Fressen (Verb.)

Fressen (Verb.).


1. Bai sik nitt satt friäten kann, kann sik ok nitt satt lecken. (Grafschaft Mark.) – Woeste, 76, 282.


2. Das ist schon zu fressen, hat der Teufel (zu Adam) gesagt.


3. De väöl fritt, de väöl schitt. (Altmark.) – Danneil, 186.

Viel und gut füttern gibt viel Dünger.


4. Einer frisst den Braten, der andere muss den Spiess lecken.

Ung.: Nem azé a sült, a ki forgattya. (Gaal.)


5. Es fressen sich mehr Leut zu todt, denn hungers sterben.Petri, II, 245; Henisch, 1213.


6. Es fressen vnd sauffen sich mehr zu todt, als verschlagen werden.Henisch, 1213, 8.


7. Es frisst offt einer die Kirschen auss vnd hengt den Korb einem andern an den halss. Petri, II, 245.


8. Frassa macht fett, sagt der Bauer. (Oberlausitz.)


9. Fressen schadet nicht, ist der Doctor beim Gericht.Bremser, 13.

Soll heissen, dass eine Ueberladung den Gästen nicht schade, wenn nur ein Arzt mit zu Tische sitze. (S. Gast.)

Lat.: Praesente medico non nocet.


10. Fressen und Saufen bringt mehr Leute um als das Schwert.


11. Fressen und Saufen macht die Aerzte reich. Simrock, 2649; Gaal, 497; Körte, 1521; Zarnack, 303.

Lat.: Intemperantia est medicorum nutrix. (Philippi, I, 204.)


12. Fressen und Saufen macht volle Bäuche und leere Taschen.

Lat.: Luxus populator opum. (Philippi, I, 232.)


13. Fressen und Saufen, überflüssige Kost der Kleidung, wuchersüchtiger Zinskauf sind drei Juden, welche die ganze Welt aussaugen.


14. Fressen, vergessen.Blum, 641; Simrock, 2694; Körte, 1513.

Dies Sprichwort will der Tellerlecker, Suppenfreunde und Tischvettern gemeine Sitte und Gewohnheit bezeichnen, sich unserer nicht länger zu erinnern, als wir sie zu Tische zu laden im Stande sind.


15. Fressen vnd sauffen, dz ist bei den Teutschen (s.d.) die beste Kunst.Zeytbuch, CXXXIb.


16. Fressen vnd sauffen gibt starcke Hälse, aber böse Juppen.Henisch, 1314; Petri, II, 314.


17. Fressen vnd sauffen ist der Welt manier.Henisch, 1214; Petri, II, 314.


18. Frêt (friss) dîn Grütt un holl dînen Mund. (Mecklenburg.)


19. Frêt to, 't is all Goddsgawe. (Ostfries.) – Goldschmidt, 53; Frommann, V, 427, 468; Bueren, 473.


20. Friess mich ne, ich hêss Dreck. (Oberlausitz.)


21. Friss all, bezal all.Petri, II, 317.


22. Friss, dass du es widdergeben must.Agricola, I, 542; Latendorf, 175.


23. Friss dein eigen Hertz nicht.Petri, II, 317; Bücking, 168.

Man sagt von einem Traurigen, dass er sich das Herz fresse. Wie einige Leidenschaften den Körper mit reissender Schnelle zerstören, so untergraben andere die Gesundheit langsam, wozu besonders der Gram gehört.


24. Friss Koth, gib Gold, so wird dir alle Welt holt.Petri, II, 317.

Die ursprüngliche, derbe Fassung findet sich unter Dreck 31. Petri, der Prediger in Braunschweig war, [1161] hat es wahrscheinlich mit seiner Stellung nicht vereinbar gefunden, sie in dieser Form seiner Sammlung einzuverleiben und hat es vorgezogen, sie in obiger Weise abzuschwächen, wiewol sein Lehrer, Mich. Neander, sie ebenfalls in jener gegeben hatte. (Vgl. Latendorf II, 13.)


25. Friss, sauff vnd spiel (leb' immer wohl, sei Tag und Nächte voll und toll, sei fröhlich und) leb stets im sauss, denn nach dem Todt wird nichts daraus.Petri, III, 6; Henisch, 1214; Parömiakon, 703.

Lat.: Ede, bibe, lude, post mortem nulla voluptas. Oder: Ede, bibe, lude in festo Simonis et Judae. (Parömiakon, 703.)


