Deutsch-Ostafrika

[837] Deutsch-Ostafrika (hierzu zwei Karten: Übersichtskarte »Deutsch-Ostafrika« u. »Deutsch-Ostafrika, nordöstlicher Teil«), deutsche Kolonie an der Ostküste Afrikas, zwischen 1°–11°44' südl. Br. und 29°30'–40°30' östl. L., begrenzt im N. von Britisch-Ostafrika, im W. vom Kongostaat und Britisch-Nyassaland, im S. vom portugiesischen Mosambik, im O. vom Indischen Ozean, 941,100 qkm mit gegen 7 Mill. Einw.

Hinter einem sich nach S. verbreiternden, flachen Küstenstrich steigt das Land zu ungeheuern Hochflächen auf, gekrönt von einem Randgebirge, das als ostafrikanisches Schiefergebirge in südwestlicher Richtung bis zum Nyassa zieht. Westlich vom Kilimandscharo (s.d.), dem höchsten Berge Deutsch-Ostafrikas (Kibo 6010 m, Mawenzi 5350 m), erhebt sich der Meru (4160 m), nordwestlich die Geleiberge (4200 m). Ost- und südwärts schließen sich an den Kilimandscharo die Berglandschaften des ostafrikanischen Schiefergebirges: Pare (2070 m), Usambara (2000 m), Nguru (2800 m), die Uluguruberge, in Usagara die Rufutuberge, die Rubehoberge in Uhehe, nordwestlich vom Nyassa das Kondebergland (3000 m), am Ostufer des Sees das Kinga- (Livingstone-) Gebirge u. a. an. An der Grenze gegen das britische Nyassaland ziehen südlich vom langgestreckten Rikwasee bis zum Tanganjika niedrigere Gebirgsketten. Über die große, 1200–1460 m hohe Hochebene des Innern erheben sich vereinzelte Bergzüge, im O. des Tanganjika und Kiwu steigt der aufgewulstete Rand des zentralafrikanischen Grabens zu bedeutenden Höhen (bis 2500 m) auf. Geologisch besteht die Küste in einem schmalen Streifen aus Korallenfelsen, an den sich ein Saum von Sedimentgesteinen der Tertiär-, Kreide-, Jura- und Karooformation anlegt; mit einem Bruchrande steigt dahinter das aus altkristallinischen Gesteinen, Gneis, Glimmerschiefer und Granit aufgebaute Hochland auf, das in zahlreiche Schollen zertrümmert ist und von großen Grabenbrüchen meist in meridionaler Richtung durchzogen wird. Die zentrale Hochfläche besteht aus einem gewaltigen Granitrücken, der am Tanganjika endet, dessen Südende wieder Sandsteinlager umfassen. Große, einförmige Flächen, von gewundenen Tälern durchzogen, in der Regenzeit gute Weidegründe, in der Trockenzeit verdorrte Wüsten, bilden diesen Teil des Landes. Aus den Spalten sind an vielen Stellen vulkanische Massen emporgequollen, so Kilimandscharo, Meru sowie mehrere Berge im ostafrikanischen Graben, die Kirungavulkane am Kiwusee und die Kondeberge am Nyassa. An Gewässern ist das Küstengebiet reich, das Binnenland dagegen arm. In den Indischen Ozean münden der Umbe an der Nordgrenze, bei Pangani der gleichnamige Fluß, auch Ruwu genannt, der eine Strecke aufwärts schiffbar ist; südlich von Saadani der Wami und nördlich von Bagamoyo der Rufu, gegenüber der Insel Mafia der viel bedeutendere Rufidschi-Ulanga, der mit seinem Quellgebiet bis nahe an den Nyassa heranreicht, und der Rowuma an der