Löwe

1. Auch ein gefangener Löwe ist noch ein Löwe.

Dän.: En fangen løve beholder dog løve-mod. (Prov. dan., 396.)


2. Auch ein Löwe im Walde brüllet, wenn er keinen Raub hat.Petri, II, 52.


3. Auch mit einem Löwen ohne Mähne darf der Fuchs nicht spielen.


4. Auf Einen Löwen kommen viel Hasen.


5. Auk de Löwen miötet (müssen) sik vör de Müggen wâren. (Münster.) – Lyra, 25; Frommann, VI, 427, 76; hochdeutsch bei Simrock, 6613a.


6. Aus einem Löwen lässt sich kein Jagdhund machen.

Die Russen: Weder ein alter noch junger Löwe lässt sich zur Jagd abrichten. (Altmann VI, 447.)


7. Auss einem wilden Löwen wird offt ein zam Lämlein, aber sorglich ist's mit jhm zu wagen.Petri, II, 28.


8. Besser der Löwe führt die Hasen an, als der Hase die Löwen.

Frz.: Plus terrible est la compagnie de cerfz desquelz de lyon est chef que des lyons desquelz le cerf est chef. (Leroux, I, 98.)


9. Besser des Löwen Schweif als des Fuchses Kopf.

Das ist Geschmackssache.


10. Besser des Löwen Zorn als der Hyäne Freundschaft. (Abyssinien.)


11. Besser Ein Löwe als tausend Mücken.

Es ist grausam, von einem Löwen zerrissen zu werden; aber tausendmal grausamer ist es, von einem Dutzend Schmeissfliegen langsam zu Tode gemartert zu werden. Die Russen: Dem Löwen entgeht man leichter als den Wölfen. (Altmann VI, 497.)


12. Dem Löwen gehört, was seine Klaue erreicht.Burckhardt, 585.


13. Dem Löwen wollt' ich Frieden geben, liessen mich die Flöhe leben.Eiselein, 484.


14. Dem todten Lewen wollen auch die Hasen den Bart rauffen.Petri, II, 76; Braun, I, 2394; Reinsberg II, 29.

Lat.: Leonem mortuum et catuli mordent. (Schonheim, L, 5; Seybold, 276; Binder I, 861; II, 1644.)


15. Den Löwen erkennt man an den Klauen. Reinsberg II, 55.

Böhm.: Lva a medvĕda po pazouru poznáš. (Čelakovský, 267.)

Frz.: A l'ongle on connaît le lion. (Leroux, I, 115.)

It.: Dall' unghia si conosce il leone. (Bohn II, 90.)


16. Den Löwen widerlegt man nicht nach seinem Tode.Tendlau, 776.


[238] 17. Den todten Löwen kann jeder Hase am Bart zupfen.

Lat.: Leonem mortuum et catuli mordent, calcat jacentem vulgus. (Masson, 202.)


18. Der alte Löwe ist besser als ein junger Hirsch.

Ein tapferer und rüstiger Mann, sei er auch alt, ist besser als ein Jüngling, der ein Schwächling oder eine Memme ist. Der Geist eines gelehrten und erfahrenen Greises ist dem eines weniger gebildeten Jünglings vorzuziehen.


19. Der Löw trachtet nicht nach Mäusen. (S. Adler.) – Lehmann, 445, 158.

Die Russen: Der Löwe beachtet die Mäuse nicht, aber die Mäuse hassen den Löwen. (Altmann VI, 498.)


20. Der Löw wolt mit keinem Thier Bündnuss machen als mit dem Schwein, darumb, dass es seinem gesellen in gefahr trewlich zuspringt.Lehmann, 111, 59.


21. Der Löwe achtet keine Mückenstiche.

Schwed.: Lejonet achter intet Loppebett. (Grubb, 451.)


22. Der Löwe erschrickt nicht, wenn auch ein Elefant über den Weg läuft.

Mhd.: Der lewe niemer sol verzagen, ob in die hasen wellent jagen. (Freidank.)


