Orléans [2]

[369] Orléans (spr. Orleang, Geneal.). Das Herzogthum O. ist ein Kronlehn Frankreichs u. wurde verschiedenen königlichen Prinzen anfänglich als Apanage, später als bloßer Titel gegeben. I. Herzöge von O. aus dem Hause Valois-O.: 1) Philippe, jüngster Sohn Philipps IV., geb. 1336, wurde von seinem Vater 1343 zum Herzog von O. ernannt u. vereinigte mit O. die Grafschaft Beaugency u.a. Besitzungen u. war mit Blanca, Tochter Philipps des Schönen, vermählt, st. aber 1375 kinderlos u. das Herzogthum fiel an die Krone zurück. König Karl VI. gab nun O. 2) Louis I., seinem jüngeren Bruder, Grafen von Valois, geb. 1371; dieser vermählte sich 1385 durch Procuration mit Maria, Königin von Ungarn, u. nahm den Titel König von Ungarn an, dem zu entsagen ihn Sigismund, indem er selbst Maria heirathete, später zwang. Sein Bruder gab ihm Touraine zur Entschädigung, ernannte ihn 1392 zum Herzog von O., vermählte ihn mit Valentine von Mailand u. nahm ihn in das Conseil auf, aus welchem ihn aber seine Oheime, welche bei der eintretenden[369] Geisteskrankheit Karls VI. die Regentschaft übernahmen, wieder ausschlossen. Sein zweideutiges Verhältniß zu der Königin Isabelle u. das Gerücht, daß die Herzogin von O. den Wahnsinn des Königs durch Liebestränke veranlaßt habe, zogen ihm den Volkshaß zu. Später kam er durch Intriguen der Königin wieder in den Geheimen Rath, verdrängte den Herzog Philipp von Burgund aus demselben u. bemächtigte sich der Regentschaft, verschleuderte aber die Einkünfte des Landes. Aufgelegte neue Steuern ließen einen innern Krieg fürchten, deshalb legte der Herzog von O. die Regentschaft nieder, behielt aber dennoch vielen Einfluß auf das Conseil. Nach dem Tode des Herzogs Philipp von Burgund ließ er sich zum Lieutenant des Königs erklären u. bekriegte mit Johann ohne Furcht die Engländer. Als O. sich rühmte, Gunstbezeugungen der Herzogin von Burgund genossen zu haben, ließ ihn deren Gemahl in der Nacht vom 23. Nov. 1407 zu Paris ermorden, worüber der Kampf zwischen den Armagnacs u. Bourguignons ausbrach (s. Frankreich, Gesch. V.). Er hinterließ, außer seinem ehelichen Sohne (s. Orleans 4), einen natürlichen, 3) Jean, Graf von O., auch Bastard von O. genannt, s. Dunois. Dessen Nachkommen, welche im 14. Jahrh. unter seinem Enkel Ludwig den Titel Herzoge von Longueville bekamen, führten gleichzeitig den Namen Grafen von O. 4) Charles von O., Graf von Angoulème, ältester Sohn von O. 2), geb. 1391 zu Paris; hatte sich 1406 mit Isabelle, Tochter Karls III. u. Wittwe Richards II. von England, vermählt u., 1409 Wittwer geworden, heirathete er 1410 Bona von Armagnac u. brach gleich darauf mit einem Heere gegen den Herzog von Burgund, den Mörder seines Vaters, los. Seine Truppen (s. Armagnacs) bemächtigten sich der Stadt Paris u. des Königs, wurden aber 1411 von den Burgundern wieder vertrieben. Er schlug nun den Herzog von Burgund u. belagerte Paris, mußte aber die Belagerung aufheben. Der König versöhnte die Kämpfenden; bald jedoch entbrannte der Krieg von Neuem. 1415 wurde er in der Schlacht bei Azincourt von den Engländern schwer verwundet u. gefangen. Während seiner bis 1439 dauernden Gefangenschaft in England st. seine Gemahlin Bona. Er wurde hierauf gegen Ranzion losgelassen, versöhnte sich mit dem Herzog von Burgund u. heirathete Maria von Kleve, Nichte des Herzogs von Burgund. Dem König Karl VII. verdächtig geworden, zog sich der Herzog auf seine Güter zurück. Als er auf einer Versammlung der Reichsstände, welche Ludwig XI. nach Paris zusammen gerufen hatte, um Bretagne den Krieg zu erklären, sich den Rathschlägen des Königs widersetzte, klagte dieser ihn der Verrätherei an, u. O. wurde hierüber so aufgeregt, daß er wenige Tage darauf 4. Januar 1465 st. Seine hinterlassenen Poesien erschienen, Grenoble 1802, u. von Guichard u. Champoillon, Par. 1842. 5) Louis, Herzog von O., Sohn des Vor. u. der Maria von Kleve, bestieg 1498 als Ludwig XII. den französischen Thron u. hob dadurch die Linie O. wieder auf.

II. Herzöge von O. aus dem Hause Valois-Angoulème. Franz I. stiftete die Linie O. wieder u. gab den Titel als Herzog von O. erst seinem zweiten Sohne, 6) Henri, geb. 1519, u. als dieser 1536 Dauphin wurde, 7) Charles, seinem jüngeren Sohne, geb. in St. Germain en Laye 1522. Er wurde Pair u. Großkanzler von Frankreich, befehligte 1542 in Luxemburg u. st. 1547 undermählt. Ihm folgte 8) Louis, dritter Sohn des Königs Heinrich II., st. 1550; diesem 9) Charles Maximilien, bis 1560, wo er als Karl IX. Frankreichs Thron bestieg; dann 10) Henri, der als Heinrich III. König von Frankreich wurde, nachdem er König von Polen gewesen war. Er war der letzte Herzog aus diesem Hause.