Südgrenze. Der Tanganjika nimmt den Malagarasi mit zahlreichen Zuflüssen, der Victoria Niansa den Kagera auf. Für Dampfer schiffbar ist von allen diesen Flüssen nur der Rufidschi (bis Kungulio), doch ist die Mündung voller Untiefen. Von Seen enthält die Kolonie außer den ihr[837] teilweise angehörenden Victoria Niansa, Kiwu, Tanganjika und Nyassa im S. den austrocknenden Rikwasee, im N. den Eiassi, Manyara und Natronsee, westlich vom Victoria Niansa im Zwischenseengebiete den Urigi und zahlreiche kleinere Seebecken. Das Klima ist der geographischen Lage gemäß tropisch. Die heißeste Zeit fällt an der Küste in die Monate November bis April. Mittelwerte sind in Tanga: März 28,3°, August 24,5°, in Bagamoyo: Februar 28,4°, Juli 23,4°, in dem kühlern Usambara: Februar 19,6°, Juli 15,6°; am Victoria Niansa beträgt das Maximum 31°, das Minimum 10°, das Monatsmittel 18–22,5°. Im Binnenlande steigern sich die Unterschiede, zumal in der Trockenzeit; hier ist das Maximum 45°, das Minimum 8°. Das Land steht unter Einfluß des Wechsels von Nordwestmonsun und Südostpassat. An der Küste gibt es zwei Regenzeiten (Mitte März bis Ende Mai und Mitte Oktober bis Mitte Dezember), im Binnenland nur eine (November bis Ende April); in den Landschaften um den Victoria Niansa regnet es im ganzen Jahr, am meisten März bis Mai und September bis November. Regenmengen: Tanga 1586 nun, Lewa 1512, Kilwa 805, Moschi 1165, Tabora 821, Tanganjika 1268, Manow, Kondeland 2283 mm. Für Europäer ist der Aufenthalt an der Küste, wo der Feuchtigkeitsgehalt der Luft über 80 Proz. beträgt, nachteilig, doch herrscht auch im Binnenlande die Malaria. Dagegen haben die Hochlandschaften am Kilimandscharo ein gesünderes Klima, auch Usambara, Nguru, Usagara, Uhehe bieten dem Europäer wahrscheinlich zusagende Wohnplätze. Die Pflanzenwelt ist in den wohlbewässerten Strichen üppig und tropisch. Kokospalmen, Baobab, Dumpalmen u. a. begrenzen den Meeresstrand, die Flußmündungen und Buchten werden von dichten Mangrovenwäldern gesäumt. Waldungen von Flaschenbäumen, Tamarinden, Melonenbäumen, wilden Maulbeerbäumen. bittern Orangen, Mangobäumen, Akazien, Delebpalmen bedecken die Höhen; Zuckerrohr und Baumwolle wachsen wild. Wichtige Handelsartikel bilden Kopal, Kautschuk und Kopra. Auf den innern Hochländern herrschen Baum-, Strauch- und Grassteppen vor. Die Tierwelt ist die Mittelafrikas überhaupt. Affen, besonders Paviane und Meerkatzen, beleben die Wälder; Löwen, Leoparden, Hyänen, Schakale sind häufig, ebenso Rhinozerosse, Flußpferde, wilde Büffel, Schweine. Antilopenarten, Giraffen, Zebras, Quaggas und wilde Esel schweifen über die Ebenen des Innern; Krokodile finden sich in allen Seen und Flüssen. Der Elefant lebt jetzt mehr an der Westseite der Seen. Die Zibetkatze wird in manchen Gegenden zahm gehalten. Auch an Vögeln und Fischen ist das Land reich. Zahlreich sind Ameisen und Termiten, auch die Tsetsefliege kommt stellenweise vor.