23. Der Löwe fängt keine Fliegen.

Schwed.: Lejonet fängar inga flugor. (Grubb, 451.)


24. Der Löwe1 freut sich, wenn er die Ameisen in den Fresszangen hält, aber die Ameise schwebt in Todesängsten.

Abyssinien. Hier der Ameisenlöwe.


25. Der Löwe ist nicht so grausam, als man ihn abmalt (schildert).

Engl.: The lion's not half so fierce as he's painted. (Bohn II, 111.)

Frz.: Le lion n'est pas si furieux qu'on le peint. (Kritzinger, 439b.)

Holl.: De leeuw is zoo vreeselijk niet, als men hem schildert. (Harrebomée, II, 14.)

Lat.: Leonem ex unguibus aestimare. (Seybold, 276.) – Minuunt praesentia famam.

Span.: No es tan bravo el leon como le pintan. (Bohn II, 235.)


26. Der Löwe kümmert sich nicht darum, was die Katze von ihm denkt.


27. Der Löwe muss auf einmal ein ganzes Schaf haben.


28. Der Löwe nimmt lieber den Esel als den Fuchs in seine Dienste.


29. Der Löwe sagt wol zum Lamm: Willkommen, aber nicht: Lebewohl.

Dän.: Løven hilser nok lammet velkommen, men ikke sit farvel. (Prov. dan., 397.)


30. Der Löwe sei noch so fromm, er weiss, wo er die Zähne hat.


31. Der Löwe stirbt eher Hungers, ehe er frisst, was der Hund übriglässt.

Dän.: Før döer löven af hunger, end han spiiser hundelevning. (Prov. dan., 397.)


32. Der Löwe zerreisst den nicht, der ihm einen Dorn aus dem Fusse gezogen.

»Der Leu dem Menschen dankbar war, der ihm geheilt die kranke Pfote; das klingt jetzt vielen wunderbar und ist wol auch nur Anekdote.« (L. Schücking, Welt und Zeit, 4, 15.)


33. Die Löwen sind fort, nun spielen die Hyänen.

»Und wenn der Löwe das Feld räumt, das Wiesel tanzt, der Ichneumon singt.«


34. Ein alter Löw ist stärcker dann ein junger Hirsch.Petri, II, 164; Lehmann, II, 120, 6.

Dän.: En gammal løve er stærkere end en ung hiort. (Prov. dan., 396.)


35. Ein alter Löwe vermag mehr als ein junger Hase.

So richtet auch ein alter Mann oft weit mehr aus als ein junger Hasenfuss.

Lat.: Senecta leonis praestantior hinnulorum juventa. (Philippi, II, 175.)


36. Ein gefangener Löwe knurrt nicht.Sprichwörterlese, 483.


37. Ein Lew frist wol ein Lam, aber von einem Lewen wird kein Lam geboren.Petri, II, 212.


38. Ein Löw geht mit keinem Hasen schwanger. Lehmann, II, 124, 77; Körte, 3947; Braun, I, 2392; Simrock, 6616; Parömiakon, 2913.


[239] 39. Ein Löw hat keinen Fuchs im Bauch.Lehmann, 384, 13.

»Ein grossmütiger hasset Betrug, Verrätherey vnd arglistigkeit.«


40. Ein Löw' im Käfig ist ohnmächtig.

Holl.: Een leeuw in zijn hok is een Napje op Sint Helena. (Harrebomée, II, 14.)


41. Ein Löwe, der Honig gibt (enthält), ist nicht zu fürchten.

Dän.: Frygt ei for den løve, i hvelken du kand finde honning. (Prov. dan., 396.)


42. Ein Löwe, der mich frisst, ist mir lieber als ein Wolf, der mich beschmuzt.Globus, VIII.


43. Ein Löwe geht nicht auf die Hasenjagd.


44. Ein Löwe im Frieden, ein Fuchs im Felde.

Wer verkehrt handelt, oder von denen, die sich sanft stellen und so zur Herrschaft gelangen.


