Hohenzollern [3]

[464] Hohenzollern (Gesch.). Das Haus H. ist eins der ältesten Häuser Deutschlands, u. sein Ursprung ist urkundlich bis zum 8. Jahrh. nachzuweisen, wo seine Stammväter, reiche Güterbesitzer in Schwaben, Grafen des Gaues waren u. die Burg H. inne hatten; der älteste namentlich bekannte Ahnherr ist Thassilo, Graf von Zollern um 880. Auf ihn soll in directer Linie Danko (Dankmar) gefolgt, mit der Gräfin Elisabeth von Cilly vermählt gewesen u. 866 gestorben sein; noch werden genannt Rudolf I., focht gegen die Hunnen u. Wenden, Otto u. Wolfgang, Friedrich I., um 980, soll die Stammburg erbaut haben, Friedrich II. (um 1030), Burkhardt, Friedrich III. (genannt Waute), beständiger Gefährte Kaiser Heinrichs V., nach Einigen auch Pfalzgraf; er leistete der Stadt Speier große Dienste u. st. 1165. Ihm folgte von 4 Söhnen der ältere, Rudolf II.; er erwarb sich durch seine [464] Dienste, welche er in der Entscheidungsschlacht bei Tübingen zwischen den Guelfen u. dem Pfalzgrafen Hugo 1164 Letzterm geleistet hatte, beträchtliche Güter u. st. 1210. Dessen beiden Söhne Friedrich IV. u. Konrad gründeten nach der gewöhnlichen, jedoch nicht unbestrittenen Meinung die beiden Hauptlinien des Hauses H., die Schwäbische, welche im Besitz der Stammgüter blieb, u. die Fränkische, aus der später das Haus Brandenburg u. Preußen hervorging.

I. Die jüngere Fränkische od. Burggräflich-Nürnbergische Linie wurde nach der gewöhnlichen Angabe 1200 von Konrad, zweitem Sohne Rudolfs II. gegründet. Wahrscheinlich fiel ihm die Burggrafschaft Nürnberg durch Heirath mit einer Gräfin von Vohburg zu. Meist wird Heinrich III. für einen Sohn Konrads gehalten, doch nennen Andere diesen Heinrich wieder einen Sohn Eitel Friedrichs von der ältern Linie H. (s. unten). Allgemein werden aber Konrad u. Friedrich II. als Heinrichs Söhne angeführt; Letzter starb nach 1273 kinderlos u. vermachte einen Theil seiner Besitzungen dem Deutschen Ritterorden u. den Geistlichen; Ersterem, welcher 1260 gestorben war, folgte Friedrich III.; dieser heirathete 1246 Elisabeth, Herzogin von Meran, erbte aus der Hinterlassenschaft des letzten Grafen von Andechs die Burggrafschaften Baireuth, Karlsberg etc. u. erhielt vom Kaiser Konrad IV. mehrere Lehen. Zur Wahl des Kaisers Rudolf von Habsburg trug er viel bei, focht mit ihm gegen Ottokar von Böhmen u. erhielt dafür mehrere fränkische Lehen, andere kaufte er. Er legte den Grund zur Macht der jüngern Linie H. u. st. 1297. Sein zweiter Sohn Friedrich IV. folgte ihm, da der ältere, Johann I., jung gestorben war. Er that Kaiser Heinrich VII., bes. im Kriege gegen Böhmen, wesentliche Dienste, stand im Kampfe des Kaisers Ludwig des Baiern mit dem Gegenkönig Friedrich von Österreich auf der Seite des Erstern, focht bei Mühldorf, wo sich Friedrich von Österreich einem Lehnsmann des Burggrafen gefangen gab, erwarb Hof, Wunsiedel, Ansbach etc. u. st. 1332. Nun folgten in directer Linie Johann II., st. 1357, u. Friedrich V. Letzter stand bei Kaiser Karl IV. in großer Gunst, welcher ihm mehrere Lehen u. dessen Sohne Johann seine Tochter Margaretha in die Ehe gab. Er stand dem Kaiser gegen den Grafen von Nassau, das Stift Mainz u.a. bei u. wurde 1388 mit der Stadt Nürnberg in eine Fehde verwickelt. 