Die Bevölkerung besteht in der Hauptsache aus den sogen. ältern Bantuvölkern, seßhaften, Ackerbau treibenden Stämmen, zwischen die jüngere Einwanderer erobernd eingedrungen sind. Es kamen von S. her Suluvölker, wie die Wayao, von N. hamitische Stämme, wie die Massai im O. des Victoria Niansa und die Watussi im Zwischenseengebiet, sämtlich viehzüchtende, kriegerische Nomaden. Die ältere eingesessene heimische Bevölkerung ist von wohlgebildeter, mittelgroßer Gestalt und von brauner bis schwarzer Hautfarbe. Dazu gehören die Wasagara in Usagara, die Wasambara in Usambara, die Wanika nördlich von den letztern, die Wagogo in Ugogo, die Wahehe oder Mafiti zwischen Usagara und Ugogo, die Wangoni in Uniamwesi, die Dschagga am Kilimandscharo u. a. Sie sind meist in kleine Gemeinden zersplittert, seltener zu größern Verbänden politisch geeint. In den Küstenlandschaften wohnen die stark mit arabischem Blut vermischten Suaheli, eine Händler- und Trägerbevölkerung, die dem halben Äquatorialafrika ihre Sprache, das Kisuaheli, aufgedrängt hat. Von Maskat her sind hier seit dem Mittelalter zahlreiche Araber eingewandert, die vor der deutschen Besitzergreifung die Herren des Landes waren; zu ihnen gesellten sich in neuerer Zeit Judier, teils Banianen (1901: 480), teils muslimische Khodscha u. a. (1901: 2940), die durch Handel und Geldverleihen vielfach zu großem Wohlstand gelangen. Eine Zählung und Schätzung der einheimischen Bevölkerung ergab 1902: 6,847,000 Seelen, die sich auf die 24 Bezirksämter (*) und Stationsbezirke wie folgt verteilten:

Tabelle

Dazu kommen noch 6700 Araber, Inder, Belutschen und Syrer. Zu gleicher Zeit betrug die europäische Bevölkerung 1247 Seelen, darunter 965 Deutsche, 61 Griechen, 53 Franzosen, 24 Österreicher, 27 Italiener, 52 Engländer. Dem Stand oder Gewerbe nach waren Angehörige der Regierung oder der Schutztruppen 352, Angestellte der Usambarabahn 40, Kaufleute, Händler, Gastwirte etc. 128, Pflanzer 85, Aufseher und Handwerker 88, Missionare 250, Frauen (verheiratet und unverheiratet) 165, Kinder 90. Die Religion der Suaheli ist der Islam, freilich nur in seinen äußern Formen, die Hauptmasse der Bevölkerung besteht aus Heiden. Die christliche Mission arbeitet hier schon seit vielen Jahren. Gegenwärtig bestehen 9 deutsche (5 protestantische, 4 katholische) und 2 englische protestantische Gesellschaften. Die deutschen Gesellschaften sind die Evangelische Missionsgesellschaft für D. (Berlin III), die Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Mission unter den Heiden (Berlin 1), die Leipziger Missionsgesellschaft, die Brüdergemeinde und der Evangelische Afrikaverein, sämtlich protestantisch, und die katholische St. Benediktusmission von St. Ottilien, die Väter vom Heiligen Geist aus Knechtsteden, die Weißen Väter von Trier und der Trappistenorden von Mariannhill (Natal), die insgesamt 78 Stationen besetzt haben. Alle diese Missionen unterhalten Schulen für die Kinder der Eingebornen. Deutsche Regierungsschulen befinden sich in Dar es Salam (1901: 95 Schüler), wo auch eine Handwerkerschule errichtet wurde, in Tanga (350–400 Schüler), in Bagamoyo (431 Schüler) und in mehreren Plätzen des Hinterlandes mit zusammen 700 Schülern.

