1. Den Gelehrten allein gehört der Wein, andern kann Bier und Wasser genügend sein.
Es wird aber noch manchen Gelehrten geben, dem der Wein abgeht. Der Naturforscher Aldrovandus starb, als er sein ganzes Vermögen den Wissenschaften geopfert hatte, im Hospital zu Bologna. Viele sind auch schon auf einer Festung gestorben. Die Russen behaupten übrigens: Die Gelehrten leben vom Ruhm. (Altmann VI, 454.)
Lat.: Doctus vina, rudis zythum, pecus hauriat aquam. (Binder I, 354; II, 830; Seybold, 133.)
2. Den gelehrten gibt man nichts vmbsonst. – Lehmann, 296, 52.
3. Den Gelehrten ist gut predigen. – Siebenkees, 89; Hollenberg, I, 28; Bayer, II, 46; Parömiakon, 1786; Schamelius, 23, 5; Petri, II, 78; Lehmann, 299, 87; Eyering, I, 395; Mayer, I, 156; Körte, 1983; Körte2, 2441; Kirchhofer, 215; Müller, X, 4; Simrock, 3352; für Schlesien: Gomolcke, 506; Frommann, III, 242, 32.
Engl.: A word is enough to the wise. (Bohn II, 304.)
Frz.: A bon entendeur peu de paroles. (Lendroy, 1354; Starschedel, 399.)
Holl.: De geleerde is haest genoeg geseyt. – Voor geleerden is het goed spreken. (Harrebomée, I, 223.)
It.: A buon intenditor poche parole. (Pazzaglia, 250, 1.)
Lat.: Dictum sapienti sat est. (Schamelius, 23, 5.)
4. Der gelehrte, der werthe. – Henisch, 1458, 68; Petri, II, 89.
5. Der Gelehrte kann der Latern' ein Licht machen.
6. Der Gelehrte weiss mehr in Item, als der andere in Summa Summarum.
Thomasius theilte die Gelehrten ein in solche, die a) viel, b) wenig und c) nichts wissen.
7. Der Gelehrten Recht ist der macht vnnd Gelts Knecht. – Lehmann, 309, 60.
8. Der gelert würt bey der gedult bewert. – Franck, I, 51a; Henisch, 1458, 69; Petri, II, 89; Körte, 1988.
9. Der grösste Gelehrte kann die Spinne nicht lehren, Seide zu machen.
Holl.: De grootste geleerde kan eene spin niet dwingen, haar webbe te maken. (Harrebomée, I, 223.)
10. Die Gelehrten, die Geehrten.
Auch von vielen Fürsten wurden sie ausgezeichnet. Lothar II. erklärte sie, besonders die Doctoren der Rechte, für Ritter. Friedrich III. verlieh den Setzern der Buchdruckerei einen Adler und den Druckern einen Greif mit dem Druckerballen zum Wappen.
11. Die Gelehrten haben ihren Verstand im Kopfe und taugen nicht zu der Weiber Geschäft, sagte die junge Witwe und wollte keinen Doctor mehr heirathen.
Aehnlich Lehmann, 873, 66.
12. Die Gelehrten reden vnd die Vngelehrten judiciren. – Opel, 373.
13. Die Gelehrten scharren Ideen, die Kaufleute Geld zusammen.
14. Die Gelehrten schreiben schlecht.
Lat.: Nos docti male pingimus. (Binder II, 827; Schamelius, 159, 10.)
15. Die gelehrten seind nicht allzeit die weisesten. – Henisch, 1512, 54; Petri, II, 129; Simrock, 3351.
Holl.: De geleerdsten zijn de wijsten niet. (Harrebomée, I, 223.)
16. Die gelehrten seind wie jener Fuchss, der viel renck wust, ward doch gefangen, vnnd die Katz kundt nur ein Kunst vnnd errett jhr Leben. – Lehmann, 297, 66.
17. Die Gelehrten sind selten einer Meinung.
Dän.: De lærde kommer tit saa overeens i meening, som almanak-skrivende i veyrliget. (Prov. dan., 373.)
[1533] 18. Die Gelehrten thun den Vortrag und die Ungelehrten fällen das Urtel. – Opel, 373.
19. Die Gelehrten tragen ihren Schatz bei sich.
Lat.: Cultus ingenii nullum unquam divitem fecit. (Binder II, 639; Lehmann, 296, 48.)
20. Die Gelehrten verkehren mit den Todten.
Dän.: Lærde mænd have med de døde at skaffe. (Prov. dan., 374.)
21. Die gelerten, die verkerten. – Franck, I, 99b; II, 163b; Latendorf II, 7; Mayer, I, 156; Luther's Ms., 1; Henisch, 1459; Eyering, I, 686; Lehmann, 292, 3; Guttenstein, 92 116; Heuseler, 326 u. 408; Egenolff, 221a; Pistor., IV, 84; Eiselein, 233; Körte, 1984 u. 2447; Simrock, 3374.
Ein hebräisches Sprichwort spricht daher die Warnung aus: Wohne in keiner Stadt, deren Vorgesetzte Gelehrte von Profession sind. (Pesachim, 112.) – »Man will bemerkt haben«, sagt Seume, »dass die Leute in dem Verhältniss gescheit waren, als sie nicht gelehrt waren; wenigstens findet man, dass die Gelehrtesten nicht sehr gelehrt sind.« (Vgl. ferner Bewärung vnd Erklärung des obigen Sprichworts von Fischart, 1584.) »Wenn man die Welt geradezu auf den Kopf stellen wollte, dürfte man nur die Stubengelehrten zu Regenten machen.« (Welt und Zeit, II, 38, 30.)
Engl.: The greatest clerks are not always the wisest men. (Gaal, 664.)
Lat.: Doctor, qui non aedificat, destruit. – Doctores errorum autores. – Doctores seductores, et docti seducti.
22. Die meisten Gelehrten treffen im Ochsengarten zusammen. (S. 53.) – Frischbier, 1224.
23. Ein Gelehrter begeht keine kleine Thorheit. – Mayer, I, 156.
24. Ein Gelehrter, der viel Fasten hält, dessen Mahl soll der Hund fressen.
25. Ein Gelehrter in seinem Revier liest nur sein eigen Brevier.
26. Ein Gelehrter ist so dünn und so dicke, dass er überall ausfüllt seine Lücke.
Scheint sich auf den Vorwurf zu grosser Elasticität und politischer Schmiegsamkeit zu beziehen, den man wol den Gelehrten zu machen pflegt und den die Westdeutsche Zeitung (1849, Nr. 86) zu dem Vergleiche mit einem Pudel steigert, der eine Freude daran finde, seinem Herrn kurzweilige Sprünge vorzumachen und zwar blos in der Hoffnung, von demselben nicht geprügelt zu werden. Wie ein deutscher Gelehrter sein solle, sagt L. Börne in seiner Novelle über die Rechtmässigkeit des sechsten Zinsthalers in Deutschland. (Gesammelte Schriften, III, 40.)
27. Ein Gelehrter kan die Grillen im Loch verkleiben. – Lehmann, 293, 1.
28. Ein Gelehrter kan mehr als schreiben vnd lesen. – Lehmann, 292, 1.
29. Ein Gelehrter kan Predigen vnd Studiret nicht darauff. – Lehmann, 293, 14.
30. Ein Gelehrter kommt überall fort.
31. Ein Gelehrter lässt wol einen Dummen neben sich sitzen. (S. ⇒ Gelehrt 22.) – Gaal, 666.
Lat.: Sol non invidet vesperae. (Gaal, 666.)
32. Ein Gelehrter ohne Verstand ist ein halber Narr im Land.
It.: La scienza senza senno è una follia. (Pazzaglia, 324, 4.)
33. Ein Gelehrter und ein Krieger können wol in Einem Sattel sitzen. – Sailer, 350.
34. Ein Gelehrter vertritt sein luck, man stell jhn hin, wo man hin will. – Lehmann, 292, 1.
35. Ein gelerter ist ein getüncht Hauss, wens dawider Hagelt, Schneiet vnnd Regnet, so felt die angestrichne farb ab vnd gucket der Leimen herfür. – Lehmann, 298, 79.
36. Einem Gelehrten seynd die Flügel gewachsen. – Lehmann, 292, 1.
37. Es ist kein Gelehrter, er hat seinen Schiefer, und kein Orthodoxer, er hat seinen Balken.
38. Es ist kein gelerter, er hat ein schiefer (oder: Geck). – Franck, I, 90b; Henisch, 1459, 13; Petri, II, 267; Lehmann, II, 143, 177; Körte, 1986; Simrock, 3349; Braun, I, 716.
Eine Zusammenstellung der »Schiefer« oder Eigenthümlichkeiten von Gelehrten würde von Interesse sein. Von Tycho de Brahe z.B. erzählt man, er habe über die gespottet, denen bei Sonnenfinsternissen bange wurde, er selbst aber habe nicht gewagt, einen Schritt weiter zu gehen, wenn ihm am Morgen eine alte Frau oder ein Leichenzug begegnete. Magliabecchi war so [1534] stolz auf seine Gelehrsamkeit, dass er sich in den Unterschriften seiner Briefe selbst an bekannte Personen: »illustrissimum et clarissimum virum Serenissimi Magni Ducis Etrurium Bibliothecarium Ingeniorum Phoenicem Scientiarum Monstrum« zu nennen pflegte. Wenn Philipp Melanchthon studirte, neigte er sich auf die linke Seite und schien, wenn er ging, zu hinken. Wer damals ein Schüler Melanchthon's sein wollte, musste, wie er, den Kopf auf die Seite hängen und hinkend einhergehen. Cardanus hielt viel auf Wahrsagerei und Träume. Just. Lipsius hatte drei Hunde, die er mehr als seine Frau liebte. Einer schlief bei ihm im Bett und lag bei ihm in der Studirstube; der andere lag vor seiner Thür und biss jeden, der ihn besuchte; der dritte begleitete ihn, wenn er Collegia las. Prof. Mangelsdorf konnte nicht leiden, ihn während seiner Vorlesungen anzusehen. Diderot agirte mit Händen und Füssen, wenn er arbeitete, keuchte, rannte im Zimmer auf und ab, warf seine Perrüke in die Luft, fing sie auf, setzte sie auf den Kopf, schleuderte sie wieder in die Luft und stiess dabei unterdrückte Schreie aus oder gerieth in Zuckungen. Als man ihn einst in Thränen schwimmend fand und nach der Ursache fragte, antwortete er: »Ich weine über eine Erzählung, die ich mir eben ausdenke.« Der Jurist Andreä kam zwanzig Jahre in kein Bett, sondern schlief auf einer Bärenhaut. Montan ass nie Fleisch, Thom. Lansius trank nichts anderes als Wasser. Der Superintendent Reimann in Hildesheim ist funfzehn Jahre nicht in seinen Garten gekommen und hat dreissig Jahre keinen Stuhl in seiner Studirstube gehabt. Nikolaus Lenau lag bis 12 Uhr wachend im Bett und trank im Unmass starken Kaffee, um den orientalischen Dichtersinn zu erzeugen.
39. Es ist noch kein Gelehrter vom Himmel gefallen. – Kirchhofer, 215; Simrock, 3357; Sailer, 183; Mayer, I, 156; für Franken: Frommann, VI, 320, 257.
Ein junger Gelehrter, sagt ein talmudisches Sprichwort, gleicht dem Saatkorn unter einer Erdscholle, schiesst es einmal empor, so wächst es desto schneller.
Böhm.: Nikdo se nenarodil mudrcem. – Żádný učený s nebe nespadl. (Čelakovský, 216.)
Frz.: Nul n'a la science infuse. – On ne naît pas savant.
Lat.: Qui nunquam male, nunquam bene. (Binder I, 1480; II, 2794; Buchler, 33; Seybold, 495.)
40. Gelehrte reden viel gutes, aber keiner thut es. – Lehmann, 299, 86.
Dän.: Lærde love tit dyderne og giøre lasterne, tale godt og giøre det ei. (Prov. dan., 373.)
41. Gelehrte seind der Kunst vbers Fass gekommen. – Lehmann, 293, 5.
42. Gelehrte seind geschickt zu regieren, Soldaten zu beschirmen. – Lehmann, 294, 26.
W. Menzel nennt die Gelehrten die Schweinsborsten an der grossen Kleiderbürste der Weltcultur. (Streckverse, 78.)
43. Gelehrte seind wie ein Gaucklers Würffel abgerürt. – Lehmann, 293, 5.
44. Gelehrte vnd vngelehrte sind so weit vnterscheiden als Lebendige vnd Todte. – Petri, II, 332.
45. Gelehrte wissen's, Tapfere thun's.
46. Gelehrten gebührt zu sagen, ich hab's gelesen, Soldaten: ich hab's gethan. – Lehmann, 442, 98; Simrock, 3356.
47. Grosse Gelehrte sind selten grosse Heilige.
Frz.: Les grands clercs ne sont pas les plus fins. (Bohn I, 34.)
Holl.: Groote geleerden zijn zelden groote heiligen. (Harrebomée, I, 223.)
48. Kann ein Gelehrter Geld gewinnen, so thut er nichts nach rechten Sinnen.
49. Kein Gelehrter kann berühmt werden, er fange denn ein Sekt und neue Lehr an. – Opel, 388.
50. Koan G'leandar is nid van Himm'l g'folln. (Niederösterreich.) – Frommann, III, 390, 18.
51. Met Gelehden es net gôt strikke (streiten). (Köln.) – Firmenich, I, 473, 88.
Holl.: Het is even gevaarlijk met geleerden te redeneren, als met de grooten kersen te eten. (Harrebomée, I, 223.)
52. 'T sünt nich all Geliirten, de in de Böker kîken. (Strelitz.) – Firmenich, III, 74, 129.
53. Under de Gelerde göfft et de grötste Osse. (Fischhausen.) – Frischbier, 1224.
Insofern man scherzhaft die Ochsen, weil man sie pflügen gelehrt hat, zu den Gelehrten zählt. (S. 22.)
54. Von den Gelehrten leidet Christus am meisten. – Körte, 1985; Simrock, 3354; Braun, I, 715.
55. Vor Gelehrten ist bös predigen.
Dän.: Det er baade godt og ondt at prædikke for lærde folk. (Prov. dan., 458.)
[1535] 56. Wenn die gelehrten regieren oder die Regenden studiern, so steht es wol vmb ein Regiment. – Petri, II, 643.
57. Wer Gelehrte will lehren und Ketzer bekehren, macht sich unnütze Mühe.
Böhm.: Když učeného učís, zbůhdarma ho kaziš. (Čelakovský, 218.)
58. Wir Gelehrten wissen schon, was gut schmeckt, sagte der Esel zum Schaf, als er nach einer Distel schnappte.
Frz.: Compagnie de clercs. (Leroux, II, 92.)
59. Wo keine Gelehrte sind, da gilt Hans Ungelehrt als Meister. – Kritzinger, 45b.
*60. Darüber sind die Gelehrten noch nicht einig. – Eiselein, 223.
Holl.: De geleerdsten zijn het niet eens. (Harrebomée, I, 223.)
Lat.: Adhuc sub judice lis est. (Eiselein, 223.)
*61. Das wollen wir den gelerten befehlen (überlassen). – Franck, II, 116b; Tappius, 183a; Körte, 1990; Simrock, 3360.
Wir wollen uns mit der Untersuchung der Sache nicht erfolglos den Kopf zerbrechen, da sie über unser Verständniss geht.
Holl.: Dat mogen de geleerden beslissen. (Harrebomée, I, 223.)
Lat.: Bellum Cononi curae sit. (Tappius, 182b; Binder II, 324; Philippi, I, 56; Seybold, 52.) – Quae supra nos, nihil ad nos. (Binder I, 1427.)
*62. Er gehört unter die Gelehrten, wie der Frosch unter die Vögel.
*63. Er will den Gelehrten predigen.
Frz.: Parler latin devant un Cordelier. (Starschedel, 499.)
*64. Er will's den Gelehrten befehlen, die werden die Todten rathsfragen. – Lehmann, 721, 2.
Der Sorglose, Unbekümmerte. (S. ⇒ Finger.)
*65. Wir wollen das die gelerten lassen ausrichten, – Franck, II, 116b; Tappius, 183a; Eyering, I, 362; Sailer, 119.
66. Der Gelehrten Freundschaft entsteht aus Zucht und Tugend, der Edelleute und Hofbedienten [1327] aus Fressen und Sauffen, und der Kaufleute aus Nutzbarkeit. – Taubmannia, 110.
67. Der Gelehrten sind dreyerley: gute, die andern Schriften erklären, bessere, die aus fremden Sprachen dolmetschen, und die besten die, so selber Neues erfinden. – Harssdörffer, 1185.
68. Der Gelehrten Rath ist oft verkehrter Rath. (Wien.) – Don Quixote.
69. Ein G'larten ehrt vnd preiset seine kunst; er achtet keine Narrengunst. – Büttner.
70. Es ist eim G'larten preiss vnd ehr, wenn Vngelart jn schmehen sehr. – Büttner.
*71. Es ist ein hülzin gelehrter. – Schade, Satiren II, 233, 1366.
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