Reuß [2]

[74] Reuß (Gesch.). In den nach dem Einzug der Slawen von Sorbenwenden besetzten jetzigen Reußenlande walteten vormals die Grafen von Gleisberg; namentlich werden die Brüder Aribo u. Sizzo angeführt, welche zur Zeit des Kaisers Otto des Großen gelebt haben sollen. Jornanda, Sizzo's Tochter, beerbte ihren Vater u. Oherm u. vermählte sich um 1000 n. Chr. mit dem sächsischen Edlen Eckbert, welcher nun Graf wurde. Sein Sohn Heinrich hatte zwei Söhne; der jüngere, Hildebrand starb 1038 als Bischof von Naumburg; der ältere [74] Walther, zeugte mit seiner Gemahlin Hedwig von Vohburg Wilhelm, welcher um 1075 Feldherr des Kaisers Heinrich IV. war. Dieser hatte drei Söhne, Walther, welcher um 1130 Gleisberg besaß, Damian u. Eckbert II. Eckberts II. Sohn, Heinrichder Reiche, welcher als Stammvater der Reußen zu betrachten ist, hatte großen Grundbesitz, führte als Gründer der Stadt Weida den Titel edler Voigt von Weida od. Advocatus de Plawe (Plauen), war Hofmarschall des Kaisers Friedrich I. u. Gemahl einer Anverwandten des Kaisers Friedrich I., durch dessen Begünstigung er das ganze Voigtland u. die erbliche Würde eines Reichsvoigts erwarb. Sein Name kommt in Urkunden seit 1143 vor. Seinen drei Söhnen gab er zu Ehren des Kaisers Heinrich VI., des Sohnes Friedrichs I., den Namen Heinrich, welcher seitdem der Name aller Glieder des Hauses geblieben ist. Er starb zu Ende des 12. od. zu Anfang des 13. Jahrh., u. seine drei Söhne stifteten 1206 durch den Theilungsvertrag zu Bober-Neukirch die drei Linien Weida, Plauen u. Gera, welche alle drei den Voigtstitel führten.

A) Linie Weida. Diese besaß außer der Herrschaft Weida die Herrschaft Greiz, Regnitz u. das Schloß Hirschberg an der Saale; die Ortschaften Bodritz, Gröba, Hartmannsdorf, Königswalde, Lohma, Poderschau, Reichardsdorf, Remsa, Seissarthsdors etc. besaßen alle drei Linien gemeinschaftlich. Heinrich hinterließ wahrscheinlich drei Söhne, einer davon scheint vor 1225 gestorben zu sein u. Ronneburg besessen zu haben. Ein Sohn desselben trat in den Deutschen Orden u. wurde 1247 zum Landmeister erhoben. 1318 überließ Heinrich der Jüngere dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg die Lehnsherrlichkeit über Hof u. das Regnitzland u. 1345 Heinrich der Ältere, wahrscheinlich Neffe des Vorgenannten, die Lehnsherrlichkeit über die Herrschaft Weida dem Landgrafen von Thüringen; 1367 verkaufte Heinrich, des Vorigen ältester Sohn, an seinen Bruder Heinrich den Jüngern, genannt der rothe Voigt, Hof u. das Land Regnitz, dieser aber verkaufte wegen der Streitigkeiten über die Lehnsherrlichkeit diese Landestheile an die Burggrafen von Nürnberg. 1410 verkaufte Heinrich der Ältere, bald darauf auch Heinrich der Mittlere jeder seinen Antheil an Weida an die Land- u. Markgrafen von Thüringen u. Meißen, u. da 1427 auch Heinrich der Jüngere seinen Antheil an den Kurfürsten Friedrich den Streitbaren von Sachsen verkaufte, so fiel der Voigtstitel weg. Diese drei waren wahrscheinlich Söhne Heinrichs des Jüngern. Die beiden Söhne Heinrichs des Ältern kauften die Herrschaft Hauenstein in Böhmen u. wohnten um 1438 daselbst. Wahrscheinlich einer dieser Brüder erwarb 1453 von den Burggrafen zu Meißen Schloß u. Herrschaft Wildenfels. Die Familie siedelte nun auf das neue Erbgut über u. nannten sich Vögte von Weida u. Wildenfels. Des Käufers drei Söhne theilten die Herrschaft zu Anfang des 16. Jahrh.; nachdem der ältere kinderlos gestorben war u. der jüngere seinen Antheil dem mittleren verkauft hatte, besaß Heinrich der Mittlere die Herrschaft Wildenfels seit 1510 allein; mit ihm starb 1532 die männliche Linie der Vögte von Weida aus.

B) Linie Gera. Heinrich der Jüngere, zweiter Sohn Heinrichs des Reichen, erhielt in der Theilung mit seinen Brüdern die Herrschaften Gera, Lobenstein, Langenburg, Saalburg, Burgk u. Nordhalben. Sein ältester Sohn, Heinrich der Ältere, widmete sich nebst seiner Gemahlin Jutta dem geistlichen Stande, er trat 1238 in den Deutschen Orden u. Jutta wurde Priorin im Kloster Kronschwitz, welchem er das Dorf Reinhardsdorf schenkte. Er hinterließ drei Söhne, von denen der mittlere Geistlicher war, die beiden andern aber mehre Jahre die väterlichen Lande gemeinschaftlich besaßen, 1302 jedoch eine Erbtheilung schlossen. Beide Brüder führten langwierige Fehden mit dem Landgrafen von Thüringen u. dem Herrn von Lobdaburg. Heinrich der Jüngere hinterließ nur einen Sohn, welcher bald nach ihm starb; Heinrich der Ältere, welcher nach 1328 starb, hinterließ drei Söhne, von denen einer deutscher Ordenscomthur zu Reichenbach wurde; die beiden andern theilten sich in die Lande; Heinrich der Ältere nahm Gera u. Heinrich der Jüngere Lobenstein. Der Ältere starb nach 1347 als Landrichter zu Meißen; ihn beerbte der Jüngere, welcher sich von nun an Heinrich der Ältere nannte. Er u. sein Sohn übertrugen 1371 die Herrschaft Lobenstein dem Könige von Böhmen zu Lehn u. übernahmen sie wieder als Mannlehn; der Ältere starb 1377, nachdem er 1374 die Lehnsherrlichkeit über Saalburg u. Reichenfels dem Landgrafen von Thüringen übertragen hatte. Heinrich der Jüngere starb 1420 u. hinterließ drei Söhne. Von ihnen hatte nur Heinrich der Mittlere männliche Nachkommen; von diesen starb Heinrich der Ältere früh; Heinrich der Mittlere erhielt Lobenstein, Saalburg, Reichenfels u. Nordhalben; Heinrich der Jüngere Gera u. den größten Theil der Herrschaft Schleiz. Dieser machte sich durch seine Tapferkeit in den Kriegen Friedrichs des Sanftmüthigen mit seinem Bruder, dem Landgrafen Wilhelm von Thüringen, berühmt; deshalb belagerte 1450 der Herzog die Stadt Gera u. eroberte u. zerstörte sie, bei welcher Gelegenheit 5000 Einwohner umkamen. Heinrich der Jüngere selbst wurde nach Böhmen in die Gefangenschaft geführt u. starb bald darauf ohne Kinder. Heinrich der Mittlere war sein Erbe. Von seiner Gemahlin Anna von Henneberg hinterließ er drei Söhne, welche 1482 so theilten, daß Heinrich der Ältere Gera, die Pflege Langenberg u. die Herrschaft Rochsburg, Heinrich der Mittlere Schleiz u. die Pflege Reichenfels, Heinrich der Jüngere Lobenstein, Saalburg, den Streitwald u. Nordhalben erhielt. Der Ältere verkaufte Rochsburg an die Herren von Ende. 1485 bewilligte die Ritterschaft von Schleiz u. Pflege Reichenfels die erste Landbede; ein Jahr darauf erhielt der Jüngere von Lobenstein dieselbe Bewilligung. Sämmtliche Brüder verkauften wiederkäuflich 1492 die Mark Zeulenroda an Heinrich den Ältern, Herrn zu Greiz, u. 1497 Heinrich der Jüngere an Heinrich den Mittlern seine Herrschaft Lobenstein. Dieser starb 1500 u. hinterließ zwei Söhne, welche sämmtliche geraische Besitzungen erbten, denn ihres Vaters Brüder waren ohne männliche Nachkommen gestorben. Heinrich der Ältere nahm Gera, Heinrich der Jüngere Schleiz, doch besaßen sie mehre Gebiete gemeinschaftlich. Der Einführung der Reformation widersetzten sich Anfangs beide Brüder aus Furcht vor dem Kaiser u. weil sie ihrem Lehnsherrn, dem Kurfürsten von Sachsen, das Reformationsrecht nicht einräumen wollten, doch überließen sie es nachher ihren Unterthanen, u. 1533 wurde von[75] den kurfürstlichen Commissarien die erste Kirchenvisitation gehalten. 1538 starb Heinrich der Ältere, u. seine Besitzungen gingen auf den jüngern Bruder über. Dieser ließ 1543 in der Herrschaft Lobenstein die Reformation einführen; 1547 nach der Schlacht bei Mühlberg gerieth er in die Reichsacht u. mußte seine Besitzungen von der Krone Böhmen zu Lehn nehmen u. Gera an den Burggrafen zu Meißen, Heinrich von Plauen, abtreten. 1550 starb er ohne männliche Nachkommen u. mit ihm starb die Linie Gera aus, worauf Heinrich IV., Voigt von Plauen, seine Verlassenschaft in Besitz nahm.

C) Linie Plauen. Der mittelste Sohn Heinrichs des Reichen, Heinrich der Mittlere, erhielt im Bober-Neuenkircher Vertrage die Stammherrschaft Plauen mit Voigtsberg u. nahm daher den Titel Heinrich Voigt von Plauenan; er zeichnete sich durch seine Begünstigung des Deutschen Ordens aus, welcher 1214 in Plauen ein Hospital stiftete u. mehre Niederlassungen erwarb. Sein Sohn Heinrich der Ältere erhielt vom Kaiser Friedrich II. das Recht des Bergbaues u. das Münzrecht. Der Sohn desselben, Heinrich der Fromme, erwarb 1272 von dem Könige Ottokar von Böhmen das Schloß Gräßlitz in Böhmen, welches seine Nachkommen bis 1464 besaßen. Er war mit Maria, einer Tochter des böhmischen Fürsten Przezistäw IV. u. Enkelin einer russischen Fürstin, vermählt u. da er lange in Rußland lebte, so erhielt er den Beinamen der Ruzze, Reuße, wovon der Name auf die Familie u. das Land überging, während sein Bruder wegen seiner großen Besitzungen in Böhmen Heinrich der Böhme hieß. Heinrich der Reuße (st. 1294) hinterließ zwei u. Heinrich der Böhme (st. 1302) drei Söhne, welche um 1302 nach dem Tode ihres Großvaters dessen Güter theilten u. zwei Linien Plauen gründeten.

a) Ältere Plauische Linie (Vögte von Plauen). Bei der Landestheilung fiel der ältern Linie die Herrschaft Plauen mit Voigtsberg zu. Als 1337 der Stamm der Grafen von Eberstein, welche Lehnsherren der eigentlichen Herrschaft Plauen gewesen waren, ausstarb, trugen Heinrich der Ältere od. der Böhmen, sein ältester Sohn sämmtliche plauische Besitzungen der Krone Böhmen freiwillig zu Lehen an u. empfingen vom König Johann die Belehnung. Heinrichs des Älteren Enkel, Heinrich, kaufte 1387 von dem Landgrafen von Leuchtenberg die Herrschaft Königswarth u. das feste Schloß Wirschengrün; 1417 wurde er vom Kaiser Sigismund zum kaiserlichen Hofrichter ernannt u. erklärte auf der Kirchenversammlung zu Kostnitz das über Johann Huß gefällte Urtheil für rechtswidrig. 1418 verkaufte er die Stadt u. Herrschaft Plauen mit dem Beding des Wiederkaufs an den Burggrafen zu Nürnberg. In dem Hussitenkriege stellte er dem Kaiser 400 Reiter Nachdem 1426 Heinrich, Burggraf zu Meißen u. Graf zu Hartenstein, in der Schlacht bei Aussig geblieben war, wurde Voigt Heinrich vom Kaiser Sigismund mit der Burggrafschaft Meißen belehnt u. erhielt zugleich die fürstliche Würde u. Sitz u. Stimme auf dem Reichstage, weshalb er den Namen Heinrich I. annahm. Sein jüngerer Sohn Heinrich war Hochmeister des Deutschen Ordens, wurde aber entsetzt u. st. 1424 (s.u. Preußen, Gesch.). Heinrichs ältester Sohn, Heinrich II., hatte kaum die Erbschaft seines Vaters angetreten, als die Hussiten 1430 seine Lande überfielen u. Werda, Reichenbach, Plauen, Ölsnitz, Auerbach plünderten u. zerstörten. Darauf erhob sich ein Streit zwischen Heinrich u. dem Kurfürsten von Sachsen wegen des Burggrafenthums Meißen, welchen Kaiser Albrecht II. 1439 dahin entschied, daß Heinrich das Burggrafenthum nebst allem Zubehör für eine Summe von 16,000 rheinischen Gulden an den Kurfürsten abtreten sollte; dies geschah 1440; doch blieb ihm der Titel u. das Wappen des Burggrafenthums. 1454 verkaufte er die Herrschaft Wildenfels an Heinrich von Weida. 1465 gerieth er mit seinen Vasallen in Fehde, u. da er die Vermittlung des Königs Georg von Böhmen u. des Kurfürsten Ernst von Sachsen abwies, so erklärten ihn diese seiner Lehen für verlustig, u. der Kurfürst setzte sich 1466 in den Besitz der Herrschaft Plauen u. der böhmischen Herrschaft, wogegen er Heinrichen 1467 die böhmischen Herrschaften Petschau, Königswarth u. Hartenstein unter der Bedingung zurückgab, daß er allen übrigen Plauischen Besitzungen entsagte. Er nahm den Vertrag an u. starb bald darauf. Sein Sohn Heinrich III. setzte die Fehde gegen Sachsen fort, bis ihn 1482 König Wladislaw von Böhmen für die an Sachsen überlassenen voigtländischen Besitzungen durch das Schloß Breitenstein in der Oberpfalz u. durch die böhmischen Herrschaften u. Städte Theissing u. Engelsburg entschädigte. In demselben Jahre kaufte er von dem Grafen Ernst von Gleichen die Städte Schlackenwald u. Schönfeld; er st. 1492. Heinrich IV. besaß eine Zeitlang Stadt u. Herrschaft Waldmünchen u. verkaufte 1502 an Pflug von Rabenstein die Stadt Schlackenwald; er st. 1520. Heinrich V. trat in die Dienste des Königs Ferdinand u. wurde dessen Kämmerer u. Geheimer Rath u. 1542 oberster Kanzler von Böhmen. Dafür, daß er Ferdinand im Schmalkaldischen Kriege diente erhielt er die böhmischen, Sachsen entrissenen Lehen u. die voigtländischen Herrschaften Voigtsberg. Plauen, Ölsnitz, Adorf, Schöneck u.a., auch die böhmische Herrschaft Gräßlitz zurück. 1548 kaufte er die Herrschaft Luditz in Böhmen u. erhielt 1549 die Lehen vom Schloß Hirschberg u. die Herrschaft Asch u. Neuperg u. 1550 nach dem Aussterben der Linie Gera die Lehen von Schleiz, Lobenstein u. Saalburg. 1553 zog er, vom König Ferdinand aufgefordert, gegen den Markgrafen Albrecht von Brandenburg in den Krieg, eroberte die Stadt Hof zweimal u. erhielt für die aufgewandten Kriegskosten die Hauptmannschaft von Hof u. auch die Städte u. Ämter Münchberg, Helmbrechts, Schauenstein u. Wunsiedel, starb aber 1584 bei der Belagerung der Plassenburg. Seine Söhne Heinrich VI. u. VII. konnten die neugewonnene Größe ihres Vaters nicht behaupten, u. das schnell Erworbene ging wieder verloren. Heinrich VII. starb nach seinem Bruder 1572, mit ihm erlosch die ältere Plauische Linie u. nun ging auch der burggräfliche Titel von Meißen an Kursachsen über.

b) Jüngere Plauische Linie, deren Gliever sich Heinrich der Jüngere genannt Reuß schrieben u. Plauen, Greiz u. Kranichfeld besaßen. Der erste Herr von Plauen st. 1294 u. hinterließ zwei Söhne, von denen der ältere den Stamm fortpflanzte, der jüngere in den Deutschen Orden trat. Heinrich war Hofrichter des Kaisers Rudolf I. Seines Sohnes Heinrich Gemahlin Salome, Tochter des Herzogs Heinrich III. von Schlesien-Glogau, war eine Schwester der Kaiserin Beatrix,[76] Gemahlin Ludwigs des Baiern. Er wurde 1322 Vormund des jüngern Landgrafen Friedrich von Thüringen u. Statthalter im Meißner, Pleißner u. Osterlande. 1325 erhielt er vom Kaiser Mylau u. Reichenbach zu Lehen; 1325 von dem Landgrafen Friedrich von Meißen das Schloß Waldeck u. die Dörfer Bobeck u. Rechheim, 1327 u. 1328 Schloß u. Stadt Triptis, Ziegenrück, den Hof Auma, Pölzig bei Altenburg u. Lengefeld bei Borna, 1329 von dem Kaiser das Schloß Treuen u. von dem König von Böhmen das Schloß Stein, u. der Kaiser gab allen Plauischen Linien eine Bestätigung ihrer landesherrlichen Regalien. 1331 gerieth Heinrich mit dem Landgrafen Friedrich von Meißen wegen einiger Forderungen in Fehde, welche mit Unterbrechung bis 1344 dauerte. 1338 legte er die Statthalterschaft von Meißen nieder u. st. 1349. Heinrich der Strenge, sein einziger Sohn, gerieth 1355 u. 1357 mit dem Landgrafen Friedrich dem Strengen in Fehde u. büßte darin Triptis, Auma u. Ziegenrück ein; er st. 1358. Seine drei Söhne theilten die väterliche Verlassenschaft. Der mittlere dieser drei Brüder starb 1372 ohne Nachkommen, der jüngste 1399 gleichfalls unbeerbt, u. seine Lande fielen als eröffnete Lehen an den Landgrafen von Thüringen; der älteste starb 1394; von seinen zwei Söhnen pflanzte nur der jüngere die Linie fort. Dieser starb 1452 u. hinterließ drei Söhne; der jüngere trat in den Deutschen Orden, wurde 1468 Hochmeister (s. Preußen Gesch.) u. st. 1470. Von den beiden ältern Brüdern, welche die Herrschaften Ober- u. Nieder-Kranichfeld an sich brachten, setzte nur der ältere, welcher 1475 starb, die Linie fort. Von seinen fünf Söhnen hatte wieder nur Heinrich der Stille, welcher 1535 starb, Nachkommen; dessen drei Söhne fochten im Schmalkaldischen Kriege auf Seiten der Evangelischen, kamen in die Reichsacht, verloren alle sächsischen u. böhmischen Lehen, erhielten doch zum Theil den Besitz später wieder u. theilten sich 1567 in drei Linien:

aa) die ältere Linie auf Unter-Greiz: Heinrich I. od. der Ältere, Stifter der Linie, st. 1572. Von seinen drei Söhnen wurden wieder zwei Stifter der Häuser Burgk u. Dölau. Das Haus Burgk starb 1640 mit Heinrich III. aus; der Stifter des Hauses Dölau starb 1604 u. hinterließ zwei Söhne Heinrich IV. u. V. 1616 waren die Länder der mittleren Linie angefallen, u. von da an nannte sich diese Linie Reuß-Greiz. 1625 theilten sie; Heinrich IV. wurde Stifter des Specialhauses Obergreiz; Heinrich V. des von Untergreiz. aaa) Specialhaus Untergreiz: Heinrich V. st. 1667; seine drei Söhne, Heinrich II., IV. u. V. theilten; Heinrich II. erhielt Burgk, die beiden andern jeder die Hälfte von Untergreiz. 1671 nahmen sämmtliche Herren, Reußen von Plauen, mit kaiserlicher Bewilligung den Grafentitel an. Heinrich IV. starb 1675 u. hinterließ zwei Söhne, Heinrich XI V., der schon 1682 starb, u. Heinrich XIII., welcher in allen Besitzungen blieb; Heinrich II. zu Burgk starb 1697 ohne männliche Nachkommen u. seine Besitzungen wurden zwischen Heinrich V. u. XIII. getheilt. Heinrich V. starb 1698; ihn beerbte sein Neffe Heinrich XIII. Dieser, welcher nun wieder alle Besitzungen dieses Hauses Untergreiz vereinigte, wurde 1716 Ältester des Gesammthauses u. starb 1733; nach dem eingeführten Erstgeburtsrechte beerbte ihn sein ältester Sohn Heinrich III., welcher 1748 Ältester des Gesammthauses wurde; mit ihm erlosch 1768 das Specialrecht Untergreiz. Seine Besitzungen fielen an Obergreiz. bbb) Specialhaus Obergreiz. Heinrich IV der Mittlere, 1625 Stifter dieses Specialhauses, st. 1629. Sein Sohn Heinrich der Ältere, welcher den Nebenreceß vom 13. November 1668 mit unterzeichnete, wonach die Benennung der Heinriche von R. durch Ziffern unterschieden werden sollte, st. 1681 u. hinterließ Heinrich VI., XV u. XVI. Heinrich XV. st. 1690, u. 1694 theilten die beiden übrigen; Heinrich VI. erhielt Obergreiz, Heinrich XVI. Dölau. Heinrich VI. fiel 1697 als kurfürstlich sächsischer Generalfeldmarschall in der Schlacht bei Zeuta gegen die Türken, u. 1698 st. auch Heinrich XVI. Heinrichs VI. zwei Söhne, Heinrich I. u. Heinrich II., beerbten ihren Vater u. Oheim, der Erstere st. 1715 unvermählt; der Letztere war nun alleiniger Besitzer von Obergreiz u. st. 1722. Sein ältester Sohn Heinrich IX. überlebte ihn nur ein Jahr u. der zweite Sohn Heinrich XI. wurde nun alleiniger Erbe von Obergreiz. Bei des Vaters Tode unmündig, trat er die Regierung 1743 selbst an, erbte 1768 die Herrschaft Untergreiz u. Burgk, wurde 1778 mit seinem ganzen Haus in den Reichsfürstenstand erhoben u. st. 1800. Da der Erbprinz Heinrich XII. schon 1799 gestorben war, so folgte Heinrichs XI. Enkel Heinrich XIII., kaiserlich österreichischer Generalfeldzeugmeister; dieser traf die Bestimmung, daß die ältere Linie des Hauses die Namen der Fürsten besonders zählen sollte. Am 18. April 1807 trat das fürstlich Reußische Haus dem Rheinbunde u. 1815 dem Deutschen Bunde bei u. seine Contingente nahmen an den Feldzügen in Tyrol, Spanien, Rußland, Deutschland u. Belgien Theil. Als Heinrich XIII. 1817 starb, folgte ihm sein Sohn Heinrich XIX., u. da dieser bei seinem Tode 1836 nur zwei Töchter hinterließ, so erbte sein Bruder Heinrich XX. das Fürstenthum. Das kleine Land, dessen Fürst ein reiches Kammergut, dessen Unterthanen wenig Steuern u. regen Gewerbfleiß hatten, befand sich fortwährend wohl, u. selbst die Unruhen des Jahres 1848 gingen fast spurlos hier vorüber. Preßfreiheit etc. gewährte der Fürst, sobald diese neuen Volksrechte vom Bundestage decretirt worden waren, ebenso entschloß er sich freiwillig seinem Lande eine Verfassung zu geben. Der alte, lange nicht versammelt gewesene ständische Landtag nahm ein von der Regierung proponirtes Wahlgesetz an, worauf der neugewählte, aus 15 Mitgliedern bestehende Landtag die Verfassungsvorlage der Regierung en bloc genehmigte. Da jedoch inzwischen allenthalben in Deutschland eine politische Reaction eingetreten war, unterblieb die Publication der Verfassung, dagegen wurde der frühere Landtag wieder einberufen u. demselben nur ein von der Regierung ausgewähltes Stück der Verfassung zur Genehmigung vorgelegt: hierzu gehörte der Civillistenvertrag, wonach auf Wunsch der Regierung die Domänen mit den auf ihnen haftenden Schulden für Staatseigenthum erklärt wurden. Im Febr. 1855 wurde die Vereinigung der bisherigen drei Justizämter des Fürstenthums in ein Justiz- u. ein Criminalamt angeordnet. Vom 8.–22. December 1856 war ein neuer Landtag versammelt, welcher ein Staats- u. Pensionsgesetz, ein Criminalgesetzbuch, ein Gesetz über die Ablösung der bei Besitzveränderungen in Fraae kommenden Fälle, bes. aber auf die neue Re[77] gulirung der Grundsteuer unter Zuerkennung einer billigen Entschädigung für die bisher Steuerfreien, eine Vorlage wegen der Wiederaufnahme des noch im vorigen Jahrhunderte auf Silber, Kupfer u. Eisen im Fürstenthume betriebenen Bergbaues annahm u. Zuschüsse für die Landesschulkasse, den Seminarfond u. die Unterstützung landwirthschaftlicher Fortschritte verwilligte. Am 8. November 1859 st. Fürst Heinrich XX., u. ihm folgte sein älterer Sohn Heinrich XXII. unter Vormundschaft seiner Mutter Karoline. Seitdem ist der Geheime Rath Otto von seinem Posten als Regierungspräsident zurückgetreten, ihm aber bis jetzt noch kein Nachfolger mit ähnlichen umfassenden Befugnissen gegeben worden. Bemerkenswerth ist die hier auf dem kirchlichen Gebiete neuerdings hervorgetretene Bewegung, welche die Trennung einer Anzahl Bewohner der Stadt Greiz u. deren nächsten Umgegend von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche aus dem Grunde zur Folge gehabt hat, weil die letztere die erforderliche Kirchenzucht nicht übe.

bb) Mittlere Linie auf Obergreiz. Heinrichder Mittlere erhielt bei der Theilung 1567 Obergreiz u. st. 1578; von seinen drei Söhnen st. der jüngste schon 1580, die beiden ältern, Heinrich der Alteren u. Heinrich der Mittlere, erhielten 1596 in der Haupttheilung mit den beiden andern Linien ihr Drittel von der Herrschaft Schleiz u. der Pflege Reichenfels u. außerdem noch 1/6 von Schleiz, welches sie von Heinrich V. zu Dölau erkauften. Heinrich der Ältere st. 1607 u. der Mittlere 1616, mit welchem diese Linie erlosch.

cc) Jüngere Linie zu Gera. Heinrich I., der jüngste Sohn Heinrichs des Stillen, erhielt in der Theilung 1567 Gera. Gemeinsam mit Heinrich dem Mittlern von Obergreiz u. den Herrn von Schönburg auf Glaucha ließ er 1567 die Reußische (Geraische) Confession abfassen u. einführen u. st. 1572. Sein Sohn Heinrich II. Postumus, zwei Monate nach dem Tode seines Vaters geboren, trat 1595 die Regierung an. Um die Verbesserung der Rechtspflege, des Kirchen- u. Schulwesens machte er sich, sehr verdient u. stiftete 1604 ein Hofregiment u. ein Consistorium, sowie 1608 das Gymnasium zu Gera. 1610 kaufte er das Drittel von Kranichfeld von Heinrich dem Mittlern; 1613 erhielt er das Privilegium de non appellando, welches später auf alle Reußischen Lande ausgedehnt wurde; 1615 überließ er Oberkranichfeld käuflich an Sachsen-Weimar; 1616 übte er das Münzrecht aus. Während des Dreißigjährigen Krieges litten bes. in den Jahren 1633 u. 34 alle Reußischen Lande sehr durch Brandschatzung, Plünderung u. Pest. Heinrich Postumus st. 1635. Seine vier Söhne waren Heinrich II., III., IX. u. X. Die beiden letztern, noch minderjährig, hatten elf Jahre lang die Regierung ungetheilt behalten. Heinrich III. st. 1646 u. hinterließ einen Sohn, Heinrich I. 1647 erfolgte die Haupttheilung; Heinrich II. erhielt Gera, Heinrich IX. Schleiz, Heinrich I. Saalburg u. Heinrich X. Lobenstein. Die Linie Schleiz starb 1666 wieder aus, worauf Heinrich I. in Schleiz succedirte (s. unten) u. Saalburg den übrigen Linien zur Theilung überließ. Diese waren nun:

aaa) die Linie Lobenstein. Heinrich X., Stifter seit 1647, kaufte 1664 Schloß u. Pflege Hirschberg u. st. 1671. Sein ältester Sohn u. Nachfolger Heinrich V. st. schon 1672, dessen Brüder Heinrich III., VIII. u. X. theilten 1678, Heinrich III. erhielt Lobenstein, Heinrich VIII, Hirschberg, Heinrich X. Ebersdorf. Nachdem aber Heinrich III. 1710 u. Heinrich VIII. 1711, Letzter ohne männliche Nachkommen, gestorben waren, so trafen die Söhne Heinrichs X., Heinrich III. u. X., eine neue Erbtheilung u. stifteten die Linien Lobenstein u. Ebersdorf. α) Specialhaus Lobenstein. Heinrich III., seit 1678 Stifter der Linie, starb 1710; ihm folgte sein Sohn Heinrich XV., welcher 1711 die heimgefallene Herrschaft Hirschberg mit Heinrich XXIX. von Ebersdorf theilte u. 1739 st. Heinrich II., Sohn des Vor., regierte bis 1782. Heinrich XXXV., Sohn des Vor., wurde 1790 Fürst u. st. 30. März. 1805 ohne Söhne. Ihn beerbte der Nebenzweig Selbitz, dessen Stifter Heinrich XXVI. war, welcher 1730 st. Ihm folgte sein ältester Sohn Heinrich XI. bis 1745 u. diesem sein Bruder Heinrich XIX. bis 1783 u. diesem wieder sein jüngster Bruder Heinrich XXV., welcher 30. März 1801 st.; dessen Sohn Heinrich LIV. erhielt 1805 das Fürstenthum Lobenstein, trat 1807 zu dem Rheinbund u. 1815 zu dem Deutschen Bund; mit seinem Tode 7. Mai 1824 erlosch das Lobensteiner Specialhaus, dessen Besitzungen an Ebersdorf fielen. β) Specialhaus Ebersdorf. Heinrich X., jüngster Sohn Heinrichs X., des Stifters des Hauses Lobenstein, Stifter dieses Specialhauses, regierte bis 1711. Ihm folgte sein einziger Sohn Heinrich XXIX. bis 1747; diesen beerbte sein Sohn Heinrich XXIV. bis 1779; darauf folgte dessen Sohn Heinrich LI., welcher 18021/4 von Gera u. Saalburg erbte, 1806 die Fürstenwürde annahm, 1807 in den Rheinbund u. 1815 in den Deutschen Bund trat. Er brachte durch seine Vermählung mit der Gräfin Luise von Hoym die Herrschaften u. Güter Droyssig, Quesnitz, Großhelmsdorf, Schluchler, Guteborn, Ruland, Schwarzbach, Grünwald etc. an sein Haus u. st. 10. Juli 1822. Ihm folgte sein einziger Sohn Heinrich LXXII., welcher 1825 nach dem Tode des Fürsten Heinrich LIV. zu Lobenstein dessen Antheil an der Herrschaft Lobenstein u. ein Viertel der Herrschaft Gera u. Pflege Saalburg erhielt. Durch den Tod seiner Mutter (19. April 1832) fielen ihm 24 Dörfer in der preußischen Provinz Sachsen zu, welche er nebst dem Flecken Droyssig nachher verkaufte. 1848 cedirte er sein Fürstenthum an Fürst Heinrich LXII. von R.-Schleiz (s. w. u.) u. st. 17. Februar 1853 in Dresden.

bbb) Jüngere Linie Gera. Heinrich II., 1647 Stifter dieses Hauses, verglich sich als Senior des Gesammthauses R. 1668 mit den übrigen Gliedern zur Beibehaltung des Namens Heinrich, aber die Zahlen wurden mit dem Anfange eines jeden Jahrhunderts von Neuem angefangen. Er st., 1670. Ihm folgte sein einziger Sohn Heinrich IV. 1681 wurde beschlossen keine weitere Theilung sowohl in der ältern Linie (Obergreiz, Untergreiz), als in der jüngern (Gera, Schleiz u. Lobenstein) zuzulassen; Heinrich IV. st. 1686, ihn überlebten fünf Söhne: Heinrich XVIII., XX., XXII., XXV. u. XXVII. 1690 wurde das Recht der Erstgeburt von sämmtlichen Grafen R. von Plauen angenommen. Heinrich XVIII. st. 1735; ihm folgte sein noch einzig lebender Bruder Heinrich XXV. bis 1748 u. diesem sein Sohn Heinrich XXX.; dieser st. 1802, u. mit ihm erlosch die Linie Gera. Die übrigen Zweige der jüngern Linie, Schleiz, Lobenstein u. Ebersdorf, theilten[78] aber nicht, sondern führten die Regierung in dem Geraischen Antheil gemeinsam.

ccc) Linie Schleiz. Heinrich I. war seit 1666 Herr von Schleiz (s. oben); nachdem 1689 Stadt u. Schloß zu Schleiz abgebrannt waren, residirteer in Köstritz u. st. 1692. Ihm folgte Heinrich XI., nachdem sein Bruder Heinrich XXIV. den paragirten Ast Köstritz gegründet hatte (s. unten). Heinrich XI. st. 1726; sein Sohn Heinrich I. regierte bis 1744. Ihn beerbte sein Bruder Heinrich XII., welcher 1784 starb; dessen Sohn Heinrich XLII. erbte 1802 die Hälfte von Gera u. Saalburg, wurde 9. April 1806 Reichsfürst, trat zum Rheinbund u. 1815 zum Deutschen Bund; er st. 1818. Sein Nachfolger war sein Sohn Heinrich LXII. Während das Land der ältern Linie R. (R.-Greiz) in neuster Zeit von der allgemeinen Strömung ziemlich unberührt blieb, nahm R.-Schleiz in den Jahren 1830 u. 1848 um so mehr an der Bewegung Theil, wenn schon sich dieselbe anfangs auf dem gesetzlichen Wege des Petitionirens hielt. Die fürstliche Verordnung vom 23. März 1848 hob die Censur auf; die Proclamation vom 25. März versprach zeitgemäße Reformen; im April folgte eine Amnestie für die politischen Vergehen im Jahre 1831. Bald aber trat eine republikanische Partei hervor, welche am 26. Juli zu Gera Unruhen veranlaßte. Zur Herstellung der Ordnung trafen am 28. Juli Abgesandte der sächsischen Regierung ein, welche am 1. Aug. Amnestie vermittelten. Am 12. Aug. rückten königl. sächs. Truppen als Reichstruppen in das Land ein, denen im October Hannoveraner, im December Meininger u. Gothaner folgten; erst im März 1849 verließen die Reichstruppen das Land. Das reußische Militär war währenddem in andern Ländern, größtentheils in Weimar, stationirt u. marschirte im Frühjahr 1849 mit nach Schleswig u. Holstein, wo es Theil an dem Reichskriege gegen Dänemark nahm. Unterdessen hatte am 1. Oct. 1848 Fürst Heinrich LXXII. von Ebersdorf-Lobenstein der Regierung über seine Landestheile entsagt, u. es wurde Ebersdorf-Lobenstein, so wie das bisher gemeinschaftlich von beiden Zweigen der jüngeren Linie besessene Fürstenthum Gera nebst der Pflege Saalburg mit Schleiz vereinigt. Am 2. October trat zu Gera der constituirende Landtag zusammen, welcher aus 26 Abgeordneten der Städte u. des platten Landes u. fünf Deputirten aus den Mitgliedern der bisherigen Ritter- u. Landschaften bestand. Da die vom Volke gewählten Abgeordneten die Entfernung der ritterschaftlichen Deputirten verlangten, traten diese letzteren, unter Wahrung ihrer Rechte, am 3. October aus, aber in Folge der Entscheidung des Reichsministeriums 5. April 1849 wieder ein. Zu den Arbeiten des Landtags gehörten das Staatsgrundgesetz nebst Wahlgesetz vom 30. November 1849, die Gemeindeordnung vom 13. Februar 1851, das Gesetz über die Grundsteuerregulirung vom 20. März 1850, über die Collateralerbschaftsfälle, die Ausübung der Jagd etc. Bezüglich der Deutschen Angelegenheiten unterwarf sich R. jüngere Linie den Beschlüssen des Parlaments u. veröffentlichte dessen Gesetze, unter anderen am 29. Januar 1849 die Grundrechte des deutschen Volkes, am 30. Juli die Reichsverfassung u. das Wahlgesetz zum Volkshause. Später schloß sich das Land dem Dreikönigsbund an u. sendete 1850 seine Deputirten nach Erfurt. In weiterer Folge stand R. jüngere Linie stets zu Preußen, gehörte bis zuletzt zur Union u. erkannte mit ihm endlich den Bundestag an. Am 18. Juni 1851 fanden die Wahlen zum ersten constitutionellen Landtage statt. Derselbe trat am 10. November zusammen u. nahm bis zum 27. Nov. folgende Vorlagen der Regierung an: Aufhebung der Deutschen Grundrechte u. theilweise Entfernung der Bestimmungen derselben aus der Verfassung, Revision u. Abänderung der Verfassung, bes. mit Hinsicht auf Erweiterung der Regierungsrechte, endlich Aufhebung der directen u. allgemeinen Wahlen u. Einführung eines neuen Wahlgesetzes mit indirecten Wahlen u. Gliederung der Stände. Bei seinem Wiederzusammentreten 1852 berieth er das revidirte Staatsgrundgesetz nebst Wahlgesetz vom 14. April 1852, das Strafgesetz von demselben Tage, die Organisation der Gerichte, die Gesetze über Ablösung, Gewerbesteuer, Jagdpolizei, Presse, Vereinswesen, Bergregal etc. Im Jahre 1853 berieth der Landtag Gesetze wegen der Wiedereinführung der Stellvertretung beim Militär u. der Aufhebung des Lehnsverbandes. Am 19. Juni 1854 st. der regierende Fürst Heinrich LXII. u. die Regierung ging, da er kinderlos war, auf seinen Bruder Heinrich LXVII. über. Am 30. December erschien die Ausführungsverordnung zu dem Gesetze vom 4. December 1852, die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit u. des befreiten Gerichtsstandes, sowie die Organisation der Justizbehörden des Landes betreffend, u. es trat die neue Ordnung, wonach die früheren einzelnen Gerichtsstellen zu einer einzigen Behörde unter dem Namen Gemeinschaftliches Civilgerichtsamt verschmolzen wurden, im Laufe des nächsten Jahres allmälig ins Leben. Am 20. Aug. 1855 erfolgte der Rücktritt des Ministers von Bretschneider, welcher seit 1840 an der Spitze der Regierung gestanden; sein Nachfolger wurde von Geldern. Unter dem 19. December wurde die Concession zur Errichtung einer Geraer Bank mit einem Fond von 4 Mill. Thlrn. ertheilt, welche ihre Geschäftsthätigkeit am 15. Januar 1856 begann. Im Jahr 1856 trat die Absicht der Regierung auf Änderung der Verfassung bestimmt hervor u. führte zu mehrfachen Differenzen mit dem Landtage. Bei der Eröffnung desselben am 20. Februar durch Minister von Geldern erklärte dieser, daß der regierende Fürst das von seinem Vorgänger im Jahr 1852 publicirte Staatsgrundgesetz nicht in allen Theilen als ihn bindend anerkennen könne, sondern den Wegfall der noch übrigen Bestimmungen der Grundrechte, eine Abänderung des Wahlgesetzes u.a. m. verlange. Der Widerstand des Landtags dagegen war vergebens. Der neue Wahlgesetzentwurf, demgemäß der Landtag künftig aus einem Abgeordneten des Fürsten R.-Köstritz, als Besitzers des R.-Köstritzer Paragiums, aus drei unmittelbar gewählten Abgeordneten der Rittergutsbesitzer u. aus neun aus mittelbaren Wahlen hervorgegangenen Vertretern der Städte u. Landgemeinden zusammengesetzt sein sollte, erhielt die Zustimmung des Landtages. Auch die Verfassungsabänderungen wurden in allen wesentlichen Punkten gemäß dem Regierungsentwurf angenommen u. das neue Verfassungsgesetz am 3. Juli publicirt. Übrigens hatte der Landtag auch das Expropriationsgesetz, wie ein Gesetz über die Verkürzung der sächsischen Verjährungsfrist auf drei Jahre angenommen. Mit dem nächsten, auf den 1. Oct. 1857 zusammenberufenen Landtag, welcher mit mehrfachen längeren Unterbrechungen bis zu Ende des Jahres[79] 1859 währte, wurden mehre, unter dem 12. März 1860 publicirte Änderungen u. Zusätze zu der Gemeindeordnung, ferner die Ausdehnung des bisher blos für das früher selbständig gewesene Fürstenthum Gera gültigen Ablösungsgesetzes auf die übrigen Landestheile, die Errichtung einer Landrentenbank, ein Gesetz über Militärstellvertretung, die Einführung des Zollgewichtes als Landesgewicht, die Bildung von Bezirksausschüssen für Berathung von besondern Angelegenheiten der Gemeinden der landräthlichen Bezirke, eine bereits von den frühern Landtagen wiederholt beantragte Grund- u. Hypothekenordnung (von welcher das fürstliche Domanialeigenthum unberührt bleiben soll), ein Gesetz über die Erneuerung der inländischen Kassenscheine u. über die Errichtung eines Competenzgerichtshofes u. das bei demselben zu beobachtende Verfahren, der mit der herzoglichen Sachsen-Altenburgischen Regierung wegen Aufnahme der im Lande befindlichen Geisteskranken in die Irrenanstalt zu Roda abzuschließende Vertrag, endlich der Finanzetat für die Jahre 1859–62 u. mehre bes. auf die Einrichtung des Landtagsausschusses u. der Landesschuldencommission bezügliche Abänderungen des Staatsgrundgesetzes förmlich verabschiedet. Rücksichtlich der Finanzlage des Landes ist zu bemerken, daß bereits der Landtag von 1854 eine verzinsliche, größtentheils aus den Jahren von 1848 herrührende Staatsschuld von 469,329 Thlrn., die auf der früher blos die Fürsten, nicht das Land angehenden Geleitskasse ruhenden Passiva im Betrage von 214,386 Thlrn., welche jetzt durch besondern Vertrag auf den Staat übernommen wurden, mit eingerechnet, vorfand, wozu noch 321,000 Thlr. Kassenanweisungen hinzutraten, daß aber dieselbe durch die Bemühungen des Landtags jetzt zum großen Theile consolidirt u. convertirt u. daß seitdem bereits eine Summe von circa 100,000 Thlrn. davon getilgt worden ist. Die Erträge der bedeutenden Domänen kommen lediglich dem fürstlichen Hause zu Gute; denn die Kammerkasse zahlt nur als Äquivalent für die Übernahme des Geleitsregals auf das Land die ordnungsmäßigen Grundsteuern für die Kammergüter mit Ausschluß der sehr beträchtlichen Waldungen. Im Übrigen haben auch der Erbprinz, Heinrich XIV., u. der nächste Agnat, Heinrich LXIX. von Köstritz, nunmehr die Verfassung ausdrücklich anerkannt.

Noch gibt es eine Nebenlinie von R.-Schleiz, nämlich den paragirten Ast zu Köstritz, gegründet 1683 von Heinrich XXIV. Der Gründer erhielt die Pflege Reichenfels u. Köstritz, jedoch in Folge des Familienbeschlusses von 1681 (s. oben S. 79) ohne landesherrliche Rechte; der Ast besitzt außerdem Fideicommißrenten aus Holstein u. Herrschaften u. Güter in Sachsen, Preußen u. Österreich. Seit dem Tode des Stifters 24. Juli 1748 theilt sich dieser Ast durch die drei Söhne des Stifters in drei Zweige, deren Glieder seit 1806, 1817 u. 1851 den fürstlichen Titel führen. A) Primogenitur- od. älterer Zweig: Stifter war Graf Heinrich VI., ältester Sohn Heinrichs XXIV., folgte 1748 seinem Vater u. st. 17. Mai 1783; dessen Sohn Heinrich XLIII. wurde 1806 in den Reichsfürstenstand erhoben u. st. 22. September 1814, worauf, da sein älterer Sohn Heinrich LXI. 1813 als französischer Generalmajor in der Schlacht bei Culm gefallen war, dessen Bruder Heinrich LXIV. folgte; dieser st. 16. September 1856 unvermählt u. hatte seinen Cousin, den Fürsten Heinrich LXIX., Sohn des 1825 verst. Grafen Heinrich XLVIII., zum Nachfolger; s. Reuß (Geneal. II. 2) A). B) Mittlerer Zweig: Stifter war 1748 Graf Heinrich IX., zweiter Sohn Heinrichs XXIV., u. st. 16. Septbr. 1780; ihm folgte sein Sohn Heinrich XXXVIII. u. st. 10. April 1835; da er keine Kinder hatte u. seine Brüder vor ihm gestorben waren, so folgte ihm sein Neffe Fürst Heinrich LXIII., Sohn des 1832 verst. Fürsten Heinrich XLIV. (er hatte 1817 die fürstliche Würde angenommen); da er 27. Sept. 1841 st., folgte ihm sein Sohn Fürst Heinrich IV. als Chef des Zweiges; s. Reuß (Geneal. II. 2) B). C) Jüngerer Zweig: Stifter war 1748 Graf Heinrich XXIII., dritter Sohn Heinrichs XXIV. u. st. 3. Sept. 1787; er hatte zum Nachfolger seinen Sohn Heinrich XLVII.; dieser st. 7. März 1833 unvermählt, worauf ihm nach einander seine Brüder Heinrich XLIX. bis 29. Februar 1840 u. dann Heinrich LII. bis 23 Febr. 1851 folgten; beide waren unvermählt, daher folgte dem Letztern sein Neffe Heinrich LXXIII., Sohn des 1846 verst. Heinrich LV.; dieser st. 16. Januar 1855 ohne Erben, u. da sein Bruder Heinrich II., welcher 30. Juni 1851 die Fürstenwürde angenommen hatte, bereits 1852 verstorben war, so folgte als Chef des Hauses des Letztern ältester Sohn Heinrich XVIII. unter Vormundschaft seiner Mutter Klotilde geb. Gräfin zu Castell, welche indeß schon am 20. Jan. 1860 ihrem Gemahl im Tode folgte. Vgl. Limmer, Geschichte des Voigtlandes, Gera 1825; Kurze Geschichte des Hauses R., Ronneb. 1829.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 74-80.
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