Ackerbau und Viehzucht werden schon seit langer Zeit in D. betrieben. Gebaut werden Reis, Kaffernkorn, Sesam, Maniok, Erdnüsse, Bananen, Zuckerrohr, zuweilen auch Baumwolle und Tabak, an der Küste gedeihen große Mengen von Kokospalmen, sonst[838] auch Orangen-, Melonen- und Mangobäume. Größere Pflanzungen haben die Araber schon lange angelegt, mit der deutschen Besitzergreifung ist auch deutsches Kapital hier eingetreten. Außer der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, welche die Landschaften Usagara, Nguru, Useguha und Ukami erwarb und die Pflanzungen Kikogwe am Pangani, Derema, Nguelo in Usambara, Muoa, Yassini an der Küste besitzt, arbeiten hier die Deutsch-Ostafrikanische Plantagengesellschaft, die Usambara-Kaffeebaugesellschaft, die Westdeutsche Handels- und Plantagengesellschaft, die Rheinische Handel-Plantagengesellschaft, die Sigi-Pflanzungsgesellschaft, die Kaffeeplantage Sakarre Aktiengesellschaft, die L. u. O. Hansing Mrima-Land- und Plantagengesellschaft, die Tanga-Plantagengesellschaft und die Deutsche Agavengesellschaft. Vornehmlich werden Kaffee, Kokospalmen, Vanille und Sisalagaven gebaut. Die Eingebornen halten große Herden von Rindern, die aber durch die Rinderpest sehr gelichtet wurden, sowie Ziegen, Schafe und Esel. Auch die Ansiedler haben Viehzucht mit Erfolg versucht. Von Mineralien ist bisher Gold im S. des Victoria Niansa und ein wichtiges Steinkohlenlager am Songea nahe dem Nordende des Nyassa nachgewiesen worden; ferner werden im Bezirk Lindi Granaten, bei Kilwa Achate und Topase sowie im Ulugurugebirge ein vortrefflicher Muskovitglimmer bergmännisch abgebaut. Die Eingebornen verhütten seit alters Raseneisenstein in primitiver Weise zur Herstellung ihrer eisernen Geräte und Waffen. Was aber der Kolonie bislang den Hauptwert verleiht, ist der Handel. Er hatte sich nach dem Araberaufstand schnell gehoben, ist aber in seiner Entwickelung durch die Rinderpest und durch Hungersnot sowie in letzter Zeit durch den Bau der englischen Ugandabahn beeinträchtigt worden. Im J. 1900 war der Warenumsatz folgender (in Mark):

Tabelle

1901 betrug die Einfuhr 9,510,766 Mk., die Ausfuhr 4,623,471 Mk., Gesamthandel 14,134,237 Mk. Die Einfuhr besteht vornehmlich in Baumwollenzeugen, die Ausfuhr in Elfenbein, Kautschuk, Kopal, Reis, Getreide, Zucker, Tabak, Kokosnüssen, Sesam. Der Verkehr mit dem Innern wird durch Trägerkarawanen vermittelt. Der Sklavenhandel von der Küste aus ist so ziemlich unterdrückt, im Innern wird er möglichst beschränkt. Von den Handelswegen sind besonders fünf nennenswert: 1) Tanga-Kilimandscharo, 2) Pangani-Mgera-Tabora-Muansa, 3) Bagamoyo (Saadani)-Kilossa-Mpapua-Tabora, 4) Dar es Salam-Kilossa-Iringa, bez. Tabora, 5) Kilwa-Songea-Nyassa.

Schiffsverkehr. Die Dampfer der deutschen Ostafrikalinie gehen alle zwei Wochen von Hamburg ab und berühren auf der Aus- und Heimreise Tanga, Dar es Salam und Sansibar. Daran schließt sich eine Zweiglinie mit zwei Dampfern, die alle übrigen Küstenplätze anlaufen. Im Anschluß an die großen Dampfer der Linie findet ein regelmäßiger dreiwöchentlicher Dampferverkehr mit Bombay statt. Monatlich fahren die Messageries maritimes (Marseille-Aden-Sansibar) und die British India Steam Navigation Company (Brindisi-Aden-Mombas-Sansibar). Den Binnenverkehr vermittelt auf dem Rufidschi der Regierungsdampfer Ulanga bei hohem Wasserstand bis Kungulio, von wo Warentransporte zu den Stationen Kisaki, Langenburg, Songea und Udschidschi gehen. Auf dem Nyassa verkehrt regelmäßig der Dampfer Hermann von Wissmann, auf dem Tanganjika der Dampfer Hedwig von Wissmann, auf dem Victoriasee die Aluminiumpinasse Ukerewe. An der Küste hält die Regierung 5 weitere Dampfer und 3 Dampfpinassen. Den Verkehr von der Küste zum Nyassa auf dem Sambesi-Schirewege vermitteln die African Lakes Corporation in Glasgow