Geist

1. Alle guten Geister loben Gott den Herrn.Eiselein, 216; Simrock, 3186.

Im Morgenlande bestimmt man das näher und sagt: Die Christen loben Gott morgens.

Holl.: Alle goede geesten loven den Heer. (Harrebomée, I, 211.)


2. Alle guten Geister loben ihren Meister.Eiselein, 216; Simrock, 3185; Braun, II, 471.


3. Besser ein Geist der fliegt, als eine Seele die kriecht.


4. Dem Heiligen Geiste sind in Rom die Flügel beschroten und die Mönche haben aus den Federn Schlafkissen gemacht.Klosterspiegel, 28, 6; Eiselein, 217.


5. Den Geist soll man nicht tödten.

»Einmal erweckt«, sagte Hr. von Radowitz im erfurter Parlament, »ist der Geist nicht wieder zu bannen. Er kann zeitweise schlummern, aber er wird immer wieder erwachen.« (Vgl. Westdeutsche Zeitung, 1850, Nr. 76.)

Frz.: On ouvre mieulx l'esprit que l'en ne le clost. (Leroux, II, 275.)

6. Der Geist baut den Körper.

Die Rückwirkung des Geistes auf Gestaltung, Haltung u.s.w. des Körpers ist wol nicht zu leugnen; aber sollte man nicht mit einigem Recht sagen können: Der Körper baut den Geist? (Vgl. Moleschott, Kreislauf des Lebens und Die Lehre von den Nahrungsmitteln; ferner Dr. L. Büchner, Kraft und Stoff.)


7. Der Geist der Frauen ist von Quecksilber, ihr Herz von Wachs.


8. Der Geist des Menschen ist wie ein unauslöschliches Flämmlein in einer papiernen Laterne.


9. Der Geist ist fort, das Fleisch ist geblieben.

Holl.: De geest is er bij hem uit. (Harrebomée, I, 211.)


10. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.Matth. 26, 41; Schulze, 230; Henisch, 1446; Büchmann, 161.

D.h. das Fleisch ist stärker als der vom Geist beeinflusste Wille. Die Chinesen sagen, um die Gewalt der sinnlichen Neigungen gegenüber den geistigen Einflüssen zu schildern: Der Geist Ngar beschützt den Saal, und doch verehrt man den Geist Sao mehr, der über die Küche gesetzt ist.

Frz.: L'esprit de l'homme est prompt et la chair est faible.

Holl.: De geest is wel gewillig, maar het vleesch is zwak. (Harrebomée, I, 211.)


11. Der Geist thut das allermeist.

Ueberall, namentlich aber in der Jugend- und Volksbildung; es ist aber ein trauriges Zeichen der Zeit, wenn man bei ihrem Anblick mit Faust ausrufen muss: [1449] »Ich finde nicht die Spur von einem Geist und alles ist Dressur.« (Goethe's Sämmtliche Werke.)

Holl.: Dat is de geest: die 't minst hebben, maaken 't meest. (Harrebomée, I, 211.) – Niets gaat voor eenen goeden geest. (Harrebomée, I, 212.)


12. Der Heilige Geist ist der Gottseligen, die Erfahrung aber der Gottlosen Schriftschlüssel.Opel, 395.


13. Dess Geistes Trost vnd Muth ist mein Schatz vnd erbgut.Petri, I, 23.


14. Du solt allen geystern nicht glauben.Agricola I, 22; Simrock, 3187.


15. Ein geduldiger Geist ist besser denn ein hoher.Petri, II, 188.


16. Ein Geist erkennt den andern.

Böhm.: Duch ducha poznává, a srdce srdci návĕští dává. (Čelakovský, 238.)


17. Ein trawriger geist verdorret Marck vnd Bein.Henisch, 1446, 45.


18. Es ist kein Geist so böse, der nicht vorm Kreuz entwiche.


19. Geist ist gut, aber Verstand besser.

Böhm.: Vtipu třeba časem, ale rozumu vždycky. (Čelakovský, 202.)

Poln.: Dowcip czasem potrzebny, ale rozum zawsze. (Čelakovský, 202.)


20. Geist macht nicht feist.


21. Grosse Geister begegnen sich.Simrock, 3188.


22. Grosse Geister fehlen auch.

»Der Geist der Menschen sieht nur in die Höhe und sein Verstand vor die Füsse; daher kommt es, dass auch grosse Geister oft stolpern und hinfallen.« (Welt und Zeit, V, 204, 306.)


23. Grosse Geister genirt es nicht und kleinen geht es nichts an.


24. Grosse Geister marschiren nicht auf der Heerstrasse.

»Grosse Geister eilen der Zeit stets voraus und sitzen immer schon oben auf der Wetterfahne des Thurms, wo sie sich lustig im Winde drehen, während die Schnecke des gewöhnlichen Menschen noch am Fusse herumkriecht.« (Dr. Mises, Schutzmittel für die Cholera, Leipzig 1832.)


25. Grosse Geister und Krebse ehrt man nach dem Tode.


26. Hoe groter Gêst, hoe groter Bêest.

Je grösser Geist, je grösser Thier. Geniale Menschen sind nicht selten liederlich und ausschweifend.

Holl.: Hoe grooter geest, hoe grooter beest. (Harrebomée, I, 211.)


27. Ich mache Geister, aber ich sag's nicht, sprach der Kapuziner zum Nachtwächter.Klosterspiegel, 47, 17.

Er setzte nämlich, als ihn der Nachtwächter traf, auf das Grab des jüngst verstorbenen Bürgermeisters Krebse, denen er brennende Wachslichter auf den Rücken klebte, damit die Witwe bei ihm Messe lesen lasse.


28. Ich will ihr einen neuen Geist geben, wie geschrieben steht, sagte der fromme Mann, und walkte seine Frau.

Holl.: Mijn geest getuigt zulks, zei Jeremias de kwaker, en hij ontboot zijne vrouw voor den vrederegter. (Harrebomée, I, 212.)


29. Irrige Geister stifften viel Böses.Petri, I, 62; Henisch, 1446, 41.


30. Man muss an keine Geister glauben.Simrock, 3190; Körte, 1865.

Oft liebt und diebt sich's nur, wo man glaubt, es spuke. »Nicht jedem Geist man trauen soll, die Welt ist falsch und Lügens voll.« Darum schrieb auch A. von Humboldt unter dem 2. April 1856 an den Director Jobard, der ihn über seine Meinung in Betreff des neuen Spiritualismus gefragt hatte: »Ich habe immer die Schwäche, nie einen heiligen Schreck vor der Vergeistigung des Fichtenholzes und dem Psychographen-Mysticismus zu haben.« (Vgl. National-Zeitung, Berlin 1856, Nr. 173.)


31. Man muss nicht jeglichem Geiste glauben.1 Joh. 4, 1; Schulze, 293; Richard, 378.

Böhm.: Ne všelikému slovu vĕř. (Čelakovský, 20.)

Holl.: Men en sal alle gheesten niet gheloven. (Tunn., 18, 20; Harrebomée, I, 212.)

Lat.: Omni spiritui tu semper credere noli. (Fallersleben, 494.)


32. Man sieht wohl, wess Geistes Kind einer ist. Körte, 1865a; Simrock, 3189; Eiselein, 217; Braun, II, 472.


[1450] 33. Mit frischem Geist und flinker Hand kommt man durch alle Land.

Holl.: Kloeke geesten en kundige handen worden gevoed in alle landen. (Harrebomée, I, 211.)


34. Nicht jeder Geist lässt sich in eine Flasche bannen.


35. Schöne Geister finden (kennen) sich.

So nannte der Dichter Schubart den Dichter Nikodemus Frischlin den Bruder seines Geistes.

Frz.: Les beaux esprits se rencontrent. (Leroux, II, 250.)


36. Thätiger Geist und sinnige Hand ziehen den Segen ins Vaterland.Grabschrift der Barbara Uttmann.

37. Wen der Geist Gottes nicht lehret, den lehret auch kein Pfaffe, ob er ihm schon einen Tag dreimal predigte oder misstficirte.Opel, 376.


38. Wenn der Geist einmal frei ist, lässt er sich schwer wieder binden.

Lat.: Facilius mentem aperiri, quam claudi. (Bovill, I, 194.)


39. Wenn kommt der Heilige Geist, gilt das Korn am allermeist. (S. 42.)Kirchhofer, 319.


40. Wenn man nach einem geist hawet oder schlägt, so verwundet man sich selber. Henisch, 1416, 62; Petri, II, 668; Klosterspiegel, 28, 7; Eiselein, 217; Simrock, 3191.

Soll schon zuweilen einer Regierung begegnet sein. Nach einer von Fr. Schultheis in den Hausblättern von Hackländer (1865, Nr. 13, S. 61) unter der Ueberschrift Die tapfere Schildwache erzählten Volkssage hat ein Soldat tapfer auf einen Geist losgeschlagen, der ihm des Nachts um 12 Uhr erschien.


41. Wenn wi singt vam hilligen Gêst, so gelt de Wêt dat allermêst. (Fehmarn.) – Schütze, II, 17.

Der vorjährige Weizen (das Getreide überhaupt) ist zu Pfingsten am theuersten, weil noch kein neuer da ist.


42. Wer die Geister nicht kann regieren, soll sie nicht citiren.

»Die ich rief, die Geister, die werd' ich nun nicht los.« (Goethe's Zauberlehrling.)


43. Wo der heilige Geist meister ist, da lehrnet man vil in kurtzer frist.Henisch, 1446, 32.


44. Wo die meisten Geister spuken, da sind die wenigsten zu Hause.

Der Stachel dieses Sprichworts geht wider die Erfinder von Geistergeschichten und ihre Gläubigen, gegen Spiritualisten, Tischrücker und Genossen.


45. Wo Geist ist, da rührt sich Geist.

Böhm.: Slabý duch nic nevytvoří, a jen čas na zařbůh moří. (Čelakovský, 211.)


46. Wo Geist ist, da spuken keine Geister.


*47. Das erriethe selbst der Heilige Geist nicht.

Lat.: Nec Apollo, quid sibi haec velint, intelligat. (Eiselein, 216.)


*48. Das hat ihm der Heilige Geist nicht eingegeben.

Holl.: Het was gelijk de Heilige Geest, die het mij ingaf. (Harrebomée, I, 298.)


*49. Den heyligen geyst reden leren.Franck, II, 21b.

Den, der weit über uns steht, belehren oder meistern wollen. (S. Adler 21 u. Frosch 87.)


*50. Der Geist Saul's ist über ihn gekommen.

Er ist von Bosheit, Zorn, Rache erfüllt.

Böhm.: Napadl ho duch Saule proroka. (Čelakovský, 17.)


*51. Der Heilige Geist spricht aus ihm.

Holl.: De Heilige Geest spreekt uit zijn' mond. (Harrebomée, I, 298.)


*52. Einen grossen Geist genirt das nicht.

Dän.: Et høgt gemyt foragter de høge og elsker middelmaadige ting. (Prov. dan., 224.)


*53. Er hat den Heiligen Geist sammt den Fedarn g'schlickt. (Oberösterreich.) – Baumgarten.

Spottweise von einem Ueberfrommen oder Ueberklugen.


*54. Er hat einen hohen Geist, als wenn er auf dem Kirchhofe geschlafen hätte.


*55. Er ist mit seinem Geiste in der Schüssel.


*56. Es hat dem Heiligen Geist und uns gedünkt.

Ursprünglich die Redeweise, mit der die Apostel ihren Beschlüssen Kraft gaben und welche die Väter des Tridentiner Concils, blos mit Weglassung des Heiligen Geistes, angenommen haben. (Reinsberg VI, 34.)


