Wechsel [2]

[949] Wechsel (fr. Lettre de change, engl. Bill of exchange, ital. Littera di cambio), ein in gesetzmäßiger Form ausgestelltes schriftliches Versprechen, durch welches der Aussteller sich nach dem geltenden Wechselrechte verpflichtet an eine darin bezeichnete Person eine gewisse Summe Geldes zu einer bestimmten Zeit u. an einem bestimmten Orte entweder selbst zu zahlen, od. durch einen Dritten zahlen zu lassen. Leistet der Aussteller selbst die Zahlung, so heißt der W. ein eigener od. trockener, läßt er die Wechselsumme durch einen Dritten zahlen, so heißt er ein gezogener od. trassirter W. (Tratte). Der praktische Nutzen des Wechselgeschäfts besteht darin, daß mittels desselben Zahlungen zwischen verschiedenen Orten ohne die kostspielige u. gefährliche Geldsendung ausgeglichen werden, u. daß ein u. derselbe W. als Zahlungsmittel durch verschiedene Hände u. Orte gehen kann. Hierdurch wird er in gewissem Sinne eine Waare, deren Preis von größerer od. geringerer Nachfrage abhängig ist. Der Preis der in einen W. verschriebenen Summe gegen baares Geld, od.[949] der Preis von diesem gegen jene, ist der Wechselcurs. Der Wechselkurs bestimmt daher, wieviel an diesem od. jenem Platze bezahlt wird, um an einem anderen Orte durch W. eine gewisse Summe zu erheben od. zu bezahlen. Jeder Wechselplatz notirt ebensoviel Curse, als es Plätze gibt, mit denen er in directem Verkehre steht; geschieht dies nach einer bestimmten Einheit (Wechseleinheit), z.B. 1, 100 etc., welche die Summe bezeichnet, für welche eine höhere od. niedere in W-n gegeben wird, so heißt diese feste Valuta; ist dagegen der jedesmalige Preis für eine durch die feste Valuta bestimmte Einheit auf dem Kurszettel angegeben, so heißt es veränderliche Valuta. Die Wechselcurse u. Wechseleinheiten werden theils in geprägten Münzen, theils in fingirten od. Rechnungsmünzen ausgedrückt (z.B. in Banco-Mark). Die Berechnung, an welchem Platze ein W. zu verkaufen od. an welchen er zu versenden ist, um nach den augenblicklichen Cursdifferenzen dabei zu gewinnen, od. am wenigsten zu verlieren, heißt Wechselarbitrage. Der durch den Wechselverkehr entstehende Gewinn heißt Wechselavanzo. Die Bedeutsamkeit der W. liegt außer in der persönlichen Freiheit des Schuldners u. in dem durch die Gesetze festgestellten schleunigen Verfahren gegen denselben, für den Handelsverkehr bes. auch in der durch die kaufmännische Ehre begründeten größeren Sicherheit u. dessen durch seinen leichten Umsatz herbeigeführte Stellung, als ein das baare Geld vertretendes bequemes Zahlungsmittel, daher bildet der W. das Papiergeld der Kaufleute. Durch dieses Princip ist er groß geworden u. durch dasselbe hat er dem Handel die leichte u. schnelle Bewegung gegeben, ohne welche sein gegenwärtiger Aufschwung nicht möglich gewesen wäre. Auf dem W. beruht der Welthandel. Soll aber der W. ein für den Welthandel bestimmtes Stellvertretungsmittel des baaren Geldes sein, so ist es die Aufgabe der Wechselgesetzgebung, nur solche Erfordernisse vorzuschreiben, welche mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Handels sich als nothwendig herausstellen.

Zunächst kommt hierbei die Form des W-s in Betracht, auf welcher die im Wechselverkehr übliche Eintheilung derselben beruht. Die gezogenen (trassirten) W. (Tratten) u. die eigenen (trockenen) W. sind sowohl durch die Form wie durch das Gesetz streng geschieden. In dem gezogenen W. ertheilt der Aussteller (Trassant) einem Dritten (Trassat) den Auftrag, die im W. enthaltene Summe an den darin Genannten (Remittent) od. dessen bevollmächtigten Nachfolger (Präsentant) an einem bestimmt angegebenen Tage, od. bei Sicht (Vorzeigung), od. an einem festgesetzten Tage nach Sicht, auf eine Messe od. einen Markt auszuzahlen, z.B.:

Für Fl. 4000 Österreich. Währung.

Wien, den 31. October 1863.

Drei Monat nach heute zahlen Sie gegen diesen meinen Primawechsel an die Ordre des Herrn Ernst Kahler die Summe von Fl. 4000 Ö. W. u. stellen solche, auf Rechnung laut Bericht.

Gut für Vier Tausend Fl. Ö. W.

Ludwig Wagner.

Herrn Franz Nebe in Pesth.

Ist ein trassirter W an eigene Ordre gestellt, so daß der Aussteller sich als Remittenten bezeichnet, so würde er lauten:

Für Fl. 4000 Ö. W.

Wien, den 31. October 1863.

Drei Monat nach heute zahlen Sie gegen diesen meinen Primawechsel an meine eigene Ordre (od. an mich selbst) die Summe von... etc.

Der eigene W. hat nicht, wie die Tratte, die Form eines Auftrages zur Zahlung, sondern die eines Schuldscheines; der Aussteller verspricht eigene Zahlung, nicht Zahlung durch einen Dritten, z.B.:

Für Thlr. 500 Preuß. Courant.

Leipzig, den 3. November 1863.

Ultimo December zahle ich gegen diesen meinen Solawechsel an die Ordre des Herrn Fr. Hohmann die Summe von 500 Thlrn. Preuß. Courant.

Gut für Thlr. 500 Preuß. Courant.

C. Vogt.

Eigen trassirte W. sind die, welche vom Aussteller am dritten Orte od. durch die Seinigen bezahlt werden, z.B.:

Thlr. 100 Preuß. Cour.