und die International Flotilla and Transport Co. in Chinde. Die Usambara-Eisenbahn führt 41 km weit nach Muhesa; die 46 km lange Strecke Muhesa-Korogwe ist noch im Bau. Zur Bahn gehören eine Eisenbahnwerkstatt in Tanga, ein Hafengleis mit Pier zum direkten Beladen der Güterwagen aus den Schiffen, ein Steinbruch mit Kalkofen und ein durch eine Maschine betriebener Steinbrecher. Die Bahn wird erst dann ihren vollen Nutzen zeigen, wenn sie bis Korogwe vollendet ist, da der starke Getreidebau dieser Gegend Aussicht auf ständige Fracht gewährt. Der Bau einer Eisenbahn von Dar es Salam nach Mrogoro wird geplant. Das Reich hat seit 1. Juli 1891 die Zollverwaltung übernommen. Hauptzollämter, über die allein der direkte Auslandsverkehr gestattet ist, sind Tanga, Pangani, Bagamoyo, Dar es Salam, Kilwa und Lindi. Es bestehen jetzt 25 Postanstalten, davon im Küstengebiet ein Postamt in Dar es Salam und 9 Postagenturen, im Innern 15 Postagenturen. Die Postsendungen werden an der Küste durch Dampfer, auf dem Lande durch Boten befördert. Das Personal besteht an der Küste aus 19 weißen und 37 farbigen Beamten. Die Küstenpostanstalten sind sämtlich an das Telegraphennetz angeschlossen. In Dar es Salam wurde 1. Juli 1900 eine Stadt-Fernsprecheinrichtung mit 25 Teilnehmerstellen eröffnet. Befördert wurden vom 1. Juli 1900 bis 30. Juni 1901: 673,841 Briefsendungen, 7464 Pakete, 17,278 Postanweisungen über 3,184,873 Mk., 96,023 Zeitungen und 22,074 Telegramme. Von Ferngesprächen wurden 4546 angenommen. Telegraphische Verbindungen bestehen unterseeisch zwischen Dar es Salam und Sansibar und zwischen Dar es Salam und Bagamoyo, oberirdisch zwischen Dar es Salam, Bagamoyo, Saadani, Pangani und Tanga (Nordlinie) und zwischen Dar es Salam, Mohorro, Kilwa und Mikindani (Südlinie); ferner die Binnenlinie Dar es Salam-Kilossa-Mpapua-Tura. Der Überlandtelegraph Kap-Kairo hatte im Juni 1901 die Station Karema am Tanganjika erreicht. Münzen gelangen jetzt weit ins Innere u. verdrängen den Tauschhandel; man rechnet nach Rupien, die bis 1903 von der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, jetzt vom Reich in ganzen, halben und Viertelstücken sowie in Kupferpesas geprägt werden (s. Tafel »Münzen VI«, Fig. 12).

An der Spitze der Zivil- und Militärverwaltung steht ein vom deutschen Kaiser ernannter Gouverneur. Das Schutzgebiet ist eingeteilt in 10 Bezirksämter und 24 Stationsbezirke (vgl. oben Tabelle der Bevölkerung). Für die Rechtsprechung über Eingeborne bestehen zwei Amtsbezirke, ein nördlicher (Amtssitz Tanga) und ein südlicher (Amtssitz Dar es Salam). In zweiter Instanz entscheidet ein Oberrichter. Das jährlich vom Reichstag festzustellende Budget beziffert die Einnahmen für 1901/1902 auf 8,491,000 Mk., wovon 5,259,000 Mk. Zuschutz des [839] Reiches sind, und 2,416,000 Mk. aus Zöllen, Abgaben und Gebühren, 786,000 Mk. aus Verwaltungseinnahmen. Von den Ausgaben beanspruchen die laufenden persönlichen 3,960,480 Mk., die sachlichen 3,266,110 Mk., die einmaligen Ausgaben für öffentliche Arbeiten 1,251,200 Mk. Als Entschädigung für die abgetretenen Zolleinnahmen erhält die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft jährlich 600,000 Mk. Die kaiserliche Schutztruppe besteht aus 12 Kompagnien mit 41 Offizieren, 19 Ärzten, 1 Zahlmeister, 110 Unteroffizieren und 1767 farbigen Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften sowie 414 Mann Polizeitruppen. Der Stab der Schutztruppe (1 Intendant, 1 Chefarzt, 2 Adjutanten) steht in Dar es Salam, die 12 Kompagnien sind verteilt auf Dar es Salam, Moschi, Aruscha, Mpapua, Kondoa-Irangi, Kilimatinde, Tabora, Muansa, Schirati, Bukoba, Udschidschi, Usumbura, Bismarckburg, Songea, Iringa, Malangali und Mahenge. Die Flagge des Gouverneurs ist die deutsche Handelsflagge mit dem Reichsadler in der Mitte des weißen Streifens.