1397 dankte er zu Gunsten seiner beiden Söhne ab u. st 1398 auf der Plassenburg, die er sich vorbehalten hatte. Dessen Sohn war Friedrich VI., welcher für seine Tapferkeit u. Treue gegen Kaiser Sigismund, außer seinen fränkischen Besitzungen, das Kurfürstenthum Brandenburg erst pfandweise, dann als wirklicher u. erblicher Kurfürst erhielt, s. Brandenburg (Gesch.); er st. 1440. Sein älterer Sohn, Johann der Alchymist, erhielt die fränkischen Besitzthümer, sein jüngerer, Friedrich mit den eisernen Zähnen, aber die Marken u. die Kur. Nachdem der Erstere 1464 gestorben war, fielen die fränkischen Besitzungen an die Kurlinie. Friedrich II. folgte seinem Bruder Albrecht (st. 1486), ihm A) in der Kur sein Sohn Johann Cicero; dieser Zweig nahm 1700 die Königswürde von Preußen an, s.u. Brandenburg u. Preußen; B) in der Markgrafschaft Ansbach der zweite Sohn, Friedrich der Ältere, welcher Zweig 1791 die seit 1769 vereinigten Länder Ansbach u. Baireuth an Preußen abtrat, s.u. Ansbach; C) in der Markgrafschaft Baireuth (Kulmbach) folgte der dritte Sohn, Sigismund, welcher Zweig 1769 ausstarb, s. Baireuth (Gesch.).

II. Die ältere Schwäbische Linie wurde von Friedrich IV. gegründet. Dessen Sohn, Eitel Friedrich I., wird von Einigen als der Stammvater auch der Fränkischen Linie angegeben, indem durch den Tod seines Oheims, Konrads, Burggrafen von Nürnberg, dies an ihn zurückgefallen sei u. er Heinrich III., seinen Sohn, damit belehnt habe. Sein älterer Sohn, Eitel Friedrich II., war ihm in Zollern gefolgt. Diesem folgten in directer Linie Eitel Friedrich III., Friedrich V., st. 1315; Friedrich VI. blieb bei Sempach od. starb nach Einigen 1412; Friedrich VI., wurde 1421 gefangen u. sein Schloß von den Reichsstädten zerstört, er st. 1422 auf einer Reise nach dem Gelobten Lande; Jodocus Nikolas, baute die zerstörte Burg H. 1454 wieder auf, stand als Rath in württembergischen Diensten u. st. 1488; Eitel Friedrich IV., war beim Kaiser Maximilian I. Geheimer Rath, Oberhofmeister u. Kammerrichter, brachte 1507 das Reichserbkämmereramt an sein Haus, vertauschte die schweizerische Herrschaft Rezüns, welche mit seiner Großmutter durch Heirath an sein Haus gekommen war, gegen Haigerloch u. st. 1512 in Trier. Eitel Friedrich V., Jugendfreund Karls V., st. 1525 in Pavia. Dessen Sohn, Karl I., welchen Kaiser Karl V. in Spanien erziehen ließ, erhielt nach Erlöschen der Grafen von Werdenberg 1529 die Grafschaften Sigmaringen u. Vöhringen u. war Präsident des Reichshofraths. Er verordnete, daß seine Söhne von Anna von Baden theilen sollten, traf 1575 in der Erbvereinigung zu Sigmaringen mehrere Einrichtungen u. st. 1576.

