eben so wenig gelten, als die nicht glossirten. Citirt wird jetzt nach der Zahlenfolge, z.B. Nov. 118. cap. 1., früher nach Rubrik des Titels, den Anfangsworten des Cap., Paragraph genannt, u. nach Zahl der Collation u. des Titels, z.B. Auth. de hered. ab intestato §. si quis. Coll. 9. Tit. 1. Außer diesem lateinischen Authenticum existirt eine griechische Sammlung von 168 Novellen, freilich auch späterer Kaiser, nach einer Florentiner Handschrift, herausgegeben von Haloander, Nürnb. 1531, Fol., nach einer venetianischen, von Scrimger, Genf 1558, Fol., u. ein griechisches Rubrikenverzeichniß in einer Pariser, herausgegeben von Heimbach, Ἀνέκδοτα, Lpz. 1840, Bd. 2, S. 237 s., lateinisch von Cujacius, Expositio Nov., 1570. Neben diesem griechischen Texte bestehen 3 lateinische Übersetzungen: aa) die wörtliche des Authenticum (s. oben), Vulgata genannt, u. in der Praxis durch die Glossatoren recipirt; bb) die reinere u. elegantere des Haloander; cc) die beste von Hombergk zu Vach, Marb. 1717, verbessert von Osenbrüggen in der Kriegelschen Ausgabe des C. j. (s. oben). Ausgaben: zuerst nur das Authenticum (s. oben), Rom 1476, Fol.; mit griechischem Texte von Haloander, Nürnb. 1531 u. Bas. 1541, Fol.; von Scrimger, Genf 1558, Fol., mit griechischem Texte u. Vermischung der lateinischen Übersetzung des Authenticum Haloanders, eigener u. fremder Arbeit von Contius, Par. 1559, Fol., welchem Verfahren die späteren Ausgaben gefolgt sind, zuletzt Osenbrüggen, Lpz. 1840. Commentare von Cujacius, M. Stephanus, Sonnemann, Rittershusius, Gudelinus u. A. Vgl. F. A. Biener, Geschichte der Novellen, Berl. 1824. Hiermit schließt das gültige Justinianische Recht u., mit Ausnahme der Libri feudorum, der gesetzkräftige Inhalt des C. j. Allein man hat noch Anhänge dazu mehr od. minder vollständig aufgenommen: e) Justiniani edicta, 13 jetzt nicht beachtete griechische u. lateinische Verfügungen Justinians, meist localer Art für einzelne Städte od. Provinzen; f) Justini novellae constitutiones, 5 theilweise den Novellen schon eingeschaltete Constitutionen; g) Tiberii novellae constitutiones, gleichfalls 5 an der Zahl; h) mehrere Constitutionen Justinians, Justins u. des Tiberius; i) Leonis novellae constitutiones, 113 griechische Verordnungen des Kaisers Leo des Philosophen, von 887–893, lateinisch von Agyläus, herausgegeben mit Justinians Novellen zuerst von Scrimger (s. oben) u. seitdem in das C. j. c. aufgenommen; k) eine Constitution des Kaisers Zeno, De novis operibus; l) Imperatoriae constitutiones, eine Menge Constitutionen verschiedener Kaiser; m) Canones sanctorum et venerandorum Apostolorum; n) Feudorum libri, eine um 1158–1168 entstandene, in ihren einzelnen Bestandtheilen von verschiedenen Verfassern herrührende Sammlung von Aufsätzen u. Gesetzen über das Lombardische Lehnrecht. Zwei Hauptaufsätze, von denen der eine das Lehnrecht in seinen Abweichungen vom römischen Rechte behandelt u. vielleicht von Gerardus Niger herrührt, der andere über Natur, Erwerb u. Verlust des Lehns den Mailändischen Consul Obertus ab Boto zum Verfasser hat, bilden die Hauptgrundlage, an welche dann noch mehrere Zusätze angefügt worden sind. Die Sammlung bestand Anfangs aus 1 Buch, daher Liber feudorum genannt, seit dem 15. Jahrh. ist sie aber in mehrere Theile, meist in 2 Bücher, getheilt, welche in Titel, diese in Paragraphen zerfallen, wornach citirt wird, z.B. H. F. 8. §. 2. Diese Titel heißen Capita ordinaria, im Gegensatz der von Jacobus de Ardizone beigefügten, nur zur Erläuterung[457] dienenden Capita extraordinaria od. Capita extravagantia. Als auf Befehl Friedrichs I. Vorlesungen über die Libri feudorum gehalten, sie von den Glossatoren Hugolinus de Porta Ravennate, Ptläus, Vincentius u. Jacobus Columbinus de Regio bearbeitet u. im 13. Jahrh. von Hugolinus de Presbyteris dem C. j. civ. als Decima novellarum collatio angehängt wurden, kamen sie mit jenem nach Deutschland u. erlangten durch den in den Reichsgesetzen bestätigten Gebrauch desselben die Kraft eines gemeinen subsidiären Rechts. In verschiedenen Eintheilungen erschienen die Ausgaben von Antonius Mincuceins, Bologna 1428 u. ö., von Bartolomäus Baraterius, Florenz 1442, Senkenberg u. A. Vgl. Dink, Literärgeschichte des Longobardischen Lehnrechts bis zum 14. Jahrh., 1828; Laspeyres, Über die Entstehung u. älteste Bearbeitung des Libri feudorum, 1830. o) Constitutiones aliquot Imperatorum, Verordnungen Kaiser Friedrichs II., aus welchen die Authenticae Fridericianae zum Codex genommen sind u. Verordnung Heinrichs VII. von 1312, Extravagantes genannt. p) Liber od. Acta de pace Constantiae, der Kostnitzer Frieden von 1183. In mehreren Ausgaben, z.B. der Leeuwenschen, findet sich noch Antejustinianisches Recht beigefügt. Vgl. Spangenberg, Einleitung in das römische Justinianische Rechtsbuch, Hannov. 1818.

II. Corpus juris canonici, die in Nachahmung des C. j. civ. nach den in ihr enthaltenen kirchlichen Schlüssen (Canones) benannte, jetzt gebräuchliche Sammlung der Quellen des katholischen Kirchenrechts, bestehend in alten Canones, Kirchenordnungen, Concilienschlüssen, Verordnungen der Päpste u. Aufsätzen von Kirchenvätern, u. gleich dem Römischen Rechte in Deutschland zu des Reiches gemeinen Rechten gezählt, Reichshofrathsordnung Tit. 7. §. 24. Eine von Pius IV. u. V. vorbereitete Revision desselben durch 35 Gelehrte (Correctores romani), theils Cardinäle, theils Doctoren, an ihrer Spitze Antonius Augustinus, welche theils Noten, theils Hinweisungen auf die Quellen anfertigten, wurde von Georg XIII. durch Bulle vom 1. Julius 1580 bestätigt. Man theilt das C. j. can. in das Decretum (s. unt.) u. die Decretalen (s. unt.) u. die Anhänge (s. unt.), ferner in C. j. can. clausum, geschlossen, nämlich in der Katholischen u. Protestantischen Kirche geltend, u. non clausum, die späteren Sammlungen, daher Extravagantes genannt, enthaltend. Ausgaben: zuerst in seinen einzelnen Theilen mit gothischen Lettern, Mainz 1465–73, 4 Bde., Fol.; glossirt von Hugo a Porta, Leyd. 1559–60, 5 Bde., Fol.; glossirt, Par. 1561, Fol.; unglossirt mit Noten von Contius, Antw. 1370–71, 3 Bde. Nach Gregors Revision (Editiones correctae), Rom 1582, 4. Bde., Fol.; mit Noten der Brüder Pithou, von Le Pelletier, Par. 1687, 2 Bde., Fol.; von I. H. Böhmer, Halle 1747; von Freisleben, Altenb. 