[442] 1. Alle (alte) Wunnen heilt slecht. – Woeste, 81, 379.
2. Alte wund soll man nicht frischen (aufreissen), damit sie nicht auff ein newes schweren. – Gruter, III, 5; Lehmann, II, 34, 38; Eiselein, 651; Simrock, 11911.
It.: Piaga rinnovata dà maggior dolore. (Pazzaglia, 287, 3.)
Lat.: Vetus cicatrix non est refricanda. – Vulnus vetus non est resecandum. (Eiselein, 651.)
3. Alte Wunden bluten leicht. – Simrock, 11910.
4. Alte Wunden bluten stärker, wenn man sie aufreisst.
Holl.: Als men de oude wonden opkrabt, bloeden zij van nieuws. (Harrebomée, II, 478b.)
5. Alte Wunden brechen leicht wieder auf.
Bei Tunnicius (1094): Olde wunden open sik wedder lichtverdich. (Prisca recrudescunt facile mihi vulnera crede.)
Holl.: Oude zeeren breken ligtelijk weder op. (Harrebomée, II, 496a.)
6. Alte Wunden schmerzen mehr als frische.
So lange man alter Wunden nicht denkt, schmerzen sie nicht. (Altmann VI, 429.)
Span.: Refriadas, duelen mas las llagas. (Cahier, 3497.)
7. Alte Wunden sind schwer zu heilen.
Holl.: Oude zeeren zijn kwaad te heelen. (Harrebomée, II, 496.)
It.: Piaga vecchia mai si cura bene. (Pazzaglia, 280, 6.)
Schwed.: Gamla sår blöda gärne. (Grubb, 241.)
8. An jeder Wunde kann man sich zu Tode bluten.
Holl.: Geene wond zoo groot of zij bloedt schielijk dood. (Harrebomée, II, 478b.)
9. Auch eine kleine Wunde kann tödten.
Dän.: Smaae saar kunne og döde. (Prov. dan., 484.)
10. Auch geheilte Wunden lassen Narben zurück. – Simrock, 11912.
11. Auf böse (faule) Wunden gehört ein scharfes Pflaster. – Winckler, XIV, 3.
It.: A cattiva piaga herba cattiva. (Pazzaglia, 287, 1.)
Span.: A mala llaga, mala gerva. (Cahier, 3500.)
12. Auf die Wunde der Menschenplagen soll man kein Pflaster legen.
»Weistu nicht, dass der, welcher an einer Schlangen Barmhertzigkeit übet, den Menschenkindern unbillig und beschwerlich fällt?« (Pers. Rosenthal, 286, 24.)
13. Auf eine kleine Wunde findet sich bald ein Pflaster.
Dän.: Lidet ssaar er snart plastret. (Prov. dan., 484.)
14. Aufgerissene Wunden schmerzen am meisten. – Winckler, XII, 63.
15. Davon heilt die Wunde nicht, dass man den Degen in die Scheide steckt (oder den Bogen abspannt).
Engl.: A wound is not cured by the unbending of the bow. (Bohn II, 24.)
It.: Piaga per allentar d' arco non sana. (Biber.)
16. Der ein Wund geschlagen, der kann sie bissweilen (auch) heilen. – Lehmann, 48, 5.
17. Die grösste Wunde bedeckt die andern allzumal. – Graf, 320, 240.
In den alten Rechtsbüchern ist über die Verwundungsarten und Wunden ein sehr genaues Bussregister geführt, und findet man darüber die genauesten Beschreibungen. Unter Wunden im strengern Sinne verstand man eine durch Waffen beigebrachte Körperverletzung, infolge deren Blut da floss, wo sie war. Es galt daher als keine Wunde, wenn jemand so auf den Rücken geschlagen ward, dass er aus Mund und Nase blutete. Der Sinn des obigen Sprichworts geht nun dahin, dass wenn jemand von ein und derselben Person mehrere Verletzungen beigebracht worden waren, die Busse nach der schwersten festgesetzt, die andern aber ausser Ansatz bleiben sollten. (S. jedoch ⇒ Wunde 83.) Auf Rügen: De gröteste Wund bedeket de anderen allthomal. (Normann.)
18. Die schlimmsten Wunden hinterlassen die grössten Narben.
Die Russen: Hat die Wunde erst geschmerzt, dann entstellt noch hinterher die Narbe. (Altmann V, 125.)
19. Die Wunde des Verleumders verheilet, so bleibet doch die Narbe. (S. ⇒ Verleumden 1.) – Regentenbuch, LXXXVa.
20. Die Wunde, die man heilen will, muss man erst aufdecken.
21. Die Wunde so ein Freund geschlagen, ist besser als des Feindes Kuss. – Hans Sachs, II, CXIII, 2.
[443] 22. Die Wunde wird nimmer heil, darin noch das Eisen schwürt. – Freidank.
23. Die Wunden heilen übel, die man sich selber schlägt. – Simrock, 11913; Eiselein, 651.
24. Die Wunden machen einen gesunden. – Parömiakon, 901.
25. Eine böse Wunde will ausgebrannt sein. – Altmann, VI, 462.
26. Eine faule Wunde ist bös zu heilen.
Holl.: Eene vervuilde wond is kwaad om te genezen. (Harrebomée, II, 478b.)
27. Eine faule Wunde muss man mit scharfer Lauge waschen.
It.: A un disperato mal convien un disperato rimedio. (Pazzaglia, 324, 3.)
28. Eine frische Wunde ist bald geheilt. – Eiselein, 542.
Dän.: Et frisk saar er halv lægt. (Prov. dan., 484.)
Engl.: A green wound is soon healed. (Bohn II, 24.)
Holl.: Eene versche wond is half genezen. (Harrebomée, II, 478b.)
It.: Male fresco agevolmente si sana. (Pazzaglia, 209, 1.) – Ogni mal fresco agevolmente si sana. (Pazzaglia, 331, 2.)
29. Eine kleine Wunde braucht kein grosses Pflaster.
Schwed.: Litet sår år snart plåstrad. (Grubb, 460.)
30. Eine schlechte Wunde heilt, ein schlechter Ruf tödtet.
Engl.: The evil wound is cured, but not the evil name. (Bohn II, 14.)
31. Eine unheilbare Wunde muss man ausschneiden.
Wahlspruch des römischen Kaisers Constantin d. Gr. »Wären die Grossen«, bemerkt Kornmann (IV, 111), »ihren schönen Devisen und Wahlsprüchen treu geblieben, so würde die Welt in einer schönern Gestalt vor unsern Augen stehen.« Indessen bildet ihre Zusammenstellung nicht nur eine erhabene Regentenschule, sie ist auch von allgemeinem Interesse. Ich füge hier nach Kornmann a.a.O. eine Anzahl solcher Wahlsprüche römischer Kaiser bei. Eile mit Weile (Augustus). Den Soldaten muss man auserlesen, nicht kaufen (Galba). Einer für Viele (Salv. Otho). Niemand soll trauernd von dem Fürsten hinweggehen (Tit. Vespasian). Das Reich ist ein trügendes Gut (Domitian). Wie der König, so das Volk (Trajan). Nicht mir, sondern dem Volke (Hadrian). – Besser einen Einzigen erhalten, als Tausende morden (Ant. Pius). Gnade ist die Beschützerin des Reiches (Marc. Aurelius). Nichts oberflächlich (L. Verus). Lasst uns kämpfen (Pertinax). Lasst uns arbeiten (Sept. Severus). Was dir, das dem andern (Sev. Alexander). Je grösser, desto mühsamer (Jul. Maximinus). Schön ist es, für das Vaterland zu sterben (Gordian). Wer gefürchtet wird, fürchtet selbst (Papienus). Zweimal schadet, der den Bösen verschont (Balbienus). Unglücklich ist der Fürst, dem die Wahrheit verborgen ist (Gordianus). Niemand kann zugleich Freund und Schmeichler sein (Tribonianus). Je näher zum Höchsten, desto näher zum Ende (Gallienus.) Das lebende Gesetz ist der König (Claudius). Je grösser, desto versöhnlicher (Valer. Aurelianus). Nichts ist schwerer, als gut regieren (Diocletian). Die Tugend siegt im Leiden (Constantius). Die Verschwiegenheit hat ihren sichern Preis (Val. Maximianus). Was schön ist, ist schwer (Constantius). Das Ohr des Fürsten sei geduldig (Constantinus). Wie der Stolz zunimmt, so nimmt das Glück ab (Constans). Den Schmerz verbergen, ist eine harte Sache (Decentius). Nicht wie lange, sondern wie gut (Gratianus). Der älteste Freund ist der beste (Valentinian). (S. ⇒ Zorniger.)
32. Eine vernarbte Wunde verträgt das Reiben wol.
Auch die Russen. (Altmann VI, 420.)
33. Eine Wunde am Fusse schmerzt wie ein Wunde am Kopfe.
Poln.: Tak rana boli w goleni jako i w głowie. (Čelakovsky, 358.)
34. Eine Wunde entdecken ist nicht genug, man muss auch ein Pflaster haben, um sie zu heilen.
35. Eine Wunde im Kopfe kann man heilen, aber verletzte Ehre nie. – Chaos, 157.
36. Eine Wunde, in der der Stachel sitzt, kann nicht heilen.
Mhd.: Diu wunde nimmer heil wirt, die wîle daz îsen drinne swirt. (Renner.) (Zingerle, 181.)
37. Eine Wunde ist bald geschlagen, aber schwer geheilt.
It.: E più facile far le piaghe, che sanarle. (Pazzaglia, 287, 4.)
38. Eine Wunde kann man heilen, aber eine böse Natur nicht. – Wirth, II, 488.
[444] 39. Eine Wunde thut nicht zwei Menschen weh.
Jeder fühlt sein eigenes Leid am tiefsten.
40. Eine Wunde voll Eiter heilt nicht. – Dove, 1099.
It.: Cacciata fuori la morcia sanerà la piaga. (Pazzaglia, 287, 5.)
41. Eine Wunde vom Messer vernarbt, eine Wunde, welche die Zunge geschlagen hat, bleibt.
42. Eine Wunde vom Schwert heilt nach Wochen, doch nicht von bösem Worte, das gesprochen.
Böhm.: Rána se zahojí, ale slovo ne. (Čelakovsky, 72.)
Poln.: Rana się zgoji słowo niezgoji. (Čelakovsky, 72.)
43. Eines andern Wunden sind unsere Arznei.
44. Erst hat die Wunde geschmerzt, und dann entstellt die Narbe.
45. Es gibt mehr heimliche Wunden als offene. – Altmann VI, 420.
46. Es heilt keine Wunde so gut, dass nicht eine Narbe bliebe.
Dän.: Aldrig læges saaret saa vel at arret jo synes. (Prov. dan., 484.)
47. Es ist bald ein Wundt geschlagen, aber schwer zu heilen. – Lehmann, 692, 16.
48. Es ist keine tödlichere Wunde, als den Kopf verlieren. – Winckler, VII, 17.
49. Es ist keine Wunde so bös, es gibt noch eine Salbe, die heilt.
Holl.: Geene wond zoo kwaad, of er is nog raad. (Harrebomée, II, 478b.)
50. Es ist nicht gnung, dz man ein wund entdeckt, sondern man muss alssbald ein heilsam Pflaster zur hand haben. – Lehmann, 605, 162.
51. Es ist nichts ergeres, dann alte wunden vernewen. – Eyering, II, 557.
52. Fremde Wunden schmerzen nicht.
Frz.: On ne sent bien que ses propres maux. (Cahier, 1011.)
53. Fremde Wunden soll man nicht aufkratzen.
Dän.: Kratz ei udi den fattiges saar, men gio ham heller plaster. (Prov. dan., 357.)
54. Frisch Wunn', half heel. (Seehausen.) – Firmenich, III, 122, 10.
Eine frische Wunde ist halb geheilt, wenn sofort das Zweckmässige geschieht.
55. Frische Wunden fühlen im ersten band den grossen Schmerz. – Gruter, III, 30; Lehmann, II, 177, 45.
56. Frische Wunden heilen besser als vernarbte.
Lat.: Principiis obsta.
57. Frische Wunden heilen leicht.
Lat.: Plaga recens vti fit ridiculosa cuti. (Reuterdahl, 749.)
Schwed.: Goman aer groen wndh. (Reuterdahl, 749.)
58. Frische Wunden soll man nicht berühren.
Lat.: Parcendum est animo miserabile vulnus habenti. (Ovid.) (Philippi, II, 81.)
59. Frischen Wunden ist vonnöthen, dass sie nicht an der Luft erröthen. – Eiselein, 651.
60. Gefährliche Wunden muss man gründlich heilen.
Holl.: Men moet een kwaad zeer niet ten halve genezen. (Harrebomée, II, 496a.)
61. Heimliche wunden bluten nicht. – Henisch, 431, 8; Petri, II, 375.
62. Heimliche Wunden lassen sich nicht immer verbergen.
Böhm.: Tajenou ránu tĕžko léčiti. (Čelakovsky, 27.)
63. Ist die Wunde auch geheilt, so bleibt doch die Narbe. – Sutor, 363.
Holl.: Ofschoon de wond al is genezen, daar zal nog wel een teeken wezen. (Harrebomée, II, 478b.)
It.: Sanarsi può la piaga, ma resta sempre la cicatrice. (Pazzaglia, 331, 3.)
64. Jede Wunde findet ihren Balsam.
65. Jeder kennt seine Wunden am besten.
Engl.: A man knows himself best, where his sore lies.
66. Jeder klagt (seufzt) über seine Wunden (Schmerzen, Leiden).
Lat.: Vibex culpatur querule qua quis stimulatur. (Reuterdahl, 1053.)
Schwed.: Ae kaerir hwar sina queso. (Reuterdahl, 1053).
67. Kalte Wunden schmerzen mehr.
Holl.: Als de wonden koud zijn, zoo doen ze zeerder. (Harrebomée, II, 478b.)
[445] 68. Kampfbare Wunde ist nagelstief und gliedeslang. – Graf, 320, 243.
Wenn sich der Beklagte nicht freiwillig zur Busszahlung bereit erklärte, so kam es zur Entscheidung mittels Zweikampfs. Nur ganz geringfügige Wunden sollten von dieser Entscheidung ausgenommen sein. Das obige Sprichwort sagt nun, wie eine Wunde beschaffen sein musste, wenn darüber durch Zweikampf entschieden werden sollte.
Mhd.: Ejn hamphbar wunde ist nagelstief unde geledeslang. (Ortloff, IV, 5, 1.)
69. Kein schädlichere Wunde, als die vom freunde gehawen wird. – Petri, II, 418.
70. Keine grössere Wund, denn falscher freund. – Petri, II, 417.
71. Keine Wunde beschreibt man eher, als bis sie ganz geheilt ist. – Graf, 320, 239.
Weil man die Schwere einer körperlichen Verletzung erst nach gänzlichem Verlaufe zu beurtheilen vermag.
Altfries.: Nen dolch ne screif ma ér thet hi al hel is. (Hettema, Landrecht, § 73.)
72. Keine Wunde, kein Pflaster. – Hollenberg, II, 54.
73. Klêe Wunden un grusse Häere sall mehr ihren. (Bedburg.)
74. Kleine Wunde, kleine Pflaster. – Hollenberg, II, 54.
75. Kleine wunden schmertzen vnd tödten. – Lehmann, 427, 21.
76. Kleine Wunden schmerzen auch (oft am meisten).
Schwed.: Små sår swida och. (Grubb, 740.)
77. Kleine Wunden soll man schonen. – Petri, II, 424.
78. Kleine Wunden und arme Freunde (Vettern) soll man nicht verachten.
Schwed.: Små sår och fattiga fränden bör man intet förachta. (Grubb, 736.)
79. Klên Wonde on grûsse Häre moss m'r net ze g'reng âchte. (Düren.) – Firmenich, I, 484, 118; hochdeutsch bei Riehl, Novellen, 299.
Dän.: Foragt ei lidet saar, fattig frænde, ringe fiende og slet gave. (Prov. dan., 174.)
80. Man büsse die Wunden, wie man sie befunden. – Graf, 320, 238.
Da bei körperlichen Verletzungen der »böse Muth« oder die verbrecherische Absicht niemals genau festgestellt werden kann, so hat schon das alte germanische und nach ihm das neuere Recht den Erfolg als Massstab zur Beurtheilung der Schuld zu Grunde gelegt. Man soll eine Verletzung danach bestrafen, je nachdem man sie als eine leichte oder schwere findet, wenn sie auch der Absicht nicht entspricht.
Altfries.: Thet dolch scelma beta ney sîner meta. (Richthofen, 443, § 6.)
81. Man kan tieffe Wunden nicht bald heilen. – Lehmann, 50, 34.
82. Man soll die eigenen Wunden nicht mit fremdem Blute heilen.
Dän.: Forbind ikke dit saar med andre deres blod. (Prov. dan., 175.)
83. Manche Wunde heilt am besten, wenn man sie nicht berührt.
Lat.: Curando fieri quaedam majora videmus vulnera, quae melius non tetigisse fuit. (Gaal, 132.)
84. Nach empfangenen Wunden legt man den Harnisch zu spät an. – Chaos, 138.
85. Nach empfangenen Wunden sucht man den Schild zu spat. – Chaos, 953.
86. Newe Wunden leschen alles Kitzeln. – Petri, II, 494.
87. Nicht jede Wunde darf man zuheilen lassen.
Lat.: Vulnera quae melius non tetigisse fuit. (Kornmann, IV, 10.)
88. Selbstgeschlagene Wunden heilen übel. – Binder III, 4138.
89. So manche Wunde der Mann hat, also manchen Mann mag er damit besprechen. – Graf, 306, 157.
Nach unserm jetzigen Rechte werden stets so viel Personen geklagt, als bei einem Vergehen betheiligt gewesen sind. In einzelnen Rechtsbüchern des Mittelalters war aber das Klagerecht des Verletzten auf eine der Zahl seiner Wunden entsprechende Anzahl von Personen beschränkt. So viel Wunden er hatte, so viel Mann konnte er anklagen, aber keinen mehr; bei nur einer Wunde, auch nur einen Mann.
Mnd.: Also menige wunde also de man heeft, also mennigen much men darto besprecken. (Hasch, 540.)
[446] 90. So viel Wunden der Beklagte bekennt, so viel soll er bessern. – Graf, 320, 242.
Nicht überall galt der Grundsatz, dass die Busse nach der schwersten oder grössten Verletzung zu bemessen sei, andere Rechtsbücher setzten für jede Wunde, für welche der Beklagte überführt war, die ihm entsprechende Busse fest, was eben durch das vorstehende Sprichwort ausgedrückt wird. Plattdeutsch: So vêle wunden de beklagede bekent, vor so vele schal he beteren. (Thorsen, III, 31, 1.)
91. Tiefe Wunden heilen langsam.
Dän.: Dybt saar kunne ei snart heeles. (Prov. dan., 484.)
92. Tiefe Wunden kann man nicht bald heilen.
93. Um die Wunde die Hand, um den Todtschlag den Hals. – Graf, 340, 337.
Nach dem mittelalterlichen Wiedervergeltungsrecht wurde Leben mit Leben, Leib mit Leib gebüsst. (S. Haupt ⇒ 20 u. ⇒ 25.)
Mhd.: Umme dy wunde dy hant, umme den totslag den halz. (Daniels, Weichbildglosse, LXIX.)
94. Um Eine Wunde mag man nicht mehr denn Einen Mann beklagen. (S. 89.) – Graf, 305, 154.
Mhd.: Um ene wunden ne mach men nicht den enen man beclagen. (Sachsenspiegel, III, 46, 2.)
95. Viel kleine Wunden tödten auch. – Lehmann, 807, 16.
96. Vorausgesehene Wunde schmerzt weniger heftig.
It.: Piaga antiveduta assai men dole (duole).
97. Wann mann die alten wunden oder schäden vffkratzet, so bluten si gern. – Tappius, 194a.
Die Russen: Indem man die Wunde reibt, verschlimmert man sie. (Altmann VI, 428.)
Lat.: Refricare cicatricem. (Philippi, II, 152; Seybold, 524.)
98. Wenn die Wunde geschlagen, fehlt oft die Binde.
99. Wenn man wunden heilen will, so muss man sie angreifen. – Henisch, 1736, 56.
100. Wer an der Wunde reibt, ist zweimal blutig geschlagen. – Altmann VI, 464.
101. Wer die grössere Wunde hat, behält die erste Klage. – Graf, 328.
Da im altdeutschen Rechte jede Wunde von vornherein ihre unveränderliche Busse hatte, so betrachtete man Körperverletzungen wie eine durch Vertrag entstandene Schuldforderung. Hatten beide Theile gleiche Wunden, so gingen ihre beiderseitigen Bussansprüche Null für Null auf; waren aber die Verletzungen ungleich, so behielt der die erste Klage, welcher die grösste Wunde hatte.
102. Wer die Wunde nicht heilen kann, muss sie nicht berühren.
103. Wer die Wunden geschlagen, muss sie büssen. – Graf, 299, 96.
Mhd.: Swer di wunden geslagen hat, der sal si buezen. (Schwabenspiegel, 260.)
104. Wer eine Wunde trägt, muss sie offen tragen.
Wird in Nr. 29 der Breslauer Zeitung (1870, 1. Beil., S. 213) von einem stillen Theilnehmer der gorkauer Societäts-Brauerei aus Leobschütz als ein bekanntes Sprichwort bezeichnet.
105. Wer fremde Wunden verbindet, vergisst oft die eigenen.
106. Wer noch keine Wunde gefühlt, der lacht über Narben. – Simrock, 7316.
107. Wer seine Wunden finden will, muss fremde suchen.
108. Wer seine Wunden heilen will, muss ihnen nicht schmeicheln. – Winckler, XV, 74.
109. Wer seine Wunden verbinden kann, ist halb geheilt. – Cibot, 169; Cahier, 2157.
110. Wer Wunden fürchtet, muss nicht in den Krieg gehen. (Blatt 26; Feder 67-69; Gras 53.)
Engl.: He that's afraid of every grass must not p-s in a meadow. – He that's afraid of leaves must not come in a wood. – He that's afraid of the wagging of feathers, must keep from among wild fowl. – He that's afraid of wounds must not come nigh a battle. (Bohn II, 66.)
It.: Chi ha paura d'ogni urtica, non pisci in herba. – Non entri tra rocca e fuso, chi non vuol esser filato. (Bohn II, 66.)
111. Wer Wunden heilen will, muss (meist) wehe thun.
112. Wer Wunden schlägt, der kann auch Wunden heilen.
[447] 113. Wer Wunden verbindet, soll sie mit Trost beträufeln.
Böhm.: Uvazuj s pláčem, u rozvazuj skokem. (Čelakovsky, 185.)
114. Wie die Wunde, so das Pflaster.
Holl.: Naar de wond is, moet de pleister wezen. (Harrebomée, II, 478b.)
115. Wo die Wunde, da die Hand.
Lat.: Ir petit angorem cor gazas visus amorem. (Reuterdahl, 454.)
Schwed.: Ther aer hand som saart aer, hiaerta som godz aer, ögha som kaert aer. (Reuterdahl, 454.)
116. Wo keine Wunde, da bedarf's keiner Binde (Pflaster).
Frz.: Où il n'y a pas de mal, il ne faut pas d'emplâtre. (Cahier, 1007.)
117. Wunde um Wunde. – 2 Mos. 21, 24; Schulze, 10.
118. Wunden, die den Arzt selbst schmerzen, heilen bald.
119. Wunden, die man zu oft berührt, heilen schwer.
It.: Chi vuol saldar la piaga, non la maneggi. (Pazzaglia, 287, 2.)
120. Wunden heilen ist besser, als Wunden schlagen. – Herberger, II, 364.
121. Wunden machen gesunden.
122. Wunden mit Waffen geschlagen, kan man heilen; aber die wunden, so böse Zungen ins Hertz schlagen, sind unheilbar. – Lehmann, 792, 15.
123. Wunden schmerzen mehr als Narben. – Altmann VI, 400.
124. Wunden sind Sterne, die in den Himmel der Ehe geleiten.
125. Wunden und Schläge bedecken die Worte. – Graf, 351, 394.
Wenn es bei einem Streite bis zu Thätlichkeiten (Schlägen und Wunden) kam, so hatten einfache beleidigende Worte keine Bedeutung mehr, sobald die Sache zur gerichtlichen Verhandlung gelangte, weil in dem Schwerern das Leichtere und Geringere enthalten ist. Auf Rügen: Wunden edder Schlegen bedecken de worth. (Normann, 243, 186.)
126. Wunden vom Freunde sind besser als Küsse vom Schmeichler. – Gaal, 1768.
Engl.: He loves you well, that makes you weep. – He that loves dearly, chides severely. (Gaal, 1768.)
127. Zu oft erneuerte Wunden sind tödlich.
128. Zugefallene Wunden heilen, ist so wenig rathsam, als geheimen Kummer lindern.
129. Zur schlechten Wunden gehört kein gross kostbar Pflaster. – Lehmann, 50, 26.
Lat.: Tangere hulcus. (Philippi, II, 211.)
*130. Alte (verharschte) Wunden wieder aufreissen.
Böhm.: Zahojenou ránu zase jitřiti. (Čelakovsky, 552.)
Lat.: Ulcus mihi tetigit. (Seybold, 646.)
*131. Alte Wunden wieder berühren.
Lat.: Tangere hulcus. (Erasm., 540; Philippi, II, 211.)
*132. Auf solche Wunden gehört kein anderes Pflaster.
Engl.: Bitter takes away bitter, and water cures the colick.
Schwed.: Sädant sår, sädant plåster. (Grubb, 779.)
*133. Auf Wunden liegen.
Sich in einer peinlichen Lage befinden. In Warschau jüdisch-deutsch: »Er sitzt in gehackte Wünden«, um zu sagen: ist betrübt, niedergeschlagen, als wenn er klaffende Wunden hätte.
*134. Die Wunde blutet noch.
Holl.: De wond bloedt nog. (Harrebomée, II, 478b.)
*135. Die Wunde ist geheilt.
Holl.: De wond is geheeld (al genezen). (Harrebomée, II, 478b.)
*136. Die Wunde ist unheilbar.
Holl.: Die wond is ongeneeslijk. (Harrebomée, II, 478b.)
*137. Die Wunde liess sich nicht ohne Weinen heilen.
*138. Die Wunden anderer aufreissen. – Eiselein, 651.
*139. Diese Wund' macht gesund.
Holl.: Die wond maakt gezond. (Harrebomée, II, 478b.)
*140. Einem seine Wunden aufkratzen.
Holl.: Jemands wonden opkrabben. (Harrebomée, II, 478b.)
*141. Er hat nichts lieber als Wunden und Beulen.
Holl.: Hij heeft niets liever dan wonden en builen. (Harrebomée, II, 478b.)
[448] *142. Er is wie zu einer Wünd zuzulegen. (Jüd.- deutsch. Brody.)
In dem Sinne wie: man kann ihn um einen Finger wickeln.
*143. Es ist eine alte Wunde.
Holl.: Het is nog oud zeer. (Harrebomée, II, 496a.)
*144. Es ist eine frische Wunde.
Holl.: Het is eene versche wond. (Harrebomée, II, 478b.)
*145. Es ist eine Wunde, dass eine Kuh draus saufen könnte.
Frz.: Un abreuvoir à mouches. (Kritzinger, 3a.)
*146. Es ist eine Wunde, die man lieber nicht anrührte. – Eiselein, 651.
Lat.: Vulnera quae melius non tetigisse facit.
*147. Für jede Wunde ein Pflaster haben. – Eiselein, 511.
*148. Gur zü-n-a Wünd züzülegen. (Warschau.)
Um zu sagen: Der ist so sanft geworden, man könnte ihn auf eine Wunde auflegen. Er hat sich geändert, hat andere Saiten aufgezogen.
*149. Nach erhaltenen Wunden den Schild suchen. – Lohrengel, II, 295; Winckler, XX, 11.
*150. Wunden mit Salz heilen. – Körte, 7020.
*151. Wunden und marter fluchen. – Geiler, Alsatia, 1862-67, 478.
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