45. Ein Löwe im Hause, ein Hase vor der Thür.

»... Darum bin ich denen sehr feind, die gegen die armen Weiber so beherzt sind, wie man pflegt zu sagen: Domi leones, foris lepores.« (Heuseler, 421.)

Lat.: In pace leones, in proelio cervi. – In praetorio leones, in castris lepores. (Binder II, 1455.)


46. Ein Löwe ohne Mähne, ein Hund ohne Zähne, ein Schulmeister ohne Buch, ein Matrose ohne Fluch, ein Soldat ohne Bart sind Dinge schlechter Art.


47. Ein Löwe verhungert, wo ein Esel fett wird.

Der Afrikareisende Baker (Erforschung der Nilquellen, II, 137), der an gute Kost gewohnt war, nahm sichtlich ab, während seine Begleiter, dasige Eingeborene, von der Pflanzenkost dick und fett wurden. In Bezug hierauf wurde das obige Sprichwort als solches angeführt.


48. Ein todter Löwe hat weniger Macht als eine lebende Maus.Altmann V, 98.


49. Einem Löwen weicht wol auch ein Elefant aus.


50. Einem schlafenden Löwen spielt auch eine Maus um die Tatzen.


51. Einen Löwen scheren, ist ein gefährlich Geschäft.

Holl.: Het is kwaad, den leeuw te scheren. (Harrebomée, II, 14.)


52. Einen schlafenden Löwen muss man nicht aufwecken.Lohrengel, I, 208.

Die Perser: Wecke nicht den schlafenden Aufruhr. (Reinsberg III, 76.)

Frz.: Il ne faut pas réveiller le chat qui dort.

Schwed.: Lugga intet Lejonet. (Grubb, 729.)


53. Einen todten Löwen kann jeder Hase an der Mähne zupfen.

Aehnlich türkisch Cahier, 2658.


Böhm.: Zdechlého lva snadno za bradu škubati. (Čelakovský, 180.)

Poln.: Lwu zdechłemu łacno brode skubać. (Čelakovský, 180.)


54. Einen todten Löwen tritt selbst ein Esel mit Füssen.

Denn er hat, wie die Russen sagen, nicht so viel Macht, als eine lebende Maus. (Altmann V, 98.)

Holl.: Een ezel geeft nog gaarne een' dooden leeuw een' schop. (Harrebomée, I, 188.)

It.: Al cane, che invecchia, la volpe gli piscia addosso.

Lat.: Annoso leoni vel lepores insultant. – Mortuo leoni vel lepores insultant. (Seybold, 318.)


55. Einen verstrickten Löwen kann oft eine Maus retten.

It.: Il leone ebbe bisogno del topo. (Bohn II, 102.)


56. Eines Lewen Gemüth erkennt man im Schwantz, eines Pferdes an den Ohren. Coler, 327a.


57. Es ist besser, dass ein Löw ein Fahnen Hirschen, dann dass ein Hirsch ein Fahnen Löwen führe.Stettler, 64a.


58. Es ist leichter einen Löwen zu überwinden, denn einen Drachen.Luther's Tischr., 327a.


59. Für einen Löwen gibt's hundert Gehöfte, Wege und Furten1.

1) Ueber die Schwierigkeit der Löwenjagd vgl. Jules Gerard, Der Löwenjäger, deutsch von A. Diezmann, 1855.)


60. Für Lewen hat kein Hase freien Pass.Petri, II, 321.


61. Hundert Löwen verlieren, wenn ein Schaf sie anführt.


[240] 62. Ich den Löwen oder der Löwe mich.

Die Araber: Wer den Löwen erlegt, kann ihn unter die Zähne bringen, wer ihn nicht erlegt, der kommt unter die Zähne. (Cahier, 2253.)


63. Ich will einem Löwen die Zunge ausreissen, sagte jener, aber man muss ihm erst die Zähne ausbrechen.Lehmann, 447, 34.


64. Ist der Löwe todt, so raufen ihm die Hasen den Bart.Gaal, 1114; Eiselein, 435; Sailer, 209; Simrock, 6611; Schlechta, 96.

It.: Quando il leone è morto, le lepri gli saltano addosso. (Gaal, 1114; Bohn II, 122.)

Lat.: Audet vel lepus ex animi insultare leoni. (Eiselein, 435.) – Barbam vellere mortuo leoni. (Erasm., 186.)

Ung.: A' le esett bikát a' gyermek is rugdossa. (Gaal, 1114.)


65. Kein Löwe verletzt einen edeln Mann.Graf, 35.

Der Aberglaube von den Vorzügen des Adels vor den übrigen Ständen war im Mittelalter so gross, dass man sogar behauptete, der Löwe habe vor einem Edelmanne Respect. (Vgl. Westphal, III, 87.)


66. Kein Löwe wird mit der Mähne geboren.


67. Lieber in des Löwen Tatzen als in die Krallen der Katzen.


68. Liegt der Löwe todt, ist er der Hasen Spott. Logau, Sinnged., I, 1, 99.


69. Löwe im Munde, Hase im Herzen.


70. Löwe und Adler ziehen junge Löwen und junge Adler.

Frz.: Le lyon et l'aigle font leurs petitz parfaictz et en certain nombre. (Leroux, II, 115.)


71. Löwen, Bären, wilde Schwein' zusammen drei böse Thiere sein.


72. Löwen fangen kein Mäuss.

»Es ist einer Obrigkeitlichen oder tapffern Person gar vnziemlich vnd verkleinerlich, wenn man einem geringern vnnrecht vnnd gewalt zufügt.«

Dän.: Løven vil ei nøyes med fluer. (Prov. dan., 397.)

Lat.: Quid leo cum mure?


73. Löwen im Hause, Hasen im Treffen.Eiselein, 435.


74. Löwen vnd jung gezemte Bären soll niemand in sein Hauss begeren.Petri, II, 438; Henisch, 172, 26.


75. Löwen vnnd Beeren lassen sich zam machen, aber jhre wilte art nicht aussziehen.Lehmann, 129, 17.

»Die Natur lässt sich lenken, nicht brechen.«


76. Löwen zerreissen oft ihre Wärter.


77. Man kann Löwen und Bären zähmen, warum nicht auch böse Buben.Blum, 351; Pistor., II, 98.

Ueberschrift des Zuchthauses in Bremen.


78. Man sol den lewen nicht warderen (schätzen) na den klouwen.Tunn., 49.

Also gegen Klaue 1.

Lat.: Unguibus a rigidis stultum taxare leonem. (Tunnicius, 49.)


79. Mancher entflieht dem Löwen auf schnellen Füssen und wird vom Bären zerrissen.

Dän.: Han flyede for løven og mødte biørnen. (Prov. dan., 397.)


80. Mancher raufft den todten Löwen beim Bart, der jn, wenn er lebet, nicht getörste ansehen.Agricola II, 165; Egenolff, 35b; Petri, II, 452; Henisch, 195, 30; Blum, 350; Sutor, 304 u. 629; Sailer, 245; Simrock, 6613.


81. Mit dem Löwen ist nicht gut Beute theilen.

Dän.: Ondt at deele med den mægtige. (Prov. dan., 107.)

Schwed.: Ondt byta med lejonet. (Grubb, 640.)


82. Mit einem gefangenen Löwen ist leicht spielen.

Frz.: Chacun joue au roi dépouillé. (Gaal, 1778.)


83. Obgleich der Lew grimmig ist, lest er sich doch ein Hannengeschrey erschrecken vnd jochen.Petri, II, 501.


84. Sei nicht ein Löwe in deinem Hause.

Böhm.: Nebud' lvem v domĕ svém. (Čelakovský, 375.)