III. Herzöge von O. aus dem Hause Bourbon. König Heinrich IV. ernannte seinen zweiten Sohn 11) Gaston 1607 zum Herzog von O., u. als dieser jung starb, so folgte ihm sein jüngerer Bruder; dieser 12) Jean Baptiste Gaston, dritter Sohn Heinrichs IV. u. der Maria von Medici, geb. in Fontainebleau 25. April 1608, Anfangs Herzog von Anjou genannt, erhielt 1626 bei seiner Vermählung mit Maria von Bourbon, Herzogin von Montpensier, das Herzogthum O. Schon damals hatte die Eifersucht zwischen O. u. dem noch kinderlosen Ludwig XIII. begonnen, u. als die Herzogin von O. 1627 nach der Geburt einer Tochter starb, so wurden alle Mittel angewendet, um O. von einer zweiten Heirath abzuhalten. Man begünstigte alle seine Neigungen, gute u. böse, indem man ihm große Geldmittel in die Hand gab. Als die Briten, um Rochelle zu entsetzen, auf der Insel Rhé landeten, erhielt er Anfangs gegen sie das Commando, welches er aber bald durch die Eifersucht Ludwigs XIII. wieder verlor, u. der Cardinal Richelieu leitete nun die Belagerung von Rochelle selbst. Beleidigt zog sich O. zurück u. nahm 1631 für die Königin. Mutter gegen den Cardinal Richelieu Partei. Während dieser Händel vollzog er insgeheim die Heirath mit Margarethe, Schwester des. Herzogs Karl von Lothringen, sammelte in den Spanischen Niederlanden ein Heer u. fiel damit, indem er sich den Titel eines Generallieutenant des Königs beilegte, im Mai 1632 in Frankreich ein, wurde aber 1. Sept. von Schomberg bei Castelnaudary geschlagen u. mußte sich zum Frieden von Beziers am 29. Sept. verstehen, durch welchen er sich unterwarf u. seine Güter wieder erhielt. Als jedoch der Herzog von Montmorency, welcher an seiner Schilderhebung Theil genommen hatte, hingerichtet wurde, entfloh O. im Nov. 1632 wieder nach den Niederlanden u. machte hier seine bisher geheim gehaltene Heirath kund, aber Ludwig XIII. erklärte nicht nur diese Ehe für null u. nichtig, den Herzog von Lothringen u. seine Schwester, als französische Vasallen, des Treubruchs schuldig u. sämmtlicher Güter, so wie des Herzogthums Bar, für verlustig, sondern überzog den Herzog auch mit Krieg u. belagerte Nancy. 1635 kehrte O., beredet von seinem Günstling Puylaurens u. seine Gemahlin in Brüssel lassend, nach Frankreich zurück u. erhielt dort von Richelieu Blois zum Aufenthalt angewiesen; 1637 wurde auch seine Ehe mit Margarethe vom Hofe anerkannt. Seinen alten Haß gegen Richelieu hielt O. fest u. ließ sich in mehre Verschwörungen gegen denselben ein, allein alle wurden entdeckt, u. meist war es O. selbst, welcher, wie in der des Cinq Mars, den Verräther machte. In seinem Testamente 1643 setzte Ludwig XIII. O. mit der Königin Anna zugleich zu Regenten ein, aber bald erklärte das Parlament Anna für alleinige Regentin u. O. nur zum Generalstatthalter. Er befehligte nun 1644–1647 gegen die Spanier in Flandern. In dem Bürgerkrieg, welcher 1648 ausbrach, hielt er es Anfangs mit der Fronde, gestattete aber 1650 die Verhaftung[370] des Prinzen Condé, unterhandelte 1651 mit den Spaniern, söhnte sich dann mit dem Hofe aus u. wurde zum Lieutenant des Königs in Paris ernannt. Als jedoch Ludwig XIV. im Oct. 1652 in Paris einzog, wurde er aus Paris verbannt, zog sich nach Blois zurück u. st. dort 2. Febr. 1660. Man schreibt ihm Memoiren zu, Amsterd. 1683, Par. 1685. Sein Sohn zweiter Ehe war 1652 gestorben; er hinterließ bei seinem Tode nur vier Töchter, u. mit ihm starb also das Haus O. im Mannsstamm wieder aus. Ludwig XIV. ertheilte das Herzogthum O. nun seinem jüngeren Bruder, 13) Philippe I., erst Herzog von Anjou u. seit 1660 Herzog von O., geb. 21. Sept. 1640 in St. Germain. Er war weichlich erzogen, dennoch war er tapfer u. machte den Feldzug von 1667 in den Niederlanden, so wie den von. 1672 mit, nahm 1676 Zütphen, focht 1677 bei Kassel u. eroberte St. Omer. 1661 vermählte er sich mit Henriette von England (s. O. 14), u. da diese 1670 starb, heirathete er 1671 Elisabeth Charlotte von Pfalz-Baiern, von welcher Ehe später Ludwig XIV. die Ansprüche des Hauses O. auf die Pfalz ableitete. O. st. 9. Juni 1701 in St. Cloud u. ist der Stammvater des jetzigen Hauses O.; er hinterließ aus erster Ehe zwei Töchter: Maria Louise, Gemahlin des Königs Karl II. von Spanien, u. Anna Maria, Gemahlin des Herzogs Victor Amadeus von Savoyen; aus zweiter Ehe: Philippe (s. unten 15) u. Elisabeth Charlotte, Gemahlin des Herzogs Karl Leopold von Lothringen. Er besaß außer Orleans noch die Herzogthümer Valois u. Chartres, die Herrschaft Montargis u. die Herzogthümer Nemours u. Montpensier, daher die Titel der Prinzen u. Prinzessinnen aus diesem Hause. 