A) H.-Hechingen: Stifter dieser Linie war Eitel Friedrich VI., älterer Sohn Karls I. Er war 1545 geb., bekam die eigentliche Grafschaft Zollern, baute das Schloß zu Hechingen, wornach er seine Linie nannte, u. st. 1605. Sein Sohn von Sibylla, Gräfin von Zimmern, Johann Georg, leistete dem Kaiser als Kammerrichter u. Reichshofrathspräsident gute Dienste, wurde deshalb 28. März 1623 zum Reichsfürsten erhoben, jedoch mit der Bestimmung, daß seine nachgebornen Söhne den Grafentitel fortführen sollten, u. st. 1624. Sein Sohn von Franzisca von Salm, Eitel Friedrich VII. (V.), k. k. Obrist, wurde 1653 in das Reichsfürstencollegium zu Regensburg eingeführt; unter ihm wurde während des Dreißigjährigen Krieges das Land u. bes. die Stammburg H. von den Schweden u. Württembergern verwüstet, da er Katholik u. kaiserlicher General war, u. H. von den Württembergern, dann von den Kaiserlichen genommen. Da die Burg H. damals ein wichtiger strategischer Punkt war, so erhielt Österreich, um diesen festzuhalten, gegen 5000 Fl. das Besatzungsrecht auf H., welches es erst 1798 aufgab. Eitel Friedrich VII. st. 1661 an einer bei Budweis erhaltenen Wunde ohne männliche Erben, u. sein Bruder Philipp Friedrich, Domherr zu Köln u. Strasburg, folgte ihm, heirathete nach erhaltner päpstlicher Dispensation Maria Sidonie von Baden u. st. 1671. Sein ältester Sohn, Friedrich [465] Wilhelm, geb. 1663, stand in kaiserlichen Kriegsdiensten, wurde Feldmarschalllieutnant, war Commandant von Freiburg, erhielt 1692 vom Kaiser den Fürstentitel für alle Nachkommen, schloß 1692 einen Erbvertrag mit Brandenburg u. st. 1735. Unter ihm gab es ernstliche Unruhen über Frohnen u. Abgaben, welche die Bauern zu leisten sich weigerten, in dem Lande, u. das Reichskammergericht mußte einschreiten u. sie stillen. Ihm folgte sein Sohn Friedrich Ludwig, geb. 1688 in Strasburg, österreichischer Feldmarschalllieutenant; diesem 1750 dessen Bruders Hermann Friedrich Sohn, Joseph Wilhelm, geb. 1717, er änderte durch Landvergleich die alte hergebrachte ständische Verfassung ab u. st. 1798. Ihm succedirte der Sohn seines ältesten Bruders Franz Eugen von Maria Philippine von Hoensbroech, Hermann Friedrich; er verlor 1801 durch den Frieden von Lüneville die von seiner Mutter geerbten niederländischen Mediatbesitzungen, erhielt jedoch zur Entschädigung 1803 Hirschlatt u. das Kloster Mariä-Gnadenthal im Dorfe Stetten, trat 1806 zum Rheinbund u. wurde souverän; er st. 1810. Sein Sohn aus der Ehe mit Marie Albertine de Gavre, Friedrich Hermann, geb. 1776, succedirte ihm; er war französischer Obrist, trat 1813 zu den Alliirten, dann 1815 dem Deutschen Bunde bei, gab 1834 seinem Lande eine landständische Verfassung in liberalem Sinne u. st. 1838. Sein Sohn von Luise Pauline, Prinzessin von Kurland u. Sagan, Friedrich Wilhelm, geb. 1801, wurde bei der Kränklichkeit des Vaters 1834 Mitregent u. folgte ihm 1838 völlig. Auf den Landtagen 1835–37 u. 1839 kamen zweckmäßige Gesetze zur Sprache, so außer der Wahlreform Gesetze über Recrutirung, Besoldungssteuer, Capitaliensteuer, Beaufsichtigung der Studirenden, Prüfung zum Staatsdienste, Wegegesetze, Forstgesetze, eine Waisenordnung etc. Fürst Friedrich gab überhaupt bis zum Jahre 1848 dem Lande vielfache Beweise von Fürsorge; das Verhältniß zwischen ihm u. dem Volk war rein patriarchalischer Natur. Auch in den Theuerungsjahren erwies sich die fürstliche Familie als Wohlthäterin für das Land, weshalb der Landtagsausschuß im Aug. 1847 eine Dankadresse an dasselbe erließ. Durch die Bewegung des Jahres 1848 wurde das Verhältniß zwischen Fürst u. Volk jedoch