[472] Russische Kirche. Die erste Bekanntschaft mit dem Christenthum u. zwar nach griechischem Ritus brachte Olga, die Gemahlin des Großfürsten Igor, nach Rußland; diese hatte nach dem Tode ihres Gemahls 955 auf einer Reise nach Constantinopel sich dort taufen lassen, wobei sie den Namen Helena annahm, u. während ihrer Vormundschaft über ihren Sohn Swätoslaw nahmen nicht wenige Russen in der Gegend von Kiew ebenfalls das Christenthum an. Swätoslaw selbst blieb Heide, u. erst sein Sohn, Wladimir I. der Apostelgleiche, welcher auch noch lange dem Glauben seiner Väter treu geblieben war, ließ sich 988 in Cherson taufen u. führte das Christenthum wirklich in Rußland ein. Bald darauf zogen Missionäre in die bedeutendsten Städte des Reiches, u. unter ihnen bekehrte Joachim die Nowgoroder, welcher auch die erste christliche Kirche, die Sophienkirche, erbaute; Leontias die im Rostowschen wohnenden Meränen etc. u. Wladimir errichtete mehre Bischofssitze, stiftete Klöster u. Schulen u. erbaute christliche Kirchen; der Bischof von Kiew (seit der Mitte des 11. Jahrh.) war zugleich Metropolit von ganz Rußland, stand aber selbst wieder, da Rußland das Christenthum aus Griechenland empfangen hatte, unter dem Patriarchen von Constantinopel, welcher die russischen Bischöfe ernannte. Die R. K. gewann trotz ihrer Abhängigkeit von Constantinopel doch an intensiver Kraft, indem die wissenschaftlich gebildeten Griechen Aufklärung verbreiteten. Die Diöcesanbischöfe, welche unumschränkte geistliche Herrschaft übten u. denen Armen-, Krankenhäuser u. Schulen untergeben waren, wurden schon früh, unabhängig von dem Patriarchen von Constantinopel, von dem Landesherrn selbst ernannt u. die Kirche erhielt schon unter Wladimir I. die Vorrechte privilegirter Stände u. den Zehnten von den fürstlichen Gütern, an dessen Stelle sie unter Wladimirs Nachfolgern mit eigenen, von allen Staatsabgaben befreiten, bald durch Geschenke vermehrten Gütern dotirt wurde. Wladimirs Sohn Jaroslaw verlieh dem Cultus vorzüglich durch griechische Sänger höhere Feierlichkeit u. der Kirche größere Rechte. Während der russische Cultus im Lande selbst blühete u. sich nach Westen hin in Lithauen u. Polen ausbreitete, gerieth er hier in Kampf mit der Römisch-Katholischen Kirche u. wurde durch die von Osten[472] einfallenden Tataren bedrängt, doch schonten die tatarischen Eroberer die Macht der Geistlichen u. Mönche, deren Ansehen jetzt immer mehr stieg u. sogar nicht ohne Einfluß auf die weltlichen Dinge blieb. Durch die Verlegung des Sitzes des Metropoliten von Kiew nach Wladimir (1299) u. dann nach Moskau (1328) wurde die Befreiung der R-n K. von dem constantinopolitanischen Patriarchen angebahnt, u. als Iwan Wasiljewitsch sich 1547 von seinem Metropolitan hatte krönen lassen u. überhaupt gegenüber dem, seit Eroberung Constantinopels durch die Türken von diesen in knechtische Abhängigkeit gekommenen dortigen Patriarchen, sich immer selbständiger benahm, erkannte endlich der Patriarch von Constantinopel 1588 den russischen Metropolitan in Moskau als selbständigen Patriarchen der R-n K. an, so daß dieser der fünfte Patriarch der Orientalischen Kirche (neben denen von Constantinopel, Antiochien, Jerusalem u. Alexandrien) wurde; der erste war Hiob, u. von nun an bestand die russische Hierarchie in einem Patriarchen, vier Metropoliten u. sechs Erzbischöfen. Darauf ging auch das Recht ihren Patriarchen, unabhängig von denen der übrigen orientalischen, selbst zu wählen auf den russischen Clerus über, u. im Laufe des 17. Jahrh. machte die R. K. bedeutende Fortschritte in ihrer inneren Vervollkommnung, indem sie 1643 durch Petrus Mogilas (s.d.) eine grundlegende Bekenntnißschrift (Confessio orthodoxa) erhielt, acht griechische u. lateinische Schulen gründete, den Cultus reinigte, die kirchliche