14) Henriette Anna, jüngste Tochter Karls I. von England u. der Henriette Maria von Frankreich, geb. 1644 in Exeter, mußte bei der Flucht ihrer Mutter nach Frankreich, der Lady Morton anvertraut, einige Zeit als Gefangene in England bleiben. Durch List ihrer Gouvernante wurde sie jedoch nach 2 Jahren nach Frankreich gebracht u. unter den Augen ihrer Mutter erzogen. 1661 vermählte sie sich mit dem Vor.; Ludwig XIV., welcher sie geliebt haben soll, sendete sie nach England u. bediente sich ihrer, ohne Wissen ihres Gemahls, um mit ihrem Bruder, König Karl II., einen Vertrag gegen Holland abzuschließen. Sie st. 1670 in St. Cloud, angeblich durch Gift, welches ihr durch ihren Gemahl u. den Chevalier von Lothringen beigebracht worden sein soll. 15) Philippe II., Herzog von O., Sohn von O. 13) u. der Charlotte Elisabeth von der Pfalz, geb. 4. Aug. 1674, hieß vor seines Vaters Tode Herzog von Cyartres. Sorgsam erzogen u. in den Wissenschaften unterrichtet, fiel er nach dem Tode seiner früheren Erzieher in die Hände Dubois', welcher seine Moralität verdarb. Anfangs zeigte der Prinz viel Luft zum Krieg, nahm, 17 Jahre alt, an der Belagerung von Mons Theil, befehligte bei Steenkerken die Gardebrigade, bei Neerwinden die Reservecavallerie u. zeichnete sich hierbei so aus, daß Ludwig XIV. Besorgnisse über seine Pläne faßte u. ihm daher versagte den Feldzug von 1694 mitzumachen. Unwillig hierüber, ergab sich der Prinz einem zügellosen Leben u. feierte Orgien mit Dubois u. liederlichen Genossen u. öffentlichen Dirnen (s. Roues). Der König hinderte ihn nichtdaran, nöthigte ihn aber, eine seiner natürlichen Töchter von der Montespan, Mademoiselle de Blois, zu heirathen. 1701 durch den Tod seines Vaters Herzog von O. geworden, riß er sich, als König Karl II. von Spanien, sein Schwager, starb, für den Augenblick von seinem liederlichen Leben los. In dem Testamente dieses Königs war nämlich bestimmt worden, daß die spanische Krone erst an Philipp von Anjou, Enkel Ludwigs XIV., dann aber mit Übergehung O-s an Savoyen fallen sollte. Hiergegen protestirte nun O., u. in Folge der Niederlagen der französischen Waffen im Spanischen Erbfolgekriege, erhielt er 1706 vom König das Commando in Italien, wo ohne seine Schuld die Schlacht bei Turin verloren ging. Nun wurde er 1707 nach Spanien geschickt u. zeichnete sich hier in diesem u. dem folgenden Jahre so aus (s.u. Spanischer Erbfolgekrieg), daß er den Argwohn Ludwigs XIV. u. Philipps V. erweckte u. namentlich, da er insgeheim immer dahin strebte, den spanischen Thron für sich zu erlangen, abberufen wurde u. eine Acte unterzeichnen mußte, wodurch er seinen Ansprüchen auf den spanischen Thron auf immer entsagte. Er lebte nun abgeschieden vom Hofe in Zerstreuungen u. zugleich den Wissenschaften; seine Lieblingsbeschäftigung war Chemie, welche er mit seinem Leibarzt Homburg eifrig betrieb. Dies brachte ihn, als seine Gemahlin von einer heftigen Kolik befallen wurde, in den Verdacht der Giftmischung. Bald darauf, 1711, starben aber der Dauphin, der Herzog u. die Herzogin von Bourgogne u. deren Sohn, seine Tochter, die Herzogin von Berry u. deren Gemahl schnell nach einander; auch der nunmehrige Dauphin erkrankte, u. es verbreitete sich das Gerücht, daß O. auch diese vergiftet habe. Er verlangte deshalb von dem König Untersuchung gegen sich, dieser schlug sie ihm aber, als die Ehre des königlichen Stammes compromittirend, ab, warf ihm jedoch seine Ruchlosigkeit u. Ausschweifungen als Ursache dieser Gerüchte vor. Indessen genas der Dauphin, u. die Ärzte erklärten die Krankheit, an welcher die königlichen Personen gestorben waren, für die Rötheln. Nach Lndwigs XIV. Tode 1715 wurde O. statt des durch das Testament des Königs dazu bestimmten Herzogs von Maine Regent (s. Frankreich Gesch. VII. B) a). indem das Parlament des Königs Testament umstieß u. dem Herzog von O. die Regentschaft zuerkannte. Anfangs machte er gute Einrichtungen, nachher aber vermehrte er durch seine Finanzmaßregeln die Creditlosigkeit des Landes, benahm dem Parlamente allen Einfluß auf Finanz- u. Staatssachen, hob die Conseils auf, nullisicirte die von Ludwig XIV. dessen Bastarden beigelegte Legitimität u. machte Dubois zu seinem Minister, s.u. Frankreich (Gesch.) VII. B) b). In Folge seiner Verbindung mit England, Holland u. dem Kaiser gegen Spanien wurde von Alberoni eine Verschwörung gegen ihn gemacht, dieselbe aber von Dubois entdeckt u. Spanien bekriegt u. besiegt. Darauf begann aber das System seines Finanzmeisters Law zu wanken, u. er gab diesen treuen Diener 1720 dessen Feinden Preis, ebenso 1722 die Jansenisten durch Anerkennung der Bulle Unigenitus. Als Ludwig XV. im Febr. 1723 mündig wurde, legte O. die Regentschaft nieder, u. der König ernannte ihn zum ersten Minister. Indessen hatte er sein früheres ausschweifendes Lebenfortgesetzt; geschwächt u. früh gealtert, ließ er auch nach dem Rücktritt von den Staatsgeschäften von seinen Verirrungen nicht ab u. st. in den Armen seiner Maitresse, der Herzogen[371] von Phalaris, am 2. Dec. 1723. Vgl. Vie de Philippe d'O., Amst. 1736, 2 Bde.; Piossens, Mémoires de la régence, Par. 1749, 5 Bde.: Lemontry, Histoire de la régence, ebd. 1832, 2 Bde.; u. Capefigue, Philippe d'O. régent de France, Par. 1838, 2 Bde. Er hinterließ aus seiner Ehe mit Mademoiselle de Blois: Marie Louise, Herzogin von Berry, mit welcher er selbst in Blutschande gelebt haben soll; Louise Adelaide, Mademoiselle de Chartres, Äbtissin von Chelles, berühmt als Jansenistin, st. 1743; Charlotte Aglaë, Mademoiselle de Valois, Fürstin von Modena, st. 1761; Louis, s. O. 17); Louise Elisabeth, Mademoiselle de Montpensier, später Königin von Spanien, st. 1742; Philippe Elisabeth, Mademoiselle de Beaujolais, verlobte Königin von Neapel, st. 1734 als Braut; Louise Diane, nachherige Prinzessin Conti, st. 1736. Von seinen unehelichen Kindern mit der Gräfin Argenton wurde bekannter 16) Jean Philippe, Chevalier d'O., geb. 1702, später Großprior von Frankreich. 17) Louis O., Sohn von O. 15), geb. 1703 in Versailles, vermählte sich 1724 mit einer Prinzessin von Baden u. war, als diese nach 2 Jahren starb, so untröstlich, daß er nicht mehr öffentlich erschien, sich 1744 ganz in die Abtei St. Geneviève zurückzog u. dort frommen Übungen, der Wohlthätigkeit u. den Studien lebte; er st. 1752. 18) Louis Philippe, Sohn des Vor., geb. 1725, Anfangs Herzog von Chartres; machte 1742 den Feldzug in Flandern, 1743 den am Rhein mit, heirathete nach seiner Rückkehr die Prinzessin von Bourbon-Condé, wohnte den ferneren Feldzügen bis 1747 bei u. wurde Gouverneur der Dauphiné. 1752 durch den Tod seines Vaters Herzog von O. geworden, ließ er 1756, einer der ersten, seinen Kindern die Blattern impfen, machte im Siebenjährigen Kriege den Feldzug von 1757 mit, wurde 1759 Wittwer, zog sich nach Bagnolet zurück, wo er sein Vergnügen an dramatischen Darstellungen hatte, u. heirathete 1777 die Marquise von Montesson; er st. 1785. Außer dem Folgenden hinterließ er aus erster Ehe eine Tochter, Louise Marie, die Mutter des unter Napoleon I. hingerichteten Herzogs von Enghien. 19) Louis Philippe Joseph, genannt Egalité, Sohn des Vorigen, geb. 13. April 1747, hieß bis zum Tode seines Großvaters, Herzog von Montpensier, bis zum Tode seines Vaters, Herzog von Chartres u. heirathete 1769 die Prinzessin Louise Marie Adelaide von Bourbon-Penthièvre. Der Prinz gefiel in seiner Jugend, er zeigte Verstand, war schön u. Meister in allen ritterlichen Übungen; aber bald verdarben Ausschweifungen sein Herz u. sein Äußeres, u. sein schwankendes Betragen im öffentlichen Leben machte ihn verhaßt. Die Abneigung der O. gegen den Hof trat auch bei ihm hervor, genährt durch die Geringschätzung, welche ihm die Königin Antoinette u. deren Verwandte bewiesen, u. dadurch, daß ihm der König die Stelle eines Großadmirals im Kriege gegen England abschlug. Aus Ärger hierüber ging er als Freiwilliger auf die Flotte des Admirals d'Orvilliers, welche im Kanale gegen die englische Flotte des Admirals Keppel kreuzte, u. machte 1778 die Seeschlacht von Ouessant mit. Seine darauf erfolgende Ernennung zum Generaloberst der Husaren sah er als eine Beschimpfung an u. entfernte sich immer mehr vom Hofe, wurde Großmeister aller Logen von Frankreich, schloß sich an die Volkspartei, welche nach dem Nordamerikanischen Freiheitskriege mit republikanischen Ideen das Haupt erhob, nahm