1728; von Richter, Lpz. 1839; deutsch übersetzt von B. Schilling u. Sintenis, Lpz. 1834–37, 2 Bde. Das C. j. c. enthält: a) Decretum Gratiani, eine zu akademischen Vorlesungen von dem Camaldulensermönch Gratian im Kloster des St. Felix zu Bologna 1151 unter dem Titel: Discordantium canonum concordantia angefertigte Sammlung von Kirchengesetzen, welche durch Sendung an die Universitäten von Eugen III. 1152 Gesetzeskraft erhielt, u. Decretum, später Decr. Gratiani hieß. Es zerfällt in 3 Partes: aa) Pars I. in 101 Distinctiones, deren jede in Canones, wird citirt z.B. c. 1. Dist. XII. u. handelt im Allgemeinen vom Kirchenrecht u. den Pflichten der Kirchenbeamten; bb) Pars II. theilt sich in 36 Causae, deren jede in (Quaestiones, diese in Canones, wird citirt z.B. c. 24. C. XI. qu. 2. u. enthält Rechtsfälle, nur C. XXXIII. qu. 3. de poenitentia zerfällt in 7 Dis tinctiones, diese in Canones; cc) Pars III., überschrieben: De consecratione, zerfällt in 5 Distinctiones, diese in Canones, wird citirt z.B. c. 18. Dist. IV. de consecratione u. handelt vom Gottesdienste. Die zur Verbindung der Canones eingeschalteten Sätze, Dicta Gratiani od. Partes Gr. od. Verba Gr., haben keine Gesetzeskraft, u. die als Palea (nach Einigen vom Glossator Paucapalea, od. als Spreu, od. hergeleitet von παλαιά, veraltet, od. von πάλιν, wiederum, od. abgekürzt von post alia, nach Anderem) bezeichneten Canones nur, insofern sie anderen Can. nicht widersprechen. Die Glosse dazu ist erst im 12. Jahrh. gesammelt vom Bischof zu Ferrara, Huguccio, dann im 13. Jahrh. vom Propst zu Halberstadt, Joh. Semeca, genannt Teutonicus, u. zur Glossa ordinaria erhoben, unter Gregor IX. von Bartholomäus von Brixen berichtigt. Besondere Ausgaben: von Eggestein, Strasb. 1471, Fol.; glossirt von Hugo a Porta, Leyd. 1541, Fol. u. ö.; unglossirt von Democharis, Par. 1540 u. ö.; nach der Revision (s. ob.), Vened. 1615. In vielen Ausgaben des C. j. can. findet man als nicht zu demselben gehörige, nur historische Anhänge zum Decr., aus Astis Summa de casibus conscientiae V. 32. entnommene 47 Canones poenitentiales u. 85 Canones Apostolorum. b) Decretales Gregorii IX., eine auf Befehl Gregors IX. von dessen Beichtvater Raimund a Pegna Forti od. Penna Forte 1230 besorgte u. 1234 durch Versendung an die Universitäten Bologna u. Paris publicirte Sammlung der seit dem Decret ergangenen Decretalen (Extravagantes genannt), einschließlich der von Gregor IX. erlassenen. Die Folge des Inhaltes bezeichnet der Vers Judex, iudicium, clerus, connubia, crimen. Das Ganze ist in 5 Bücher, diese in Titel u. diese in Capitel getheilt u. wird X (d.h. Extra decretum Gratiani) citirt, z.B. c. 18. X. de foro competenti II. 2. Im Texte finden sich viele Abkürzungen, z.B. et i. (et infra), d.h. daß hierher nicht Gehöriges, Partes decisae genannt, ausgelassen worden, welche in neueren Ausgaben sich aber finden mit der Bezeichnung: in p. d. l. h. (in parte decisa leguntur haec); ferner als Anfang der Rescripte: c. t. t. r. (consultationi tuae taliter respondemus), u. zur Bezeichnung, daß aus einer Decretale nur ein Theil gegeben wird: p. c.. od. P. C. (Pars capituli). Die Glossa ordinaria ist von Bernard von Parma 1487 gesammelt u. in Bologna erschienen. Ausgaben: von P. Schöffer, Mainz 1473, Fol., Rom 1474, Basel 1478; von P. Drach, Speye 1485; die Gregorianische, Rom 1582. c) Liber sextus decretarum Bonifacii VIII. Auf Ansuchen der Bologner Universität durch I. Castellius ließ Bonifaz VIII. durch Wilh. von Mandogoto, Bereng. Fredoli u. Richard von Senis 1297 die seit Gregors Decretalen[458] erlassenen u. die Beschlüsse der Ökumenischen Concilien zu Lyon von 1245 u. 1275 sammeln, 1298 nach Paris u. Bologna versenden u. nach Prüfung durch Dinus Mugelianus publiciren. Er schließt sich im Inhalt u. der Eintheilung in 5 Bücher an Gregors Decretalen an u. wird citirt, z.B. c. 1. § 1. de procuratoribus in VI. (1. 