Literatur verbesserte u. auf Synoden für die religiöse Intelligenz des Volkes sorgte, aber ebenso den Bedrohungsversuchen von Rom aus, bes. durch die Jesuiten, widerstand. Peter der Große, welchem die große, neben der landesfürstlichen bestehende Macht des Patriarchen bei seinen weitreichenden Ansichten hinderlich war, ließ nach dem Tode des Patriarchen Hilarion (st. 15. Oct. 1700) dessen Stelle unbesetzt u. die Geschäfte einstweilen durch ein Exarchat von Räsan verwalten. Nachdem er die Jurisdictionsrechte des Clerus beschränkt, über die Klostergesetze verfügt u. die Zahl der Cleriker bestimmt hatte, errichtete er den 24. Febr. 1721 den Heiligen Synod, welcher, wie der Senat in weltlichen Dingen, so in kirchlichen Angelegenheiten die Oberverwaltung führen sollte. Er bestand aus zwölf geistlichen Mitgliedern u. dem weltlichen Procurator, welcher den Kaiser, als das nunmehrige Oberhaupt der Kirche, vertrat, u. hatte Anfangs seinen Sitz in Moskau, dann in Petersburg. Dem Kaiser vorbehalten blieb die Verwendung des Kirchengutes u. die Wahl der Bischöfe aus zwei, von dem Heiligen Synod vorgeschlagenen Candidaten; die Entscheidung der theologischen Fragen wurde dem Synod allein überlassen. So erwuchs in Rußland die Form des Kirchenwesens, welche man den Cäsaropapismus nennt. Die Kaiserin Katharina II. ließ 1764 alle Kirchen- u. Klostergüter einziehen, zu denen Bauern gehörten, u. besoldete davon theils den Clerus, theils wurden mehre Schulen u. Seminarien gegründet u. die Verbreitung des Christenthums in Sibirien befördert. Von größter Wichtigkeit für die R. K. wurde die Vereinigung der vorher mit der Römisch-Katholischen Kirche unirt gewesenen griechischen Christen (s.u. Union) in den westlichen Theilen des Russischen Reiches. Schon nach der ersten Theilung Polens (1772) strebte Katharina II. die neugewonnenen Theile Polens durch die Religion fester an Rußland zu ketten u. es gelang ihr, nachdem 1794 der Erzbischof von Minsk u. 1795 der Bischof von Mohilew sich der Ablösung von der Römischen u. dem Anschluß an die R. K. geneigt gezeigt hatten, über 1 Mill. Menschen zur R-n K. überzuführen. Diese Unirten hatten im Russischen Reiche drei Bischöfe: zu Orscha u. Brzesc in Lithauen u. zu Chelm in Polen. Seitdem machten die weiteren Vereinigungsversuche nur wenige Fortschritte. Erst der Kaiser Nikolaus griff diesen Plan wieder auf. Er setzte zuerst 1828, nach dem Vorbilde des geistlichen Collegiums zur Leitung der Angelegenheiten der Römisch-Katholischen Kirche in Rußland, ein Griechisch-unirtes Collegium ein, welchem der Metropolit der Unirten Kirche Rußlands präsidirte. Dann wurden die Ritualbücher wieder ganz in der alten Kirchensprache verfaßt, der Ritus dem der Griechischen Kirche allmälig immer mehr genähert, auf den Seminarien den unirten Geistlichen eine ganz griechisch-kirchliche Richtung gegeben etc. Nach der Polnischen Revolution 1830 wurde die Umwandlung um so rascher betrieben, da die Katholiken verdächtig waren, die Revolution begünstigt zu haben, u. 1839 geschah, ungeachtet aller Protestationen des Papstes dagegen, die förmliche Ablösung von Rom u. die feierliche Aufnahme in die R. K. zu Petersburg, nachdem auf einer Synode in Polock sich die Geistlichkeit dafür ausgesprochen u. ein Synodalact vom 7. April diesen Übertritt angenommen hatte. Die Verwaltung wurde in der bisherigen Form gelassen, das Griechisch-unirte geistliche Collegium wurde als Weiß-russisch-lithauisches geistliches Collegium in gleiches Verhältniß zum Heiligen Synod gesetzt, wie das Moskausche u. Georgische Comptoir; Präsident desselben wurde der Bischof von Lithauen als Archimandrit des Klosters der heil. Dreieinigkeit in Wilna. Überhaupt suchte die Russische Regierung die Griechische Kirche in jeder Weise zu begünstigen, u. darum wendete sich ihre Thätigkeit theils gegen die Römisch-Katholische Kirche, indem sie den Einfluß u. die weitere Ausdehnung derselben zu beschränken suchte, wodurch sie aber in schwere Conflicte mit dem Papst kam (s. Römisch-Katholische Kirche S. 341); theils gegen die Protestantische Kirche, namentlich in den Ostseeprovinzen, welche trotz der vom Kaiser 1833 verliehenen Verfassung nicht frei von Bedrückungen u. Anfechtungen zum Abfall blieb (s. Protestantische Kirche S. 645). Auch gegen die Juden wurde seit 1842 große Strenge geübt (s. Juden) u. ebenso gegen die Muhammedaner, u. nach einem Ukas von 1848 wurde allen mit einer muhammedanischen geistlichen Würde bekleideten Personen der Eintritt in die Grenzen des Reiches verboten, sobald sie im Auslande die geistliche Würde angenommen hatten. Auch nach anderen Seiten hin suchte sich die R. K. zu erweitern; als durch die Eroberungen in Persien 1828 ein Theil von Armenien, namentlich das in kirchlicher Beziehung wichtige Kloster Etschmiadzin bei Eriwan, welches der Sitz des Patriarchen (Katholikos) u. zugleich die Bildungsanstalt für die armenische Geistlichkeit ist, unter die Botmäßigkeit Rußlands gekommen war, suchte die Regierung eine Verschmelzung der Armenischen mit der R-n K. einzuleiten, indeß die Armenier wichen dem russischen Einfluß dadurch aus, daß sie die Verlegung ihres Patriarchenstuhles von Etschmiadzin nach Sis auf türkischem Gebiete beantragten. Die größten Fortschritte machte die R. K. auf dem nordöstlichen Ende Sibiriens im Gebiete der Tschuktschen, sowie auf[473] den Inselgruppen der russisch-amerikanischen Colonien; auch bei den im inneren Reiche noch lebenden heidnischen Confessionen, namentlich unter den in den Gouvernements Orenburg, Saratow u. Astrachan lebenden Kalmücken u. unter einigen Bergvölkerstämmen des Kaukasus fand das Christenthum Eingang. Der Schamanismus auf Kadjak wurde 1845 durch griechische Missionäre völlig ausgerottet. In gleicher Weise, wie im ganzen Reiche, wurde auch im Kreise der kaiserlichen Familie die R. K. begünstigt, die Prinzessinnen des kaiserlichen Hauses, welche sich mit einem auswärtigen Fürsten anderer Confessionen vermählten, durften nie zu der Confession ihres Gemahls übergehen, vielmehr behielten sie ihren eigenen Gottesdienst bei u. errichteten deshalb an ihrem neuen Heimathsorte Kapellen; dagegen mußten alle Prinzessinnen, welche durch eine Verheirathung in die kaiserliche Familie eintraten, das griechische Bekenntniß annehmen.
Gleichwohl war das seit 1666 in die Kirche gekommene Secten wesen in Rußland immer im Zunehmen begriffen; man zählt überhaupt 200 Haupt- u. Nebensecten. Die beiden Hauptklassen sind Popowtschini, d.h. welche Priester haben, u. Bespopowtschini, d.h. welche keine Priester haben. Unter den Popowtschini findet das altgläubige Element (d.h. die Verwerfung der bes. durch den Patriarchen Nikon u. das Concil von 1654 beförderten Verbesserung der Liturgie u. Einführung gelehrter Kenntnisse in die Theologie) seine Vertretung bes. in den Starowerzen (d.h. Altgläubige) od. Raskolniken (d.h. Abtrünnige), deren Zahl über 5 Mill. beträgt u. die in mehr als 20 kleinere Secten zerfallen (von denen die Philipponen, welche die Taufe der Staatskirche verwerfen etc., die bedeutendsten sind), s.u. Raskolniken. Bei weitem wichtiger, wenn auch nicht zahlreicher, sind die Secten der Bespopowtschini, unter ihnen sind die bemerkenswerthesten: die Duchoborzen (Lichtkämpfer), in deren Lehre das Dogma des morgenländischen Katholicismus mit mehren Grundlehren des abendländischen Christenthums verschmolzen ist etc. welche bes. den Russogräcismus aus seinem leeren Ceremoniel zu einem entwickelungsfähigen Leben überführen wollen u. seit Alexander I. Duldung genießen; die Pomoranen (s.d.), welche alle Priester seit dem 17. Jahrh. für unecht u. die von denselben vollzogenen kirchlichen Handlungen für ungültig erklären; die Kapitonier (s.d.), welche alle religiösen Ceremonien in ihren Häusern verrichten; die Molokani (s.d.), welche sich zur reinen Schriftlehre bekennen u. die Sacramente für äußere Ceremonien halten, u.m.a. Im Allgemeinen gehören die Sectirer meist zu den niederen Klassen u. erhalten den größten Zuwachs durch das Landvolk, unter welchem ihre Missionäre sehr eifrig wirken, während die Thätigkeit der zur Staatskirche gehörenden Geistlichen ihren Abfall nicht hindert. Die Regierung ist diesen Secten theils wegen der dadurch gestörten kirchlichen Einheit, theils wegen der Unzufriedenheit eines Theiles derselben mit den bürgerlichen Zuständen, abgeneigt u. oft mit harten Strafen gegen sie eingeschritten. Für die Kirche u. das kirchliche Leben ist in den letzten Jahren viel geschehen. Die Bibel erhielt eine sehr weite Verbreitung, die Evangelien wurden unter Aufsicht des Heiligen Synod ins Russische, Kalmückische u. Mongolische übersetzt u. die Missionsthätigkeit unter den Heiden u. Muhammedanern in den zu Rußland gehörenden Ländern mit großem Eifer betrieben, bes. auch in dem russischen Amerika, wo der als Vater Benjamin bekannt gewordene russisch-griechische Bischof Innocentius sehr segensreich gewirkt hat. Die für Peking bestehende geistliche Mission der R-n K. wurde auch in neuerer Zeit beibehalten.
Die Glaubenslehre, die Symbole u. der Cultus sind denen der Griechischen Kirche gleich, s.u. Griechische Kirche. An der Spitze der Kirche steht der Kaiser selbst, in dessen Namen der Heilige Synod in Petersburg die Kirche verwaltet, s. oben u. unter Russisches Reich (Geogr. u. Statistik). Der russische Clerus theilt sich in Kloster- u. Weltgeistliche. Die Kloster- od. Ordensgeistlichen, welche das Gelübde der Keuschheit u. des Fastens leisten u. von ihrer schwarzen Kleidung auch die Schwarze Geistlichkeit (Tschornoje Duchowenstwo) heißen, zu den höheren geistlichen Würden gelangen u. nicht heirathen dürfen, bestehen aus Archiareien (Prälaten), zu denen die Metropoliten, Erzbischöfe u. Bischöfe gehören, deren jeder zwar, ohne unter dem anderen zu stehen, seine eigene Eparchie mit gleicher Macht hat, welche aber alle dem Heiligen Synod in Petersburg unterworfen sind, u. Archimandriten (Äbte), Igumenen (Prioren), Mönche u. Anachoreten, welche verschiedene Ämter in den Klöstern verwalten. Letzteren entsprechen die Igumenios (Priorinnen) u. Nonnen. Die Mönchsklöster sind meist vom Orden des St. Basilius; Mönche u. Nonnen werden vom Staate erhalten, leben aber sehr einfach. Die Weltgeistlichen od. auch, ungeachtet ihrer braunen, auch blauen Kleidung, Weiße Geistlichkeit (Bäloje Duchowenstwo) genannt, dürfen heirathen, aber, ohne in den Laienstand zurückzutreten, nicht zum zweiten Male, u. stehen unter den Prälaten ihrer Eparchie. Unter ihnen sind die ersten die Ober- od. Erzpriester (Protopopen, Protoierei), dann folgen die Priester (Popen od. Jerei, od. Swäsehtschennik). An größeren Kirchen sind auch Diakonen, welche zwar eine Weihe erhalten, nicht aber die priesterliche, so wenig als die Unterdiakonen, Küster, Sänger, Kirchenwächter u. Glockenläuter. Die höhere Geistlichkeit ist gut, die niedere schlecht besoldet; die Hauptbesoldung besteht in freiwilligen Gaben der Gemeindeglieder u. aus wenigem Grundbesitz. Durch die Sammlung der Opferkreuzer in allen Kirchen hat die Regierung einen Fond zur Verbesserung der Geistlichen auf den Dörfern gebildet, welcher 1852 bereits mehre Millionen Silberrubel betrug. Die Cleriker sind frei von Abgaben; ihren Gerichtsstand haben sie beim Bischof u. dem Heiligen Synod, gehören aber in Civil- u. Criminalsachen vor die weltlichen Gerichte. Ihre Kinder sind militärpflichtig. Zur Bildung der Geistlichkeit bestehen vier geistliche Akademien (in Petersburg, Moskau, Kiew u. Kasan) u. 45 Seminarien. Die Eintheilung der russischen Kirchen in den Vorsaal, den Tempel u. den erhabenen Theil, wohin nur die Geistlichen Zutritt haben, ist orientalischen Ursprunges. Meist sind die russischen Kirchen durch Kuppeln, gewöhnlich fünf, geziert, deren vier an den Ecken u. eine, die größte, in der Mitte steht, u. welche im orientalischen Geschmack gebaut, unten eingezogen u. bunt bemalt, auch wohl vergoldet u. mit doppelten od. einfachen Kreuzen geziert sind, welche durch Ketten an einander hängen. Geschnitzte Bilder, außer Statuen der Engel, gibt es in der R-n K. nicht (s.u. Griechische Kirche). Die Bilder sind meist im [474] alten byzantinischen Styl auf Goldgrund gemalt, die Hinterwand (Bilderwand) des erhabenen Theiles ist oft ganz mit Gold bedeckt. Man pflegt stehend od. auf das Angesicht niedergeworfen zu beten. Das Gebet der Priester wird unterbrochen durch Gesang, welcher eigentlich blos in den drei Sätzen besieht: Gospodi pomilui (Herr, erbarme dich!), Gospodi pomolimssa (Herr, wir bitten dich!), Podal gospodi (Gib das, Herr). Den Gesang führt eine Kapelle, jedoch ohne Orgel, aus. Die in der R-n K. gebräuchliche, in der alten Slawischen Kirchensprache abgefaßte Liturgie zeichnet sich aus theils durch die Kraft der dabei üblichen Gebete, theils durch die Art, wie gottesdienstliche Handlungen verrichtet u. heilige Feste gefeiert, theils durch die Worte, welche abwechselnd von den Geistlichen u. den Chören gesprochen werden. Über die Spendung der Sacramente s. bes. unter Taufe u. Abendmahl. Zu den religiösen Handlungen gehört das Kreuzschlagen, s.u. Kreuz 4) u. das Lichtanzünden vor den Heiligenbildern. Die Feste hat die R. K. mit den anderen christlichen Confessionen gemein; eigen ist ihr die Wasserweihe (Jordansfest, Kreuzgang), jährlich dreimal, im Winter, im Frühjahr u. in der Mitte des Sommers, wo die Heiligenbilder in das Wasser getaucht u. dieses dadurch geweihet wird (die gemeinen Leute nennen es Götterwaschung); die besondere Feier des Osterfestes, die Obstweihe am 6. August, wo das Obst geweihet u. nun zum Genuß wohlthätig gehalten wird; die Heerdenweihe am 23. April, wo das Vieh die Weihe erhält u. nun ausgetrieben wird. Eine Personenweihe ist das Moleben, wobei der Priester in der Kirche über die Person singt, betet u. sie beräuchert, gewöhnlich am Namenstage vorgenommen. Ein eigenthümliches Fest ist die am 7. März in der Kasanschen Kirche in Petersburg unter großem Zulauf des Volkes geschehende Verfluchung der politischen u. kirchlichen Ketzer. Predigten sind selten, weshalb die wenigsten Kirchen Kanzeln haben. Die Strenge des Fastens wird jetzt mehrfach durch Dispensationen gemildert. Die R. K. hatte 1851 in 54 Eparchien u. 11 Vicariaten, mit Ausnahme des Heeres, über 53 Mill. Glaubensanhänger; Kirchen der Rechtgläubigen bestanden im Umfange des ganzen Reiches 35,067, Bethäuser u. Kapellen 10,721, an denselben zugleich 14 Kranken- u. 530 Armenhäuser; die gesammte Welt- u. Klostergeistlichkeit begriff 144,298 Individuen; Mönchs- u. Nonnenklöster wurden 578 gezählt. Vgl. John Glenking, The rites and ceremonies of the Grék Church in Russia, 1722 (deutsch, Riga 1773); Bellermann, Abriß der R-u K. nach ihrer Geschichte, Glaubenslebre u. Kirchengebräuchen, Erf. 1788; Schmitt, Die R. K., Mainz 1826; Derselbe, Kritische Geschichte der Neugriechischen u. R-n K., ebd. 1840; Strahl, Geschichte der R-u K., Halle 1830; Schlosser, Die morgenländisch-orthodoxe Kirche Rußlands, Heidelb. 1845; Wimmer, Die Griechische Kirche in Rußland, Lpz. 1848; Murawiew, Briefe über den Gottesdienst der morgenländischen Kirche (russisch), Petersb. 1837 (deutsch von Muralt, Lpz 1838); Murawiew, Hist. of de church of Russia, Oxf. 1842 (deutsch von I. König, Karlsr. 1857).
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