nach einer Reise nach England englische Sitten an u. war so indirect Ursache, daß das englische Wesen auch am Hofe Eingang fand. In der Notabelnversammlung 1787 sprach er sich gegen die Vorschläge der Minister aus, u. als der König im November den Widerstand des Parlaments hinsichtlich neuer Abgabenedicte aus dem Wege räumen wollte, protestirte O. gegen die königlichen Maßregeln. Deshalb auf einige Zeit nach Villers-Cotterets verwiesen, schloß sich O. ganz der Volkspartei an u. suchte sich durch Wohlthätigkeit die Volksgunst zu erwerben. Der Adel in Crespy ernannte ihn zu seinem Deputirten bei den Etats généraux, u. er erschien 1789 in der Versammlung der Reichsstände als Haupt der revolutionären Partei, nahm jedoch die ihm angebotene Stelle als Präsident der Nationalversammlung nicht an. Er strebte fortwährend in der Nationalversammlung darnach Generallieutenant des Königreichs zu werden u. veranlaßte im Juli 1789 die erste Volksbewegung, u. der Zug der Pariser Weiber vom 5. zum 6. Oct. nach Versailles ging von seiner Partei aus. Deshalb vom Hofe beschuldigt, ging er unter dem Schein einer diplomatischen Sendung nach England; im Juli 1796 zurückgekehrt, trieb er sein früheres Spiel fort u. huldigte, in der Hoffnung, die Krone zu erlangen, ganz dem Jakobinismus. Als er jedoch inne wurde, daß er nur das Werkzeug einer Partei war, welche seinen Einfluß zur Durchführung ihrer Absichten benutzen wollte, zog er sich von den Jakobinern zurück u. beschäftigte sich eine Zeitlang mit dem Großhandel u. näherte sich dem König 1792 wieder, welcher ihn auch zum Großadmiral ernannte. Allein von den Höflingen verächtlich aufgenommen, wendete er sich wieder der Revolutionspartei zu, betheiligte sich an den Ereignissen des 28. Juni u. 10. August 1792, verzichtete nach der Absetzung des Königs öffentlich auf die Thronfolge, wurde von der Stadt Paris unter dem Namen Egalité mit Danton, Robespierre u. Marat zum Deputirten bei der Nationalversammlung gewählt u. durch Drohungen dieser bewogen, für den Tod Ludwigs XVI. unbedingt zu stimmen, u. war bei dessen Hinrichtung persönlich zugegen. Während ihn aber von nun an die Girondisten ehrgeiziger Absichten beschuldigten, strichen ihn auch, da er seine Güter nicht preisgeben wollte, die Jakobiner aus ihren Listen. Wegen der Flucht seines Sohnes, des Herzogs von Chartres (s. O. 21), zu den Österreichern, wurde O. im April 1793 verhaftet u. nebst seiner Familie nach Marseille geführt, wo er in Völlerei lebte; s.u. Frankreich (Gesch.) VII. D) u. VIII. A). Nach dem Sturze der Gironde nach Paris gebracht, wurde er am 6. Nov. 1793 vor das Revolutionsgericht gebracht, wo er sich ruhig u. geschickt vertheidigte, aber dennoch noch denselben Abend guillotinirt wurde. Seine Söhne waren: O. 21), Antoine Philippe, Herzog von Montpensier, u. Alphons Leodgar, Graf von Beaujolais; seine Tochter: O. 22). Seine ungeheueren Güter wurden, wie die der Bourbons, eingezogen. Vgl. Montjoie, Conjuration d'O., Par. 1793, 3 Bde.; Tournois, Hist. de Louis Phil. Jos. d'O., ebd. 1842 f., 2 Bde. 20) Louise Marie Adelaide von Bourbon-Penthièvre, Herzogin von O., geb. 1753, Tochter des Herzogs von Penthièvre, seit 1769 Gemahlin des Vorigen; erzog ihre Kinder musterhaft, lebte aber 1792 getrennt von ihrem Gemahl; 1794 wurde sie auch ins [372] Gefängniß gebracht, aber 1705 frei gelassen u. 1797 in den Genuß ihrer Güter wieder eingesetzt. Sie lebte nun in Barcelona u. später in Figueras; 1808 rettete sie sich vor dem französischen Bombardement zu Fuß nach dem Kloster Villa Sacra, ging dann nach Palamos u. lebte dann in Taragona u. Mahon, kehrte 1814 nach Frankreich zurück, blieb dort 1815 während der Hundert Tage wegen Krankheit zurück u. st. 23. Juni 1821. 21) Louis Philippe, Sohn der Vor., 1830–48 König von Frankreich, s. Ludwig 33). 22) Eugenie Adelaide Louise, Schwester des Vor., geb. 25. August 1777; sie war mit ihrem Bruder von Frau von Genlis erzogen u. lebte während der Revolution in England, seit 1793 mit ihm in Zürich, darauf eine Zeitlang in dem St. Clarakloster in Bremgarten u. begleitete ihn auf seinen Reisen nach England, Sicilien, Spanien, Malta u. Italien, wo sie das Tagebuch führte. Nach der Restauration lebte sie mit der Familie in Paris u. nach der Thronbesteigung Ludwig Philipps 1830 war sie bis an ihr Ende dessen Vertraute u. Beratherin. Sie st. am 31. Dec. 1847; daß sie mit dem General Athalin in morganatischer Ehe gelebt habe, soll ein bloses Gerücht gewesen sein. 23) Marie Amalie, Gemahlin des Königs Ludwig Philipp, s. Marie 2). 