19.). Die Glossa ordinaria ist von Andreä. Ausgabe: von Janson, Vened. 1479, Fol.; vgl. Koch, De Bon. VIII. sexto decret. libro, Gieß. 1772. d) Clementis V. constitutiones od. Clementinae od. Liber VII., von Johann XXII. 1317 promulgirte, unter Clemens V. 1313 in 5 Büchern gefertigte Sammlung seiner Verordnungen, namentlich auf dem Concil zu Vienne (1305 bis 1314), u. wird citirt z.B. Clem. 2. de celebratione missarum od. c. 2. de celebr. miss. in Clement. (3. 14.). Mit ihnen schließt das für die Protestantische Kirche gültige C. j. can. clausum (s. ob.). I. Andreä u. F. Zabarella glossirten dieselben. Ausgaben: Mainz 1460, 1467, Fol.; von Baldassini, Rom 1769, u. A. e) Extravagantes Joannis XXII., eine um 1340 erschienene u. von Joh. Chappuis eingetheilte Privatsammlung von 20 Decretalen Johanns XXII. in 14 Titeln, wird citirt z.B. c. 1. Extravag. Joann. XXII. de electione (1.) u. ist von Zenzelinus de Cassanis glossirt; Ausgabe von Chappuis, Par. 1500. f) Extravagantes communes, eine nach 1483, wohl nach u. nach entstandene, gleichfalls von Joh. Chappuis 1500 eingetheilte Privatsammlung von Verordnungen von 15 Päpsten, von Urban IV. bis Sixtus IV. in 5 Büchern, deren 5. aber fehlt; wird citirt z.B. c. 2. Extravag. commun. de privilegiis (5. 7.), u. ist glossirt von Joannes Monachus, Guilielmus de Monte Laudano u. Joann. Francisc. de Pavinis. Ausgabe von Chappuis, Par. 1500; vgl. Bickel, über Entstehung u. Gebrauch der Extravagantensammlungen, Marb. 1825. Als Anhänge des C. j. can. finden sich häufig seit 1661 eine von einem Lyoner Rechtsgelehrten Pet. Matthäus 1590 als g) Liber sextus decretalium entworfene Sammlung päpstlicher Decretalen in 5 Büchern, u. Justinians Institutionen nachgeahmte h) Institutiones juris canonici in 4 Büchern von Paul Lancelot, einem perusinischen Rechtsgelehrten. Außerdem finden sich in allen Ausgaben des C. j. can. von den Glossatoren herrührende Register.

III. Öfters sind auch umfassende Privatsammlungen einzelner Rechtstheile mit dem Namen C. j. belegt worden, z.B. C. j. romani antejustinianei, s. Antejustinianeisches Recht; C. j. confoederationis germanicae, von Meyer, Frankf. 1822–28, 2 Bde.; C. j. cambialis, für Wechselrecht; C. j. criminalis, von Kittler, Lpz. 1834; C. j. eccleslastici Austriaci acad., Wien 1764; C. j. eccles. cathol., von Gärtner, Salzb. 1797, 2 Bde., von Weiß, Gieß. 1833; C. j. eccles. Saxon., Dresd. 1773–84, 2 Bde.; C. j. feudalis German., von Senkenberg, herausgeg. von Eisenhardt, Halle 1772; C. j. Fridericianum, preuß. Landrecht, Berl. 1750 u. 51, 2 Thle., u. Proceßordnung, ebd. 1787; C. j. Germanici publici et privati, herausgeg. von Königsthal, Frankf. 1760 bis 66, 2 Bde., Fol., ebd. 1783; C. j. Germ. antiqui, herausgeg. von Lanciani, Halle 1733, u. von Walter, Berl. 1824, 3 Bde.; C. j. Germ. tam publici quam privati acad., von Emminghaus, Jena 1924, 2 Bde., von Michaelis, Tübing. 1925; C. j. Hungarici, Budw. 1779, 2 Bde., Fol., ebd. 1822, 2 Bde.; C. j. metallici, von Wagner, Lpz. 1791, Fol.; C. j. nautici, Löb. 1790; C. j. opificiarii, von Ortloff, Erlang. 1820, 2. Ausg.; C. j. Saxonici, so v.w. Codex Augusteus, u.a.

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Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 455-459.
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