Hamburg, den 3. November 1863.

Gegen diesen meinen Solawechsel zahle ich a dato in drei Monaten in Leipzig an Herrn B. in Berlin od. Ordre Einhundert Thaler Preuß. Courant, welche ich von ihm empfangen. __A.

Acceptirt für 100 Thlr. Cour.

An mich selbst in Leipzig.

Der eigene W. kann, wie die Tratte, domicilirt sein, wenn nämlich der Aussteller an einem vom Ausstellungsorte verschiedenen Orte zu zahlen verspricht, sei es selbst, sei es durch einen Dritten, einen Domiciliaten. Der Domiciliat unterscheidet sich vom Trassaten, daß bei ihm Deckung stattfindet, nicht aber Accept. Beispiel eines domicilirt eigenen W.:

Für Thlr. 350 Preuß Cour.

Köln, den 3. November 1863.

Am 15. December zahle ich gegen diesen Solawechsel an die Ordre des Herrn C. Vogel die Summe von Thlrn. 350 Preuß. Courant.

Gut für Thlr, 350 Preuß Cour.

Joh. Heimann.

Auf mich selbst zahlbar bei Herrn M. Wirth in Elberfeld.

Derjenige, welcher den W. vom Aussteller bekommt, heißt Inhaber od. Rehmer; begibt dieser den W. weiter, so wird er Indossant od. Girant. Das Übertragen des W-s auf einen Anderen, welches auf der Rückseite bemerkt wird, heißt Indossament od. Giro, u. einen W. auf diese Weise übertragen, indossiren od. giriren Die Formel für das Giro ist:

Für mich an die Ordre des Herrn Leopold Schiffner.

Prag, den 11. Novbr. 1863._ _C. Joesten.

Ist der W. durch so viele Hände gegangen, daß die Rückseite mit Indossaments gefüllt ist, so wird ein Blatt, Allonge, angeheftet. Derjenige, an welchen der Indossant den W. überträgt, heißt Indossat od. Girat Hat der Bezogene den W. angenommen, so ist er Acceptant, u. seine schriftliche Bemerkung, entweder am Fuße des W-s od. quer über denselben, heißt Accept u. lautet:

Acceptirt od. angenommen) für Thlr. 500 Preuß. Courant.

Köln, den 11. November 1863._ _L. Emern.

[950] Alle die Personen, von welchen der W. Mittelbar od. unmittelbar an den gegenwärtigen Inhaber gekommen ist, werden Vormänner genannt. Erfolgt die Zahlung, so wird der bezahlte W. mit der Quittung versehen, dem Zahler eingehändigt u. das Wechselgeschäft ist als beendigt anzusehen. Wird die Zahlung verweigert, so verschafft sich der Präsentant zur Feststellung, daß die Zahlung verweigert wurde, eine öffentliche Urkunde, welche man Protest nennt, u. auf Grund dessen er von seinen Vormännern Regreß, Bezahlung des W-s, verlangt. Nur selten stellen solide Kaufleute eigene W. aus, deren Unterarten sind: der Depositenwechsel über ein zur Benutzung gestattetes Depositum, u. der bedeckte W., bei welchem außerdem noch Hypotheken od. Bürgen den Wechselinhaber sichern. Die eigenen W. unterliegen ihrer Natur nach allen auf sie anwendbaren, für Tratten geltenden Formen u. Vorschriften, als deren Nachahmung sie zur Beförderung des Credits entstanden sind. Das französische Recht, welches sie einem gewöhnlichen Schuldschein (Billet) gleich behandelt, stimmt hinsichtlich des Verkehrs damit überein, sobald der Zusatz: à ordre, ihre wechselmäßige Umsetzbarkeit anzeigt. Den Wechselproceß, u. persönlichen Arrest begründet das Billet à ordre jedoch blos dann, wenn es zum Zweck eines kaufmännischen Geschäfts, od. von einem Kaufmann ausgestellt ist. Die W. welche als schriftliche Urkunden deren äußern u. innern Eigenschaften entsprechen müssen, verlangen außerdem als wesentliche Erfordernisse die Bezeichnung als W., die Angabe der zu zahlenden Summe, den Namen der Person od. Firma, an welche od. an deren Ordre gezahlt werden soll, die Angabe der Zeit, zu welcher gezahlt werden soll, die Unterschrift des Ausstellers, Ort u. Zeit der Ausstellung, den Namen des Bezogenen, auch die Angabe des Ortes, wo die Zahlung geschehen soll. Bei eigenen W-n sind die Bezeichnung als W., der Wechselbetrag, die Person, an welche zu zahlen ist, die Zahlungszeit, die Unterschrift des Ausstellers, der Zahlungsort u. die Zahlungszeit erforderlich.