[Geschichte.] Die Küste Ostafrikas war handeltreibenden Arabern schon in den ältesten Zeiten bekannt; eine eigentliche arabische Einwanderung begann aber erst im 10. Jahrh. Durch die damals in Arabien ausbrechenden Unruhen vertrieben, fuhren viele Araber südwärts und gründeten die schnell aufblühenden Städte Makdischu und Brawa (um 908), Kilwa (um 975), Malindi und Mombas. Vasco da Gama traf 1498 in Malindi einen Herrscher an, der ihn möglichst unterstützte. Nun bemächtigten sich die Portugiesen der Küste und der Goldminen von Sofala, die sie rücksichtslos ausbeuteten, bis die unterdrückten Bewohner mit Hilfe des Imams von Maskat 1698 die Portugiesen vertrieben; die Wiedergewinnung von Patta und Mombas (16. März 1728) war nur von kurzer Dauer (bis 26. Nov. 1729). Bis 1785 hatten aber auch die Imame von Maskat vielfach mit Aufstandsversuchen ihrer Statthalter zu tun. Um weitern Selbständigkeitsgelüsten von Mombas etc. von vornherein die Spitze abzubrechen, siedelte Seyyid Said aus Oman 1840 nach Sansibar über. In seinem und seiner Nachfolger (1856 übernahm Saids Sohn Seyyid Madschid die afrikanischen Besitzungen, während dessen älterer Bruder Thueni Imam von Maskat ward) unbestrittenem Besitz blieb die Küste, während das Hinterland nur zeitweilig und gelegentlich zur Tributeintreibung von den Statthaltern durchzogen wurde. Doch erkannten die dortigen Häuptlinge keine Oberherrschaft an und konnten daher 1884 mit den Vertretern der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (s.d.) Verträge abschließen, in denen sie an diese ihr Land abtraten, wonach Stationen hier und an der Somalküste angelegt wurden. Als nun Seyyid Bargasch von Sansibar (1870–88) den der Gesellschaft von der deutschen Reichsregierung 1885 ausgestellten Schutzbrief nicht anerkennen wollte und Feindseligkeiten gegen die deutschen Stationen begann, zwang ein deutsches Geschwader den Sultan 13. Aug., die deutsche Schutzherrschaft im vollsten Umfang anzuerkennen sowie die Benutzung der Häfen Dar es Salam und Pangani den Deutschen abzutreten. Nach dem Abkommen mit England (29. Okt. 1886), das die Abgrenzung der deutschen und englischen Interessensphäre sowie den Besitzstand des Sultans von Sansibar regelte, sollte dem Sultan von Sansibar außer den Inseln ein Küstenstreifen von 10 Seemeilen (19 km) verbleiben. Die Südgrenze wurde durch Vertrag mit Portugal 30. Dez. 1886 festgesetzt. In einem neuen Vertrag mit dem Sultan von Sansibar vom 8. April 1888 übernahm die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft die Verwaltung des Küstengebiets südlich vom Umbafluß bis zum Rowuma und die Zolleinnahmen im Namen des Sultans. Damals besaß die Gesellschaft außer der Hauptstation Sansibar 17 Stationen. Als aber 15. Aug. 1888 der Vertrag in Kraft treten sollte, brach ein Aufstand der Araber und der von ihnen abhängigen Eingebornen aus, und die Soldaten des Sultans von Sansibar schlossen sich meist den Rebellen an. So gingen bald sämtliche Stationen verloren; nur Bagamoyo und Dar es Salam konnten mit Unterstützung deutscher Kriegsschiffe gehalten werden, die auch in Gemeinschaft mit englischen Kriegsschiffen die ganze Küste blockierten. Die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft wandte sich nun an das Reich um Hilfe, das mit der Unterdrückung des Aufstandes den Afrikareisenden Wissmann beauftragte. Dieser erstürmte Buschiris befestigtes Lager bei Bagamoyo 8. Mai 1889; am 6. Juni wurde Saadani genommen, 8. Juli Pangani, dann Tanga. Unterdessen hatte Buschiri Mpapua zerstört. Wissmann errichtete die Station aufs neue, und v. Gravenreuth schlug im Oktober die von Buschiri herbeigerufenen Mafiti in zwei Treffen. Buschiri, der im Dezember noch einen letzten Versuch bei Pangani machte, wurde ergriffen und 14. Dez. 1889 in Pangani gehenkt. Ein zweiter Rebellenführer, Bana Heri, unterwarf sich nach zwei Niederlagen (5. Jan. und 9. März 1890); Kilwa, Lindi und Mikindani wurden im Mai wieder besetzt. Damit war der Aufstand niedergeschlagen.

