[283] Grossbritannien und Irland, Die Vereinigung der beiden brit. Inseln zu Anfang des 19. Jahrh. unter dem Namen des vereinigten Königreichs (united kingdom) war ein Ereigniß, dessen Folgen sich nicht sogleich entwickeln konnten, da der zerrüttete gesellschaftliche Zustand, in welchen Irland (s.d.) versanken war, eine Umwandlung foderte, die in einer stürmischen Zeit und von den politischen Grundsätzen und Vorurtheilen der herrschenden Partei in England (s.d.) sich nicht erwarten ließ. Die Irländer hatten mit der Aufopferung eines eignen Parlaments sich nur durch die Hoffnung versöhnt, daß die Katholiken, die drei Viertel der Bevölkerung von Irland bilden, die Rechtsgleichheit mit den zur Staatskirche sich Bekennenden erlangen würden, welche ihnen seit 1793 nur mit wesentlichen Beschränkungen zu Theil geworden war; aber noch eine lange Zeit sollte vergehen, ehe man anfing, die alte Schuld des Unrechts zu tilgen. Im Innern ruhiger, war das brit. Reich den großen Anstrengungen mehr gewachsen, welche der Kopf gegen Frankreichs Übermacht noch kostete. Die Briten hatten, während sie in Europa mit verhältnißmäßig geringen Streitkräften kämpften, seit 1799 ihre Macht in Ostindien (s.d.) unermeßlich ausgedehnt und verfolgten in den ersten Jahren des 19. Jahrh. mit Glück den Plan, die ganze ind. Halbinsel ihrer Herrschaft zu unterwerfen. Nach dem Frieden von Luneville (Febr. 1801) standen sie allein auf dem Kopfplatze gegen Frankreich. Ihre Gewaltthätigkeiten gegen die Schiffahrt der neutralen Staaten veranlaßten den nord. Bund zwischen Rußland, Dänemark, Schweden und Preußen, zur Beschützung der Rechte der Neutralen, den aber Paul I. Tod auflöste, ohne daß der Hauptgegenstand des Streits entschieden wurde. Die veränderten Verhältnisse auf dem europ. Festlande, die einer neuen Verbindung gegen Frankreich sich entgegenstellten, und die Volksstimmung in England führten 1801 zu Unterhandlungen mit Frankreich und im März 1802 wurde der Friede zu Amiens geschlossen, der Frankreich die verlorenen Colonien zurückgab und den Briten von ihren Eroberungen nur die span. Insel Trinidad und den holländ. Antheil von Ceylon zusprach. Die Unzufriedenheit des brit. Volks mit den Friedensbedingungen und neue Zwiste zwischen Frankreich und G., welche durch die von den Briten verweigerte Räumung der Insel Malta vermehrt wurden, entzündeten indessen im März 1803 einen neuen Krieg. Es gelang endlich 1805 den brit. Machthabern, an deren Spitze Pitt nun wieder stand, einen neuen [283] Bund zwischen Östreich und Rußland zu stiften, der aber durch Napoleon's Siege bei Ulm und Austerlitz aufgelöst ward, ehe aus ihm ein allgemeiner Krieg auf dem Festlande hervorgehen konnte, während die Briten durch den Sieg bei Trafalgar gegen die franz. und span. Seemacht (s. Nelson) ihre Meerherrschaft von Neuem befestigten. G. nahm an dem Kriege Preußens und Rußlands gegen Frankreich (1806–7) nur geringen Antheil, und erst nach der Eröffnung der Unterhandlungen zu Tilsit erschien eine brit. Flotte in der Ostsee, welche sich nun gegen Dänemark wendete, einen Theil von Kopenhagen verbrannte und die dän. Schiffe nach England führte. Kräftig unterstützten die Briten seit 1808 die Portugiesen und Spanier durch Geld, Kriegsvorräthe und Hülfsvölker gegen Frankreich, eroberten mehre franz. Colonien in Westindien und den größten Theil der ion. Inseln, aber an dem großen Kampfe Östreichs gegen Frankreich (1809) nahmen sie nur durch den Seezug gegen Walcheren Antheil, der unrühmlich endigte. Die Gemüthskrankheit des Königs führte 1811 zur Einsetzung einer Regentschaft, welche das Parlament dem Prinzen von Wales übertrug. Während die Briten auf der pyren. Halbinsel tapfer und oft glücklich gegen Frankreich kämpften, erweckte der 1812 ausgebrochene Krieg gegen Rußland die Hoffnung, den Zweck ihrer Anstrengungen gegen Frankreichs Übermacht zu erreichen; aber sie nahmen an dem neuen Bunde, der sich 1813 auf dem Festlande bildete, nur durch Hülfsgelder wirksamen Antheil. Der gleichzeitig durch Handelseifersucht entzündete Krieg gegen die Vereinigten Staaten von Nordamerika, welcher der brit. Seemacht empfindliche Verluste zuzog und durch die Verbrennung von Washington einen dunkeln Fleck auf den Kriegsruhm der Briten warf, hinderte nicht die Anstrengungen auf dem Festlande, und während die Verbündeten über den Rhein gegen Paris zogen, drangen die Briten unter Wellington in Frankreich ein und schlossen den gemeinschaftlichen Frieden, in welchem sie Frankreich nach der Wiederherstellung des Hauses Bourbon fast alle Colonien zurückgaben und nur das Vorgebirge der guten Hoffnung, einige holl. Colonien in Amerika, die Insel Malta und die Schutzherrschaft über die ion. Inseln erhielten; aber zu gleicher Zeit verstärkten sie durch die Eroberung der ganzen Insel Ceylon ihre Macht in Asien, die in den nächsten Jahren so sehr erweitert wurde, daß das brit. Reich auf der ind. Halbinsel bis an den Indus und die Grenzen Tibets reichte, und ohne die Bevölkerung der Bundesstaaten gegen 80 Mill. Einwohner zählte. Nach dem Siege bei Waterloo, den die Briten nur durch die kräftige Unterstützung des preuß. Heeres erkämpften, ergab sich ihnen Napoleon, im Vertrauen auf brit. Großmuth, im Jul. 1815. Er starb als brit. Gefangener auf St.-Helena. Auch mit Amerika hatte G. 1814 zu Gent Frieden geschlossen. Es trat aus dem langen Kampfe mit einer Schuldenlast, welche mehr als die Summe vierzigjähriger Einkünfte betrug.
Nach dem Frieden wurde Sparsamkeit im Staatshaushalte und eine friedliche Politik gegen das Ausland Grundsatz der Verwaltung, um den Wohlstand des Volks wiederherzustellen. Dennoch entstand, sobald die übrigen europ. Staaten wieder an dem Welthandel Antheil nahmen und auch im Innern derselben alle Gewerbszweige einen kräftigen Aufschwung nahmen, eine Stockung in dem brit. Gewerbbetriebe, welche die Fabrikarbeiter in große Bedrängnisse versetzte. Misernten steigerten die Noth, und die Mängel des Besteuerungssystems traten grell hervor, als die 1816 von dem Parlament gegen die Absichten der Regierung durchgesetzte Aufhebung der Einkommensteuer die Last fast ausschließend auf die arbeitende Volksclasse und den Verbrauch der ersten Lebensbedürfnisse legte. In mehren Fabrikbezirken Englands entstanden im Jahre 1819 drohende Unruhen, welche von den Radicalen (den heftigern Anhängern der politischen Partei, die schon lange auf eine verbesserte Einrichtung der Parlamentswahlen gedrungen hatte), zur Aufregung des Volks benutzt ward. Es wurden Versammlungen gehalten, die so weit gingen, Mitglieder für ein neues Parlament zu wählen, und in Manchester kam es zu gefährlichen Bewegungen, gegen welche die Regierung die Waffengewalt mit einer Strenge anwendete, die ihr den Vorwurf einer Verletzung der gesetzlichen Formen zuzog. Diese Aufregung bewog die Machthaber, deren Seele damals Castlereagh (s. Londonderry) war, dem Parlament 1819 einige außerordentliche Maßregeln vorzuschlagen, welche auf fünf Jahre als gesetzliche Verfügungen angenommen wurden. Heimliche Waffenübungen und selbst der Besitz von Waffen wurden verboten, die Freiheit Volksversammlungen zu halten ward Beschränkungen unterworfen, die dieses alte Recht der Briten fast aufhoben, auf kleine Flugschriften der drückende Zeitungsstempel gelegt, die Strafdrohung gegen Schmähschriften und die Verbreitung aufrührischer Schriften geschärft und das herkömmliche gerichtliche Verfahren bei geringern Vergehungen durch Aufhebung einiger schützenden gesetzlichen Formen beschleunigt. Die Gefahren aber, die weniger aus einem revolutionnairen Gährungsstoffe als aus dem drückenden Mangel hervorgegangen waren, verschwanden, als die Abgabenlast etwas erleichtert und durch vermehrten Absatz der Manufacturwaaren in das Ausland, besonders nach dem span. Amerika, die Lage der Fabrikarbeiter verbessert ward. Als nach dem Tode Georg III. sein Sohn Georg IV. im Jahre 1820 den Thron bestiegen hatte, kam seine von ihm getrennt lebende Gemahlin nach England zurück, um ihre Rechte als Königin in Anspruch zu nehmen, und Misgriffe und Leidenschaftlichkeit auf beiden Seiten führten zu dem Ärgernisse einer öffentlichen Anklage der Königin, durch welche alle Rücksichten gegen fürstl. und Frauenehre schmählich verletzt wurden und die Unzufriedenen einen neuen Vereinigungspunkt erhielten. Die Volksstimmung wurde so lebhaft aufgeregt, daß die Minister die Anklage fallen ließen. Der plötzliche Tod der Königin (1821) löste die Verwickelung. Es traten aber immer mehr die Zeichen einer Zerrüttung in den innern Verhältnissen des Staats hervor. Die große Masse des Volks war in den brit. Inseln aus allem Antheil an dem Grundeigenthume verdrängt worden. Dieses war durch die Begünstigung, die das engl. Gesetz bei der Vererbung des Grundeigenthums dem ältesten Sohne gewährt, und besonders durch den Druck der Kriegslasten in verhältnißmäßig sehr wenige Hände gekommen. Es gibt in England, außer der Geistlichkeit und den Gemeinden, welche sich in ungefähr 10,000 geschlossene Güter theilen, nur 20,000 Grundeigenthümer und fast gar keinen selbständigen Bauernstand, sondern nur Zeitpachter, deren ein einziger reicher Grundherr mehr als 500 hat; doch hat man in neuern Zeiten dem Übel durch Einführung langer Pachtungen entgegengewirkt, von deren Vortheilen man sich in Niederschottland so sehr überzeugt [284] hat, daß es dort fast gar keine Pachtungen auf Kündigung gibt. In Schottland (s.d.) war das ursprünglich gemeinschaftliche Besitzthum der Stammgenossen seit der Aufhebung der alten Clanverfassung (1748) immer mehr auf das Haupt des Stammes übergegangen, in Irland aber trat das Misverhältniß noch auffallender hervor, da man im 16. und 17. Jahrh. die durch Druck und Treulosigkeit erregten Aufstände mit der Verdrängung der alten Besitzer bestraft und ihr Grundeigenthum unter einige engl. Familien vertheilt hatte. Man mußte dort selbst Zeitpachtern das Stimmrecht bei den Parlamentswahlen geben, um Wahlberechtigte zu finden. In England und Irland erhob überdies die Geistlichkeit der bischöflichen Kirche den Zehnten von dem Ertrage fast alles Grundeigenthums. Bei diesem Misverhältnisse brachte das Sinken der Getreidepreise und der erhöhte Geldwerth, den die 1820 aufgehobene Beschränkung der Baarzahlung der Banken bewirkt hatte, die Zeitpachter in England und Irland dem Verderben nahe, da sie nicht mehr im Stande waren, ihre Pachtbedingungen zu erfüllen. In Irland entstand nach einer Misernte Hungersnoth. Im schot. Hochlande vertrieben mehre Grundherren im Jahre 1820 viele Urbewohner aus ihren Wohnsitzen, um den Boden als Schaftriften zu benutzen. Die Lage der Ackerbauer erweckte lebhafte Besorgnisse, aber das Übergewicht der Grundherren war zu mächtig, als daß man in einer gerechten Vertheilung der Abgaben die Abhülfe des Übels gesucht hätte; Niemand wagte es, das nahe liegende Mittel, eine Herabsetzung des Pachtzinses in Verhältniß zu dem erhöhten Geldwerthe, vorzuschlagen, sondern indem man durch Einfuhrzölle auf fremde Zufuhr die Getreidepreise hinaustrieb, wälzte man die Last auf den zweiten Haupttheil der Volksmasse, die Fabrikarbeiter, die das Brot theurer bezahlen mußten, damit die Pachter ihre Zinsen bezahlen konnten, und nur einige Grundherren setzten freiwillig den Pachtzins herab. Die Bedrängnisse der Pachter wurden durch diese. Mittel erleichtert; aber in Irland, wo die Anbauer des vielfach getheilten Bodens den größten Theil der Volksmasse bilden, dauerte die Noth fort; immer war eine oder die andere Gegend der Insel in Aufstand und rohe Banden führten einen blutigen Krieg gegen Grundherren, Zwischenpachter und Friedensrichter.
Während die Briten mit ihren innern Angelegenheiten beschäftigt waren, brachen in mehren Ländern Europas neue Aufstände aus und die Mächte des Festlandes verabredeten Maßregeln, um diese Bewegungen zu unterdrücken. Die brit. Regierung leugnete im Allgemeinen das von andern Mächten behauptete Recht, sich in die innern Angelegenheiten selbständiger Staaten einzumischen und blieb parteilos; nur an den Bewegungen in Portugal (s.d.) nahm sie 1826 durch ein Hülfsheer einen nähern Antheil, um die neue Verfassung zu schützen, und zur Beruhigung Griechenlands (s.d.) schloß sie am 6. Jul. 1827 mit Frankreich und Rußland einen Vertrag, in Folge dessen die Befreiung Griechenlands endlich herbeigeführt wurde. Die Briten schlossen mit den von der span. Herrschaft abgefallenen südamerik. Staaten, deren Unabhängigkeit sie 1825 förmlich anerkannten, Verträge und Bündnisse, die den brit. Handel und den Weltverkehr überhaupt erweiterten und ihnen einen vorherrschenden Einfluß auf die Verhältnisse jener Staaten gaben. Gleichzeitig entstand eine wesentliche Veränderung in dem brit. Handelssystem, indem die alten strengen Gesetze gegen den Handel der Ausländer nach den brit. Inseln durch die Aufhebung mehrer drückender Abgaben gemildert wurden und der erste Schritt zu einer allgemeinen Handelsfreiheit geschah. Vergebens aber suchte Canning (s.d.), der diese wohlthätigen Umwandlungen leitete, durch eine im Geiste der Handelsfreiheit entworfene Milderung der Gesetze über die Getreideeinfuhr die Lage der Fabrikarbeiter sicherzustellen. Zwar geschah Manches zur Abhülfe einiger anerkannten Mängel der Verwaltung, wozu besonders die seit 1822 durch Peel (s.d.) begonnene Vereinfachung einiger Theile der Strafgesetzgebung gehörte; aber immer lauter' wurde das Verlangen nach einer gründlichen Tilgung alter Misbräuche, welchem die 1828 unter dem Herzog von Wellington (s.d.) an das Ruder gekommenen Tories um so weniger zu widerstehen vermochten, je mehr es ihrer Verwaltung gleich anfangs an Kraft und Einheit. gebrach. Drohend foderten die Katholiken in Irland, die in der durch O'Connell (s.d.) geleiteten, über die ganze Insel zerstreuten katholischen Association entschlossene Wortführer hatten. die lange verweigerte Rechtsgleichheit. Die Tories sahen sich durch diese Bewegungen zu Zugeständnissen gedrängt. Die alten Gesetze, welche die Zulassung zu Staats- und Gemeindeämtern an einen Glaubenseid banden (s. England), wurden 1828 aufgehoben, und 1829 gelang es Wellington und Peel, gegen den Widerstand der starren Tories, den Katholiken in G. und Irland das volle Staatsbürgerrecht und die Aufhebung aller politischen Beschränkungen, durch welche sie noch von mehren Staatsämtern und von dem Parlament ausgeschlossen waren, zu verschaffen.
Endlich ward auch die seit einem halben Jahrhundert so oft erfolglos verlangte Verbesserung der alten Wahlgesetze im Unterhause in Antrag gebracht, welche die Tories vergebens zu verhindern suchten. Als nun 1830 Wilhelm IV. den Thron bestiegen hatte, wurde das Verlangen nach Verbesserungen der Verfassung und Verwaltung immer lauter, und die großen Bewegungen auf dem europ. Festlande blieben auf den brit. Inseln nicht ohne Einfluß. Wie in Irland ward in England die Volksmasse aufgeregt und der Pöbel verübte Gewaltthätigkeiten, die das Eigenthum bedrohten; besonders erregten die Brandstiftungen in der Grafschaft Kent große Besorgnisse. Graf Grey trat 1830 an die Spitze der Verwaltung, die aus den einflußreichsten Gliedern der Whigpartei bestand, welche Ersparung in allen Zweigen des Staatshaushalts und Verbesserung der Wahlformen als das erste Ziel ihrer Bestrebungen ankündigten. Die Hauptmängel des alten, im Laufe der Zeit durch eingeschlichene und beharrlich geschützte Misbräuche dem ursprünglichen Geiste der Verfassung entfremdeten Wahlsystems bestanden darin, daß die Vertheilung der 658 Mitglieder des Unterhauses, von welchen 513 von England und Wales, 45 in Schottland und 100 in Irland gewählt wurden, sowol in Hinsicht auf das Verhältniß der Bevölkerung der Grafschaften und der Städte, als auch auf das Grundeigenthum sehr ungleich war. Ursprünglich ruhte das Stimmrecht bei den Parlamentswahlen auf dem Grundeigenthum. Jeder Freisasse, der von seinem Lohn einen jährlichen Ertrag von 40 Schillingen zog, konnte an den Wahlen Theil nehmen. Die Zahl der Wähler aber war in den Grafschaften, deren jede zwei Abgeordnete in das Unterhaus schickte, sehr verschieden und in einigen das Grundeigenthum einzelner Familien so ansehnlich, daß sie allein einen [285] und oft beide Abgeordneten ernannten und so war es allmälig dahin gekommen, daß etwa 11,000 Personen die Hälfte aller Abgeordneten für England und Wales wählten. Noch greller erschien das Misverhältniß in Schottland, wo die 30 Abgeordneten der Grafschaften von ungefähr 2770 Grundbesitzern gewählt wurden, da hier nur die wenigen unmittelbaren Lehnleute der Krone stimmberechtigt waren, und überdies konnte bei dem Verkaufe von Gütern das Stimmrecht von dem wirklichen Besitze des Landeigenthums getrennt werden. Die Abgeordneten der Hauptstädte der Provinzen Englands und der mit städtischer Freiheit begabten Orte (boroughs) waren ursprünglich die Vertreter der gewerblichen Interessen, und in frühern Zeiten war es ein Recht des Königs, sie in das Parlament zu berufen. Viele dieser Orte aber verloren durch Nichtgebrauch ihr Recht, das sie als eine kostspielige Last betrachteten, wogegen selbst viele verfallene und verödete Orte (rotten boroughs) fortdauernd berufen wurden. Selbst in mehren größern Städten war die Zahl der Wähler sehr gering und diese Wenigen standen unter dem Einflusse einzelner aristokratischer Familien, sodaß zwölf Familien allein über 100 Sitze im Parlament zu verfügen hatten. Mehre große, erst in neuern Zeiten durch Gewerbsamkeit emporgekommene Städte mit mehr als 100,000 Einwohnern, wie Manchester, Leeds, Birmingham, und viele mit 10–40,000 Einwohnern waren ohne allen Antheil an der Repräsentation. Mit den wenigen, von unabhängigen Wählern besetzten Parlamentsstellen wurde gewöhnlich, trotz aller Verbote, ein schmählicher Handel getrieben, und wenn solche Gesetzwidrigkeiten entdeckt wurden, fanden sie leicht Schutz bei der herrschenden Aristokratie, welche Misbräuche nicht gern antasten ließ, die ihr einen überwiegenden Einfluß auf die Verwaltung sicherten. Daher der heftige Widerstand der Torypartei gegen die Parlamentsreform, die aber endlich nach einigen Veränderungen des ursprünglichen Entwurfs durch die Beharrlichkeit der neuen Machthaber und die unerschütterliche Haltung der Mehrheit des Unterhauses am 7. Jun. 1832 als Staatsgesetz verkündigt wurde, welchem bald ähnliche Wahlgesetze für Schottland und Irland folgten. Diese große Maßregel brachte die Wahlen mehr als früher in die Hände der Mittelclasse des Volks, indem sie die Zahl der Wähler vermehrte, den verödeten Orten ihr Wahlrecht nahm und es den größern, nicht vertretenen Städten verlieh, die Repräsentation der größern Grafschaften verstärkte und die frühere Ungleichheit der Wahlberechtigung in den Städten aufhob.
Das nach dem neuen Wahlgesetze ernannte Parlament ward im Febr. 1833 eröffnet, und wichtige Angelegenheiten nahmen seine Thätigkeit in Anspruch. Der Freibrief der ostind. Handelsgesellschaft (s. Ostindien), der im Jahre 1814 mit einigen Beschränkungen ihres Alleinhandels war erneuert worden, erlosch im Jahre 1834 und das Parlament entschied, daß der Theehandel mit China nicht mehr Monopol der Handelsgesellschaft sein, sondern allen Briten freigegeben werden sollte und aus allen Häfen ostwärts von dem Vorgebirge der guten Hoffnung Thee nach den brit. Inseln eingeführt werden dürfte. Die Herrschaft der Handelsgesellschaft in Ostindien aber soll unter der Oberaufsicht der brit. Regierung bis 1854 fortdauern, und sollte ihr dann die Verwaltung des ostind. Gebiets genommen werden, so sind die Actieninhaber berechtigt, die Auszahlung ihres Capitals zu fodern oder die Dividende noch 20 Jahre lang von der Regierung zu beziehen, die nach Ablauf jener Zeit die Rente ablösen kann. Nicht minder wichtig war für das brit. Colonialsystem die bedingte Freilassung der Negersklaven in den amerik. Colonien, eine nothwendige Folge der seit 1807 von dem Parlament entschiedenen Abschaffung des Negerhandels, welche die brit. Regierung seitdem durch Unterhandlungen zu einer allgemeinen europ. Maßregel zu machen bemüht war. Nach dem im Jun. 1833 gegebenen Gesetze erhielten vom 1. Aug. 1834 an alle Sklaven in Westindien ihre Freiheit und den Eigenthümern der Pflanzungen ward eine Gesammtentschädigung von 20 Mill. Pf. St. bewilligt. Größere Schwierigkeiten begleiteten die Aufgabe, den zerrütteten Zustand Irlands zu heilen, wo es immer mehr hervortrat, daß die Emancipation der Katholiken allein die Wurzel des Übels, an welchem das Land litt, nicht hatte ausrotten können. Katholiken und Protestanten verweigerten die Zehnten, und die Aufhebung der Union zwischen G. und Irland wurde von einer Partei verlangt, der O'Connell die Unterstützung seines mächtigen Einflusses lieh, um wenigstens die Abhülfe gerechter Beschwerden zu erlangen. Nach der Absicht der Regierung sollte der Zehnten in eine Grundsteuer verwandelt und die Zahl der Bischöfe vermindert werden; als aber die Nothwendigkeit einer eingreifenden Veränderung der kirchlichen Verhältnisse Irlands immer mehr hervortrat, entstand über die Verwendung des für die Bedürfnisse der protestantischen Kirche überflüssigen Kirchenguts zu allgemeinen Bildungszwecken ein Zwiespalt unter den Ministern, welcher die Ausscheidung einiger Mitglieder der Verwaltung im Jun. 1834 zur Folge hatte, wodurch das Ministerium bedeutend geschwächt wurde. Im nächsten Monat legte auch Lord Grey das Ruder nieder, das Lord Melbourne erhielt, der aber bei den fortdauernden Verhandlungen über die Angelegenheiten der irländ. Kirche den heftigsten Widerstand der Tories erfuhr, welche die Interessen des Protestantismus gegen die Minister aufzuregen suchten. Eigennützige Beweggründe leiteten ihre Schritte, da die mächtigen Grundherren in Irland wie in England in den reich begabten Kirchenpfründen eine Versorgung für ihre jüngern Söhne finden. Es gelang dem Einflusse dieser Partei im Nov. 1834, die Minister zu verdrängen und es ward eine neue, aus heftigen und gemäßigten Tories gemischte Verwaltung gebildet, an deren Spitze Peel und Wellington standen, die aber gleich nach der Eröffnung des Parlaments im Febr. 1835 entschlossene Gegner fand, und als die Mehrheit des Unterhauses den Grundsatz angenommen hatte, der dem Parlamente das Verfügungsrecht über das Kirchengut zusprach, legten die Tories ihre Stellen nieder, und im Mai ernannte der König ein neues Ministerium unter Lord Melbourne und Lord John Russell. Die Regierung, durch die Radicalen verstärkt, ging auf dem Wege der Reformen fort und eine ihrer nächsten wichtigen Aufgaben war die Verbesserung der Gemeindeverfassung in den Städten Englands und Schottlands, um den Bürgern den thätigen Antheil an der Verwaltung des städtischen Vermögens, der ihnen im Laufe der Zeit von den sich selbst ergänzenden Gemeinderäthen war entrissen worden, und das Wahlrecht zurückzugeben. Trotz dem Widerstande der Tories wurde der Gesetzentwurf der Minister mit einigen Veränderungen durchgesetzt; heftiger aber entzündete sich der Kampf, als 1836 ein ähnliches Gesetz [286] auch für die Städte Irlands gegeben werden sollte. Der von dem Unterhause angenommene Gesetzentwurf wurde von der überwiegenden Mehrheit des Oberhauses in seinen Grundsätzen völlig umgewandelt, und das Haus der Gemeinen wies die verlangten Veränderungen im Jun. 1836 zurück. Diese Angelegenheit und ein Plan zur bessern Anordnung der Zehnten in England wurden in der Sitzung im Jahre 1837 von der Regierung wieder vor das Parlament gebracht, fanden jedoch abermals im Oberhause Widerstand. Immer mehr trat nun der längst vorbereitete Zwiespalt zwischen beiden Parlamentshäusern hervor, der durch einen Vergleich über diese Streitfrage wol einstweilen gestillt, aber nicht geschlichtet werden kann, und schon wurden mehre Stimmen laut, die das Heilmittel nur in einer Reform des Oberhauses fanden.
Am 20. Jun. 1837 starb König Wilhelm IV. und ihm folgte auf dem Throne von England Alexandrine Victoria (s.d.), die Tochter des 1820 verstorbenen Herzogs von Kent, welcher der vierte Sohn König Georg III. war. Der wichtigste, diese Thronveränderung begleitende Umstand ist die Abtrennung des Königreichs Hanover (s.d.) von der Krone Englands.
Das Königreich England hat auf 2400 ! M. über 13 Mill. Einw., bestand in alten Zeiten aus sieben kleinen Königreichen und zerfällt in 40 Grafschaften (Shires). Zum Königreich Essex gehören die Grafschaften Middlessex und Essex. In der ersten liegt die Haupt- und Residenzstadt Lon don (s.d.), ferner Chelsea, ein Dorf dicht bei London, mit 32000 Einw., einem Militairhospital für die Invaliden, einem Militairwaisenhause, einer Wasserkunst für London, einem botanischen Garten und einer Anstalt zur Bildung junger Seeleute. In Essex liegt die Stadt Colchester mit 16,000 Einw. und einem Hafen, sowie Harwich mit 14,000 Einw., ein Flecken mit einem Hafen, aus dem regelmäßig Dampfboote nach Holland und Deutschland abgehen. Das alte Königreich Kent bildet gegenwärtig die Grafschaft Kent. In dieser liegt Canterbury (s.d.); das durch seinen 800 F. langen Hafendamm und seine Bäder bekannte Ramsgate auf der Insel Thanet; Rochester mit 12000 Einw. am bis hierher für Linienschiffe fahrbaren Fluß Medway und mit der Themse durch einen Kanal verbunden; Deptford in der Nähe von London, mit 24,000 Einw. und bedeutenden Schiffswerften, durch eine Häuserreihe mit Greenwich (s.d.) verbunden. Das alte Königreich Sussex zerfällt in die Grafschaften Sussex und Surrey. In jener liegt Chichester mit 8000 Einw., welches einen Hafen und Nähnadelfabriken hat; Brighton, ein stark besuchter Badeort mit einem kön. Palast; Hastings mit 10,000 Einw., wo 1066 die Schlacht geschlagen wurde, welche Wilhelm den Eroberer zum König von England machte. In Surrey liegen Southwark und Surrey, beide Stadtviertel von London. Das alte Königreich Westsex besteht aus sieben Grafschaften. In Hampshire oder Southampton liegen Winchester, das einen prachtvollen Dom und 9000 Einw. hat; Southampton, an einem Arme des Meeres, mit 20,000 Einw. und einem Hafen, in einer reizenden Gegend, dem Garten Englands; Portsmouth (s.d.). Zu Dorset gehören mehre kleinere Orte; zu Devon die Hafenstadt Exeter mit 28,000 Einw., einem großen Dom und vielen Fabriken; Plymouth (s.d.), in dessen Nähe der Leuchtthurm von Eddystone (s.d.). Zu Cornwall gehören die Scillyinseln und die Stadt Falmouth mit 11,000 Einw. an einem Hafen, aus dem regelmäßig Packetboote nach Spanien, Portugal und Amerika abgehen. Somerset enthält außer Taunton mit 9000 Einw. die große Handelsstadt Bristol am Einfluß des Avon in die Mündung des Severn. Es hat über 100,000 Einw., Fabriken aller Art und reiche Kohlenbergwerke. Die erste Anlage der Stadt fällt in die ältesten Zeiten, ja es ist behauptet worden, daß der Ort schon 400 Jahre v. Chr. Geburt bestanden haben soll. Im 11. Jahrh. wurde zu Bristol ein Markt für den Sklavenhandel gehalten; seine größte Blüte verdankt es aber der Schiffbarmachung des Avon im Anfang des vorigen Jahrhunderts. Es hat verschiedene ausgezeichnete Gebäude, unter denen die Gerichtshalle, das neue Kaufhaus, der Bazar und das Rathhaus zu nennen. Eine schöne Hängebrücke gehört zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Gleichfalls am Avon liegt in einer reizenden Gegend das schöngebaute Bath, mit stark besuchten, ehemals schon von den Römern benutzten heißen Quellen und 38,000 Einw. In Wiltshire liegt Salisbury oder New-Sarum am Avon mit 10,000 Einw. und einem Dome, den der höchste Thurm in England ziert; in Berkshire Reading mit 15,000 Einw. und bedeutenden Fabriken, sowie Windsor an der Themse, das nur 5000 Einw., aber mehre ansehnliche Gebäude, namentlich ein kön. Schloß hat. Das alte Königreich Ostangeln zerfällt in die Grafschaften Suffolk, Norfolk und Cambridge. Zu der ersten gehört Ipswich mit 20,000 Einw., einem Hafen, Schiffswerften und starkem Getreide- und Viehhandel; zu der zweiten die von 60,000 Einw. bevölkerte Stadt Norwich, welche einen schönen Dom und ausgezeichnete Baumwollenwebereien hat, sowie die durch Seebäder und Handel wichtige Hafenstadt Yarmouth mit 21,000 Einw.; zu der dritten endlich die Universitätsstadt Cambridge (s.d.). Das Königreich Mercia bilden 19 Grafschaften. Gloucester, in der gleichnamigen Grafschaft, hat 12,000 Einw. und sehr bedeutende Stecknadelfabriken. In der Grafschaft Oxford liegt die berühmte Universitätsstadt Oxford (s.d.), in Buckingham, außer der gleichnamigen Stadt, der durch seine Schulanstalten berühmte Flecken Eaton. In den Grafschaften Hertford, Bedford, Huntingdon, Lincoln, Nottingham, Derby, Hereford, Monmouth, Worcester, Stafford, Leicester, Northampton, Warwick liegen die Städte gleichen Namens. Die Stadt Nottingham hat 50,000 Einw. und die wichtigsten Strumpffabriken; Derby 23,000 Einw. und ausgezeichnete Seidenmühlen. Leicester mit 36,000 Einw. ist der Mittelpunkt der in der Grafschaft stark gepflegten Strumpfwirkerei. In der Grafschaft Warwick liegt auch Birmingham (s.d.). Chester in Chestershire hat 20,000 Einw., einen Hafen, lebhaften Handel und starken Verkehr mit Irland. In der Umgegend von Stockport mit 26,000 Einw. sind 50,000 Webstühle in Thätigkeit. Macclesfield mit 24,000 Einw. ist Mittelpunkt der Seidenfabrikation und hat überdies bedeutende Fabriken von Metallwaaren. In Shrop- oder Salopshire liegt am Severn Shrewsbury mit 22,000 Einw. und Fabriken von Flanell und wollenen Tüchern. In der Grafschaft Stafford sind 60,000 Menschen mit Fabrikation von Steingutwaaren beschäftigt, deren Mittelpunkt Burslem mit 12,000 Einw. ist. Hauptstadt von Rutlandshire ist das kleine Oakham. Das Königreich Northumberland besteht aus sechs Grafschaften. [287] Die Stadt York (s.d.) in Yorkshire gilt als die zweite Stadt Englands. In derselben Grafschaft liegt auch Hull mit 50,000 Einw., die wichtigste Handelsstadt im nördl. England, welche besonders mit Hamburg in lebhaftem Verkehr steht, sowie Leeds mit 90,000 Einw., eine ungemein thätige Fabrikstadt, Hauptsitz der engl. Tuchfabrikation. Zu Durham gehört außer der Stadt gleichen Namens der Mittelpunkt des Steinkohlenhandels: Sunderland mit 35,000 Einw. In der Grafschaft Northumberland zeichnet sich aus Newcastle mit 50,000 Einw., weil es nach London und Liverpool den bedeutendsten Handelshafen hat. In den nahegelegenen Steinkohlengruben sind über 36,000 Menschen beschäftigt und werden jährlich über 40 Mill. Ctr. Kohlen gewonnen. Bedeutende Städte in Cumberland sind Carlisle mit 20,000 Einw. und berühmten röm. Alterthümern, und Whitehaven mit 17,000 Einw. an der irischen See. Die Kohlenwerke bei dieser Stadt sind die bedeutendsten, welche es gibt. In dem gebirgigen Westmoreland ist nur Kendal mit 10,000 Einw. und verschiedenen Fabriken von Bedeutung. Reich an ansehnlichen und gewerbthätigen Städten ist dagegen Lancashire. Außer dem durch seinen Handel nach Westindien wichtigen Lancaster mit 12,000 Einw., außer Manchester und Liverpool (s.d.) sind Preston mit 30,000, Wigan mit 20,000, Bolton mit 28,000, Oldham mit 32,000, Blackburn mit 27,000, Rochdale mit 15,000 Einw., unter andern als wichtige Fabrikstädte, besonders für Baumwollenwaaren, zu nennen.
In dem durchaus gebirgigen Fürstenthume Wales leben auf 350 ! M. ungefähr 800,000 Menschen. Es besteht aus den Grafschaften: Flintshire, Denbigshire, Llanwrest, Caernarvonshire, Merionetshire, Cardiganshire, Pembrokeshire, Caermarthenshire, Glamorganshire, Brecknockshire, Radnorshireund Montgomeryshire. Von Städten sind nur zu erwähnen: Pembroke mit 5000 Einw., welches die Hauptstadt von ganz Wales ist, und an dem 1000 Schiffe fassenden schönen Milfordhafen liegt, von dem aus lebhafter Handel getrieben wird; sowie Caermarthen mit 9000 Einw., der Hauptort von Südwales, in welchem viele Eisen- und Seilerwaaren verfertigt werden; endlich Swansea mit 13,000 Einw. und einem Hafen, von dem aus die Ergebnisse der Kohlen- und Eisengruben versandt werden.
Das Königreich Schottland enthält 1460 ! M. und ungefähr 2,400,000 Einw. Es wird in das Niederland und das Hochland oder in Süd-, Mittel- und Hochschottland getheilt, welche zusammen 33 Grafschaften oder Stewartries umfassen. Die Namen derselben sind in Südschottland: Midlothian, Westlothian oder Linlithgow, Eastlothian oder Haddington, Berwick oder Merse, Tevioddale oder Roxburgh, Selkirkshire, Tweeddale oder Peeblesshire, Dumfries, East-Galloway oder Kirkcudbright, West-Galloway oder Wigtown, Ayrshire, Lanark oder Clydesdale, Renfrew, Stirling, Klackmannanshire, Fife, Kinroß, Dumbarton oder Lennoxshire, Buteshire; in Mittelschottland: Inverary oder Argyle mit der Halbinsel Kantyre, Perthshire, Angus oder Forfarshire, Mearns oder Kinkardineshire, Aberdeen, Banff, Elgin oder Murrayshire, Nairn; in Nordschottland: Inverneß, Roß, Cromartyshire, Sutherland, Caithneß und die Orkneys. Edinburg (s.d.), die Hauptstadt von Schottland, liegt in Midlothian; ebendaselbst das lebhafte Leith mit 27,000 Einw., nur eine Viertelstunde von Edinburg, deren Hafenplatz es bildet. In Dumfries liegt das bekannte Gretnagreen (s.d.). Eine gewerbthätige Stadt mit 18,000 Einw. ist Kilmarnock in Ayrshire. Zu Lanark gehört das große Glasgow (s.d.). Paisley in Renfrew hat 31,000 Einw. und eine reich bevölkerte Umgebung, sowie ungemein thätige Fabriken. In derselben Grafschaft liegt die Hafenstadt Greenock mit 27,000 Einw. und vielen Fabriken, die Hauptstation für Dampfschiffe. Bedeutende Damastfabriken hat Dunfermline mit 17,000 Einw. in Fife. Eine gleichfalls sehr gewerbthätige Stadt ist die alte Residenz der schot. Könige: Perth mit 20,000 Einw. in Perthshire; ferner Dundee mit 32,000 Einw. und einem Hafen in Angus, und Aberdeen mit 32,000 Einw. in der gleichnamigen Grafschaft, eine Universitäts- und bedeutende Handelsstadt. Inverneß, die Hauptstadt der Hochlande, zählt 15,000 Einw., hat einen befestigten Hafen und starken Handel. Aus den Seestädten Schottlands gehen jährlich eine große Anzahl von Schiffen auf den Herings- und andere auf den Walfischfang.
.Das Königreich Irland zählt 1300 ! M. und gegen 7,800,000 Einw. Die vier Provinzen desselben zerfallen wieder in 32 Grafschaften. In der Provinz Leinster liegen die Grafschaften Dublin, Wicklow, Wexford, Kilkenny, Carlow oder Catherlagh, Kildare, Queenscounty oder Grafschaft der Königin, Kingscounty oder Grafschaft des Königs, East-Meath, West-Meath, Longford, Louth; in der Provinz Ulster: Cavan, Monaghan, Armagh, Down, Antrim, Londonderry, Donegal oder Tyrconnel, Tyrone, Ferma nagh; in der Provinz Connaught: Leitrim, Sligo, Mayo, Roscommon, Galway; in der Provinz Munster: Clare, Tipperary, Waterford, Limerick, Kerry, Cork. Die volkreichsten Städte sind: Die Hauptstadt Dublin (s.d.), Kilkenny mit 28,000 Einw., Drogheda in Louth mit 20,000 Einw. an dem nach ihr benannten Kanale, die Hafenstädte Galway mit 32,000 Einw., Waterford mit 34,000 Einw. und bedeutenden Fabriken, Limerick mit 70,000 Einw. Die zweite Stadt in Irland ist das gut gebaute Cork mit 115,000 Einw., zahlreichen Fabriken und bedeutendem Handel, nebst einem ausgezeichnet schönen Hafen.
Unter den kleinern Inseln, die am zahlreichsten an der westl. Küste Englands und Schottlands vertheilt sind, zeichnen sich aus: a) die Gruppe der meist unbewohnten Scillyinseln, die berühmten Zinninseln oder Cassiteriden der Alten; b) die Insel Wight (9 ! M.) an der Südküste Englands, mit einem milden Klima und vortrefflichem Getreide; c) die Gruppe der Orcaden oder Orkneys (s.d.); d) die Shetlandinseln (s.d.); e) die Hebriden (s.d.) an der Westküste Schottlands; f) die Inseln Arran und Bute vor der Mündung des Clyde; g) die Insel Man (s.d.) im irischen Meere; h) die Insel Anglesea (vor Zeiten Mona), durch den Menaykanal, über welchen eine Hängebrücke (s. Brücken) führt, von Wales getrennt, dicht bewaldet, mit reichen Kupferminen und vielen Druidendenkmalen aus der Vorzeit; i) die an der Küste der Bretagne liegenden normannischen Inseln Guernsey, Jersey (s.d.), Sarke und Alderney. Die europ. Nebenländer des brit. Reichs sind: a) die [288] 1814 von Dänemark an England abgetretene Insel Helgoland (s.d.) in der Nordsee; b) die Inseln Malta (s.d.), Gozzo und Comino (8 ! M.) mit 120,000 Einw., eine Hauptstation für die brit. Schiffe im mittelländ. Meere mit vortrefflichen Häfen, seit 1800 von den Engländern besetzt; c) das Vorgebirge Gibraltar (s.d.) mit der berühmten Festung an der Südspitze Spaniens (1/4 ! M.). Die außereurop. Besitzungen Britanniens sind a) in Nordamerika: die Inseln an der Hudsonsbai, die Inseln Neufundland, Neuschottland, Cap Breton, Neubraunschweig, Ober- und Untercanada, Albion und die Bermudasinseln; b) in Westindien (s.d.) mehre bedeutende Colonien, unter welchen Jamaica, Trinidad und die Bahamainseln die wichtigsten sind; c) in Südamerika das brit. Guiana (s.d.) und die 1834 von den Briten besetzten Falklandsinseln; d) in Asien die bedeutenden, meist seit der Mitte des 18. Jahrh. erworbenen Besitzungen der ostind. Compagnie (s. Ostindien), theils unmittelbar unterworfene Gebiete, theils Schutzstaaten; ein Flächenraum von 50,000 ! M. und die Insel Ceylon (s.d.); e) in Afrika Senegambien, mehre Punkte der Küste Guinea, die Insel St.-Helena (s.d.), die ehemals franz. Insel Mauritius (Isle de France) (s.d.), und seit 1806 das Vorgebirge der guten Hoffnung (s. Cap); f) in Australien seit 1787 große Theile von Neuholland, die Vandiemensinsel und andere Eilande, zusammen gegen 7000 ! M. Unter brit. Schutze steht seit 1814 die ionische Republik und der brit. Lord Obercommissar ist Anführer der Kriegsmacht und Präsident des Senats.
Der Boden der brit. Hauptinseln ist überall, wo nicht Sümpfe oder Gebirge vorherrschend sind, fruchtbar, das Klima feucht und die Luft nebliger als auf dem europ. Festlande; aber der Winter beiweitem nicht so kalt als in vielen südlichern Ländern; nur im schot. Hochlande ist das Klima rauh, die Luft aber sehr rein. Zu den wichtigsten Erzeugnissen der Inseln gehören Getreide (vorzüglich in England und Schottland), trefflicher Hopfen, Farbekräuter, Obst, zu Cyder benutzt, Rindvieh in trefflichen Racen, Schafe, sowol Merinos als seine langwollige, Pferde von trefflichem, sehr veredeltem Stamme, vorzüglich in England, Fische, besonders Heringe bei den nördl. Inseln und Lachse in Schottland, Austern (an der Küste von England), Eisen, besonders in Wales, seines Zinn, besonders in Cornwall und Devonshire, Kupfer, Steinkohlen und Salz.
Das Englische ist die auf den Inseln vorherrschende Sprache, welche, seit auch in Irland und Schottland die Schulen sich vervielfältigt haben, sich unter allen Volksclassen immer mehr verbreitet. In Wales ist die Volkssprache ein Überrest der alten brit., im schot. Hochlande und auf den Hebriden galisch, im schot. Niederlande ein aus dem angelsächs. entstandener, durch Verkehr mit Engländern vielfach veränderter Dialekt, in Irland das Irische; auf den Shetlandinseln herrscht die nordische Mundart, und die Bewohner der norman. Inseln sprechen ein verdorbenes Französisch. In England und Irland ist die herrschende Kirche die engl. (s.d.), obgleich die Mehrzahl der Irländer Katholiken sind. Auch in England gibt es viele Katholiken, besonders in den Landschaften Lancaster, York, Stafford und Northumberland. In Schottland ist die presbyterianische Kirche, welcher 900,000 Bewohner des Landes angehören, seit dem 17. Jahrh. nach einem langen Kampfe die herrschende geworden und steht unter einer selbständigen Verwaltung. (S. Schottland.) Alle nicht zur engl. Kirche gehörenden protestantischen Parteien werden unter dem Namen Dissenters begriffen. Die zahlreichsten unter ihnen sind die Baptisten, die Methodisten, die Mennoniten, die Independenten, die Unitarier. Die meisten engl. Missionen, die sich über die ganze Erde verbreiten, sind von den Dissenters ausgegangen, und erst in neuern Zeiten hat auch die anglicanische Kirche thätigen Antheil an denselben genommen. Die Einkünfte der anglicanischen Kirche in England und Irland sind sehr bedeutend, und belaufen sich allein in England und Wales auf 50 Mill. Thlr., wogegen die gesammte schot. Geistlichkeit nur etwas über 300,000 Thlr. bezieht.
Obgleich die Pflege der Wissenschaften den Briten sehr viel verdankt, so sind doch die höhern Unterrichtsanstalten noch nicht frei von vielen Mängeln und Gebrechen. In England sind neben den beiden alten reichbegabten Universitäten Oxford und Cambridge, welche bei vielen Überresten mittelalterlicher Einrichtungen für eine allgemeine wissenschaftliche Bildung bisher nicht vollkommen wirksam sein konnten, in der neuesten Zeit zwei höhere Lehranstalten in London von Privatpersonen gestiftet worden, von welchen eine, die London University, besonders dazu bestimmt war, den in Oxford und Cambridge geltenden Beschränkungen entgegenzuwirken, nach welchen nur Anhänger der bischöflichen Kirche Antheil an den Stiftungen haben. Die vier schot. Universitäten, Edinburg, Glasgow, St.-Andrews und Aberdeen haben eine freisinnigere, der auf deutschen Hochschulen ähnliche Einrichtung, und haben für die Pflege der Wissenschaften bedeutend gewirkt. Irland hat nur eine reich ausgestattete Universität, Dublin, die unter dem ausschließenden Einflusse der herrschenden anglicanischen Kirche steht. Eine höhere Lehranstalt zur Bildung der irländ. Katholiken ist das von der Regierung gestiftete Collegium zu Mayooth. Außer den Universitäten gibt es noch eine große Anzahl von Collegien, besonders in England, welche die Vorbildung zu den Hochschulen geben, aber hinsichtlich der Lehrweise den ähnlichen deutschen Anstalten weit nachstehen. Für die meisten Zweige der Wissenschaften gibt es eigne Anstalten, besonders für die Arzneiwissenschaft. Lehranstalten zur Bildung von Seeleuten gibt es in Portsmouth und Plymouth; eine vorzügliche Kriegsschule ist in Woolwich. Für die Bildung der Beamten der ostind. Compagnie wird durch das 1806 errichtete East India College gesorgt. Auf die Verbesserung der Volksschulen hat man in England erst in neuerer Zeit mehr Aufmerksamkeit, besonders durch Einführung des wechselseitigen Unterrichts gewendet, wogegen sie in Schottland schon im 17. Jahrh. weit besser eingerichtet waren und auf die Volksbildung wohlthätig wirkten. In Irland ist der Volksunterricht am meisten zurückgeblieben, und erst in der neuesten Zeit hat die Regierung sich bemüht, denselben zu heben. Es gibt zahlreiche Gelehrtenvereine aller Art auf den brit. Inseln, welche für die Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse bedeutend gewirkt haben. Eine wohlthätige. Frucht der neuern Zeit sind die zahlreichen Privatvereine, die den Zweck haben, die gewerbtreibende Classe mit den für ihren Beruf wichtigen Ergebnissen wissenschaftlicher [289] Forschung bekannt zu machen und sie im Allgemeinen auf eine höhere geistige Stufe zu erheben.
In England, und so auch in Irland und Schottland, gibt es drei Stände, hoher Adel (nobility), niederer Adel (gentry) und Bürgerstand; wiewol nach engl. Gesetzen eigentlich nur zwei Stände bestehen, der Adel, unter welchem blos der hohe Adel oder der Herrenstand verstanden wird, und die Gemeinen, zu welchen auch der niedere Adel gehört. Der Adel ist unter den Briten nicht so scharf von den übrigen Ständen geschieden, als in andern Ländern, wo ihm Geburt und Ahnen Vorzüge geben. Es gibt nicht viel alte Familien unter dem Adel und ein großer Theil desselben ist aus dem Bürgerstande hervorgegangen. Die eigenthümliche Stellung des engl. Adels beruht darauf, daß die Adelswürde eines Geschlechts mit dem Stammgut immer nur auf den ältesten Sohn oder in Ermangelung männlicher Erben auf die älteste Tochter übergeht, oder nach Erlöschung der geraden Linie auf männliche oder weibliche Seitenverwandte. Die nachgeborenen Söhne treten in Beziehung auf ihre staatsbürgerlichen Verhältnisse in den Bürgerstand und führen daher auch den ursprünglichen Familiennamen ihres Geschlechts, wenn sie nicht einen besondern Titel erhalten. Die Titel und Würden des hohen Adels sind: Herzog, Marquis, Graf (Earl), Viscount (Vicomte), Baron, die sämmtlich Lord (Herr) genannt werden. Der Grafentitel ist der älteste in England. Herzoge gab es erst seit Eduard III. im 14. Jahrh. und sie gelten für die erste Adelswürde im brit. Reiche. Der Titel Marquis entstand unter Richard II., Viscount unter Heinrich VI. Früher war der Titel Baron allgemein unter dem hohen Adel und jeder hatte neben einem höhern Range auch eine Baronie; später aber wurden beide Titel trennbar. Der älteste Sohn, der Erbe der Adelswürde, führt bei des Vaters Lebzeiten den eigentlichen Geschlechtsnamen des Hauses, sowie die nachgeborenen Söhne und Töchter, wiewol er im gemeinen Leben Lord genannt wird. Nur wenn das Haupt der Familie außer der ersten noch eine andere Adelswürde hat, z.B. der Herzog Marquis oder Viscount ist, erhält der Erbe während des Vaters Lebzeit diesen zweiten Titel. In Schottland und Irland gibt es dieselben Würden des hohen Adels, wo er, als beide Länder noch Parlamente besaßen, dieselben politischen Rechte genoß, die dem engl. hohen Adel zustehen. Seit der Vereinigung beider Reiche mit England haben sich diese Verhältnisse geändert. Den hohen Adelswürden folgte zunächst der Titel Baronet und Ritter, welche zu dem niedern Adel gerechnet werden; beide haben die Auszeichnung, daß sie das Wort Sir vor den Tauf- und Geschlechtsnamen, nicht aber blos vor den Geschlechtsnamen setzen, z.B. Sir Walter Scott, und sie werden wol auch blos mit dem Taufnamen, z.B. Sir Walter, bezeichnet. Die im J. 1611 eingeführte Baronetswürde ist nach dem Rechte der Erstgeburt erblich. Der niedere Adel besteht übrigens nach der Bedeutung des Wortes im gemeinen Leben aus Allen, welche nicht von gemeinem Gewerbe leben. Zu dem Bürgerstande gehören eigentlich alle Landeigenthümer, deren Gut einen gewissen jährlichen Ertrag gewährt, alle Handwerker und Tagelöhner. Die Zahl der mittlern freien Grundeigenthümer ist verhältnißmäßig gering, und der Landbesitz drängt sich immer mehr in wenige Hände zusammen. Aus dem Stande der ehemaligen freien Grundbesitzer welche ihre Güter selbständig innehatten, mochten sie davon Kriegs- oder Hofdienste zu leisten haben, sind die jetzigen Freisassen (freeholders) entstanden; im 17. Jahrh. aber wurden alle Dienste, mit Ausnahme der kirchlichen und der Hofdienste, abgeschafft. Aus den frohnpflichtigen Gutsunterthanen sind die jetzigen Zinsbauern (copyholders) entstanden.
Die oberste Staatsgewalt ist zwischen dem König und dem Parlament getheilt. Die kön. Gewalt hat noch die Zeichen ihres Ursprungs aus der altdeutschen Volksverfassung. Die Krone wird vererbt nach dem Rechte der Erstgeburt auf die Söhne und in deren Ermangelung auf die Töchter, welche den männlichen Seitenverwandten des letzten Königs vorgehen. Bei gänzlicher Ermangelung' einer Nachkommenschaft gelangen die Seitenverwandten des letzten Königs zur Thronfolge, wobei die weiblichen Verwandten der ältern Linie den männlichen der jüngern vorgehen, aber unter Geschwistern kommen immer die Söhne zuerst zum Thron. Der König ist mit dem 18. Jahre volljährig. Die Regentschaft während der Minderjährigkeit ordnet der König in seinem Testamente an, oder wenn dies nicht geschehen ist, so wird über sie vom Parlamente verfügt. Der Thronerbe führt den Titel Prinz von Wales. Die dem König besonders bewilligten Einkünfte bilden die Civilliste. Der König ist nach den brit. Gesetzen unverletzlich und über persönliche Verantwortlichkeit erhaben; daher es einer der Grundsätze des brit. Staatsrechts ist, daß der König kein Unrecht thun kann, und die Verantwortlichkeit ruht allein auf seinen verfassungsmäßigen Rathgebern, den Ministern. Die kön. Gewalt ist vielfach durch das Parlament beschränkt, das seine erste Grundlage schon in der Zeit der Angelsachsen erhielt. Im 14. Jahrh. wurde die Trennung der Stände in zwei Häuser, das Haus der Lords und das Unterhaus oder das Haus der Gemeinen, zu einer bleibenden Einrichtung. Die hohe Geistlichkeit vereinigte sich mit dem weltlichen Herrenstande, den Lords, und die Ritterschaft mit den Städten. Das Haus der Lords oder das Oberhaus besteht gegenwärtig aus den kön. Prinzen, aus den engl. Erzbischöfen und Bischöfen und vier irländ. Bischöfen, aus den Peers (Pairs) des vereinigten Königreichs, welche mit dem 21. Jahre vermöge ihrer Geburt zur Reichsstandschaft gelangen, und aus 16 schot. und 28 irländ. Lords, welche aus dem hohen Adel dieser Länder gewählt werden, überhaupt aus ungefähr 420 Mitgliedern. Die schot. Pairs werden für jedes Parlament, die irländ. aber auf Lebenszeit gewählt. Die Zahl der weltlichen Lords ist nicht beschränkt und der König hat das Recht, sie zu jeder Zeit beliebig zu vermehren. Das Unterhaus besteht seit der Reformbill von 1832 aus 658 Mitgliedern und zwar 500 Abgeordneten für England und Wales, 53 für Schottland und 105 für Irland. Die Abgeordneten werden seit Anfang des 18. Jahrh. auf sieben Jahre gewählt. Sowol die Stimmberechtigung als die Wahlfähigkeit wird durch bestimmte Einkünfte bedingt. Richter, Geistliche, gewisse Kronbeamten oder Pensionsempfänger sind nicht wahlfähig, auch die Verwaltungsbeamten der Grafschaften (Sheriffs) und die Vorsteher der Stadtgemeinden (Mayors) nicht in ihrem Amtsbezirke. Die Wahlart ist ziemlich gleich in Grafschaften und Städten. Am Wahltage dürfen in der Nähe des Wahlorts, im Umkreise von zwei Meilen, keine Truppen sich befinden. Die Bewerber um die erledigte Stelle treten auf und werden in Gegenwart des Wahlbeamten [290] genannt. Sind Nebenbuhler da, so wird durch Handaufheben gestimmt; doch kann jeder Freund eines Bewerbers einzelne Abstimmung (poll) fodern, wenn jene ihm nicht genügt. Grafschaften und Städte sind in Bezirke getheilt, mit besondern Pollplätzen, und der Poll darf nur zwei Tage dauern. Nach dem Schlusse des Polls verkündigt der Wahlbeamte. das Ergebniß der Wahl. Der Gewählte ist Repräsentant der Gemeinen des vereinigten Königreichs G. und Irland, nicht der Abgeordnete des besondern Orts, für welchen er seinen Sitz hat. Der König hat das Recht, das Parlament zu berufen, zu vertagen und vor Ablauf der verfassungsmäßigen siebenjährigen Dauer aufzulösen. Die kön. Minister haben nicht als solche das Recht, im Parlament zu sitzen, wenn sie nicht entweder Pairs sind oder als Abgeordnete in das Unterhaus gewählt werden. Jedes Mitglied hat das Recht, Vorschläge zu machen und alle Verhandlungen beruhen auf einem Antrage, der gewöhnlich vorher von Demjenigen angekündigt wird, der ihn machen will. Wer nicht zugegen ist, verliert im Unterhause seine Stimme, die Mitglieder des Oberhauses aber können durch Bevollmächtigte stimmen. Die Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen ist Herkommen, nicht Gesetz. Die Geschäfte des Parlaments bestehen in einer umfassenden Vorsorge für alle Bedürfnisse des Staats. Das Parlament kann Gesetze erlassen, verändern oder verbessern. Die Verhandlungen können in dem einen oder dem andern Hause anfangen, nur müssen alle Finanzangelegenheiten zuerst vor das Unterhaus gebracht werden. Ohne Bewilligung des Parlaments können keine Steuern erhoben werden. Eine jährliche Bewilligung des Hauses der Gemeinen ist nöthig, um die Land- und Seemacht in der Stärke zu erhalten, die für jedes Jahr bestimmt ist, und durch dieses und andere Rechte des Parlaments ist die jährliche Sitzung desselben nothwendig geworden. Es gilt als Regel, daß kein Minister im Amte bleiben kann, der nicht die Mehrheit im Parlamente hat. Sind beide Häuser des Parlaments über einen Beschluß einig geworden, so wird der Gesetzvorschlag oder die Bill dem König vorgelegt, der ihn entweder durch die altherkömmliche Formel: »Der König will es« genehmigt oder mit den Worten: »Der König wird sich bedenken« ablehnt; doch hat der König seit der Revolution (1688) von dem Verwerfungsrecht nie Gebrauch gemacht, weil die Minister, so lange sie die Mehrheit haben, die der Regierung misfälligen Beschlüsse zu verhüten wissen. Das Oberhaus ist zugleich der oberste Gerichtshof des Landes, und in bürgerlichen Streitsachen gehen an dasselbe Nichtigkeitsklagen gegen die Aussprüche der obern Gerichte von England, Schottland und Irland. Tritt das Unterhaus als Ankläger gegen Personen, z.B. Staatsbeamte auf, so steht dem Oberhause die Entscheidung zu und es werden dabei alle Formen des Criminalprocesses beobachtet. Es kann aber auch jedes Haus im Wege der Gesetzgebung jede Art von Strafen beschließen; nur muß ein solcher Beschluß von beiden Häusern angenommen werden und die Zustimmung des Königs erhalten.
Die oberste berathende Behörde ist der geheime Rath, welcher aus den vom König in beliebiger Anzahl ernannten Personen besteht, doch versammeln sich die Mitglieder nur auf besondere Einladung. In den meisten Sachen ist der geheime Rath nur berathend, in den Angelegenheiten der Colonien aber bildet er die höchste richterliche Behörde. Die eigentliche Regierung ist in den Händen des Cabinets oder des Ministeriums. Zum Cabinet gehören gewöhnlich außer andern Beamten die Staatssecretaire für das Innere, für die auswärtigen Angelegenheiten, für das Kriegs- und Colonialwesen, und der Kanzler der Schatzkammer als Finanzminister. Die Zahl und die Wahl der Mitglieder des Cabinets ist allein vom König abhängig. Das Amt des Oberschatzmeisters wird jetzt von fünf Lords versehen, unter welchen einer, der erste Lord der Schatzkammer, als erster Minister betrachtet wird. Die Staatseinnahme belief sich für 1836 auf 48,453,000 Pf. St. und es ward ein Überschuß für 1837 über die Ausgaben von 385,000 Pf. St. berechnet. Ein großer Theil der Einnahme wird für die Zinsen der Staatsschuld verwendet, welche durch die Kriege im 18. und 19. Jahrh zu einer Summe von mehr als 780 Mill. Pf St. angewachsen ist. Der beiweitem größte Theil der Staatsgläubiger sind Briten und nur ein sehr kleiner Theil der Staatsschuldscheine ist in den Händen von Ausländern.
Es ist eine aus der frühern Zeit übergegangene Eigenheit der britischen Verfassung, daß ein großer Theil der Verwaltungsangelegenheiten in den Händen der Gemeinden selbst ist und die Staatsregierung weit weniger leitend und bevormundend eingreift, als in andern Ländern. In den Grafschaften steht der Sheriff an der Spitze der Verwaltung. Er leitet die Parlamentswahlen und läßt die Beschlüsse der Gerichte vollziehen. In den Städten leiten die Angelegenheiten der Gemeinde der Mayor und die ihm zugeordneten Aldermen oder Ältesten. Die Policeigewalt und mehre bedeutende Zweige der Verwaltung liegen in den Händen der vom König ernannten Friedensrichter. (S. Friedensgerichte.) Für die Rechtspflege bestehen drei Oberbehörden, das Oberlandgericht (Court of common pleas) für die Rechtsstreitigkeiten der Unterthanen untereinander, das Oberhofgericht (Cort of king's bench), welches Friedensbrüche und gröbere Vergehungen richtet, und der Lehnshof (Cort of exchequer) für kön. Kammer- und Lehnsgefälle. Jedes dieser Gerichte hat einen Oberrichter und drei Räthe. Neben ihnen besteht noch die Reichskanzlei (Court of chancery), an welche verschiedene Rechtssachen, z.B. Vormundschaftssachen, Concurse u.s.w. ausschließend gewiesen sind. Die zwölf Mitglieder der Obergerichte reisen jährlich zweimal durch alle Grafschaften, um über peinliche und bürgerliche Rechtssachen zu entscheiden. Eine Eigenthümlichkeit der brit. Rechtspflege sind die Geschworenengerichte (s.d.).
Die brit. Landmacht beträgt über 90,000 M., worunter 74,000 M. Fußvolk sind, und die Ausgaben für das Heer, die Artillerie und die Seemacht belaufen sich jährlich auf mehr als 12 Mill. Pf. St. Das stehende Heer wird durch Werbungen ergänzt Die Offizierstellen sind käuflich, doch sind in neuern Zeiten mehre wohlthätige Beschränkungen dieses Misbrauchs eingetreten. Außer dem Heere gibt es in dem brit. Reiche eine Miliz, die zur Zeit des Kriegs zur Vertheidigung des Landes aufgeboten wird. Die Seemacht besteht aus 557 Kriegsschiffen mit 17,000 Matrosen und 9000 Seesoldaten. Die Matrosen werden geworben, im Nothfall aber auch zum Dienst gezwungen. Matrosen, die zum Dienen unfähig geworden sind, werden in dem prächtigen Hospital zu Green wich (s.d.) verpflegt. Die Flagge [291] des vereinigten Königreichs besteht aus drei Kreuzen, roth, weiß und blau.
Kein europ. Land steht auf einer so hohen Stufe der Betriebsamkeit als das brit. Reich. Die wichtigsten Industriezweige sind: Baumwollenfabriken, die vorzüglich in England und Schottland blühen; Leinwandmanufactur in Irland; Wollenfabriken vorzüglich in England, aber auch in Schottland; Seidenmanufacturen besonders in England; Eisen- und Stahlwaaren von hoher Vortrefflichkeit in England, vorzüglich in Sheffield und Birmingham und in den Eisenwerken am Carron in Schottland; Bijouteriewaaren in England; Töpferwaaren besonders in der engl. Grafschaft Stafford, wo sie durch Wedgwood (s.d.) vervollkommnet wurden; vortreffliche Krystallwaaren in England; Lederwaaren in England und zum Theil in Schottland und Irland. Der brit. Handel ist im Innern des Landes durch keine Hemmung beschränkt. In keinem Lande gibt es einen so bedeutenden Umsatz von Rohstoffen für den innern Verkehr. Die Ausfuhr brit. Erzeugnisse geht nach allen Ländern der Welt, und zu dem hohen Schwung, den der Handel genommen hat, trägt vorzüglich die günstige Lage der zahlreichen brit. Colonien bei. Die Handelsmarine wird zu mehr als 24,000 Fahrzeugen mit 160,000 Seeleuten gerechnet und der Gesammtwerth derselben auf 26 Mill. Pf. St. angeschlagen. Die Ausfuhr einheimischer Erzeugnisse wird auf 50–60 Mill. Pf. St. berechnet, und sowol bei dem Einfuhr- wie bei dem Ausfuhrhandel sind weit mehr brit. als fremde Schiffe beschäftigt. Unter den Handelsgesellschaften ist die ostind. die wichtigste, ungeachtet der Beschränkungen, die sie in neuern Zeiten erfahren hat. Unter den übrigen Handelsvereinen sind auszuzeichnen die Südseegesellschaft, die Hudsonsbaigesellschaft, die westind. und afrikan. Gesellschaft. Zur Belebung und Förderung des Handels tragen besonders auch die Banken bei, deren es außer der großen londoner Bank mehre in Irland und Schottland gibt. Der Binnenhandel wird sowol durch vortreffliche Heerstraßen, als durch ein ausgedehntes Kanalsystem, Dampfschiffahrt und Eisenbahnen befördert. Kein Land hat so viele und schöne Kanäle als G. und fast alle sind Meisterstücke der Wasserbaukunst. Alle Hauptkanäle, zu welchen der Bridgewaterkanal, der Grand-Trunk-, der Regentkanal, Grand-Junction-Kanal gehören, sind untereinander verbunden und setzen die wichtigsten Handelsstädte, London, Liverpool, Manchester, Hull, Bristol, in Verbindung. Unter den schot. Kanälen ist der caledonische der bedeutendste, welcher den Murraybusen an der Ostküste durch eine Reihe von Seen mit dem atlant. Meere verbindet. Zu den bedeutendsten Kanälen in Irland gehören diejenigen, welche Dublin mit dem Hauptfluß der Insel, dem Shannon, verbinden. Unter den engl. Eisenbahnen ist die großartigste die Bahn zwischen Liverpool und Manchester; eine neue, die London, Birmingham und Bristol verbindet, ist der Vollendung nahe. Auch in Schottland und Irland sind in neuester Zeit mehre Eisenbahnen entworfen und angefangen worden.
Buchempfehlung
Die neunzehnjährige Else erfährt in den Ferien auf dem Rückweg vom Tennisplatz vom Konkurs ihres Vaters und wird von ihrer Mutter gebeten, eine große Summe Geld von einem Geschäftsfreund des Vaters zu leihen. Dieser verlangt als Gegenleistung Ungeheuerliches. Else treibt in einem inneren Monolog einer Verzweiflungstat entgegen.
54 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro