1. Alles mit Ruhe, sagte der Schuster, und ass die Grütze mit der Ahle.
Dän.: Smuk langsam, sagde han, som øste velling op med en syl. (Prov. dan., 377.)
2. Aus Ruhe kommt Unruhe. – Körte, 5113; Körte2, 6407.
It.: La bonaccia burrasca minaccia. (Bohn I, 105.)
3. Da ist Ruh, wo kein Weib kommt zu.
4. Dat giwt dî Rau, säd' de Bûr, da lêt he sînen Bîern snîden. (Hamburg.) – Hoefer, 124a.
Bîer = Eber schneiden = castriren.
5. De Ruh un de Raste, dat es de halwe Maste. (Grafschaft Mark.) – Woeste, 75, 262.
6. Der erkauft sich die Ruhe für die Nacht nicht zu theuer, der wohl versichert Haus und Scheuer.
7. Die beste Ruhe gibt ein stiller Winkel.
Abseits, sagen die Schweden, wohnt (lebt) sich's am besten.
Schwed.: Afsides i ro, är bäst at bo. (Grubb, 7; Wensell, 5.)
8. Ein bischen (eine Stunde) Ruhe ist besser als ein Böhme Geld. (Schles.)
9. Eine gute Ruhe ist besser als eine gute Mahlzeit. – Henisch, 323, 25; Petri, II, 194.
10. Eine Handvoll mit Ruhe ist besser als beide Fäuste voll mit Unruhe.
»Ein Handvoll mit rhu besser ist, denn beide Fäust voll spat vnd früh mit sorg, angst sawer grossen müh.« (H. Sachs, III, CCII, 2.)
11. Es ist besser mit Ruhe vnter der Banck (sitzen), dann mit Vnruhe darauff. – Lehmann, II, 129, 152.
Schwed.: Bättre lijtet med roo än et otryggt bo. (Grubb, 74.)
12. Gute Ruh ess der Suppen zwu.
13. Ich habe mich zur Ruhe gesetzt, sagte Hans, da war er Bote geworden. – Hoefer, 427.
14. Ich war mich zur Ruh setzen und Gemênbote wâr'n. (Oberlausitz.)
15. Ick heww mi to'r Ruhe settet, sä Hans, do wör he Brêfdräger worden. – Peik, 207, 141.
16. Inwendig mit ruw sein, ists alles. – Franck, I, 54a; Körte, 5115.
Lat.: Intus nil strepere, felicitas unica. (Franck, I, 54a.)
17. Mit Ruhe holt man einen Hasen ein.
18. Ruh' erzwingt, was sonst nicht gelingt.
»Was kein Sturm der Leidenschaft erstürmen kann, das mag die Ruhe des Weisen, mit dem stillen Machtgebot der Wahrheit erobern.«
Lat.: Extorquet quies. (Sailer, 37.)
19. Ruh' erhält bei Kräften, macht hurtig zu Geschäften.
Lat.: Vires instigat, alitque tempestiva quies, major post otia virtus. (Seybold, 635.)
20. Ruh' un Menuche1 is besser als Paschtet (Pastete) un Kuche. – Tendlau, 816.
1) Das hebräische Menuchah, was ebenfalls Ruhe bezeichnet, ist nur eine verstärkende Wiederholung.
Engl.: Quietness is a great treasure.
21. Ruh' un Rast is de halwe Mast. (Münster.) – Firmenich, I, 297, 14; Frommann, VI, 425, 33; hochdeutsch bei Gaal, 1323; Simrock, 8513; Körte, 5116; Lohrengel, I, 575.
Dän.: Liden hvile er altid god. (Bohn I, 384.)
Frz.: Le repos est doux après le travail. (Gaal, 1326.)
Lat.: Otia corpus alunt, animus quoque pascitur illis, immodicus contra carpit utrumque labor. (Gaal, 1323.)
22. Ruhe, du bist gut, sä' de Düwel, do harr he Sägebârg drâgen. (Holst.) – Müllenhof, Sagen; Hoefer, 1020.
23. Ruhe im Saal, Madam will tanzen. (Schöningen.)
24. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. – Büchmann, 188; Wurzbach II, 52.