Die Wechselfähigkeit als die persönliche Eigenschaft Wechselverbindlichkeiten übernehmen zu können steht in der Regel Jedem zu, welcher sich durch Verträge verpflichten kann. Die Wechselfähigkeit ist von den Landesgesetzen vielfach u. verschiedenartig erläutert u. beschränkt worden. Ausdrücklich ausgenommen u. daher wechselunfähig sind meist Geistliche, Staatsbeamte, Soldaten, Studirende, Frauen, welche keinen Handel treiben, u. der väterlichen Gewalt unterworfene Personen. Sonst ist der W. nicht allem auf Kaufleute beschränkt. Nach allgemeinen Grundsätzen kann weder gegen die Glieder des regierenden Hauses innerhalb des Landes, noch wegen der Exterritorialität gegen dieselben da, wo sie ihnen zusteht, ob. gegen die Gesandten anderer Staaten, noch gegen Körperschaften die Wechselstrenge in Anwendung gebracht werden, daher dieselben nicht für wechselfähig gelten. Die Wechselfähigkeit kann jedoch eben so durch obrigkeitliche specielle Erlaubniß erworben, als auf sie verzichtet werden kann. Der Wechselunfähige kann weder W. ausstellen, giriren u. acceptiren (active Wechselfähigkeit), noch nach Wechselrecht u. Wechselstrenge zur Zahlung angehalten werden (passive Wechselfähigkeit). Indessen übernimmt er durch Ausstellung eines W-s alle in demselben außerhalb des Wechselrechts liegenden civilrechtlichen Verpflichtungen u. haftet einem Betrogenen für seine Arglist, wenn er sich mit Wissen für wechselfähig fälschlich ausgab. Auf W-n findet sich noch die Angabe, ob ein W. einfach ausgestellt (Solawechsel), od. in mehren Exemplaren (Wechselduplicaten), als Prima-, Secunda-, Tertiawechsel ausgegeben worden, letzteres geschieht theils für den Fall des Verlierens, theils damit, während das zweite u. dritte Exemplar weiter an Andere indossirt weiden, der Primawechsel sofort an den auf den andern Exemplaren bemerkten Zahlort abgeht, wo er bis zur Zahlungszeit bleibt; in diesem Falle schreibt der Aussteller: Prima zur Annahme bei Herrn N. N. Ist das Accept der Prima erwirkt, so verbleibt sie im Hause des Geschäftsfreundes, bis die Secunda, welche girirt worden, am Wohnorte des Bezogenen ankommt u. von dem legitimirten Inhaber ausgewechselt wird. Dieser durchstreicht die Adresse u. setzt über dieselbe die Formel: Die acceptirte Prima ausgeliefert an Herrn Z. Z. den 5. Novbr. 1863. Ferner wenn auf der Tratte die Angabe steht, daß über die Ausstellung des W-s der Bericht (Avis) abgegangen sei, so heißt dies: laut Bericht, laut Avis. Wird der Name des Bezogenen, ob. selbst der des Ausstellers, wohl auch eines Giranten erdichtet, so daß ihm keine wirkliche Person entspricht, so heißen diese W. Kellerwechsel, u. das Geschäft damit Wechselreiterei. Diese besteht in jedem unter der Form u. dem Scheine eines wirklichen Wechselgeschäfts betriebenen falschen Wechselhandel, im eigentlichen Sinne aber in der Art von Wechselgeschäften, welche vom Trassant verdeckt, meist durch Kellerwechsel, unternommen werden, um so baares Geld in die Hand zu bekommen, dies zu benutzen, dann wieder auf Andere W. zu ziehen u. mit dem erhaltenen baaren Geld jene selbst zu bezahlen, wodurch bei starkem Verkehr u. Credit ein schwankendes Handelshaus sich Jahre lang noch halten u. bei glücklichen Speculationen mit dem zur Disposition sich verschafften baaren Gelde zuweilen sich retten kann. Dieser Handel mit fremdem Gelde wird in England als hinlänglicher Grund zur Concurseröffnung angesehen. Die Wechselabschrift (Wechselcopie) ist eine Abschrift des W-s, welche nach dem Wunsche des Inhabers stets gemacht werden kann. Wechselcopien müssen eine Abschrift des W-S u. der darauf befindlichen Indossamente u. Anmerkungen enthalten u. mit der Erklärung: bis hierher Abschrift (Costie), od. mit einer ähnlichen Bezeichnung versehen sein. Auf der Copie ist zu bemerken, bei wem das zur Annahme gesandte Original anzutreffen ist. Das Unterlassen dieser Bemerkung entzieht jedoch der indossirten Copie nicht ihre wechselmäßige Kraft. Sie dient zwar weder gerichtlich, noch außergerichtlich als Beweismittel u. kann daher nie die Rechte begründen, deren Verfolgung an das Original geknüpft ist, z.B. die Regreßnahme; allein ihr mannichfacher Nutzen zeigt sich nicht nur bei dem Verlust eines Solawechsels u. der Prolongation, sondern auch, wenn von mehren Wechselduplicaten nur eins an den Remittenten od. einen Indossanten gelangt u. dieser zum Vortheile des Umsatzes die W. weiter girirt Auch wenn der Bezogene nicht an dem Orte wohnt, wo die Bezahlung geschehen soll, kann durch die Übersendung eines W-s nebst Ersuchschreiben nur die Acceptation an den Bezogenen, od. die Präsentation des[951] W-s mit übersendeter Copie statt finden, wo dann die Acceptation lautet: von dieser Copie acceptire ich das Original. Appointwechsel sind solche, welche eine größere Summe durch mehre kleinere ausfüllen, z.B. die Summe von 2000 Thlrn. durch W. von 200, 500, 700, 600 Thlrn.

Die in den einzelnen Ländern bestehenden geschlichen Bestimmungen über den W. (Wechselrecht) sind in den Wechselordnungen enthalten. Die lithographirten Formulare einhalten neben den gültigen oft unwesentliche u. ungültige Bestimmungen. In früheren Zeiten erblickte die Wissenschaft in dem W. einen Vertrag (Wechselvertrag, Contractus cambii) u. unterwarf denselben den Principien civilrechtlicher Contracte. Da man aber nach der regelmäßigen Entstehung des W-s das Vorhandensein dieser Verträge nicht nachweisen konnte u. die Analogie der römischen Verträge nirgends zutraf, so ging man über zu der Theorie vom Formalacte od. vom abstracten Summenversprechen. Ein Formalact aber ersetzt das Erforderniß eines Grundes durch seine Form, schmiegt sich allen Geschäften an, selbst den unlautern, deren materielle Nichtigkeit od. Schlechtigkeit er durch seine Form verdeckt u. in gesetzliche Gültigkeit u. Wirksamkeit umwandelt. Der W. ist aber mehr, als Formalact od. abstraktes Summenversprechen, er ist vielmehr (vgl. Einert, Das Wechselrecht nach den Bedürfnissen des Wechselgeschäftes im 19. Jahrhundert, Lpz. 1839) das Papiergeld der Kaufleute; seine Vertretung des Geldes im Handelsverkehr ist das oberste Princip seiner wahren, seiner praktischen Entwickelung. Unter Wechselverbindlichkeit versteht man die nach der Strenge des Wechselverkehrs übernommene Verpflichtung, entweder den Betrag eines W-s an jeden rechtmäßigen Inhaber desselben zu bezahlen, od. für diese Zahlung einzustehen. Hierzu sind ausdrücklich verpflichtet der Aussteller, der Acceptant, der Indossant, sowie Jeder, welcher den W., die Wechselcopie od. das Indossament mitunterzeichnet hat, u. der Ehrenacceptant, der Wechselbürge. Wechselverbindlichkeit im engern Sinne ist die vermöge ihrer Form die unverzügliche richterliche Hülfe zu ihrer Erfüllung sichernde Verpflichtung zur Einlösung des W-s, welche nach dem Gebrauche des Wechselverkehrs durch deshalb eigenhändig od. durch einen Bevollmächtigten auf dem W. bewirkte Unterschrift des Namens od. der Handlungsfirma (Wechselverbundene) begründet wird. Der Inhaber eines W-s, bei Tratten der Remittent, hat zu Erlangung der Valuta dessen Vorzeigung (Präsentation) sowohl zur Annahme (Accept), als auch später zur Zahlung zu bewirken. Dieses kann aber nur zu der Zeit geschehen, zu welcher ein W. seinem Inhalte zufolge bezahlt werden soll (verfällt), u. der Inhaber des W-S dessen Zahlung verlangen kann, diese auch sicher geleistet werden darf, der Verfallzeit. Indessen ist noch ein Unterschied zwischen dem Verfalltage u. dem Zahltage in den Ländern, wo Respecttage (Discretionstage, Dies arbitrarii, franz. Jour de grâce) bestehen (s. unten S. 953) u. bei Meßwechseln, welche oft am ersten Tage der Zahlwoche verfallen, aber erst an dem in ihr gesetzten Tage, z.B. nach der Leipziger Wechselordnung in den beiden Hauptmessen am Donnerstage der letzten Meßwoche, ausgezahlt werden. Die von den meisten Gesetzgebungen als ein wesentlicher Bestandtheil des W-s erforderte Bestimmung der Verfallzeit kann in demselben auf verschiedene Art angezeigt werben: unbedingt, absolut, u. zwar durch Benennung eines Tages (Tagwechsel, präcise W., fixe W.). Ist dieser ein Sonntag od. Feiertag, so befreit dies den ausstellenden Schuldner an u. für sich nicht, aber der nächstfolgende Werktag ist der Zahlungstag. Bestehen an einem Wechselplatz allgemeine Zahltage (Kassiertage), so braucht die Zahlung eines zwischen den Zahltagen fällig gewordenen W-s erst am nächsten Zahltage geleistet zu werden. In Bremen sind Mittwoch u. Sonnabend Kassiertage, in Augsburg der Montag u. Donnerstag. Der Verfalltag wird in den W-n entweder ausdrücklich benannt, wo medio eines Monats für den 15. genommen wird, od. z.B. den Mittwoch nach Johannis, od. nach der Messe, wo die Zeit von dem ersten Tage nach Ende derselben berechnet wird, in Leipzig aber erst vom achten Tage nach dem Ausläuten der Messe. Die unbedingte Feststellung der Verfallzeit kann durch Bestimmung einer von der Ausstellung an zu berechnenden Zeit geschehen, welche wieder durch eine Anzahl von bestimmten Zeitabschnitten bezeichnet sein kann (Datowechsel) u. durch Beziehung auf den Gebrauch des bezogenen Platzes (Usowechsel, W. à uso) in England, den Niederlanden, Spanien, Portugal u. Italien für den Verkehr mit diesen Ländern; durch Beziehung auf gesetzlich bestimmte Zahlungsfristen, z.B. in Meßwechseln. Die Verfallzeit kann in dem W. bedingt durch die Vorzeigung, relativ bestimmt werden, u. zwar wieder durch Angabe einer Anzahl von Tagen, Wochen, Monaten etc. nach der Vorzeigung, W. nach Sicht, welche nach der langem od. kürzern Zeit in kurzsichtige u. langsichtige, kurze u. lange Papiere od. Briefe getheilt werden, von denen die erstern gewöhnlich höher im Curs stehen; od. auch durch Angabe des Tags der Vorzeigung selbst, W. auf Sicht, welche wie die W. nach Belieben (W. a piacere, W. à volonte), bezahlt werden; durch Beziehung auf den Gebrauch des Zahlungplatzes, welcher höchst mannichfaltig ist, aber in Deutschland meist den 14. od. 15. Tag nach dem Präsentationstage als Verfalltag annimmt (Usowechsel), welche Zeit bei W-n a uso doppio doppelt berechnet wird. Außer dem Recht zur Präsentation u. auf Zahlung des, W-s sind die Wirkungen der Verfallzeit, daß der Acceptant befugt ist dessen Bezahlung dem Inhaber nach dem Inhalte des W-s zu leisten, u. wenn derselbe sie nicht annehmen will, damit zögert, od. sich dazu nicht anmeldet, das Geld gerichtlich zu hinterlegen; ferner daß bei nicht erfolgter Zahlung die Zinsen des Verzugs zu laufen anfangen; endlich daß die Wechselverjährung ihren Anfang nimmt. Letztre ist auf die Wirksamkeit der Wechselverbindlichkeit sich beziehende, von der gemeinen abweichende, eine kürzere Frist umfassende Extinctivverjährung, Während die Verbindlichkeit an sich die gemeinrechtliche Verjährungsfrist hindurch dauert, bewirkt die Wechselverjährung die gänzliche Aufhebung, bald des Klagrechts, bald der Beweiskraft des W-s als Urkunde, bald der Exekution als persönliche Haft. Dieselbe beginnt zu laufen vom Verfalltage od. dem letzten Respecttage u. wird durch Anstellung der Wechselklage unterbrochen, z.B. wenn gegen Jemand der Concurs eröffnet wird. Nach den verschiedenen Formen der Wechselverbindlichkeit, als des Acceptanten, aus dem Regreß, der Verbindlichkeit aus eigenen W-n, sind in den meisten Landesgesetzen[952] verschiedene Verjährungsfristen eingeführt. Die Deutsche Wechselordnung unterscheidet zwischen der Verjährung der Regreßansprüche gegen den Aussteller u. die übrigen Vormänner u. zwischen den Regreßansprüchen des Indossanten gegen den Aussteller u. die übrigen Vormänner. Ist der zur Verfallzeit präsentirte W. von dem Schuldner od. Trassaten acceptirt worden, was meist durch schriftliche Bemerkung auf demselben geschieht, u. ist der Acceptant somit zur Leistung der Zahlung nach Wechselrecht verbunden, so wird der W. von demselben entweder sofort ausgezahlt, od. es kann ihm ohne Nachtheil der Rechte des Gläubigers bis nach Verlauf der Respecttage, da wo sie noch gelten, Nachsicht mit der Zahlung gestattet werden. In Deutschland u. Österreich sind die Respecttage aufgehoben; in England sind 3, in Turin u. Genf 5, St. Gallen, Antwerpen, Venedig, Holland u. Schweden 6, in Rum 7, in Neapel u. Ancona 8, in Rußland, Dänemark u. Norwegen 10, in Stockholm u. Riga 12 u. in Genua 30.

Am Zahlungstage muß sich der Wechselinhaber bei dem Schuldner od. Acceptanten melden u. die Zahlung des W-s in Empfang nehmen. Meldet sich der Wechselinhaber nicht, so thut der Wechselschuldner wohl, um sich von der Gefahr der Aufbewahrung u. den Verzugszinsen zu befreien, die Zahlung gerichtlich od. bei einem Notar niederzulegen u. wegen Nichtabholung einen Protest aufnehmen zu lassen. Die Zahlung muß in den verschriebenen Münzsorten, baar (per cassa.) u. unverkürzt geschehen, u. im Falle nicht bestimmter Währung in Wechselzahlung, d.i. der durch Gesetz od. Gebrauch festgesetzten Währung, in welcher bei Unbestimmtheit der im W. verschriebenen Münzsorten derselbe auszuzahlen ist. Als Quittung (Acquit) über die bewirkte Zahlung dient die Zurückgabe des W-s. Ist hingegen der zur Verfallzeit präsentirte W. von dem Schuldner od. Trassaten nicht acceptirt worden, so muß der Wechselinhaber sofort Protest wegen verweigerten Accepts, u. wenn am Zahlungstag auch dessen Auszahlung abgeschlagen wird, Protest wegen verweigerter Zahlung durch einen Notar, u. zwar nach den meisten Gesetzen vor zwei Zeugen erheben (leviren) u. ausfertigen lassen. Öfters fügt der Aussteller des W-s bei Unsicherheit von dessen Annahme demselben eine Nothadresse (Comendatio, Notitio, franz. Besoin, Adresse au besoin) bei, wo dann dem in derselben genannten Adressaten, wenn der Bezogene nicht honorirt hat, der W. gleichfalls zu präsentiren ist. Dies geschieht durch die der Unterschrift des Ausstellers beigefügten Worte: Im Nothfalle bei Herrn N. N. für X. X., nämlich den Bezogenen, welcher möglicher Weise nicht zahlt. Geschieht die Annahme von einem, Dritten ohne vorgängigen Auftrag aus Geschäftsfreundschaft für eine der im W. betheiligten Personen, Accept per honur, z.B. zu Gunsten des Trassanten, per honor del lettera, od. eines Indossanten per honor del giro, welche sich dies jedoch bis zum Verfalltag durch eine Contreordre verbitten können, so hat dieser Acceptant (Intervenient) nach erfolgter Zahlung (Intervention zur Ehre, Wechselintervention) den Vortheil unmittelbar von dem, zu dessen Ehren er acceptirte, Capital, Zinsen u. Provision nach Wechselrecht zurückfordern zu können. Daher verweigert oft der Bezogene die gewöhnliche Annahme, läßt protestiren u. acceptirt per honor des Trassanten (Accept sopra protesto). Wird aber am Zahlungstage der W. dem Intervenienten nicht präsentirt, so verliert der Wechselinhaber, in Unterscheidung von dem ordentlichen Accept, seine Forderung gegen ihn; leistet dieser aber nach dem Accept per honor keine Zahlung, so läßt der Wechselinhaber zu Wahrung seiner Rechte gegen den Indossanten u. die Giranten Protestiren (Interventionsprotest). Ist zu noch mehrer Sicherheit eine Wechselbürgschaft (lat. Avallum, Avall) vorhanden, so muß der Wechselinhaber auch bei dem Wechselbürgen sich rechtzeitig melden u., wenn die Zahlung verweigert wird, Protestiren. Nach gehörig erhobenem u. versendetem Proteste steht dem Wechselinhaber gegen den Schuldner die eigentliche Wechselklage (s. unten S. 954) zu, durch welche gegen ihn der Wechselproceß eröffnet wird u. die Anwendung der Wechselstrenge herbeigeführt, gegen' den Giranten u. Trassanten od. deren Bürgen aber die Regreßklage. Da nämlich dieselben als Vorgänger des Wechselinhabers durch den Wechselcontract die Gewährleistung für den Eingang des Wechselbetrags bei Verfall u. nicht geleisteter Zahlung übernommen haben, so steht dessen Inhaber das Recht zu den Wechselersatz (Rembours) zu fordern u. deshalb die nöthigen gerichtlichen u. außergerichtlichen Schritte zu thun (Wechselregreß, lat. Regressus cambialis, ital. Ricambio, franz. Rechange). Abweichend von dem Römischen Rechte erkennt die Wechselgesetzgebung die solidarische Verbindlichkeit sämmtlicher Giranten u. des Ausstellers gegen jeden spätern Inhaber an, gestattet den Regreß nach freier Wahl gegen jeden beliebigen Giranten od. gegen den Trassanten, so wie deren Bürgen ohne Rücksicht auf die Reihenfolge (freier Regreß, Regressus per saltum). Zahlt der nächste Vormann u. so fort die Folgenden nicht genügend, so kann der Wechselinhaber gegen sie Contraprotest erheben, um ihre Insolvenz zu beweisen u. das weitere Vorschreiten bis zum Trassanten zu begründen, sie auch bei dessen Insolvenz nach Wechselrecht ausklagen zu können. Eine Verpflichtung zur Levirung des Contraprotestes besteht jedoch nicht, da die Wechselordnung Artikel 26 u. 49 den freien Regreß gestattet. Der Regreß geschieht entweder durch eine directe Aufforderung an den Rembourspflichtigen außergerichtlich, od. durch die aus völlige Vergütung des durch die unterbliebene Zahlung des W-s erwachsenen Schadens an Wechselcapital, Verzugszinsen, Provision, Protestkosten, Bankprovision, Mäklergebühren, Stempel u. Briefporto gerichtete Regreßklage, welche Schädenberechnung in der beigelegten Retourrechnung (gemeiner Regreß); od. der Wechselinhaber stellt auf seinen Vormann od. den Trassant einen Rückwechsel (Gegen-, Her–. Ritrattewechsel, lat. Recambium, ital. Ritratta, franz. Retraite) über die Wechselsumme, Unkosten, Spesen u. Schäden aus u. verkauft diesen an einen Remittenten. Mit dem Bericht geht an den bezogenen Vormann daher zugleich die Retourrechnung ab.

Der Wechselproceß (Processus cambialis) ist das aus einem Wechselbriefe od. einer nach Wechselrecht ausgestellten Urkunde gegen den Schuldner eingeleitete Verfahren, um denselben bei Vermeidung od. zur Aufhebung persönlicher Hast zu ungesäumter Leistung seiner Verbindlichkeit zu bewegen Der Wechselproceß ist ein auf Schnelligkeit des Verfahrens u. Kraft der Vollstreckung zur Sicherung des Wechselverkehrs berechneter, bestimmter[953] außerordentlicher Proceß, welcher in seinem Beginnen bei manchen Eigenthümlichkeiten dem Executivprocesse sich anschließt, dessen Analogie daher meist auf ihn Anwendung leidet, aber in der Vollstreckung am meisten sich dem Arrestprocesse nähert, indem der Beklagte, anstatt der Eindringung der Zahlung aus seinen Gütern, zu derselben durch persönliche, Verhaftung angehalten wird. Außer da, wo die Wechselsachen an besonders dazu errichtete Gerichtsbehörden (Wechselgerichte) gewiesen sind, ist, wie in allen persönlichen Sachen, der Gerichtsstand in Wechselsachen der Wohnort des Beklagten, od. der vertragsmäßige Zahlungsplatz Die Wechselklage (Actio cambii) verlangt, unter Beziehung auf die zugleich vorzuzeigende Wechselurkunde u. bei dem Regreß auf den Protest u. die Retourrechnung od. den Contraprotest, die sofortige, bei Vermeidung des Personalarrestes zu bewirkende Erfüllung der aus diesen Urkunden ersichtlichen Verbindlichkeit u. zu dem Ende die Anerkennung od. Abschwörung (Diffession) des W-s. Erkennt der Beklagte den W. od. das Giro od. das Accept als von ihm unterschrieben an, so werden nur auf der Stelle erweisbare Einreden od. Ausflüchte (Exceptionen) beachtet. Ist die unverzüglich ertheilte Entscheidung eine verurtheilende, so folgt bei Weigerung der Zahlung ihr ohne Einräumung einiger Frist die Vollstreckung in die persönliche Freiheit des Beklagten, der Wechselarrest, dessen in manchen Staaten auf höchstens bestimmt Jahre festgesetzte Dauer von der Zahlungsfähigkeit des Beklagten abhängt, od. von der Willkür des Klägers, welcher für den nothdürftigsten Unterhalt desselben zu sorgen hat. In den Landesgesetzen erleiden diese allgemeinen Grundsätze des Wechselprocesses mannichfaltige Abweichungen nach den darin angenommenen höheren od. geringeren Graden der Wechselstrenge (Rigor cambialis), als der Erzwingbarkeit der Wechselverbindlichkeit außer den im ordentlichen Proceß gestatteten Mitteln zur Gefangensetzung. Je nachdem diese bedingter od. unbedingter zugestanden ist, dagegen mehr od. weniger Einreden zugelassen werden, sind ihre Grade verschieden. Meist werden nach den deutschen Landesgesetzen deren drei angenommen. Das strengste Wechselrecht beginnt auf Vorzeigung des W-s den Proceß mit der Verhaftung des Schuldners; das strenge Wechselrecht beginnt blos die Execution nach geführtem summarischen Processe u. gesprochenem Erkenntniß mit der persönlichen Hast, z.B. in Preußen, Baden, vor dem Leipziger Handelsgericht etc.; das mildere Wechselrecht endlich läßt das Verfahren erst in die beweglichen u. unbeweglichen Güter zu, u. blos wenn binnen kurzer Zeit weder Zahlung noch Caution geleistet werden kann, in die persönliche Freiheit, z.B. in Österreich. Bezüglich der gefälschten W. stellt die Wechselordnung den Grundsatz auf, daß das echte Accept u. die echten Indossamente die wechselmäßige Wirkung behalten, auch wenn die Unterschrift des Ausstellers falsch od. verfälscht ist. Es bleiben daher jene trotz der Fälschung für den W. verpflichtet. Zu den falschen W-n zählen auch die fingirten, simulirten W (vgl. oben Wechselreiterei S. 951) fallen unter Artikel 75 u. 76 der Wechselordnung. Verlorene od. gestohlene W. sind sofort dem Bezogenen u. öffentlich bekannt zu machen, die Duplicate einzufordern u. nöthigen Falls ihre Amortisation einzuleiten, da die Gefahr der Versäumniß bei Annahme od. Zahlung, so wie die Zahlung an den unredlichen Finder den Eigenthümer trifft u. die Bedingung, unter welcher im Falle des Verlustes des W-s die Zahlung verlangt werben kann, die Amortisation ist, welche bei demjenigen Handelsgerichte nachzusuchen ist, in dessen Bezirk sich der Zahlungsort des W-s befindet. Vgl. Der Katechismus des allgemeinen Deutschen Wechselrechts von Arenz, Lpz. 1854; Geyer. Wechselkunde, Wien 1863; Meznik, Lehrbuch des Wechselrechts, Prag 1860; O. Wächter, Wechsellehre nach den deutschen u. ausländischen Gesetzen, Stuttg. 1861. Als Schriften über das Wechselrecht sind bes. zu nennen: Blaschke, Das österreichische Wechselrecht, Wien 1858; Die Allgemeine Deutsche Wechselordnung von Bluntschli, Erlangen 1852, von Borchardt, 1851, von Brauer, ebd, 1851, von Brentano, Fürth 1851; Ditscheiner, Das allgem. Deutsche u. neue Österreichische Wechselrecht, Wien 1851; Haimerl, Anleitung, etc., ebd. 1855; Hardung. Wechselrecht, Köln 1858; Kalessa, Handbuch des Österreichischen u. gesammten Deutschen Wechselrechts, Wien 1852; Klettke, Sammlung von Präjudicien, Erlangen 1857; Renaud, Lehrbuch des gemeinen deutschen Wechselrechts, 2. Aufl. Gießen 1857; Kuntze. Deutsches Wechselrecht, Lpz. 1862; Schuster, Gerichtliche Entscheidungen, Wien 1855; Stubenrauch, Die neue Wechselordnung, ebd. 1850; Gelpke, Zeitschrift für Handelsrecht; Archiv für Deutsches Wechselrecht, herausgegeben von Siebenhaar u. Tauchnitz, Lpz. 1850 ff., Bieners Wechselrechtliche Abhandlungen.

Über den Ursprung u. die Entstehung des W-s sind stets die abweichendsten Ansichten geäußert worden. Anweisungen glaubte man schon bei den ältesten Culturvölkern anzutreffen, u. daß die alten Römer u. Athener den Gebrauch der Tratte gekannt hätten, schien Vielen nach einer Stelle bei Isokrates eine ausgemachte Sache; Andere suchten die Entstehung des W-s im Mittelalter u. schrieben sie den italienischen Kaufleuten zu, welchen wir die rationelle Einrichtung des Handelsbetriebes verdanken u. welche lange Zeit auf dem Weltmärkte die erste Rolle spielten; wieder Andere wollten den Kreuzzügen die erste Anwendung der W. zuschreiben; diejenigen aber, welche im W. nicht eine aus dem Handelsverkehr unmittelbar hervorgegangene Schöpfung erkannten, wie Savary, Voltaire u. Montesquieu, hielten den W. für eine Erfindung der aus Frankreich vertriebenen Juden, od. für eine Erfindung der aus Italien vertriebenen Guelfen; Manche auch für eine Erfindung der Deutschen. Vielmehr hat der W. sein Entstehen zunächst der Einführung der Geldwechsler (Campsores, Monetarii, Bancherii) u. der Messen im Mittelalter zu verdanken, welche Schöpfungen des erwachten großen Handelsverkehres waren. Die Campsoren (Münzbürger, Wechsler) waren die zum Gelbwechseln privilegirten Personen, waren in Eid, u. Pflicht genommen u. mußten Caution leisten. Außer dem einfachen Geldwechseln (sog. Cambium minutum s. manuale, Cambire sine literis) übernahmen sie es auch für Summen Geldes, welche ihnen die Kaufleute auf den Messen übergaben, Zahlungsanweisungen auf ihre Geschäftsfreunde, Campsoren, an anderen Platzen zu liefern (Cambia cum loci distanzia, di piazza a piazza). Kam der Kaufmann dann an dem bestimmten Orte an, so ließ er sich gegen Aushändigung der Zahlungsanweisung die darauf verzeichnete Summe auszahlen. Die Schriftstücke,[954] wodurch die Campsoren ihre Correspondenten zur Zahlung od. Einziehung einer gewissen Summe anwiesen, waren offene Briefe, u. da das in einer Münzsorte gegebene Geld in einer anderen Münzsorte zurückzubezahlen bedungen wurde, so nannte man auch die Urkunde ebenso, wie das dadurch vollzogene Geschäft, einen W. od. auch, wegen der Briefform, Wechselbrief. Leistete der Geschäftsfreund die Zahlung, so war das Geschäft zu Ende; verweigerte er aber die Zahlung, so hatte der Inhaber des Wechselbriefs das Recht von dem Aussteller desselben die Rückvergütung sammt den Zinsen zu verlangen. Gegen den Aussteller wurde auf Grund der Meßprivilegien ein schnelles u. strenges Verfahren eingeleitet; eben so wurde auch gegen den Adressaten, wenn er die Summe zu zahlen erklärt hatte, die schleunigste Execution ertheilt, weil auch dieses Geschäft als ein Meßgeschäft galt u. unter den Meßprivilegien stand. Aus diesen Anweisungen der Campsoren von Messe zu Messe sind die sogenannten Meßwechsel entstanden, u. das auf den Meßprivilegien beruhende strenge Verfahren gegen die persönliche Freiheit u. das Vermögen ist als die Grundlage der späteren wechselrechtlichen Bestimmungen, der Wechselstrenge, zu betrachten. Um den Außermeßwechseln die Vortheile der Meßwechsel zu verschaffen, stellte man dieselben in der Art aus, als ob das zu Grunde liegende Geschäft auf einer Messe geschlossen worden wäre; erst im 14. Jahrh. wurden dem Außermeßwechsel auch die schleunige Execution zugestanden. Die ursprünglich in Briefform abgefaßten W. wurden offen u. unversiegelt weiter gegeben. Die Anrede stand über dem Contexte u. unter diesem die Unterschrift des Ausstellers. Die Übertragung des Briefes an einen Dritten geschah auf der Rückseite (ital. in dosso) des Briefes, u. zwar anfangs nur auf gerichtlichem Wege; hierdurch war das Indossament gegeben. Die Acceptation wurde in der ersten Zeit auch auf der Rückseite bezeichnet, u. die Verweigerung des Acceptes auch auf der Rückseite durch ein bloßes P. (Protestation) od. S. P. (Sopra protesto) beurkundet. Um den Zahltag u. die Wechselsumme durch einen rechtskräftigen Act zu sichern, wurde schon unter Ludwig XI. die Protestation den Notaren übertragen. Die eigenen W. sind aus den Meßschuldscheinen entstanden u. mit der Zeit wegen ihrer Bequemlichkeit auch außer der Messe in Anwendung