Nun wurde durch Vertrag mit England 1. Juli 1890 die Nord-, Süd- und Westgrenze festgelegt, wodurch Deutschland Witu und alle nördlichern Besitzungen an England abtrat und dafür Helgoland eintauschte, auf die Erhaltung der Selbständigkeit Sansibars und damit auf bedeutende Handelsinteressen Verzicht leistete und dagegen die Anerkennung seiner Hoheitsrechte über das ganze von ihm beanspruchte Gebiet von der Küste bis zu den drei großen Seen im Innern erhielt. Der Sultan von Sansibar trat den ihm gehörigen Küstenstreifen gegen eine Zahlung von 4 Mill. Mk. ab, und 1. Jan. 1891 wurde die deutsche Herrschaft proklamiert. An demselben Tag übernahm nach einem Vertrag mit der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (20. Nov. 1890) das Deutsche Reich die Verwaltung des Küstengebiets, der Insel Mafia sowie des Schutzgebietes. Zum Gouverneur der neuen Reichskolonie D. wurde der bisherige Gouverneur von Kamerun, v. Soden, 2. Febr. 1891 ernannt und ihm als Kommissare Wissmann, Peters und der aus seiner Äquatorialprovinz mit Stanley zur Küste gekommene Emin Pascha beigegeben. Die Schutztruppe ging mit der Flottille (drei Dampfern) in den unmittelbaren Dienst des Reiches über, das auch die bestehenden Stationen übernahm. Zum Sitz des Gouverneurs wurde Dar es Salam bestimmt. Kommandeur v. Zelewski geriet 17. Aug. 1891 bei einem Strafzuge gegen die räuberischen Wahehe bei Lugalo (Lula) in einen Hinterhalt, wobei er selbst und der größte Teil seiner 350 Mann starken Abteilung fiel. Ebenso fielen die Leutnants v. Bülow und Wolfrum, die von der Kilimandscharo-Station zur Bestrafung des Häuptlings von Moschi ausgezogen waren, mit 20 Mann 10. Juni 1892. Die Kilimandscharo-Station Marangu wurde indes schon nach wenigen Wochen wieder besetzt, und nach dem Zurücktreten des Gouverneurs v. Soden 1892 und seinem Ersatz durch den [840] Oberst v. Schele wurden die Häuptlinge von Moschi, Kilema und Kirua (Meli, Fumba und Kitonpati) am Kilimandscharo 12. Aug. 1893 bei Moschi geschlagen und unterworfen. Auf den Victoria Niansa brachte die Antisklaverei-Expedition drei Segelboote und errichtete dort eine Schiffswerft; Wissmann zog zum Nyassasee, auf dem er einen Dampfer ließ, und erreichte nach glücklichen Kämpfen gegen die Wanika und die räuberischen Wawemba 12. Juli 1893 den Tanganjika, von wo er Ende des Jahres zur Küste zurückkehrte. Seither entwickelte sich D. trotz mehrfacher Mißernten und sonstiger wirtschaftlichen Störungen erfreulich weiter. Der größte Teil des Hinterlandes erkennt die deutsche Herrschaft an, namentlich seitdem der in die Enge getriebene Kwawa Mahinya, Sultan der Wahehe, 19. Juli 1898 Selbstmord begangen hatte; eine deutsche Dampferlinie verbindet die Kolonie mit dem Mutterland. Größere Wandlungen zum Bessern wird indessen erst der Bau von Eisenbahnen im Gefolge haben; die Frage, ob das System der Stichbahnen, wie es Hans Meyer verteidigt, oder die von andern gewünschte Zentralbahn für D. das Richtige sei, neigt sich