Der zum Sprichwort gewordene Ausspruch eines preussischen Ministers. Als nämlich die erste Nachricht von der unglücklichen Schlacht bei Jena 1806 nach Berlin kam, liess der Minister Graf Schulenburg-Kehnert Zettel mit den Worten an die Strassenecken schlagen: »Der König hat die Schlacht verloren. Jetzt ist Ruhe die erste Bürgerpflicht.« Der Roman von W. Alexis: [1764] Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, gibt eine treffliche Schilderung jener Zeit. Vielleicht hätte aber der betreffende Ausspruch im Munde des Volks gar nicht den ironischen Beigeschmack und sprichwörtlichen Charakter erhalten, wenn der Minister nicht zu den verhasstesten im Volke gehörte. Er hatte für die zweite Theilung Polens gestimmt, er war Chef der geheimen Polizei und nahm dann, um seiner politischen Wirksamkeit die Krone aufzusetzen, Dienste am Hofe des Königs von Westfalen. (Vgl. H. Koenig, Jerôme's Carneval, II, 126.) – Als ein berliner Eckensteher in neuerer Zeit bei einem hingefallenen Droschkenpferde, das nicht aufstehen wollte oder konnte, vorüberging, fiel ihm der Ausspruch ein, und er parodirte: Ruhe ist die erste Pferdepflicht.
25. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, möt de Bêne zabbl'n gölt hier nicht (Dönhofstädt.)
»Nur Ruhe, ruft er, um Gottes willen, nur Ruhe in den alten Normen; wir wollen ja gerne wirken im stillen für die allmählichen Reformen.« (M. Hartmann, Reimchronik, 86.)
26. Ruhe ist ein grosser Schatz.
Engl.: A penny-worth of case is worth a penny. (Bohn II, 88.)
Frz.: Le repos est un grand tresor. (Kritzinger, 606a.)
Lat.: Stare diu nescit quod non aliquando quiescit. – Sunt et spiritibus sub styge feriae. (Gaal, 1321.)
27. Ruhe ist ein heisses Uebel.
Lat.: Jucundum malum est ocium. (Philippi, I, 215.)
28. Ruhe ist (ihm) halbe Nahrung (halbes Futter). – Sprichwörtergarten.
29. Ruhe kompt auss Vnruhe vnd wider Vnruh auss Ruh. – Lehmann, 534, 64; Simrock, 8587; Körte, 5112.
30. Ruhe macht in Muscheln Perlen.
31. Ruhe, rief der Schulz von Kreiben (Kreibau?), ich muss jetzt meinen Namen schreiben.
Dieser Schulze erinnert an einen französischen Gerichtsschreiber, der nicht schreiben konnte, wenn man ihn ansah, nämlich den von Vaugirard, ein kleiner Ort auf der Südwestseite vor Paris, der seit der Befestigung desselben innerhalb der Stadtmauer liegt. Der Gerichtsschreiber dieser kleinen Ortschaft sass seinerzeit in einem engen Raum, in den das Licht nur durch ein kleines Fensterchen fiel. Wer mit ihm sprach, benahm ihm die Aussicht, sodass die Leute von dem Fensterchen weggehen mussten, wenn der Beamte etwas schrieb. Die spottlustigen Pariser griffen dies auf und verglichen denjenigen, der aus natürlicher Verlegenheit sich beengt fühlt, sobald beim Schreiben jemand ihm auf die Hand sieht, mit dem Gerichtsschreiber von Vaugirard. C'est a greffier de Vaugirard sagte man, il ne peut écrire quand on le regarde. (N. von Gerbel, Nationalsprichwörter der Franzosen, im Ausland, 1870, Nr. 47, S. 1117.)
32. Ruhe und Mässigkeit heilen das Fieber. – Simrock, 8586.
Engl.: Dr. Diet, Dr. Quiet and Dr. Merry Man, are the best Physician. (Gaal, 1322.)
Lat.: Multi difficiles morbi curantur abstinentia et quiete. (Seybold, 320.) – Si tibi deficiant medici, medici tibi fiant haec tria: mens hilaris, requies, moderata dieta. (Gaal, 1322.)
33. Ruhe würzt das Leben.
34. Ruw ist der arbeyt taglon. – Franck, I, 148a; Lehmann, 38, 28 u. 303, 16; Lehmann, II, 534, 63; Sailer, 265; Simrock, 8579; Körte, 5114; Büchmann, 188.
Und sie ist, wie die Russen sagen, nur dem süss, wem die Arbeit sauer war. (Altmann VI, 428.)
Dän.: Godt er at hvile paa gjort gjerning. (Bohn I, 371.)
Holl.: Rust is eerst zoet na den arbeid. (Harrebomée, II, 234b.)
35. Sonder Ruh und Rast ist das Leben eine Last.
Holl.: Zonder rust, zonder lust. (Harrebomée, II, 234b.)
36. Stete Ruhe macht müde Beine.
Holl.: Bestendige rust is geene rust. (Harrebomée, II, 234a.) – Rust maakt roest. (Bohn I, 335.)
37. Was keine Ruhe hat, das kann nicht lange tawren. – Coler, 220b.
Lat.: Quod caret alterna requie, durabile non est. (Coler, 727b.)
38. Was seine ruhe nit haben kan, dass muss endlich zu Boden gahn. – Oec. rur., 682.
39. Wenn man Ruhe will im Staat, so mache man jeden zum Geheimrath.
40. Wer die Ruhe sucht, ist kein Mann.
41. Wer in Ruhe leben will, muss blind und stumm sein. – Schlechta, 245.
42. Wer in Ruhe leben will, muss hören, sehen und schweigen. – Wirth, II, 357.
[1765] 43. Wer in Ruhe will ersterben, lass sein Gut den rechten Erben. – Eisenhart, 267.
Holl.: Zoo gij wilt in ruste sterven, laat uw naaste vrienden erven, als ze't niet te zeer verkerven. (Harrebomée, II, 234b.)
44. Wer in Ruhe will leben, muss andern Ruhe geben (lassen).
Poln.: Dasz pokoj, masz pokoj. (Lompa, 9.)
45. Wer mit Ruhe herrschen will, muss nachsehen gar viel. – Chaos, 975.
46. Wer nicht seine Ruhe hat, geht zu Grunde.
47. Wer Ruh' sucht in der Welt, verreist umsonst sein Geld.
Frz.: Au monde n'a point de repos. (Leroux, II, 168.)
48. Wer Ruhe haben will, muss aus dem Stein gesprungen sein.
49. Wer wil haben ruw, bleib bei seiner kuw. (S. ⇒ Gemach 7.) – Franck, II, 84a; Eyering, II, 2; Gruter, I, 84; Petri, II, 779; Simrock, 5375; Schuppius, Schriften, III, 344; Körte, 5118; Boebel, 145.
So sang der Schwabe, als er aus fremden Landen nach Hause kam und sein Weib ihm ein Kindlein entgegentrug, von einem andern ihr bestellt.
Lat.: Domi manere oportet belle fortunatum. – Domus propria, domus optima. – Heu mihi, quos vicos, quae non loca tristis obivi. – Testudo intra tegumen tuta est. (Binder II, 841; Chaos, 769; Lang, 214; Sutor, 510.)
50. Wer will haben gute ruhe, der seh, hör vnnd schweig dazu. – Lehmann, 240, 2; Chaos, 728; Gaal, 1325; Simrock, 8584; Körte, 5117; Lohrengel, I, 864.
Wer mit den Menschen gut leben will, muss im voraus darauf gefasst sein, viel dummes Zeug ruhig anzuhören.
Engl.: He that means to live at rest, must hear and see, and say the best. (Gaal, 1325.)
Lat.: Si cupis in placida vitam traducere pace, auribus accipias multa, loquere parum. (Gaal, 1325.)
51. Wer will haben Ruh', der grabe den Garten und melke die Kuh.
Empfiehlt die Stille des Landlebens.
It.: Chi ama la quiete goda la villa (Pazzaglia, 316, 1), das aber auch nur dann Genuss gewährt, wenn man Ruhe des Gemüths mitbringt, wie ein anderes italienisches Sprichwort sagt: Chi vuol goder la quiete della villeggiatura, deve portar seco quella dell' animo. (Pazzaglia, 316, 2.)
52. Wer will haben Ruh', halte die Augen offen und das Maul zu.
Engl.: Keep your mouth shut and your eyes open. (Gaal, 1325.)
53. Willst du Ruh', ruf' einen Arzt herzu.
Es ist ironisch die Ruhe des Kirchhofs gemeint.
54. Wo Ruhe das einzige Geschäft, da ist sie kein Glück.
55. Wo Ruhe wohnt, soll man Hans Unfriede nicht einziehen lassen.
Holl.: Laat rust, daar rust is. (Harrebomée, II, 234b.)
56. Wo ist Ruh', da wohn' ich gern mit meiner Kuh.
57. Zu viel Ruh' macht die Bude zu.
Dän.: Siden hvile er altid godt. (Prov. dan., 319.)
Lat.: Ne indulgeas otio ad quod vergit iners valetudo. (Seneca.) – Qui dormiunt libenter, sine lucro et cum malo quiescunt. (Plautus.) (Seybold, 337 u. 487.)
*58. A hôt mer kêne Rû gelussen, bis a mich hot uf's Rudel (Ruder) gebrucht. – Gomolcke, 53; Frommann, III, 408, 339.
Ich habe diese Redensart in Schlesien nie anwenden hören.
*59. Das ist Ruhe auf der Flucht.
*60. Er hat sich zur Ruhe gesetzt und ist Bote geworden. – Simrock, 8518.
*61. Er isch i d' Rue g'stellt. (Solothurn.) – Schild, 90, 368; Sutermeister, 103.
Er hat sich verheirathet.
*62. Er ist zur Ruhe gegangen.
D.i. gestorben. Denn erst dann haben wir Ruhe, sagen die Russen, wenn die Birke über uns wächst. (Altmann V, 119.) Die Russen legen ihre Kirchhöfe gern in Birkengehegen an oder pflanzen wenigstens Trauerbirken auf die Gräber. Die Chinesen sagen von jemand, der gestorben ist. Er hat die Welt gegrüsst. (Draper, Geistige Entwickelung Europas, S. 56.)
Holl.: Hij is reeds in de rust. (Harrebomée, II, 234b.)
*63. Es ist die Ruhe eines Kirchhofs.
Die Worte sind aus Schiller's Don Carlos (3. Act, 10. Scene) sprichwörtlich geworden und gehören dem Marquis Posa an.
[1766] *64. Hä hätt gein Rauh bes em de Fingere gliche lang sin. (Köln.) – Weyden, IV, 14.
Er hat keine Ruhe, bis er todt ist.
*65. Ich will die Ruhe nicht mitnehmen. – Für Franken: Frommann, VI, 322, 320.
So sagt man, wenn man bei jemand nicht fortgeht, ohne sich gesetzt zu haben.
*66. Keine Ruh' bei Tag und Nacht.
Aus der Oper Don Juan entlehnt. (Büchmann, 61.)
*67. Nimm mi de Rau nich mit. (Altmark.) – Danneil, 470; Eichwald, 1573.
Zu einem Besuchenden, der sich nicht niedersetzen will.
*68. Weder ru noch rast gewinnen. – Geiler, Seelen Paradies, LXb, 1.
69. Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer; ich bin Hessenkasseler.
70. Ruhe der Seele ist Anfang alles Erdenglücks.
Lat.: Felicitas unica, intus nil strepere. (Sailer, Sprüche, 96, 22.)
71. Ruhe ist mehr werth, als ein Talent Silbers. – Scheffel, Ekkehard, I, 108, 199.
Lat.: Commoditas talentum valet.
72. Wer andern ihre Ruhe stört, dem wird auch nimmer Ruh' gewährt.
It.: Chi altri tribola, sè non posa. (Bohn I, 78.)
73. Wer in Ruhe leben kann, ist ein glücklich Mann.
74. Wer liebt Ruh und Schlaf zu sehr, der hat bald sein Brot nicht mehr.
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