gekommen. Das Bedürfnis des Handels, welches zum Schutze der Wechselforderungen die Meß- u. Marktordnungen geschaffen hatte, verlangte immer mehr eine Übereinstimmung in den rechtlichen Grundsätzen über den W., um die aus denselben hervorgehenden Ansprüche überall gleichmäßig geltend machen zu können. Endlich regte die deutsche Zollvereinigung sowohl Gelehrte, wie praktische Geschäftsmänner u. Gesetzgeber an, die Wechselgesetzgebungen der einzelnen deutschen Staaten zu einem gemeinsamen Codex zu vereinigen, zu einer Allgemeinen Deutschen Wechselordnung. Auf der achten Zollconferenz (1836) wurde von Württemberg auf die Nothwendigkeit einer gemeinsamen Wechselordnung hingewiesen, nachdem diese Angelegenheit wiederholt zur Sprache gekommen war, richtete die preußische Regierung am 31. Aug. 1847 eine Einladung an die deutschen Regierungen einen Congreß zu beschicken, welcher zur Berathung des neuen Wechselrechtes in Leipzig am 20. October 1847 zusammentrat u. bis zum 9. December dauerte Der auf diesem Congreß zu Stande gebrachte Entwurf erhielt am 24 November 1848 von der in Frankfurt tagenden Nationalversammlung die Anerkennung als Reichsgesetz u. wurde darauf in den einzelnen Staaten auf dem Wege der selbständigen Landesgesetzgebung eingeführt Die betreffende Einführungsgesetze enthalten einzelne, durch die Eigenthümlichkeit der Verhältnisse gebotene Abweichungen u. Zusätze, welche jedoch den Wechselverkehr mit den anderen Staaten in Nichts beeinträchtigen; auch in Österreich ist die Deutsche Wechselordnung für alle Provinzen des Kaiserstaates fast wörtlich in Kraft getreten (Kaiserliches Patent vom 25. Januar 1850). Einige Nachträge (Novellen) dazu wurden durch die Nürnberger Conferenz für Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches im März 1861 berathen. Außerhalb Deutschland hat für das Wechselrecht bes. der französische Code de Commerce vom J. 1808 in den einschlagenden Bestimmungen ein großes Gebiet rechtlicher Gültigkeit erlangt. Derselbe gilt nicht allein in ganz Frankreich u. den französischen Colonien selbst, sondern überdies, u. zwar im französischen Urtext, in Belgien mit Luxemburg u. einigen Schweizer Cantonen (Genf, Neuenburg), in der italienischen Übersetzung als Codice di Commercio in Malta, Venedig u. Griechenland, in einer polnischen Übersetzung in Polen, in nur wenig abweichenden Bearbeitungen im Königreich Italien, Holland u. Limburg, Spanien u. Portugal, auf den Ionischen Inseln, in der Türkei u. Ägypten, in Brasilien u. auf der Insel Haiti. Auf den Principien der allgemeinen Deutschen Wechselordnung ruhen dagegen die neue Schwedische Wechselordnung von 1851, die neue Finnländische von 1858 u. der sogen. Concordatsentwurf einer allgemeinen neuen Schweizer Wechselordnung von 1857, welcher in mehren Cantonen, z.B. Bern u. Zürich, Annähme gefunden hat. In England ist das Wechselrecht in vielen Usancen, Parlamentsacten (seit 1698) u. gerichtlichen Entscheidungen enthalten, ohne daß eine dem deutschen od. französischen Recht ähnliche Wechselordnung vorhanden wäre. Mit wenigen Abweichungen gilt dies Englische Wechselrecht auch in den außereuropäischen Besitzungen Großbritanniens u. in den Nordamerikanischen Freistaaten. In Dänemark, wo für Schleswig die Allgemeine Deutsche Wechselordnung zwar 1849 eingeführt, durch dänische Resolution von 1851 aber wieder beseitigt wurde, gilt über das Wechselrecht eine Verordnung vom 18. Mai 1825, betreffend die trassirten Wechsel, daneben über inländische W. eine Verordnung vom 26. Juni 1824 u. zwei Placate von 1825 u. 1835, für die Westindischen Inseln ein Placat von 1799. Die vorzüglichsten Quellen über die Geschichte des W-s sind: Martens, Versuch einer historischen Entwickelung des wahren Ursprungs des Wechselrechts, Gott. 1797; Holtius, Abhandlungen (deutsche Übersetzung), Utrecht 1852; Arenz, Ursprung u. Entwickelung des W-s, in der Einladungsschrift der höheren Handelslehranstalt in Leipzig 1855; Biener, Wechselrechtliche Abhandlungen, Lpz. 1859; Brauer, Die Allgemeine Deutsche Wechselordnung, Erlangen 1851.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 949-955.
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