85. Von Löwen kommen keine Hasen.Parömiakon, 2913.


86. Vorn ein Löwe, hinten ein Drache und mitten eine Chimäre. (Altröm.)

Damit schildert Cicero einen unbeständigen, wankelmüthigen Menschen; oder eine Arbeit, die zwar gut angefangen, aber nicht so durchgeführt wurde.


[241] 87. Wann der Löw todt ist, so hüpffen auch die Hasen auff jhm.Lehmann, 701, 40; Lehmann, II, 827, 29; Heinsberg II, 39.

Dän.: Naar løven er død springen haren paaden. (Prov., dan., 396.)

Holl.: Als de leeuw dood is, kunnen de hazen wel over hem heen huppelen. – Ook hazen trekken een' leeuw bij den baard, als he dood is. (Harrebomée, II, 14.)


88. Was der Löw nicht kan thun, das thut der Fuchs.Lehmann, 467, 3; Marcolfus, 9; Körte, 3948; Simrock, 6609; Graf, 529, 347; Braun, I, 2391.


89. Was der Löwe einmal in den Klauen hat, gibt er nicht wieder.


90. Was der Löwe nicht kann, das kann der Fuchs; was der Fuchs nicht kann, kann der Teufel; was der Teufel nicht kann, das macht ein Jesuit.Klosterspiegel, 11, 11; Körte2, 4967; plattdeutsch bei Schlingmann, 950.

Engl.: To patch a fox's tail to a lion's skin.

Frz.: Ce que le lion ne peut, le renard le fait. – Il faut joindre la peau du renard à celle du lion. (Masson, 235.)

Holl.: Dat de leeuw niet weet, doet de vos. (Harrebomée, II, 14.)

It.: Quel che non fà il leone, lo fà la volpe. (Pazzaglia, 419, 4.)

Lat.: Vulpina pellis assuenda, si leonina non sufficit. (Masson, 235.)


91. Was fragt der Löwe nach Flohstichen.

Dän.: Løven skiötter ei om loppe-bid. (Prov. dan., 397.)


92. Was nützt's, wenn man ein Löwe im Hause ist, wenn einen draussen jeder Esel frisst!

»Was hilft es dir, dass du ein Löwe bist in deinem Haus, wenn doch alsbald dich jeder Esel frisst, gehst du hinaus.« (L. Schücking, Welt und Zeit, 23, 91.)


93. Was vermöchte nicht der Löwe, wenn er ein Affe wäre.

Die Chinesen, um auszudrücken, dass Gewandtheit über Stärke geht oder dass Stärke durch Verbindung mit Gewandtheit ihre Leistungen steigert. (Victor Hugo, Die Meerarbeiter.)


94. Weil Löw' vnd Bär vmb die Geiss sich streiten, stiehlt sie der Fuchs.Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 478.

In Afrika: Weil Löw' und Tiger sich zerreissen, geht der Schakal mit der Beute fort.


95. Wenn auch der Löwe ruht, aber schlafen darf er nicht.

Wer frieden haben will, muss stets in Schutz und Trutz gewappnet sein.


96. Wenn der Löwe brüllt, soll der Wolf schweigen.


97. Wenn der Löwe brüllt, soll die Katze nicht miauen.


98. Wenn der Löwe brüllt, zittert der Wald.Eiselein, 434; Simrock, 6618; Braun, I, 2393.


99. Wenn der Löwe einem Hasen dient, ist er doppelt stark.


100. Wenn der Löwe schläft, ist ein Lamm König.


101. Wenn der Löwe sich an die Kette legen lässt, so ist hinfort keine Schmach für ihn, an der Kette zu liegen. (Abyssinien.)

102. Wenn der Löwe spricht, schweigen die andern Thiere.

Dän.: Løven er dyre-konge. (Prov. dan., 397.)


103. Wenn der Löwe zittert, geschieht's nicht aus Furcht.

Mhd.: Der lewe enfürht des mannes niht, wan sô ern hoert und niht ensiht. (Freidank.) (Zingerle, 95.)


104. Wenn dir ein Löwe die Tatze reicht, so zieh' eiserne Handschuh' an.


105. Wenn du sagst, der Löwe sei ein Esel, so gehe hin und lege ihm einen Zaum an.


106. Wenn ein Löwe schlafen geht, steht kein Hase auf.


107. Wenn Löwen um die Höhle kämpfen, kann kein Lamm Schiedsrichter sein.Sprichwörtergarten, 187.


108. Wenn man dem Löwen eine Lehre geben will, schlägt man den Hund auf die Schnauze.

Holl.: Om den leeuw te bedwingen, slaat men het hondje klein. (Harrebomée, II, 14.)


109. Wer auff einem Lewen reit, der kan bald hernieder auff einen Hund kommen.Petri, II, 684.


[242] 110. Wer den lebenden Löwen nicht anzusehen wagte, zupft den todten am Barte.Körte, 3949.

Lat.: Ubi nihil proficitur leonina, induenda est vulpina. (Seybold, 620.)


111. Wer den Löwen für einen Esel hält, der halftere (reite, sattle) ihn.

Aehnlich arabisch Cahier, 2247.


112. Wer einen Lewen füttert, der dient dem Lewen, der Lew dient jhm nicht.Petri, II, 701.


113. Wer einen Löwen in der Ferne weiss, den schreckt schon eine Maus in der Nähe.

It.: Chi piglia leone in assenza, teme la talpa in presenza. (Bohn II, 85.)


114. Wer Löwen zerreissen kann, zertritt nicht Würmer.


115. Wer mit einem Löwen die Beute theilt, bekommt nicht das grösste Stück.

Dän.: Løve-byttet er tungt at indgaae. (Prov. dan., 396.)

116. Wer mit Löwen kämpft, darf keine Lammspfoten haben.


117. Wer zum Löwen zu Gaste geht, muss grossen Hunger haben.


118. Wie ein Löwe kommt er, und wie ein Hase läuft er.

Die Russen: Es fängt mancher an wie ein Leu und endet wie ein Häselein. (Altmann VI, 498.)


119. Wo der Löwe Hof hält, darf der Wolf nicht wohnen.


120. Wohin der Löwe nicht selbst kann, da schickt er den Fuchs hin.


121. Zu Hause Löwen, im Treffen Hasen.Simrock, 6614.


*122. Das ist der Löwe des Tags.

Der Hauptgegenstand der Aufmerksamkeit und Beachtung. Von etwas, das allgemeines Aufsehen erregt. Die Erklärung der Redensart müssen wir aus England holen. Seit dem Jahre 1255 befand sich der königliche Löwengarten Englands im Tower und machte einen solchen Eindruck auf das Volk der City und Umgebung, dass man alles, was die Aufmerksamkeit in ausserordentlicher Weise auf sich lenkte, »Löwe« nannte. Von da bis jetzt spricht man daher von einem »Löwen des Tags«. (Vgl. Bericht über die englischen Schulen von Kreyenberg im Schulblatt der Provinz Brandenburg, 1867, Heft 3 u. 4.) »Der Löwe des Tags in Neuyork ist Pater Hyacinth.« (Wächter am Erie, Cleveland vom 18. Oct. 1869, Nr. 15.) »Die Löwen des Tags sind gegenwärtig in Washington die Indianerhäuptlinge.« (Bresl. Zeitung vom 27. Juni 1870, Nr. 292.)


*123. Dem Löwen die Mähne schneiden.Altmann VI, 515.


*124. Dem Löwen die Tatze beschuhen und die Mähne frisiren.


*125. Dem Löwen seine Beute entreissen.

In dem Sinne wie: Einem den Bissen aus dem Munde nehmen, aber nur dann, wenn grosse Gefahr mit einem solchen Unternehmen verbunden ist.

Lat.: Esurienti leoni praedam exsculpere. (Faselius, 33.)


*126. Den Löwen bei den pfoten erkennen. Franck, Zeytbuch, III, Vorr.


*127. Den Löwen mit dem Clausen verschröcken.

Lat.: Terrere leonem larva. (Chaos, 1037.)


*128. Der Löwe ist zu einer grossen Katze geworden.

So heruntergekommen ist er. Macht, Ansehen, Einfluss sind gesunken.


*129. Einem hungrigen Löwen die Zähne putzen (ausbrechen) wollen.

In Bezug auf ein äusserst gefahrvolles oder geradezu tollkühnes und unsinniges Unternehmen.

Lat.: Esurienti leoni praedam exsculpere. (Philippi, I, 138.)


*130. Einem Löwen in die Klauen fallen (greifen).


*131. Einen Löwen am Bart zupfen.

Lat.: Leoni barbam vellere. (Seybold, 276.)


*132. Einen Löwen barbieren. (Altgriech.)

Wer Mächtige zu eigener grosser Gefahr betrügen, verspotten will.


*133. Einen Löwen im Käfig (gefangen) halten.

»Wer bei Lästerungen und Unbilden geduldig bleibt, gleicht jenem, der einen Löwen in einem Käfig gefangen hält; wer sich aber rächt, gleicht einem, der sich selbst zu Grunde richtet.« (Ephräm, I, 226.)


*134. Einen Löwen mit Stroh füttern.

Ein talmudisches Sprichwort sagt: Der Löwe wird niemals übermüthig, wenn man ihm Stroh vorlegt, sondern wenn er mit Fleisch gefüttert wird. (Berach, 32.)


[243] *135. Einen Löwen soll man nicht reizen.

Nicht zu seinem eigenen Verderben einen Mächtigen herausfordern.

Lat.: Leonem ne stimula. (Erasm., 611, Eiselein, 435; Philippi, I, 222.)


*136. Einen todten Löwen tödten.Tendlau, 74.

Leeres Stroh dreschen.

Lat.: Leonis vestigia quaeris. (Binder II, 1647; Erasm., 920; Lang, 335; Philippi, II, 223.)


*137. Er reisst dem todten Löwen die Mähne aus.

Von einem Feigen, der sich an seinem mächtigen Gegner rächt, nachdem derselbe keinen Widerstand mehr leisten kann.


*138. Löwe und Lamm in Einer Person sein.


*139. Löwen und Füchse zusammenkuppeln.

Lat.: Leonibus vulpes jungere. (Seybold, 276.)


*140. Mit dem Löwen in Gesellschaft gehen.

Von der Fabel des Aesop, Der Löwe, Esel und Fuchs.

Lat.: Leonina societas. (Seybold, 276.)


*141. Sich vor einem gemalten Löwen fürchten.

Aehnlich russisch Altmann VI, 521.


[Zusätze und Ergänzungen]

142. Auch ein zahmer Löwe zerreisst zuweilen den Wärter, der ihn füttert.

So wandte jemand ein, als man die Gnade eines Fürsten rühmte. (Harssdörffer, 585.)


143. Dem todten Löwen reisst man die Mähne aus.


144. Einem Löwen in die Klauen greifen und mit der Faust gegen einen scharfen Degen fechten wollen ist nicht kluger Leute Werk. Pers. Rosenthal, 300.


145. Lieber vom Löwen zerrissen als vom Wolf beschmissen.


146. Wenn der Löwe den Raub in den Klauen hat, was fragt er nach dem Bellen der Hunde.Pers. Rosenthal, 212.


147. Zwischen Löwen und Pfaffen wird wahre Freundschaft niemand schaffen.Zinkgref, IV, 250.

Lat.: Dum mare siccatur et Daemon ad astra levatur tunc primo Laicus fit clero fidus amicus. (Zinkgref, IV, 280.)


*148. Löwe und Fuchs zugleich sein.Nigrinus, Inquisition, 676.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873.
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