auch in H. ein anderes. Eine aufgeregte Volksmasse zog am 11. März vor das Schloß des Fürsten u. verlangte nicht nur politische Rechte, sondern auch so wichtige persönliche Verzichtleistungen, daß der Fürst sich zur Flucht genöthigt sah, worauf sich die Bewegung bes. gegen Beamte u. Juden kehrte. Von Stuttgart aus ordnete der Fürst die Berufung des Landtags an u. eröffnete am 10. April persönlich die aus 58 Abgeordneten bestehende Versammlung, die sich dann mit Vereinbarung einer neuen Verfassung beschäftigte, welche bereits am 5. Juni zum Landesgesetz erhoben wurde. Von da an lenkte die Bewegung wieder in eine ruhige Bahn ein. Die Trennung der Justiz von der Verwaltung wurde noch in demselben Jahre durchgeführt. Im Jahre 1849 gehörte H. zu den Regierungen, welche dem Reichsministerium auf Preußens Aufforderung Vorschläge u. Bemerkungen zu der Reichsverfassung überreichen ließen, schloß sich auch der Sondererklärung einiger kleinerer Regierungen vom 1. März über den Reichsrath an. Im August 1849 wurde H. von Baden aus gleichfalls mit preußischem Militär besetzt. Nach längeren Verhandlungen kam am 7. Dec. 1849 in Berlin der Vertrag zwischen der Krone Preußen u. dem Fürsten von Hechingen zu Stande, wonach das Land an Preußen abgetreten wurde; am 12. Febr. 1850 erhielt der Vertrag die Ratification des Fürsten (s. unten B). Eine Bekanntmachung des Fürsten vom 27. Febr. 1850 gab dem Lande hiervon Kunde u. entband die Unterthanen ihres ihm geleisteten Eides. Durch Patent vom 12. März ergriff der König Besitz von den hohenzollernschen Landen. Die feierliche Übergabe des Fürstenthums H. an die Krone Preußen erfolgte am 8. April. Die weitere Geschichte des Landes s.u. Preußen.

B) H.-Sigmaringen: Stifter dieser Linie war 1576 Karl II., jüngerer Sohn Karls I., geb. 1547, er erhielt 1576 nach des Vaters Tode die Grafschaft Sigmaringen u. Vöhringen u. st. 1606. Ihm succedirte sein Sohn Johann (geb. 1578); er wurde 1638 unter gleichen Bedingungen wie H.-Hechingen zum Reichsfürsten erhoben, erhielt vom Kurfürsten von Baiern, dessen Geheimerrathspräsident er war, die Herrschaft Schwabeck u. st. 1638. Er war mit Johanna von H.-Hechingen vermählt. Weder ihm, noch seinen Nachkommen gelang es, auf dem Reichstage Sitz u. Stimme zu erhalten. Sein Sohn Meinrad I. folgte ihm u. st. 1681. Dessen u. Anna Marias von Törringen Sohn, Maximilian I., geb. 1636, succedirte ihm u. st. 1689. Er war mit Maria Clara von Bergen vermählt, die ihm bedeutende Güter in den Rheinlanden zubrachte. Sein Bruder Franz Anton stiftete die gräfliche Nebenlinie H.-Haigerloch, von der ausdrücklich, als auch die jüngern Söhne der H. 1692 in den Fürstenstand erhoben wurden, bestimmt war, daß ihre Glieder Grafen bleiben sollten. Auf Maximilian I. folgte sein Sohn Meinrad II, geb. 1673; er st. 1715 u. ihm folgte sein Sohn Joseph Friedrich, geb. 1702. Sein Bruder Franz Wilhelm erbte die niederländischen Besitzungen seiner Mutter, einer Gräfin von Berg, u. gründete so die Nebenlinie der Grafen von H.-Berg, welche mit seinem Sohne Johann Baptist Oswald wieder ausstarb. Auf Joseph Friedrich folgte um 1769 sein Sohn Karl Friedrich, geb. 1726; er war mit seiner Cousine Johanna Josepha Sophia von H.-Berg vermählt, u. nach Aussterben dieser Nebenlinie fielen deren Besitzungen an ihn. Er st. 1785, u. Anton Aloys (geb. 1762) folgte; er verlor durch die Französische Revolution die Feudalrechte u. Lehn über die Herrschaften in den Niederlanden, bekam aber durch den Reichsdeputationsreceß die Herrschaft Glatt u. die Klöster Inzighofen, Klosterbeuern u. Holaschein dafür; 1806 trat er dem Rheinbund bei, erhielt zugleich die bisher dem Deutschen Orden gehörenden Herrschaften Achberg u. Hohenfels, die Klöster Klosterwald u. Hecksthal u. die Souveränetät über die in seinem Gebiet gelegenen reichsritterschaftlichen fürstenbergischen u. thurn- u. taxischen Besitzungen. 1813 trat Aloys den Alliirten bei, wurde 1814 durch den Wiener Congreß als souveränes Mitglied des Deutschen Bundes bestätigt u. erhielt auch die niederländischen Herrschaften, jedoch unter modificirten Verhältnissen, ohne Lehn zurück. Er st. 1831, u. ihm folgte sein Sohn Karl, seit 1808 mit Antoinette, geb. Prinzessin Murat, vermählt.[466] Er ließ eine Constitution für sein Land, die bereits sein Vater hatte bearbeiten lassen, den Ständen vorlegen, diese nahmen sie 1832 mit Modificationen an, u. das Grundgesetz wurde nun am 14. Juli 1833 publicirt. Im Jahre 1844 brachen Streitigkeiten zwischen der Landesverwaltung u. der Standesherrschaft Fürstenberg wegen zweier Bestimmungen der neuen, von dem Landtage genehmigten Landgemeindeordnung von 1840 aus, wonach auch die Standesherren zu den Gemeindebedürfnissen beitragspflichtig sein, die Ortsvorstände aber durch die Gemeinden, nicht mehr durch die Standesherrschaft erwählt werden sollten. Ebenso trat 1845 die Regierung dem erzbischöflichen Ordinariat in Freiburg durch die Entscheidung entgegen, daß die vom Ordinariat verlangte Einholung von Verhaltungsbefehlen für die Geistlichen, bevor sie eine gemischte Ehe einsegneten, unterbleiben solle. Am 19. Dec. 1845 fand die Eröffnung der Ständeversammlung statt, welche bis zum 22. Febr. 1846 tagte u. namentlich ein Gesetz über Ablösung der Weideberechtigungen berathete, welches am 12. Febr. publicirt wurde. Das gleichfalls mit den Ständen verabschiedete Finanzgesetz für die Periode von 1846–49 enthielt u.a. die Nachricht von der Aufnahme einer Anleihe von 200,000 Fl. wegen außerordentlicher Staatsbedürfnisse, während das Land bis dahin schuldenfrei gewesen war. Durch das Gesetz vom 16. März über Verbesserung des Verfahrens in bürgerlichen Streitigkeiten wurde das öffentliche u. mündliche Gerichtsverfahren eingeführt. Die Nothjahre 1846 u. 1847 veranlaßten u.a. die Errichtung einer besondern, dem Fürsten unmittelbar untergeordneten Commission für die Theuerungsangelegenheiten. Wie hier, so hatte sich die Fürsorge der Regierung für das Landeswohl in den letzten Jahren auch durch Anpflanzungen, Gründung wohlthätiger Anstalten, Irren- u. Waisenhaus, Spital etc., kundgethan. Das Jahr 1848 führte für H.-Sigmaringen ebenfalls eine stürmische Zeit heraus. Eine Bürgerversammlung in der Hauptstadt am 4. März einigte sich über eine Adresse an den Fürsten, enthaltend die allgemeinen deutschen Forderungen mit einigen Localzusätzen. Bereits am 8. März wurden Preßfreiheit u. Geschwornengerichte sowie Volksbewaffnung als Gesetze verkündet; zugleich wurde ein außerordentlicher Landtag einberufen. Derselbe tagte vom 3. Juli bis zum 31. August. Am 28. August legte Fürst Karl, bei der immer mehr sich steigenden Verwirrung im Lande, die Regierung zu Gunsten seines Sohnes, des Erbprinzen Karl Anton nieder. Doch auch dieser vermochte dem Andringen des revolutionären Geistes nicht zu widerstehen; als am 26. Sept. in einer Volksversammlung, angeblich wegen bevorstehenden Einrückens von bairischen Reichstruppen, auf Antrag des Advocaten Würth ein Sicherheitsausschuß gebildet worden war, welcher mit Würth an der Spitze die Regierung förmlich in die Hand nehmen sollte, verließ der Fürst am 27. Sept. mit sämmtlichen Regierungsbehörden das Land, u. ihm folgte eine große Anzahl von Einwohnern. Dieser unerwartete Schritt des Fürsten, wie die Wendung, welche die republikanischen Erhebungen in Württemberg u. Baden nahmen, ließ bald eine andere Stimmung im Lande aufkommen. Viele Gemeinden erklärten sich öffentlich gegen den Sicherheitsausschuß, u. am 10. Oct. kehrte der Fürst mit der Regierung in das Land zurück; zugleich besetzten 2000 Mann baiersches Militär das Land, der Sicherheitsausschuß wurde aufgelöst u. der Reichscommissär Keller ließ eine Untersuchung über die letzten Ereignisse einleiten. Von da ab trat ein mehr geordneter Zustand ein, u. es wurden mit dem Landtage alle zeitgemäßen Umgestaltungen, darunter auch ein neues Wahlgesetz, vereinbart, so daß derselbe am 14. April 1849 aufgelöst werden konnte. Die außerordentlichen Anforderungen an die Staatskasse hatten die Aufnahme einer neuen Anleihe von 80,000 Fl. nöthig gemacht. Zu dem noch im Jahre 1848 publicirten gesetzlichen Bestimmungen gehörten: Aufhebung der Sportelsätze für gerichtliche Pfandbestellungen etc., der Blutzehnden u. der Bannrechte (23. Juli); Aufhebung des privilegirten Gerichtsstandes; ein neues Jagdgesetz; Aufhebung der sogenannten alten Abgaben; Einführung des badischen Straf- u. Strafproceß-Gesetzbuches, eines Preßgesetzes u. der Geschwornengerichte. Im Jahr 1849 that Sigmaringen hinsichtlich der Reichsverfassung dieselben Schritte bei dem Reichsministerium wie Hechingen (s. oben A). Das Volk gerieth in Folge der Verfassungswirren in neue Bewegung. Am 17. Mai wurden die sigmaringschen Truppen, auf die Reichsverfassung vereidet. Von der badischen Revolution wurde Sigmaringen wenig berührt; versprengte Freicorps wurden sogar von sigmaringscher Bürgerwehr zurückgetrieben. Am 1. Aug. wurde das Land von 2000 Mann Preußen besetzt; der Fürst verließ das Land; der Präsident der Regierung legte sein Amt nieder u. durch Vertrag vom 7. Dec. 1849 erfolgte die Abtretung des Landes an die Krone Preußen u. zwar in der Art, daß die hohenzollernschen Fürstenthümer nicht in das Verhältniß einer bloßen Personalunion zu Preußen treten, sondern, gemäß der preußischen Successionsrechte nach den Verträgen von 1695 u. 1707, dem Preußischen Staate als ein integrirender Bestandtheil für immer einverleibt werden sollten. Den beiden regierenden Fürsten wurde eine Jahresrente von resp. 10,000 u. 25,000 Thlrn. zugesichert. Aus dieser Rente aus der preußischen Staatskasse wie aus dem in den Fürstenthümern belegenen Stammvermögen sollte für die fürstlichen Familien bis zu ihrem Aussterben ein neues Fideicommiß gebildet werden. Ein Successionsrecht auf den preußischen Thron entstand für dieselben nicht. Der Vertrag vom 7. Dec. erhielt die Ratification von Seiten des Fürsten von Sigmaringen am 5. Febr. 1850, von Seiten des Fürsten von Hechingen am 12. Febr.; am 20. Febr. fand zu Berlin die Auswechslung der Ratificationsurkunde Statt. Durch Patent vom 12. März ergriff der König von Preußen Besitz von dem Lande, worauf am 6. April die Übernahme durch den preußischen Bevollmächtigten, Regierungspräsident Freiherr von Spiegel-Berlinghausen, erfolgte u. am 23. Aug. 1851 die feierliche Huldigung dem neuen Herrscher auf der Burg Hohenzollern dargebracht wurde. Die weitere Geschichte s. unter Preußen. Vgl.: R. Freiherr von Stillfried u. Tr. Märcker, Monumenta Zollerana, Urkundenbuch zur Geschichte des Hauses Hohenzollern, Berl. 1843 ff.; Die Stammsagen der Hohenzollern u. Welfen, Düsseld. 1857; C. A. H. Burkhardt, Quellensammlung zur Geschichte des Hauses H., Jena 1857 ff.[467]

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 464-468.
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