24) Ferdinand Philippe Louis Charles Henri d'O., früher Herzog von Chartres, ältester Sohn des Königs Ludwig Philipp, geb. 3. Sept. 1810 in Palermo, ging 1814 mit seinen Eltern nach Frankreich u. wurde seit 1819 im Collège Henri IV. erzogen, trat dann in die Polytechnische Schule u. wurde 1824 Obrist des 7. Hufarenregiments. Am 1. August 1830 ließ er sein Regiment in Lüneville die dreifarbige Cocarde aufstecken u. führte es nach Paris, wo er zum Herzog von O. ernannt wurde. 1831 erhielt er das Commando einer Brigade, stillte im Novbr. den Aufstand in Lyon durch Milde, focht im Nov. 1832 vor Antwerpen, ging 1835 mit nach Algier u. machte mit seinem Bruder, dem Herzog von Nemours, eine Reise nach Berlin u. Wien, in deren Folge er 1837 die Prinzessin Helene von Mecklenburg-Strelitz (s. Helene 11) heirathete; er nahm 1839 u. 1840 an den Expeditionen in Algier Theil u. organisirte 1841 die Chasseurs von Vincennes (dann Chasseurs d'O.). Beim Quenisetschen Attentat, während des Einzuges des 17. Regimentes in Paris (13. September 1841), blieb er unversehrt; vgl. Frankreich (Gesch.) XI. Als er am 13. Juli 1842 sich zu einem Corpsmanoeuvre nach St. Omer begeben wollte u. nach Neuilly fuhr, um von seinem Vater Abschied zu nehmen, sprang er beim Durchgehen seiner Pferde aus dem Wagen, zerschmetterte den Hinterkopf u. starb noch an demselben Tage in dem Hause eines Gewürzkrämers in der Rue de la revolte. Dieses Haus ist jetzt in eine Kapelle verwandelt worden. Er war wegen seines ritterlichen Wesens u. seiner Tapferkeit u. als Mäcen der Künstler aller Art sehr beliebt u. als Redner in der Pairskammer geschätzt. Ihm wurden 1845 Reiterstatuen im Hofe des Louvre in Paris (in der Revolution 24. Febr. 1848 umgeworfen) u. in Algier errichtet. Vgl. Arago u. Gouin, Vie du Prince royal, Paris 1642; I. Janin, Le Prince royal, ebd. 1642; Jos. Mendelssohn, Ferdinand Philipp, Herzog von O., Altenb. 1842. Seine Söhne sind: Louis Philippe Albert, Graf von Paris, geb. 1838, nach dem Tode seines Vaters Kronprinz u. am 24. Febr. 1846, als Ludwig Philipp II. abdicirte, zum König von Frankreich ausgerufen, s. Frankreich (Gesch.) XI., mußte aber in Folge der Revolution Frankreich verlassen u. lebte dann mit seiner Mutter theils in England, theils in Eisenach; u. Robert Philippe Louis Eugène Ferdinand, Herzog von Chartres, geb. 1840, welcher ebenfalls in Folge der Revolution Frankreich verlassen mußte. 25) Louise, Schwester des Vor., geb. 1812, seit 1832 mit dem König Leopold von Belgien vermählt; st. 1850, s. Louise 1). 26) Maria, Schwester der Vor., geb. 1813, 1837 mit Herzog Alexander von Württemberg vermählt, st. 1839. Sie zeichnete sich als Künstlerin aus, u. bes. bekannt ist die Statue der Jeanne d'Arc von ihr. 27) Louis, Herzog von Nemours, zweiter Sohn des Königs Ludwig Philipp I., geb. 1814, vermählt 1840 mit Prinzessin Victorie von Sachsen-Koburg, seit 1857 Wittwer; s. Nemours 5). Seine Kinder sind: Louis, Graf von Eu, geb. 1842; Ferdinand, Herzog von Alençon, geb. 1844, Prinzessin Margarethe, geb. 1846, Prinzessin Blanche, geb. 1857. 28) Clementine, Schwester des Vor., geb. 3. Juni 1817, seit 1843 vermählt mit Prinz August von Sachsen-Koburg. 29) Francois, Herzog von Joinville, Bruder des Vor., geb. 14. Aug. 1818, seit 1843 vermählt mit Prinzessin Franzisca von Brasilien; s. Joinville 2). Seine Kinder sind: Prinzessin Amalie, geb. 1844, u. Peter, Herzog von Penthièvre, geb. 1845. 30) Henri, Herzog von Aumale, Bruder des Vor., geb. 16. Jan. 1822, vermählt seit 1844 mit Prinzessin Karoline von Sicilien; s. Aumale 5); seine Söhne sind: Louis Philippe, Herzog von Condé, geb. 1845 u. Francois, Herzog von Guise, geb. 1854. 31) Antoine, Herzog von Montpensier, Infant von Spanien u. seit Jan. 1858 Generalcapitän der spanischen Armee, geb. 31. Juli 1824, vermählt seit 1846 mit Infantin Luise von Spanien; seine Kinder (welche seit Sept. 1852 sämmtlich den Titel Infant u. Infantin von Spanien haben) sind: Maria Isabella, geb. 1848, Amalie, geb. 1851, Maria Christina, geb. 1852, Maria de Regla, geb. 1856, Ferdinand, geb. 1859, Maria de las Merondes, geb. 1860.

Das Haus O., welches 1830 durch die Julirevolution auf den französischen Thron kam u. 1848 durch die Februarrevolution wieder von demselben gestürzt ward, wurde durch Decret der französischen Nationalversammlung am 26. Mai 1848 aus Frankreich verbannt, u. dies Decret blieb, trotz wiederholter Anträge Carnots in der Deputirtenkammer 1849 u. 1851 auf Aufhebung desselben, durch die Kammermajorität in Kraft. Nur der Königin Victoria von Großbritannien sagte bei deren Besuch in Paris 1855 der Kaiser zu, daß der Wittwe des Königs Louis Philipp kein Hinderniß der Rückkehr nach Frankreich entgegengestellt werden sollte. Dagegen wurden von der zahlreichen Orleanistischen Partei (s. Frankreich S. 499) mehrmals Ver. suche einer Annäherung der O. an die ältere Linie Bourbon (Fusion) gemacht, s. ebd. (Gesch.) XII. B). Die Orleansschen Güter waren zweierlei Art: die Apanagengüter, welche Ludwig XIV. für O. 13) bestimmte u. welche von diesem, dem Gründer des jetzigen Hauses O., fortgeerbt hatten, fielen 1830, als O. 21) den Thron von Frankreich bestieg, an die Krone u. wurden durch Gesetz vom 2. März 1832 zur Civilliste geschlagen u. nach der Vertreibung der O. vom Throne 1848 durch die [373] Nationalversammlung als Staatseigenthum erklärt. Die Privatgüter des Hauses O., welche durch Erbschaft, Heirath u. Kauf an dasselbe gekommen u. reines Privateigenthum waren, hatte O. 21) unmittelbar vor seiner Thronbesteigung seinen Kindern durch Schenkungsacte vom 7. Aug. 1830 zuschreiben lassen. Obgleich nun nach dem Sturze des Hauses O. die Nationalversammlung 1848 diese Güter unter Sequester stellte, so wurde doch die beantragte Confiscation als ein Eingriff in das Privateigenthum zurückgewiesen, u. auch die Regierung des Prinzpräsidenten Napoleon erkannte noch 1850 das Eigenthumsrecht der Familie O. an demselben an. Gleichwohl erließ dieserselbe Präsident der Republik in Bezug auf die Orleansschen Güter am 22. Jan. 1852 zwei von dem Minister Casabianca unterzeichnete Decrete, von denen ersteres bestimmte, daß die Mitglieder der Familie O., deren Gatten u. Gattinnen u. Nachkommen in Frankreich kein be- od. unbewegliches Eigenthum besitzen dürften u. gehalten wären, das freie Eigenthum binnen Jahresfrist, das belastete, einer Liquidation u. Discussion unterworfene aber ein Jahr nach unwiderruflicher Feststellung der Eigenthumsrechte zu veräußern, widrigenfalls diese Veräußerung durch die Verwaltung der Staatsgüter zu vollziehen sei. Als Rechtfertigungsgrund berief sich das Decret auf die gleichmäßige Anordnung Ludwigs XVIII. vom 12. Jan. 1816 in Betreff der Güter der Familie des Kaisers Napoleon u. auf das Decret Ludwig Philipps vom 10. April 1832 in Betreff der älteren bourbonischen Linie, wie auf Gründe der Nützlichkeit u. des Staatswohles. Durch das zweite Decret vom 22. Jan. 1852 wurde das be- u. unbewegliche Eigenthum Ludwig Philipps, welches er durch seine Schenkungsurkunde vom 7. Aug. 1830 seinen Kindern, mit Ausnahme des ältesten Sohnes, überlassen hatte, eingezogen u. den Staatsgütern zugewiesen, doch übernahm der Staat die Zahlung der Schulden der Civilliste der früheren Regierung, so wie des Witthums der Herzogin Helene von O. von jährlich 300,000 Fr. Übrigens sollten die Güter verkauft u. der Erlös zu milden Zwecken verwendet werden. Dagegen verzichtete Ludwig Napoleon auf die Ansprüche aus den im Jahre 1814/15 gegen die Familie Bonaparte ausgesprochenen Confiscationen. Begründet wurde diese Vermögensentziehung durch das alte französische Staatsrecht, das Decret vom 21. Sept. 1790 u. das Gesetz vom 8. Nov. 1814, wonach alle den Prinzen gehörigen Güter bei ihrer Thronbesteigung der Krondomäne anheim fallen. Das Parlament von Paris habe bereits am 15. Juli 1591 die Registrirung einer Verordnung Heinrichs IV. vom 16. April 1590 verweigert, durch welche dieser Monarch eine Änderung in den diesfalls bestehenden Einrichtungen getroffen, solche jedoch bei der Festigkeit des Parlaments 1607 zurückgenommen habe. Die Regierungen Ludwigs XVIII. u. Karls X. hätten diese Grundregel anerkannt, in dem Gesetz vom 15. Jan. 1825 neu gekräftigt u. keine gesetzliche Acte bei der Thronbesteigung Ludwig Philipps diese umgestoßen. Seine Throngelangung sei am 1. Aug. 1830 bereits außer Zweifel u. er daher nicht mehr befugt gewesen, über seine Güter zu verfügen. Auch das Gesetz vom 2. März 1832 (worin die am 7. Aug. 1830 getroffenen Verfügungen über die Privatgüter ausdrücklich gutgeheißen worden waren), könne hierin nichts ändern, da ein späteres