Lübeck [2]

[757] Lübeck (hierzu der Stadtplan nebst Kärtchen »Gebiet der Freien und Hansestadt Lübeck«, mit Registerblatt), Hauptstadt des gleichnamigen Freistaates, einst Haupt des Hansabundes, an der Mündung der Wakenitz und des Elbe-Travekanals in die Trave gelegen, bildet den Knotenpunkt der Eisenbahnen Eutin-L., L.-Büchen, L.-Hamburg, L.-Travemünde und L.-Schlutup sowie der Linie L.-Strasburg der Mecklenburgischen Friedrich Franz-Bahn und besteht aus der eigentlichen Stadt und drei Vorstädten.

Wappen von Lübeck.
Wappen von Lübeck.

Der alte Wall zwischen der Trave und dem frühern Stadtgraben ist seit 1802 zu Promenaden umgeschaffen, zum Teil abgetragen worden. Die Straßen der innern Stadt sind meistens breit und freundlich, gut gepflastert und kanalisiert. Der in der Mitte der Stadt liegende Marktplatz sowie der Klingenberg sind mit sehenswerten Brunnenmonumenten geschmückt. Auf dem Geibelplatz erhebt sich ein schönes, dem Dichter Emanuel Geibel 1889 errichtetes Denkmal, auf dem Bahnhofsvorplatz ein solches für den Fürsten Bismarck (errichtet 1903). Die Häuser der innern Stadt haben meist ein altertümliches Aussehen und zeigen oft reiche architektonische Ornamente, doch gibt es auch zahlreiche Gebäude im modernen Stil. Unter den öffentlichen Gebäuden stehen die Kirchen voran. Namentlich ist die Marienkirche, 1163–70 gegründet (der jetzige Bau stammt aus den Jahren 1276–1310), eine der schönsten frühgotischen Kirchen Deutschlands. Sie ist 102 m lang, 56,7 m breit und hat zwei 124 m hohe Türme, drei Schiffe (das mittlere 38,5 m hoch), mehrere sehenswerte Kapellen (darunter eine mit berühmtem Totentanz, ursprünglich im 15. Jahrh. auf Holz gemalt, 1701 in jetziger Gestalt auf Leinwand übertragen) und Grabdenkmäler, einen Hochaltar (1697 von Th. Quellinus gearbeitet) und eine Kanzel von schwarzem Marmor, eine Anzahl von Meisterwerken der ältern deutschen Skulptur, ein künstliches Uhrwerk (von 1565), Gemälde von Overbeck (Einzug Christi in Jerusalem und die berühmte Grablegung Christi), von Mostaert (1518) und Orley sowie eine vorzügliche Orgel. Die Domkirche, 1173 gegründet und im 14. Jahrh. um die Hälfte vergrößert, mit zwei 120 m hohen Türmen, enthält schöne Sarkophage, wertvolle Kunstschätze, darunter ein treffliches Altarbild von Memling (von 1491), und eine neue Orgel (seit 1893). Die Jakobikirche (vor 1227 gegründet), mit einem schlanken, 96,5 m hohen Turm, und die Petrikirche (vor 1170 gegründet), mit einem durch vier Nebenspitzen gezierten Turm von fast 87 m Höhe, enthalten ebenfalls sehenswerte Kunstdenkmäler. Erwähnung verdienen nach die Ägidienkirche, mit 76,5 m hohem Turm, sowie die nicht mehr zum Gottesdienst benutzte schöne Katharinenkirche. Die St. Jürgenkapelle (von 1645) ist von geringerm Umfang, aber ansprechendem Stil.

Unter den weltlichen Gebäuden ist besonders das Rathaus, ein großes, aus roten und schwarzen verglasten Backsteinen zu verschiedenen Zeiten errichtetes Gebäude, bemerkenswert; es ist im Innern neuerdings einem durchgreifenden Umbau unterworfen (schönes Treppenhaus). Unter dem Rathaus befindet sich der schon im 13. Jahrh. angelegte Ratsweinkeller, ein interessantes Bauwerk mit hohen, seit 1900 durch den Ausbau des sogen. Germanistenkellers fast verdoppelten Gewölben, von Einheimischen und Fremden viel besucht. Die Kriegsstube im Rathaus sowie das Fredenhagensche Zimmer (im Hause der Kaufmannschaft) enthalten sehenswerte Schnitzwerke aus Holz und Alabaster. Ein zierlicher Bau aus dem 13. Jahrh. ist das Hospital zum Heiligen Geist, mit alten Malereien und kunstvollen Schnitzaltären. Beachtung verdienen ferner das Holstentor von 1476 und das Burgtor sowie das Haus der Schiffergesellschaft. In dem 1893 vollendeten Museumsgebäude sind die wertvollen, der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit gehörenden Sammlungen vereinigt, nämlich das Museum Lübeckischer Kunst- und Kulturgeschichte, die Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer, das Gewerbemuseum, das Naturhistorische Museum, das Handelsmuseum und die Sammlung von Gemälden, Kupferstichen und Gipsabgüssen (vgl. die Schrift »Das Museum zu L.«). Von Interesse sind noch das neue Schlachthaus mit der Quarantäneanstalt, das städtische Wasserwerk, die Markthalle, das Elektrizitätswerk, das neue Gerichtsgebäude und das Gebäude der Landesversicherungsanstalt der Hansestädte. Die Einwohnerzahl bezifferte sich 1904 mit der Garnison (Infanterieregiment L. 3. Hanseatisches Nr. 162 und Stab der 81. Infanterie-Brigade) auf ca. 91,300 Seelen, meist Evangelische. Die Industrie umfaßt folgende Hauptzweige: Branntweinbrennereien, Bier- und Essigbrauereien, Zigarren- und Zigarettenfabriken und Seifensiedereien, Konserven-, Weißwarenfabriken, Konditoreien, Eisengießereien, Blechemballagen-, Emaillierwerke, Maschinen- und Schiff- und Baggerbauanstalten, Ziegeleien, Portefeuille-, Galanteriewaren- und Mineralwasserfabriken, Fabriken für Präzisions- und hygienische Apparate sowie mehrere bedeutende Säge- und Hobelwerke und die hochentwickelte Fischindustrie. Bei weitem wichtiger aber sind Handel und Schiffahrt. L. ist ein bedeutender Speditionsplatz für die Ostsee und vermittelt in großartigem Maßstab den Handel zwischen Hamburg und dem Innern Deutschlands einer- und den Ostseeküsten anderseits. Nach dem Eintritt der Stadt in den Zollverein (1868) sowie infolge der Ausdehnung ihres Eisenbahnnetzes hat der Handel bedeutend zugenommen. Die Einfuhr betrug:

Tabelle

Die Einfuhr zur See belief sich 1903 auf 83,006,585, die Ausfuhr auf 173,011,867 Mk. Die wichtigern Einfuhrartikel sind: aus Rußland Getreide, Butter, Eier, Holzwaren, Pottasche, Teer, Petroleum, Hanf und Hanföl, Kupfer, Talg; aus Schweden Bauholz, Bretter, Eisen, Kupfer, Stahl; aus Preußen Getreide, Spirituosen, Käse; aus Dänemark Getreide, Fettwaren, Ölsamen, Butter; aus Großbritannien Steinkohlen, Steingut, Roh- und Stangeneisen, Eisenwaren, Leinöl; aus Frankreich Wein, Spirituosen; aus Nordamerika Petroleum etc. Von hervorragendster Bedeutung ist die Einfuhr von Bau- und Nutzholz aus dem Norden. Die Schiffahrt Lübecks geht größtenteils nach europäischen Ländern, vornehmlich nach Schweden, Dänemark und Rußland, dann nach Großbritannien, Preußen und Frankreich. Es kamen an: [757]

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Dampfschiffahrtsverbindung wird durch regelmäßige Fahrten nach verschiedenen Orten der russischen, schwedischen, dänischen und schleswig-holsteinischen Küste unterhalten, besonders nach Kopenhagen, Malmö, Gotenburg, Stockholm, Kalmar, Helsingfors, Wasa, Abo, Hangö, Wiborg, Riga, Reval, Petersburg, Stettin, Königsberg, Danzig, den Rheinhäfen etc. Die die Wasserverbindung zwischen L. und der Ostsee vermittelnde Trave ist seit 1878 mit bedeutendem Kostenaufwand bis zur Stadt selbst auf 7,5 m vertieft worden (bis spätestens 1912 soll die Tiefe 8,5 m erreichen), so daß infolgedessen schon jetzt die größten Seeschiffe an die Stadt gelangen können. Die Hafenanlagen haben in den letzten Jahren großartige Erweiterungen erfahren, an denen im Anschluß an den 1900 vollendeten Bau des Elbe-Travekanals noch fortgesetzt gearbeitet wird. Die lübeckische Reederei ist in starkem Aufschwung begriffen. Während sie noch 1901 nur 25 Schiffe mit 24,792 cbm Nettoraumgehalt zählte, weist sie Anfang 1905 bereits 49 Dampfschiffe und ein Segelschiff mit zusammen 113,007 cbm auf. Zur Unterstützung des Handels dienen: eine Handels- und eine Gewerbekammer, eine allgemeine und eine Produktenbörse, eine Reichsbankstelle (Umsatz 1904: 925,9 Mill. Mk.), drei Privatbanken, zwei Sparkassen, mehrere Versicherungsanstalten etc.; den Verkehr in der Stadt vermitteln zwei elektrische Straßenbahnen.

An Anstalten für Unterricht und Bildung bestehen in L.: das seit alters berühmte Katharineum (im ehemaligen Katharinenkloster, Gymnasium, verbunden mit Realgymnasium), ein Reformrealgymnasium, das Johanneum, 2 Realschulen (eine davon Privatanstalt), eine staatliche sowie mehrere private höhere Mädchenschulen, 2 staatliche Haushaltungsschulen, eine Frauengewerbeschule, 4 Mittelschulen, 23 Volksschulen, eine Gewerbeschule, eine Baugewerkschule, eine kaufmännische Fortbildungsschule, mehrere Privathandelslehranstalten, eine Navigationsschule, eine Seedampfschiffsmaschinistenschule, ein staatliches Schullehrer- und ein Lehrerinnenseminar, ein Privat-Lehrerinnenseminar, eine Schule für taubstumme und schwachbefähigte Kinder etc. Ferner hat L. eine Stadtbibliothek mit 153,000 Bänden, einen Ärztlichen Verein mit einer Bibliothek von 30,000 Bänden, eine öffentliche Lesehalle, einen Landwirtschaftlichen Verein, einen Kunstverein, zwei Theater etc. Das Armenwesen ist musterhaft geordnet; unter den Wohltätigkeitsanstalten sind hervorzuheben: die Armenanstalt mit bedeutendem Grundbesitz und einem Kapitalvermögen von etwa 1,450,000 Mk., das St. Johannis-Jungfrauenkloster und die Brigittenstiftung (Versorgungsanstalten für weibliche Personen), das Hospital zum Heiligen Geist (mit 156 Pfleglingen), die Irrenanstalt, das Waisenhaus, die Kinderpflegeanstalt, das allgemeine Krankenhaus, das Kinderhospital, außerdem zahlreiche Privatstiftungen. Das Gesamtvermögen der letztern (ohne den Grundbesitz) wurde 1904 auf 6,569,000 Mk. berechnet, wogegen das der öffentlichen Wohltätigkeitsanstalten zu derselben Zeit 4,187,000 Mk. betrug. L. ist Sitz der Staatsbehörden, eines Hauptzollamtes, der Landesversicherungsanstalt der Hansestädte für die Invalidenversicherung und vieler auswärtiger Konsulate.

[Geschichte.] Eine Stadt namens L. (Liubice) wird zuerst unter dem christlichen Wendenfürsten Gottschalk (gest. 1066) erwähnt; sie lag an der Mündung der Schwartau in die Trave und wurde 1138 von Race, Fürsten der Rugier, erobert und verwüstet. Graf Adolf II. von Holstein erbaute 1143 ein neues L. auf einem Werder zwischen Trave und Wakenitz, und dieses gewann so rasch an Bedeutung, daß die Kaufleute aus Bardowiek nach L. übersiedelten. Heinrich der Löwe erkannte die günstige Lage, erwirkte 1157 von dem Grafen Adolf die Abtretung der Stadt und widmete der jungen Ansiedelung eifrige Fürsorge. Er gab ihr städtische Verfassung und ein eignes Recht und lud die Städte und Reiche des Nordens zum Handelsverkehr mit L. ein, verlegte 1163 den Bischofssitz aus Oldenburg dahin und erbaute den Dom. Die Stadt hing ihm auch nach seiner Ächtung treu an, bis Friedrich I. 1181 mit einem Heer Gehorsam erzwang. Er bestätigte und erweiterte die Gerechtsame der Stadt durch eine Urkunde von 1188. Heinrich der Löwe gewann 1189 die Herrschaft noch einmal, konnte sie aber nicht behaupten. Die Eroberung Holsteins durch Waldemar II., König von Dänemark, brachte 1201 auch L. unter dessen Gewalt. Nachdem es sich der dänischen Herrschaft entledigt hatte (t 225), erhob es Kaiser Friedrich II. 1226 zur Reichsstadt (civitas imperii). Waldemars Versuch, die nordalbingischen Lande wiederzugewinnen, vereitelte die Schlacht bei Bornhövede (22. Juli 1227); einen in Verbindung mit dem Grafen Adolf IV. gegen L. gerichteten Angriff wehrte die Stadt selbst ab und gewann an der Mündung der Warnow 1234 den ersten Seesieg über die Dänen. Sie gelangte dann rasch zu großer und dauernder Blüte und trat an die Spitze des allmählich sich bildenden Hansabundes (s. Hausa). Unter den Kriegen, die L. in Verbindung mit der Hansa während des 14. Jahrh. führte, ist der bedeutendste der mit Waldemar IV. von Dänemark. Er begann 1361 und endete mit der Einnahme von Kopenhagen und mit dem ruhmvollen Frieden zu Stralsund 24. Mai 1370, in dem der dänische Reichsrat die Wahl eines Königs von der Zustimmung der Hansa abhängig machte. Das Jahr 1408 brachte eine Revolution: der alte patrizische, sich selbst ergänzende Rat mußte sein Amt niederlegen und die Stadt verlassen; ein neuer demokratischer Rat trat an seine Stelle. Als aber Kaiser Siegmund Ernst machte, die über die Stadt ausgesprochene Acht zu vollstrecken, auch König Erich von Dänemark drohte, trat der neue Rat freiwillig zurück, und der alte Rat, an der Spitze der Bürgermeister Jordan Pleskow, zog 1416 wieder ein. Der größtenteils aus Patriziern bestehende Rat regierte dann noch ein Jahrhundert mit Erfolg, bis die Reformation neue Bewegung brachte. Der Bürgermeister Nikolaus Brömse verhalf dem jungen Gustav Wasa zur schwedischen Königskrone; die von den Dänen besetzte Stadt Stockholm ergab sich 1523 den Anführern der lübeckischen Flotte, Berend Bomhauer und Hermann Plönnies, und von diesen empfing Gustav Wasa seine Hauptstadt. Durch ein Bündnis mit L. (5. Febr. 1523) sicherte sich Friedrich I., Herzog von Holstein, als er nach Christians II. Vertreibung die Berufung auf den dänischen Königsthron annahm Gegen Brömse, der zugleich eifrig katholisch war, erhob sich wieder eine Volksbewegung, die ihn zur Flucht nötigte. Die Reformation ward durch Bugenhagen (s. d.) seit 1530 eingeführt, und Jürgen Wullenweber (s. d.) trat auf kurze Zeit an die Spitze der Stadt. Er wollte noch einmal die Herrschaft[758] über Dänemark gewinnen, wurde aber gestürzt; die Stadt erlangte einen ehrenvollen Frieden (1535), und zugleich wurde die alte Verfassung nochmals wieder eingeführt. Brömse kehrte zurück. Das Verhältnis mit Dänemark wurde nach der Thronbesteigung Friedrichs II. durch den Vertrag von Odense 1560 neu geordnet, und dieser König wurde dann der Verbündete Lübecks in einem Kriege mit Schweden. Zwar wurde der Stadt im Frieden zu Stettin 1570 eine Entschädigungssumme zugesprochen, aber niemals bezahlt. Seitdem führte L. keinen Krieg mehr, die politische Größe war vorüber. Auch der Handel, die Grundlage der Macht, verlor seine frühere Bedeutung und ging auch absolut zurück. Am 12. Mai 1629 wurde hier zwischen Kaiser Ferdinand II. und König Christian IV. von Dänemark der das zweite Viertel des Dreißigjährigen Kriegs (s. d., S. 190) beendende Friede geschlossen (vgl. E. Wilmanns, Der Lübecker Friede 1629; Bonn 1904).

In der Mitte des 17. Jahrh. entstanden neue bürgerliche Unruhen, und nun erlangte die Bürgerschaft durch die Rezesse von 1665 und 1669 eine wirkliche Teilnahme an der Regierung der Stadt, die dauernd unter den Kriegen der nordischen Mächte und durch die Belästigungen der mächtiger gewordenen Nachbarn litt. Doch schwebte immer noch ein Glanz um den Namen der Hansa und sicherte ihr eine ehrenvolle Stellung. Seit Mitte des 18. Jahrh. hob sich der Verkehr wieder und erzeugte einen steigenden Wohlstand, ja die Blockade der Elbe 1803 veranlaßte sogar einen großen Teil des hamburgischen Handels zum Übergang nach L. L. suchte, wie in frühern Kriegen, Neutralität zu bewahren, aber eine Abteilung (20,000 Mann) des bei Jena geschlagenen preußischen Heeres unter Blücher besetzte es 5. Nov. 1806, ward jedoch schon tags darauf von Bernadotte, Soult und Murat vertrieben, worauf die mit Sturm genommene Stadt drei Tage lang der Plünderung preisgegeben wurde. 1810 ward sie dem Departement der Elbmündung einverleibt. Im Frühjahr 1813 durch die Russen für kurze Zeit befreit, bildete L. die hanseatische Legion mit, wurde abermals von den Franzosen okkupiert und erhielt vom Kronprinzen von Schweden 5. Dez. die Selbständigkeit und Freiheit zurück, worauf die frühere Verfassung wiederhergestellt wurde. In der folgenden Friedenszeit war das Hauptaugenmerk der Regierung auf Belebung des Verkehrs zu Wasser und zu Lande gerichtet. Die Pariser Februarrevolution ging auch an L. nicht spurlos vorüber. Man ging aus eignem Antrieb an eine Reform der immer noch in Kraft gebliebenen Rezesse von 1665 und 1669. Schon 11. März 1848 ward durch Senatsbeschluß die Preßfreiheit eingeführt, und 8. April trat eine zwischen Senat und Bürgerschaft vereinbarte neue Verfassung in Kraft, und die neu konstituierte Bürgerschaft ward zum erstenmal 2. Juni 1848 vom Senat zusammenberufen. Am 30. Dez. 1848 wurde die revidierte Verfassung in ihrer neuen Form publiziert, aber durch die vom 29. Dez. 1851 (revidiert 7. April 1875) außer Geltung gesetzt. Als See- und Handelsstadt empfand L. die Rückwirkungen des Krieges mit Dänemark (1849), mit dem es in besonders lebhaftem Handelsverkehr gestanden hatte, schwer, aber die Regierung bahnte dem Verkehr, besonders durch Handelsverträge mit fremden Mächten, neue Wege. Am 18. Aug. 1866 trat L. dem Bündnisvertrag zwischen Preußen und den übrigen Staaten des Norddeutschen Bundes bei, nachdem es schon mit seinem Kontingent, einem Bataillon Infanterie, in der oldenburgisch-hanseatischen Brigade an den Operationen der preußischen Mainarmee teilgenommen hatte. Am 27. Juni 1867 schloß L. eine Militärkonvention mit Preußen und trat 11. Aug. 1868 in den Zollverein, nachdem ihm mehrere Erleichterungen, namentlich für den bedeutenden Weinhandel und das nordische Geschäft, vertragsmäßig zugesichert worden waren. Zur Hebung des Schiffsverkehrs haben die Erbauung des 1900 eröffneten Elbe-Travekanals für 23 Mill. Mk. sowie beträchtliche Hafenerweiterungen beigetragen; gegenwärtig beträgt der Tiefgang bis an die Stadt 7,5 m. Als Bundesstaat ist L. im Bundesrat vertreten und unterhält mit Bremen und Hamburg gemeinsam die hanseatische Gesandtschaft in Berlin, wie ebenfalls das hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg und die Versicherungsanstalt für die Invaliditäts- und Altersversicherung in L. den drei Städten gemeinsam ist. Ende 1904 wurde eine Lotteriegemeinschaft mit Preußen abgeschlossen, derzufolge die preußischen Lose ausschließlich im Lübecker Staatsgebiet zugelassen sind und L. eine jährliche Entschädigung von 200,000 Mk. bekommt. Seit 1904 trägt das 3. hanseatische Infanterieregiment Nr. 162 den Namen »Lübeck«. In seiner »Bürgerschaft« hatte L. 1. Jan. 1905 keinen Sozialdemokraten: eine seltene Ausnahme innerhalb der einzelstaatlichen Parlamente des Deutschen Reiches. Um diesen Zustand zu erhalten, wurde 1905 eine Verfassungsänderung durchgeführt.

Vgl. Deecke, Die Freie und Hansestadt L. (4. Aufl., Lüb. 1881); »Die Freie und Hansestadt L.« (hrsg. von der Geographischen Gesellschaft in L., das. 1891); »Lübeck«, Festschrift zur 67. Naturforscherversammlung in L. (das. 1895); Holm, L., die Freie und Hansestadt (Bielef. 1900); »Statistik des Lübeckschen Staats« (Lüb. 1871 ff.); Becker, Geschichte der Stadt L. (das. 1782–1805, 3 Bde.); M. Hoffmann, Geschichte der Freien und Hansestadt L. (das. 1889–92); Deecke, Lübische Geschichten und Sagen (3. Aufl., das. 1891); Waitz, L. unter Jürgen Wullenweber (Berl. 1855 bis 1856, 3 Bde.); Geffcken, L. in der Mitte des 16. Jahrhunderts (Lüb. 1905); Klug, Geschichte Lübecks während der Vereinigung mit dem französischen Kaiserreich (das. 1857); Frensdorff, Stadt- und Gerichtsverfassung Lübecks im 12. und 13. Jahrhundert (das. 1861); Pauli, Lübecksche Zustände im Mittelalter (das. 1872); »Urkundenbuch der Stadt L.« (das. 1843–1904, Bd. 1–11); Stiehl, Geschichte des Theaters in L. (das. 1901); »Chroniken der deutschen Städte«, Bd. 19, 26 und 28: Lübecker Chroniken (Leipz. 1884–1903); »Zeitschrift des Vereins für lübeckische Geschichte« (Lüb. 1860 ff.); Weiteres s. Hansa.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 757-759.
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