26. Friss, Vogel, oder stirb.Bücking, 139.

Gilt von einem Klemmfall, von einer peinlichen Alternative.


27. Frisse eine Kuh biss auff den Schwantz. Gruter, III, 39.


28. Gefressen ist bald vergessen.


29. Ich hab' es lang genung in mich gefressen, sagt der Bader, da jm einer zuuor für die Thür hofieret.Latendorf II, 18.


30. Viel fressen macht kranck.Petri, II, 571.


31. Was frisst die Maus, schlägt wieder aus; was frisst die Schneck', bleibt ewig weg.Bair. Hauskalender.


32. Was nicht fressen will, mag saufen.


33. Wel sik nich satt frett, de licket sik auk nich satt. (Münster.) – Frommann, VI, 426, 65.


34. Wenn du mich fressen willst, fang hinten an, so hast du den Senf zum besten.Fischart, Gesch.


35. Wenn et gefrêten es, dann es et glick, of et de Ruppen1 of2 de Käwersch gedohn hebben. (Meurs.) – Firmenich, I, 401, 53.

1) Raupen.

2) Oder.


36. Wenn ich gefressen werden muss, lieber vom Wolf als vom Schaf, das Kiefen thut nicht so weh.


37. Wer jtz wol fressen vnd sauffen kan, der ist ein rechter Edelmann.Petri, II, 726; Henisch, 788.


38. Wer sich frisst arm und säuft todt, der hat Gewalt über den Tod.


*39. A frisst ihm alls vorm Maule weg.Gomolcke, 21.


*40. A frisst recht ungenoissig.Gomolcke, 1128.


*41. Da friss ich (auch) keinen Salzstein. (Nürtingen.)

Keinen Stein Salz; da bleib' ich nicht lange.


*42. Dank dir, dass da mich nicht gefressen hast. (Rottenburg.)

Zu einem stark Gähnenden.


*43. Das frisst kein Brot.

So hört man oft von Dingen sagen, die man nimmt und verwahrt, weil sie keinen Unterhalt kosten wie Hausthiere.


*44. Dei frett wie verdunge. (Ostpreuss.) – Hochdeutsch bei Frischbier, 198.

*45. Den fress' ich im Sauerkraut. (Rottenburg.)


*46. Du bis van Friatten un Sûpen terhemen. (Attendorn.) – Firmenich, I, 356, 14.

Du bist von Fressen und Saufen zu Hause.


*47. Er fräss' eine Kuh bis auf den Schwanz.


*48. Er frässe den Pfaffen mit der Kutte (Kirche).

So hungrig ist er.


*49. Er frässe den Teufel und seine Grossmutter, wenn sie nicht zappelten.


*50. Er frässe einen Ochsen sammt den Hörnern. (Rottenburg.)

Dän.: Han æder hors op ad maale. (Prov. dan., 9.)

Frz.: Il avalerait la mer et les poissons. (Starschedel, 27.)


*51. Er frässe wol Kieselsteine.

Frz.: Il avaleroit des charrettes ferrées. (Kritzinger, 43.)


*52. Er frisst, als wenn es fürs Geld ginge.


*53. Er frisst, bis es ihm oben herauskommt. (Rottenburg.)


*54. Er frisst, dass ihm der Bauch wackelt.


*55. Er frisst, dass ihm der Nabel strotzt. (Nürtingen.)


*56. Er frisst den Bauer sammt dem Sack auf.


*57. Er frisst eine Kuh bis an die Hörner und ein Ross bis an das Eisen und verkauft dieses noch und gibt's um ein Stück Brot.

Frz.: Il avaleroit la marmite des Cordeliers. (Kritzinger, 43.)


[1162] *58. Er frisst im Unverstand hinein.


*59. Er frisst je schlechter, je lieber.

Die Franzosen sagen: Er isst das Schmuzigste und Schlechteste wie die Leute in Bohain. (Reinsberg V, 141.)


*60. Er frisst mich noch arm.


*61. Er frisst mich noch zum Haus hinaus.


*62. Er frisst sich noch den Verstand ab.


*63. Er frisst sich selbs vor hunger.Franck, I, 37a.


*64. Er frisst und sauft, dass er schnauft.

Lat.: Bos ad praesepe. (Philippi, I, 64.)


*65. Er frisst wie die Rheingrafen.Frischbier, 198 c.


*66. Er frisst wie e Holzmächer. (Rottenburg.)


*67. Er frisst wie ein Angster (anderswo: Hamster). (Nürtingen.)


*68. Er frisst wie ein Bernhardiner.Klosterspiegel, 81, 23.

Aus der Zeit, in welcher der Mönchsstand bis zur Verachtung und zum Spott herabgesunken und fast jeder Orden, die Benedictiner etwa ausgenommen, zum Sprichwort geworden. (Vgl. die Artikel Huren, Saufen, Schlafen, Stinken, Pfiffig u.a.)


*69. Er frisst wie ein Besenbinder. (Nürtingen.)


*70. Er frisst wie ein Bürstenbinder.Frischbier, 198b.


*71. Er frisst wie ein Drescher, Bär, wie ein Kühle, Bestandkühle1, Wolf, Werwolf. (Rottenburg.)

1) Eine Miethkuh.


*72. Er frisst wie ein Ehestandskühle. (Rottenburg.)


*73. Er frisst wie ein Oderwolf.Weinhold, 68.


*74. Er frisst (kann fressen) wie ein Scheffeldrescher.Frischbier, 198a.

Ein Drescher, der um den Scheffel drischt.


*75. Er frisst wie ein Scheunendrescher (Schmied). (S. Essen 235.)

Von einem gewaltigen Esser sagen die Franzosen: Il n'a pas la gale aux dents. (Lendroy, 802.)

Dän.: Han æder som en tærsker.


*76. Er frisst wie ein (Wer-)Wolf. (S. Essen 236 fg.)Henisch, 1213.


*77. Er frisst wie eine Klosterkatze zu beiden Backen.


*78. Er frisst wie 'ne Chue. (Luzern.)

Dän.: Han æder som en soe, og drikker som en koe. (Prov. dan., 11.)


*79. Er frisst's auch ungezählt.

Lat.: Haec literata est pecus, ab se cantat cuja sit. – Non curat numerum lupus.


*80. Er frisst's hinein wie der Schimmel 's Heu. (Nürtingen.)


*81. Er frisst's vngeweihet.Franck, I, 44b; Eiselein, 189.

Betet nicht vor dem Essen.


*82. Er hat es in sich gefressen, in sich fressen müssen.Henisch, 1213.


*83. Er hat ihn zum Fressen lieb.


*84. Er wird dich nicht fressen.

Ermunterung.


*85. Es fresse mich lieber ein Wolf als ein Schaf, er wird nicht so lange kauen.


*86. Es frisst kein Heu. (Rottenburg.)

Die Sache lässt sich leicht aufbewahren.


*87. Fressen wie ein Schmiedknecht.Limb. Chron.


*88. Freten, as wenn me gehangen werden sall. (Meurs.) – Firmenich, I, 405, 301.


*89. Friss, dass du platzest (berstest).


*90. Friss, Peter, 's sind Linsen. (Ostpreuss.)

Redensart beim Bostonspiel, als Herausforderung, um zu sagen: nun stich einmal diese Karte. In Fritz Reuter's Ut mine Stromtid (Wismar 1863, II, 154-159) findet sich in den üblichen Redensarten eine Schilderung der Bostonpartie.


*91. Frisst a doch wie a Drescher.Robinson, 159.


*92. Frisst a doch wie a Garber-Hund.Robinson, 47; Gomolcke, 393.

Lat.: Coenat, tribus ursis quod satis esset. (Horaz.) (Binder I, 200; II, 522.)


*93. Hä frieted med as Braükers Rui'e. (Grafschaft Mark.)

Der nämlich, da ein stärkerer Hund als er war, sich über das Fleisch im Korbe hermachte, auch mitfrass. Man gebraucht die Redensart von Schuldnern, die vorher noch etwas der Masse zu entziehen und für sich auf die Seite zu bringen suchen. (Frommann, V, 65, 53.)


[1163] *94. Hai frett oas en Smitt. (Driburg.) – Firmenich, I, 363, 49.


*95. He frett as en Dîker (Deicharbeiter). (Ostfries.) – Bueren, 511.


*96. He frett, as wenn he hangen schall. (Ostfries.) – Bueren, 504.


*97. He frietet so lange, bit dat he't met dem Finger tassen kann. (Grafschaft Mark.) – Woeste, 84, 70.

*98. He fritt as en Schüendöscher. (Holst.) – Schütze, IV, 81.

Mit einem Appetit, als wenn er in der Scheune gedroschen hätte.


*99. He fritt beter, as he schrifft. (Ostfries.) – Frommann, V, 525, 624; Bueren, 646; Eichwald, 566.


*100. Hei frett söck ambarschtig.Frischbier, 199.


*101. Ich fresse deiner neun zur Morgensuppe. Fischart.


*102. Ich fresse dich sammt den Läusen.Fischart.


*103. Ich fresse so mehr vom Hunde, als der Hund von mir.Petri, III, 8; Henisch, 1214.


*104. Ich habe noch niemand gefressen.

Zu einem, der sich vor uns fürchtet.


*105. Ich hätt's müssen oalle Toage uff'm Brute frassen.Gomolcke, 536.


*106. Ich wollt'n fressen, wenn ich ihn hintragen dürfte, wohin ich wollte. (Schles.)


*107. Ihr hoat wul noch gar viel gefrassen.Gomolcke, 617.


*108. Sie fressen aus Einer Schüssel wie Hund' und Katzen.


[Zusätze und Ergänzungen]

109. Besser ich fresse dich, als dass du mich frisst, sagte der Dieb zum Raben, den er zugerichtet hatte.Wirth, I, 68.


110. Frass und quass, schlemmen und demmen, schmaussen und saussen machen rote augen, kupfferne nasen, dolle schwache köpff, schwulstige backen, speckhälss, faule schmerbäuch, tölpische, gichtbrüchtige händ und füss.Monatsblätter, V, 96, 4.


111. Fressen, sauffen vnd Weiberlist der Geistlichkeit verderben ist.Zinkgref, IV, 244.


112. Frêt langsam, mîn Söhn, du glövst nich, wat men sick deen in 't Lêf schlaen kan.


113. Frêten mî d' Fisch, kam ick up'n Disch; lat ick mî verkülen1, denn mutt ick verfêlen. (Pommern.)

1) Vergraben. Kûle = Grube, Gruft. So erklären die Schiffer, warum sie sich vor dem Tode auf der See nicht fürchten, sondern ihn dem auf dem Lande vorziehen. Sie sagen auch wol: Mich frisst du vielleicht noch selbst, dich fressen blos die Würmer.


114. 'N Jeden, wat 'r gärn frött, söä' de Bû'r; Jong, frît do 'n Kohl, ick fröät 'n Speck. Schlingmann, 144.


115. Sülben fräten mâket fet.Schambach, II, 366.


116. Wenn du nich freten wult, wat ik bîte, denn sast du freten, wat ik schîte. (Braunschweig.)

Wenn du nicht fressen willst, was ich beisse (sagt die Maus), dann sollst du fressen u.s.w.


117. Wer frist biss zum jüngsten Tag, der hat's gut vnd stehet wol in der Welt.Petri, III, 14.


118. Wo Fressen und Sauffen eine Ehre ist, da ist Sch ... und Speyen keine Schande.Harssdörffer, 1718.


119. Zum Fressen bist du mir viel zu dürr und zäh, ich hätte dir blos das Genick abgebissen, sagte der Mann, als seine Frau behauptete, wenn er ein Tiger wäre, er hätte sie längst gefressen.

*120. Der fräss a Ross bis auf d' Eisen.


*121. Der hat auch noch Keinen gefressen. (Wien.)

Von einem grimmig aussehenden oder hochfahrenden Menschen.


*122. Er frisst wie ein Wolf und sauft wie ein Wettinger Mönch.Klosterspiegel, 15, 7.


*123. Er muss jhn ungefressen lassen.Schottel, 1116b.


*124. Es wird gefressen und gesoffen, dass einem der Nabel hängt. (Wien.)


*125. Fressen wie ein junger Jagdhund.Gotthelf, Geldstag, 154.


*126. Friss, dass du es widder geben mussest. Agricola, I, 512.


*127. Friss mich nur nicht, ehe du mich beisst.


*128. Friss me no net. (Ulm.)

Erwiderung, wenn jemand sehr angeschrieen wird.


*129. He frett sîn'n êgen'n Dreck. (Pommern.)

Vor Geiz.


*130. He frett dem Düwel 'n Ohr af. (Pommern.)


*131. Hei frett, as en Brobands Pock. (Deutz.)

Hat guten Appetit.


*132. Hei fritt, dat en dat Mûl schümt. (Wolfenbüttel.)


*133. Hei fritt wie 'ne Zage (Ziege). (Wolfenbüttel.)


*134. Hei frittet sick fett und schitt sick mager. (Sauerland.)


*135. Sie fressen und scheissen aus Einer Gelte. (Hirschberg.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
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