Gesetz auf frühere Fälle keine rückwirkende Kraft äußern dürfe. Dieses Decret machte in Frankreich einen sehr ungünstigen Eindruck, Minister traten ab, Mitglieder des berathenden Körpers schieden aus, die großen Grund- u. Geldbesitzer singen an eine ähnliche Behandlung zu fürchten. Die Mitglieder des juristischen Familienrathes der O. übergaben dagegen am 28. Jan. dem Präsidenten der Republik einen von Ludwig Philipps Testamentsvollstreckern, Dupin, Herzog von Montmorency, Graf Montalivet, Laplague-Varris u. Scribe, unterzeichneten Protest, worin alle von der Regierung aufgestellten Gründe der Confiscation widerlegt wurden. Um den tiefen Eindruck zu verwischen, welchen die Veröffentlichung dieses Protestes hervorbrachte, ließ die Regierung sofort eine Schrift verbreiten, worin sie ausführte, daß durch ein Decret vom 6. April 1791 sämmtliche Apanagen aufgehoben u. mit dem Staatsgut vereinigt worden seien, u. daß die Nationalversammlung durch zwei fernere Decrete vom 23. Oct. u. 5. Nov. j. I. alles Eigenthum der Krondomäne u. der Apanagen für Nationaleigenthum erklärt habe. Gegen das Haus O. wäre mithin, als dasselbe nach der Restauration zurückkehrte, auch bereits eine mehr als zwanzigjährige Verjährung eingetreten u. gegen alles Recht sei ihm, während alle anderen Emigranten nur die noch unverkauften Güter zurückerhielten, außer anderen bedeutenden Gütern noch eine Schenkung von 57,000 Hektaren Forsten aus dem Staatsgut gemacht worden. Dennoch habe Philipp Egalité bei seinem Tode 74 Mill. Schulden hinterlassen, ein Jahr vorher, 1792, seine Gläubiger auf seine Güter angewiesen, der Staat diese in der Versteigerung theilweise an sich gekauft u. 37 Mill. dieser Schulden durch den Kaufpreis getilgt. Selbst diejenigen Güter, welche den Gläubigern als Bürgschaft geblieben wären, habe eine spätere königliche Ordonnanz dem Herzog von O. zurückgegeben. Die Testamentsvollstrecker führten dagegen noch einmal alle Gründe zu Gunsten ihrer Cienten durch die Presse vor, änderten damit aber in den bereits festgestellten Ansichten der Parteien u. den Entschlüssen der Regierung nichts. Eine täuschende Hoffnung entstand, als die Regierung es geschehen ließ, daß der zur Domäne Neuilly gehörige Pavillon de Württemberg nebst Zubehör, dessen Verkauf ein Urtel des Seinetribunals erster Instanz vom 12. April 1851 bereits angeordnet hatte, am 14. Febr. 1852 öffentlich versteigert wurde. Dagegen bemächtigte sich die Regierung am 10./12. April des Schlosses Neuilly u. der Domäne Monceaux, worauf die Vertreter der Rechtsansprüche der Familie O. bei dem Seinetribunal erster Instanz Klage erhoben, der Seinepräfect aber Protest gegen die Zuständigkeit des Gerichtes einlegte. Die Sache kam am 23. April zur Verhandlung, u. der Gerichtshof sprach seine Zuständigkeit auf den Grund hin aus, daß es den gewöhnlichen Gerichtshöfen zukomme, über Eigenthumsfragen, Gültigkeit von Verträgen u. Verjährung, worum es sich hier handele, zu entscheiden. Die Regierung beharrte dagegen bei der Behauptung, daß die Gerichte nicht befugt seien, die Gültigkeit von Gesetzen zu prüfen, u. wendete sich mit ihrer Beschwerde an die für die Competenzconflicte bestellte Abtheilung des Staatsrathes, wo ihr in den Verhandlungen am 15. Jan 1852 der Sieg blieb. Der am 19. j. M. in Form eines von [374] Ludwig Napoleon zu unterzeichnenden Decrets bekannt gemachte Beschluß verwarf die Zuständigkeit der Gerichte bei politischen u. Regierungsacten u. legt dem Decret vom 22. Jan. 1852 die Kraft einer solchen bei. Da dieses Decret aber nur die Schenkung vom 7. August 1830 berührte, so wurden die späteren Erwerbungen, also auch die schon genannten Theile von Neuilly u. Monceaux, dadurch nicht betroffen. Vgl. Précis historique de la maison d'O., Par. 1830; Laurente, Histoire des Ducs d'O., ebd. 1832 ff., 3 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 369-375.
Lizenz:
Faksimiles:
369 | 370 | 371 | 372 | 373 | 374 | 375
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Die unsichtbare Loge. Eine Lebensbeschreibung

Die unsichtbare Loge. Eine Lebensbeschreibung

Der Held Gustav wird einer Reihe ungewöhnlicher Erziehungsmethoden ausgesetzt. Die ersten acht Jahre seines Lebens verbringt er unter der Erde in der Obhut eines herrnhutischen Erziehers. Danach verläuft er sich im Wald, wird aufgegriffen und musisch erzogen bis er schließlich im Kadettenhaus eine militärische Ausbildung erhält und an einem Fürstenhof landet.

358 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon