Sachsen-Meiningen

[395] Sachsen-Meiningen (s. Karte »Sächsische Herzogtümer« bei S. 388), zum Deutschen Reiche gehörendes Herzogtum, zwischen 50°12´-51°9´ nördl. Br. und 10°3´-12°8´ östl. L. Der zusammenhängende Hauptteil des Landes zieht sich in einer Länge von 133 km bei einer durchschnittlichen Breite von 16 km in Form eines Halbmondes vom nordwestlichen Fuß des Thüringer Waldes nach SO. hin, übersteigt den Thüringer Wald, läuft östlich am Frankenwald vorüber bis gegen den Nordfuß des Thüringer Waldes und besteht aus dem alten Herzogtum Meiningen, als Neuland, dem ehemaligen Herzogtum Hildburghausen und dem früher koburgischen Fürstentum Saalfeld. Getrennt vom Hauptland liegen die Herrschaft Kranichfeld (von preußischen, weimarischen, altenburgischen und schwarzburgischen Gebieten umgeben), die von preußischen und weimarischen Landen eingeschlossene Grafschaft Kamburg und elf zerstreut liegende kleinere Gebiete.

Das Land ist seinem größern Teil nach gebirgig. Der Thüringer Wald bedeckt fast die Hälfte desselben; im W. tritt die Rhön bis an die Grenze des Landes heran. Die höchsten Punkte sind links der Werra: der Bleßberg bei Salzungen (645 m), die Geba (751 m), der Große Gleichberg (678 m), der Kleine Gleichberg (641 m), der Bleßberg bei Eisfeld (864 m); rechts der Werra: der Gerberstein (728 m), der Simmersberg bei Schnett (781 m), der Dreiherrenstein bei Siegmundsburg (820 m), der Sandberg bei Limbach (837 m), das Kieferle (868 m); im östlichen Teile des Landes: der Lehestener Kulm (713 m), der Hirschstein (745 m),[395] der Wetzstein (794 m) und der Töpfersbühl (760 m). Mit seinen Gewässern gehört S. drei großen Flußgebieten, dem der Weser, der Elbe und des Rheins, an (Dreistromstein bei Siegmundsburg). Zum Wesergebiet gehört die Werra, die rechts die Schleuse, Hasel, Helba, Schmalkalde, Druse, Schweina und Fischa, links die Jüchse, Sülze, Herpf, Rosa etc. aufnimmt. Dem Elbgebiet gehört die Saale an, der unter andern aus den meiningischen Gebieten die Loquitz mit der Zopte, Gölitz und Sormitz, die Orla und Ilm zufließen. Dem Main-Rheingebiet fließen zu: die Stein ach, Itz mit der Röthen, die Rodach mit der Kreck, die Milz durch die Fränkische Saale. Auch einige Seen verdienen Erwähnung: der Salzunger, die Bernshäuser Kutte und der sogen. Tiefe See bei Stedtlingen. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Meiningen 7,5°, die mittlere Regenmenge 633 mm.

[Bevölkerung.] Der Flächenraum des Herzogtums beträgt 2468,3 qkm (44,83 QM.), die Bevölkerung (1. Dez. 1905) 268,916, und zwar 132,064 männliche, 136,852 weibliche Einwohner, durchschnittlich 109 Einw. auf 1 qkm. Von der Bevölkerung sind 262,243 (1900: 244,810) Evangelische, 4845 (4160) Römisch-Katholische, 1256 (1351) Israeliten. Das Herzogtum ist eingeteilt in die vier Kreise:

Tabelle

und enthält 17 Städte und 455 Landgemeinden und bevölkerte Gemarkungsverbände. Die Bevölkerung gehört im Süden des Thüringer Waldes dem fränkischen, im N. dem thüringischen Volksstamm an. Nach der Berufs- und Gewerbezählung vom 14. Juni 1895 betrug die Zahl der Erwerbstätigen ohne Angehörige und Dienende 93,232 Personen (darunter 24,449 weibliche); davon entfielen auf Land- und Forstwirtschaft 33,902 (36,4 Proz.), Bergbau, Hüttenwesen, Industrie u. Baugewerbe 44,930 (48,2 Proz.), Handel und Verkehr 7866 (8,4 Proz.), häusliche Dienste, Lohnarbeit 1277 (1,4 Proz.), Armee (2184), Staats-, Gemeinde- und Kirchendienst, freie Berufe 5257 (5,6 Proz.). Ohne Beruf und Berufsangabe waren außerdem 6838. Die Zahl der Dienenden im Haushalte betrug 3771, der Angehörigen ohne Hauptberuf 129,101 Personen. Was die Pflege der geistigen Kultur anlangt, so zählt das Herzogtum 2 Gymnasien (in Meiningen und Hildburghausen), 2 Realgymnasien (in Meiningen und Saalfeld), eine Realschule mit Handelsabteilung (in Sonneberg), 2 sechsklassige Realschulen in Salzungen und Pößneck, ein Schullehrerseminar mit Taubstummenlehranstalt (Hildburghausen), ein Lehrerinnenseminar (Meiningen), ein Rettungshaus für verwahrloste Kinder (bei Meiningen), eine bedeutende Irrenheil- und Pflegeanstalt (Hildburghausen, zugleich für Sachsen-Koburg und Gotha und Schwarzburg Rudolstadt). Landeshochschule ist die Gesamtuniversität in Jena. Das Volksschulwesen ist auf Grund des Volksschulgesetzes vom 22. März 1875 geordnet. 1906 waren vier Kreisschulinspektoren und 803 Lehrer in Tätigkeit; Zahl der Schulkinder: 46,874.

[Erwerbszweige.] Von der Fläche entfallen (1900) 40,9 Proz. auf Acker- und Gartenland, 11 auf Wiesen, 1,7 auf Weiden und 42,1 Proz. auf Wald. Bei dem meist magern Boden gibt der Ackerbau im allgemeinen nur geringen Ertrag. Angebaut wurden 1906: 10,061 Hektar mit Weizen, 18,127 mit Roggen, 4924 mit Sommergerste, 20,812 mit Hafer, 14,901 mit Kartoffeln, 27,185 Hektar waren Wiesen. 1905 betrug die Ernte in Doppelzentnern: 149,281 Weizen, 240,956 Roggen, 78,691 Sommergerste, 245,273 Hafer, 2,179,030 Kartoffeln, 1,115,243 Heu. Von Handelspflanzen wird vornehmlich Flachs gebaut, doch nur wenig über den eignen Bedarf, Raps und Rübsen häufiger, im Werragrund (von Wasungen bis Salzungen) auch Tabak. Geringer Weinbau findet sich in der Grafschaft Kamburg. Was den Viehstand betrifft, so ist die Rindvieh- und Schweinezucht am bedeutendsten; im Kamburgischen werden auch Pferde gezogen. Man zählte 1904: 8452 Pferde, 69,743 Stück Rindvieh, 21,803 Schafe, 88,065 Schweine, 39,085 Ziegen. Von hoher Bedeutung ist die Forstwirtschaft, indem das Land (1900) 103,859 Hektar Waldboden besitzt. Die Hauptmasse desselben liegt am Thüringer Wald. Im Gebirge herrscht Nadelholz, um Meiningen und Heldburg Laubholz vor. Die Domänenforsten nehmen (1900) 43,208, die Gemeinde- und Korporationsforsten 34,297, die Privatforsten 25,399 Hektar ein; der preußische Forstfiskus besitzt im Lande 369 Hektar Wald. Bergbau findet auf Steinkohlen, Eisen-, Kupfer- und Kobalterze, Griffel-, Dach- und Tafelschiefer, Farberden und Porzellansand statt. 1905 betrug die Förderung von Dach- und Tafelschiefer 42,129 Ton. (mit einem Geldwert von 2,424,686 Mk.), Eisenerzen (in der Maximilianshütte bei Unterwellenborn verschmolzen) 146,167 T., Steinkohlen (Neuhaus im Kreis Sonneberg und Crock bei Eisfeld) 25,267 T., von Farberden in den Kreisen Sonneberg und Saalfeld (Ocker, Umbra, Schieferschwarz) 567 T. und Porzellansand (bei Limbach und Schierschnitz) 4494 T. Schiefergriffel werden jährlich etwa 400 Mill. Stück, die Mehrzahl 14 cm lang, in den Handel gebracht. Torf wird an einigen Stellen gestochen. Die Salinen zu Salzungen (wo auch ein sehr besuchtes Solbad) und Neusulza gewinnen Salz aus gesättigter Sole (1905: 17,427 T. im Werte von 405,452 Mk.). Die Solquellen zu Friedrichshall liefern das bekannte, weit versendete Bitterwasser.

Die bedeutendsten Zweige der gewerblichen Tätigkeit sind: das Hüttenwesen, die Verfertigung von Holzwaren, Tuchfabrikation, Lederbereitung, Spinnerei und Weberei und Papiermachéfabrikation. Die Nähmaschinenindustrie ist namentlich in Saalfeld sehr entwickelt. In Pößneck ist die Flanellfabrikation von besonderer Wichtigkeit, aber auch die Gerberei und Lederfabrikation. Glashütten waren 1905: 37 im Betrieb, daneben aber in Lauscha und Umgegend eine weitverzweigte Hausindustrie in Glasartikeln (Perlen, Christbaumschmuck, Puppen augen). Die Porzellanmanufaktur ist in den Kreisen Saalfeld, Sonneberg und Hildburghausen gut vertreten. Zigarrenfabrikation findet sich im Meininger Unterland, Farbenfabrikation in Saalfeld und Steinach; Zündwaren werden in Neustadt am Rennsteig hergestellt. Hoch entwickelt ist die Spielwarenindustrie (Fabrik- und Hausindustrie) in Sonneberg und Umgegend. Das Hauptgeschäft wird hier in Puppen gemacht (Papiermachéfabrikation), doch kommen auch verwandte Artikel, wie Attrappen und Masken, in Betracht. Die Schiefertafel fabrikation wird namentlich in Gräfenthal und Umgegend hausindustriell betrieben. Die Griffelfabrikation hat ihren Sitz in Steinach und Imgegend. Die fiskalischen Griffelbrüche sind in staatlichen Betrieb übergegangen. Abgesehen von den Mahlmühlen,[396] werden die vorhandenen Wasserkräfte namentlich in den Waldorten zu Sägewerken, Porzellanmassemühlen und Märbelmühlen ausgenutzt. Gut vertreten ist das Brauereigewerbe. In Kamburg besteht eine Rübenzuckerfabrik. Der Handel des Herzogtums dehnt sich über ganz Deutschland, selbst über Europa aus und greift namentlich in Sonneberger Puppen und Spielwaren nach Amerika und andern Erdteilen hinüber. Handels- und Gewerbekammern befinden sich in den vier Kreisstädten, eine Handwerkskammer in der Residenzstadt Meiningen. Von Eisenbahnen durchziehen das Land: die Werrabahn, seit 1895 preußische Staatsbahn, nebst den Zweigbahnen Koburg-Sonneberg-Lauscha; Themar-Schleusingen; Immelborn-Liebenstein; die Meiningen-Schweinfurter Bahn; die preußischen Staatsbahnen Gera-Eichicht-Probstzella; Erfurt-Ritschenhausen; die Nebenbahnen Kamburg-Zeitz und Köppelsdorf-Stockheim; Sonneberg-Schalkau-Eisfeld (im Bau); Arnstadt-Saalfeld und die Saalbahn, ferner die Nebenbahn Wallendorf-Gräfenthal-Probstzella und die Schmalspurbahnen: Feldabahn, Eisfeld-Unterneubrunn und Hildburghausen-Heldburg-Friedrichshall; die Lokalbahn Ludwigstadt-Lehesten. Die Stadt Meiningen ist der Sitz der herzoglichen Landeskreditanstalt, der deutschen Hypothekenbank, einer Reichsbanknebenstelle und der Bank für Thüringen.

[Verfassung und Verwaltung.] Die Verfassung des Herzogtums ist konstitutionell-monarchisch und beruht auf dem Grundgesetz vom 23. Aug. 1829 und den Gesetzen vom 20. Juli 1871, 24. April 1873 und 9. März 1896. Staatsoberhaupt ist der Herzog (gegenwärtig Georg II., geb. 2. April 1826, regiert seit 20. Sept. 1866), der mit zurückgelegtem 21. Lebensjahr großjährig wird. Das verfassungsmäßige Organ zur Vertretung der Rechte und Befugnisse des Volkes ist der Landtag. Derselbe besteht aus 24 Abgeordneten, und zwar 4 von den höchstbesteuerten Grundbesitzern, 4 von denen, welche die höchsten Personalsteuern bezahlen, und 16 von den übrigen Angehörigen des Herzogtums. Wähler ist jeder Angehörige des Herzogtums mit vollendetem 25. Jahr in dem Wahlkreis seines Domizils zur Zeit der Wahl. Die Wahl ist direkt und geheim. Wählbar ist jeder, der das 25. Jahr zurückgelegt, mindestens ein Jahr dem Herzogtum angehört hat und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist. Das Mandat dauert sechs Jahre. Die Landeskirche ist die evangelisch-lutherische. Die oberste Behörde für die Staatsverwaltung ist das Staatsministerium mit fünf Abteilungen: 1) für die Angelegenheiten des herzoglichen Hauses und des Äußern, 2) für die innere Verwaltung, 3) für die Justiz, 4) für die Kirchen- und Schulsachen und 5) für die Finanzen. Das Herzogtum zerfällt in 15 Amtsgerichtsbezirke. Das Landgericht zu Meiningen (mit Schwurgericht) ist für die Kreise Meiningen, Hildburghausen und Sonneberg, zugleich aber auch für das Herzogtum Koburg und für die preußischen Kreise Schleusingen und Schmalkalden gemeinsam. Der Kreis Saalfeld gehört zu dem gemeinschaftlichen Landgericht in Rudolstadt (mit Schwurgericht in Gera; s. Textbeilage zum Artikel »Gerichtsverfassung«). Das Herzogtum gehört mit zu dem Bezirk des gemeinsamen Thüringer Oberlandesgerichts zu Jena. Die Gerichtsbarkeit in streitigen Verwaltungssachen wird gemäß dem Gesetz vom 15. März 1897 von dem Kreisverwaltungsgericht, von dem Landesverwaltungsgericht und von dem Oberverwaltungsgericht ausgeübt. Die Finanzen des Landes sind infolge der Erträgnisse des Domänenvermögens, die nach dem Vergleich von 1871 zwischen dem Herzog und dem Lande geteilt werden, wohlgeordnet. Die Einnahmen und Ausgaben belaufen sich nach dem Staatshaushaltsetat für 1906/08 auf 8,716,216 Mk. (jährlich). Die Zivilliste des Herzogs beträgt jährlich 394,286 Mk., dazu kommt die Hälfte der Domänenüberschüsse (545,554 Mk.). Die Staatsschuld belief sich Ende 1905 nach Abzug der Aktiva auf 6,165,601 Mk. Was das Militärwesen anlangt, so bilden die meiningischen Truppen mit denen von Sachsen-Koburg und Gotha das 6. thüringische Infanterieregiment Nr. 95 und gehören der 22. Division und dem 11. Armeekorps (Kassel) an. Im deutschen Bundesrat ist das Herzogtum mit einer Stimme vertreten und entsendet zum deutschen Reichstag zwei Abgeordnete (s. Karte »Reichstagswahlen«).

Mittleres Staatswappen von Sachsen-Meiningen.
Mittleres Staatswappen von Sachsen-Meiningen.

Das gewöhnlich geführte mittlere herzogliche Wappen zeigt einen quadrierten Hauptschild (mit den Wappen von Thüringen, Henneberg, Römhild und Meißen) und einen herzoglich gekrönten Mittelschild (mit dem grünen sächsischen Rautenkranz im schwarz-golden, zehnfach quergestreiften Feld) und ist mit der Herzogskrone bedeckt (s. die Abbildung). Die Landesfarben sind Grün und Weiß. Der Herzog verleiht einen Verdienstorden für Kunst und Wissenschaft, die Lebensrettungsmedaille und (in den höhern Klassen in Gemeinschaft mit den Herzogen von Sachsen-Koburg u. Gotha und Sachsen-Altenburg) den Ernestinischen Hausorden (s. d.). Außerdem bestehen noch Ehrenzeichen für treue Militärdienste (s. Verdienstmedaillen). Die Haupt- und Residenzstadt ist Meiningen.

[Geschichte.] Das Herzogtum S. entstand infolge des Rezesses, den der dritte Sohn Herzog Ernsts des Frommen, Bernhard (s. Bernhard 5), 9. Febr. 1681 mit seinem Bruder, Herzog Friedrich von Gotha, abschloß; dadurch erhielt er die hennebergischen Ämter Meiningen, Wasungen, Sand und Frauenbreitungen sowie die thüringischen Ämter Salzungen und Altenstein mit vollen Hoheitsrechten und die auf Koburg ruhende Reichstagsstimme. Auf Bernhard folgten 1706 seine drei Söhne Ernst Ludwig, Friedrich Wilhelm und Anton Ulrich, doch so, daß die jüngern dem ältesten die Regierung überließen. Als die Linien Koburg, Eisenberg und Römhild ausstarben, erhielt S. aus deren Erbe Römhild (zu zwei Dritteln), Neustadt, Sonneberg, Neuhaus und Schalkau. Nach Ernst Ludwigs Tode (1724) gelangten dessen Söhne Ernst Ludwig II. und Karl Friedrich zur Regierung unter der Vormundschaft ihrer beiden Oheime; doch starben Ernst Ludwig II. schon 1729, Karl Friedrich 1743 und Friedrich Wilhelm 1746, so daß die Herrschaft über S. Anton Ulrich (s. Anton 5) allein zufiel. Im Wasunger Kriege 1747 (s. Wasungen) mußte Anton Ulrich nachgeben, veranlaßte aber durch seine Hartnäckigkeit im Streite mit Koburg-Saalfeld über Römhild und Neustadt eine zweite Reichsexekution. Diese zwang ihn 1753 zur Herausgabe Neustadts und zur gemeinschaftlichen Verwaltung Römhilds.

Anton Ulrich starb 1763. Da seine Kinder aus erster Ehe 1747 für nicht erbberechtigt erklärt worden[397] waren, folgten ihm die Söhne aus zweiter Ehe mit Charlotte Amalie von Hessen-Philippsthal, Karl und Georg, unter der Vormundschaft ihrer Mutter. Als Karl 1782 starb, ward Georg alleiniger Herzog. Unter seiner trefflichen Regierung entwickelten sich die Kräfte und Hilfsquellen des Landes, im Oberland (Sonneberg) das Fabrikwesen, im Unterland der Ackerbau, besonders der Tabakbau in Wasungen. Bei weiser Sparsamkeit wurden die Schulden getilgt, die Prozesse mit den übrigen Linien durch Vergleiche beendet und durch Kauf, Tausch, Einlösung verpfändeter Güter und Heimfall von Lehen das Gebiet abgerundet. Noch kurz vor seinem Tode (1803) führte Herzog Georg die Primogenitur ein. Für seinen Sohn Bernhard Erich Freund (geb. 1800, s. Bernhard 6) führte dessen Mutter Eleonore von Hohenlohe-Langenburg bis 1821 die Vormundschaft. S. trat 1807 dem Rheinbund bei und ließ sein Kontingent (800 Mann) in Spanien, Tirol und Rußland kämpfen, schloß sich 1813 den Verbündeten an und ward 1815 ein Glied des Deutschen Bundes. Nach seinem Regierungsantritt gab Herzog Bernhard 25. Nov. 1823 eine ständische Verfassung. Als 1825 die Linie Sachsen-Gotha-Altenburg ausstarb, beanspruchte S., als vom nächstältesten Sohn Ernsts des Frommen abstammend, das ganze Erbteil, mußte sich aber im Teilungsvertrag vom 12. Nov. 1826 mit Hildburghausen, Saalfeld, Themar, Kranichfeld und Kamburg begnügen. Hierauf erhielt S. eine neue Verwaltungsorganisation und 23. Aug. 1829 eine neue landständische Verfassung. Die Hauptstreitfrage zwischen dem Herzog und den Ständen betraf die Domänen. Seit 1831 bezog der Herzog aus dem Ertrag der Domänen 200,000 Gulden, während der Rest der Landeskasse zufloß, aber 1846 überließ der Landtag dem Herzog gegen Übernahme gewisser Verbindlichkeiten die Verwaltung der Domänen. Dies erregte Unwillen, 1848 ward deshalb der Zustand von 1831 wiederhergestellt, aber trotz liberaler Reformen kam es zu Unruhen, die das Einschreiten bayrischer, sächsischer und weimarischer Truppen nötig machten.

Der demokratisch gesinnte Landtag von 1849 erklärte die Domänen für Staatseigentum und bewilligte dem Herzog nur eine feste Rente von 175,000 Gulden, dem Erbprinzen eine solche von 25,000 Gulden. Als aber der Landtag 4. Aug. 1849 den Beitritt zum Dreikönigsbündnis nicht genehmigte, ward er aufgelöst, und das Bündnis wurde nach einem Ministerwechsel ratifiziert. 1850 wurden ein Ablösungs- und ein Jagdgesetz erlassen, 1851 Geschwornengerichte eingeführt, 1853 das Wahlgesetz von 1848 durch ein ständisches ersetzt. Da in der Domänenfrage eine Einigung zwischen Regierung und Landtag nicht zu erzielen war, so wurde sie dem Oberappellationsgericht zu Dresden als Schiedsgericht zur Entscheidung überwiesen. Auf Grund der 1868 gemachten Vorschläge kam 1871 eine Einigung dahin zustande, daß vom Ertrag des steuerfreien Domanialvermögens der Herzog vorweg eine feste Rente von 230,000 Gulden erhalten, von dem Überschuß die Hälfte ihm, die Hälfte der Landeskasse zufallen solle.

Entgegen seiner Haltung 1849–50 hielt S. seit 1859 mehr zu Österreich als zu Preußen, protestierte 1862 gegen die Militärkonvention Koburg-Gothas mit Preußen, trat für die Rechte des Augustenburgers auf Schleswig-Holstein ein und stimmte 1866 in der 12. (Ernestinischen) Kurie allein für den österreichischen Mobilisierungsantrag vom 14. Juni; das meiningische Kontingent ging nach Mainz ab. Da der Herzog die preußische Bundesreform ablehnte, besetzten die Preußen im Juli Kamburg und 19. Sept. Meiningen selbst. Hierauf dankte Herzog Bernhard 24. Sept. ab. Sein Sohn, Herzog Georg (s. Georg 24), schloß 8. Okt. mit Preußen Frieden, trat dem Norddeutschen Bunde bei und schloß 1867 eine Militärkonvention mit Preußen, der zufolge das Kontingent von S. einen Teil des 95. Regiments bildet und in Meiningen selbst ein preußisches Regiment (Nr. 32) in Garnison steht. Die neuen Verhältnisse sowie die Zinsgarantie für die Werrabahn verursachten dem Land außerordentliche Ausgaben; um das Gleichgewicht in den Finanzen herzustellen, wurde 1868 die Verwaltung vereinfacht und das Steuerwesen um gestaltet. Die Landtagswahlen regelte 1873 ein neues Wahlgesetz. Ein Volksschulgesetz wurde 1875, eim Kirchengemeinde- und Synodalordnung 1876 erlassen. Das von der Landessynode beschlossene Kirchengesetz trat mit 17. Sept. 1895 ins Leben. Die am 11. Okt. 1892 und 23. Sept. 1895 erfolgte Geburt zweier Söhne (Georg und Ernst) des Prinzen Friedrich, dritten Sohnes des Herzogs Georg II., und die Erbfolgeordnung von 1896, welche die Kinder des Prinzen Friedrich aus seiner Ehe mit der Gräfin Adelheid zur Lippe-Biesterfeld für erbfolgeberechtigt erklärte, sichert vorläufig die Fortdauer der Dynastie, da der Erbherzog Bernhard (s. Bernhard 7) ohne männliche Nachkommen ist. Unter den 24 Landtagsabgeordneten waren 1906: 6 Sozialdemokraten. Infolge des Lotterieabkommens mit Preußen erhält S. von 1906 ab eine jährliche Rente von 105,000 Mk., wofür ausschließlich die preußische Lotterie im Herzogtum zugelassen ist. Leitender Staatsminister ist seit 1902 v. Ziller (s. d.). Vgl. Brückner, Landeskunde des Herzogtums Meiningen (Meining. 1853, 2 Bde.); Hertel, Kleine Landeskunde (Hildburgh. 1903); Güth, Poligraphia Meiningensis (hrsg. von Schaubach, Meining. 1861); v. Eelking, Geschichte des sachsen-meiningischen Kontingents (das. 1863); Kircher, Das Staatsrecht des Herzogtums S. (in Marquardsens »Handbuch des öffentlichen Rechts«, Bd. 3, Freiburg 1884); Goeckel, Das Staatsrecht des Herzogtums S. (Jena 1904); Sax, Die Hausindustrie in Thüringen, Heft 2. Das Meininger Oberland (2. Aufl., Jena 1885); Anschütz, Industrie, Handel und Verkehr im Herzogtum S. (Sonneberg 1904); die betreffenden Teile in Lehfeldts »Bau- und Kunstdenkmälern Thüringens« (Jena 1888 ff.); die »Schriften des Bereins für sachsen-meiningische Geschichte und Landeskunde« (1888 ff., Hildburgh.); »Hof- und Staatshandbuch für das Herzogtum S.«

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 395-398.
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