jetzt zu gunsten der Stichbahnen. Als Nachfolger des Generals v. Liebert trat 19. April 1901 Graf Götzen (s.d.) das Amt eines Gouverneurs von D. an. Laut Vertrag vom November 1902 verzichtete die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft auf die meisten bisher ausgeübten Vorrechte (Münzrecht etc.) zu gunsten des Reiches. Unter solchen Verhältnissen konnte der Erforschung des Schutzgebietes erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Aus dem Afrikafonds wurden für Unterhaltung der meteorologischen Stationen, für ärztliche und sonstige wissenschaftliche Forschungen, kartographische Zwecke und wissenschaftliche Instrumente größere Summen ausgegeben. Vgl. Förster, D., Geographie und Geschichte (Leipz. 1890); P. Reichard, D., das Land und seine Bewohner (das. 1892); das Sammelwerk »Deutsch-Ostafrika«, Bd. 1: Stuhlmann, Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika (Berl. 1893); Bd. 3 u. 4: Möbius, Zoologie (1895ff.); Bd. 5: Engler, Die Pflanzenwelt (1895–96); Bd. 7: Bornhardt, Zur Oberflächengestaltung und Geologie Deutsch-Ostafrikas (1900); Bd. 8: Fülleborn, Beiträge zur physischen Anthropologie der Nord-Nyassaländer (1902); K. Peters, Das deutsch-ostafrikanische Schutzgebiet (Münch. 1895); I. Thomson, Expedition nach den Seen von Zentralafrika (deutsch, Jena 1882); Böhm, Von Sansibar zum Tanganjika (Leipz. 1888); O. Baumann, In D. (Wien 1890); Derselbe, Usambara und seine Nachbargebiete (Verl. 1891); Schynse, Mit Stanley und Emin Pascha durch D. (Köln 1890); Hans Meyer, Ostafrikanische Gletscherfahrten (Leipz. 1890); v. Behr, Kriegsbilder aus dem Araberaufstand in D. (das. 1891); R. Schmidt, Geschichte des Araberaufstandes in Ostafrika (Frankf. a. O. 1892); Graf v. Schweinitz, D. in Krieg und Frieden (Berl. 1894); Merensky, Deutsche Arbeit am Njassa, D. (das. 1894); Werther, Zum Viktoria Nyanza (das. 1896); Derselbe, Die mittlern Hochländer des nördlichen D. (das. 1898); Kollmann, Der Nordwesten unsrer ostafrikanischen Kolonie (das. 1898); Bernhard, Der Eisenbahnbau in D. (das. 1898); Öchelhäuser, Die deutsch-ostafrikanische Zentralbahn (das. 1899); Widenmann, Die Kilimandscharo-Bevölkerung (Gotha 1899); Hans Meyer, Der Kilimandjaro (Berl. 1900); Derselbe, Die Eisenbahnen im tropischen Afrika (Leipz. 1902); Goetze- Engler, Vegetationsansichten aus D. (das. 1902); Berichte über Land- und Forstwirtschaft in D. (Heidelberg 1902ff.); Strandes, Die Portugiesenzeit von Deutsch- u. Englisch-Ostafrika (Berl. 1899); Schurtz im 3. Bande von Helmolts »Weltgeschichte« (Leipz. 1901); R. Kiepert, Karte von D. in 29 Blatt, 1: 300,000 (Berl. 1895ff.); Derselbe, Karte von D., 1: 2,000,000 (das. 1899); Moisel, Karte von D. mit Angabe der bis 1903 festgestellten nutzbaren Bodenschätze (das. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 837-841.
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Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

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