*57. Seinen Geist aufgeben.

Frz.: Rendre les abdois.


[1451] *58. Sie fahen an im Geist und enden im Fleisch.Eiselein, 217.

»Der Zettel ist Geist, der Intrag Fleisch, ist Dirdendei, halb linen, halb wöllen.«


[Zusätze und Ergänzungen]

59. Der auf Geister schiesst, der trifft sich.Gutzkow, Ritter, 293.


60. Dort hat der heilige Geist noch nicht rumort.

Dies Sprichwort ist im vorigen Jahrhundert zu Frankfurt a.O. entstanden und wird meist ironisch von einem Hause oder Orte angewandt, dem es an dem rechten Glauben gebricht.


61. Der Geist klebt nicht am Staube.

Lat.: Difficile est, fateor, sed tendit ad ardua virtus. (Philippi, I, 118.)


62. Der Geist ist dem Fleische allezeit entgegen.

Bei Tunnicius (1354): De geist is dem vleische alle tyt entegen. (Mens est infirmae semper contraria carni.)


63. Die der heilige Geist lehret, was sollen die in heidnische Pfützen zur Schule gehen. Opel, 376.


64. Ein grosser Geist geht seinen eignen Weg.

Lat.: Gravis animus dubiam non habet sententiam. (Philippi, I, 171.)


65. Er ist der Geist, der stets verneint.

Immer widersprechend. In Goethe's Faust sagt Mephistopheles: Ich bin der Geist, der stets verneint.


66. Kann der heilige Geist im Felleisen auf Concilien reisen, so können ihn die Kapuziner auch im Zipfel tragen.Klosterspiegel, 27, 7.


67. Man brachte die Geister auf die Auction, ein jeder fand seinen Geist am passendsten. Merx, 190.


68. Schwach von Geist und schwer von Hand macht dem Lehrer harten Stand.


69. Was der Geist gründet, nicht bald schwindet.

Lat.: Et memorem famam, qui bene gessit, habet. (Philippi, I, 140.)


70. Was sich zum Geist soll klären, muss kochen erst und gähren.Frieske, 5.


71. Wenn die Geister weiss gehen, bedeutets, dass die Mägd dicke Bäuch kriegen.Simplic., Vogelnest, 469.


72. Wenn der Geist auswärts ist, was nützen die Augen daheim?


73. Wo der Geist ist Herr und der Körper Knecht, da ist die Wirthschaft recht.

Lat.: Si corpori anima praeest, animam cura prius. (Sailer, Sprüche, 14.)


*74. Den heiligen Geist mit Federn fressen.Luther's Tischr. 112b.


*75. Die dienstbaren Geister.Eselsfresser, 1, 14.


*76. Die Geister platzen aufeinander.

Zur Bezeichnung eines heftigen Meinungsaustausches. In einem Briefe Luther's vom 21. August 1524 in Bezug auf das Auftreten Münzer's an die Fürsten von Sachsen heisst es: »Man lass die Geister aufeinander platzen und treffen.« (Vgl. Büchmann, X, 52.)


*77. Er hat den heiligen Geist allein gefressen. Herberger, Ib, 637.


*78. Heiliger Geist auf Buchau zu!

Wird hauptsächlich angewandt, die Einwohner von Buchau, einer kleinen Stadt im Kreise Ellbogen, zu necken. In der dortigen Kirche war eine hölzerne Taube, das Symbol des heiligen Geistes, unbrauchbar geworden. Man schickte den Sakristan nach Lubenz, um eine andere zu holen. Dieser kaufte aber dort eine schöne, weisse, lebendige Taube, die ihm aber unterwegs aus dem Korbé, in dem er sie trug, davon flog, wobei er in die Worte ausbrach: »Heiliger Geist auf Buchau zu!« die seitdem sprichwörtlich geworden sind.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
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