Gewerbe [1]

[319] Gewerbe, 1) jedes Geschäft, wodurch derjenige, welcher dasselbe betreibt, seinen Unterhalt erwerben will; 2) im engeren Sinne so v.w. Handwerk. G. im engern Sinne werden betrieben von Einzelnen od. ganzen Genossenschaften, die mit bestimmten Verbietungsrechten ausgestattet sind, z.B. geschlossenen Innungen u. Zünften. Das Gebiet der Gewerbsthätigkeit bildet die Weiterverarbeitung der durch Bergbau, Forst- u. Landwirthschaft nebst Viehzucht gewonnenen Rohproducte; sie führt dieselben in Gegenstände des physischen Verbrauchs über u. beschafft zugleich die zu dieser Überführung erforderlichen Zwischenproducte (Halbfabrikate) u. Werkzeuge. Vom Gewerbsbetrieb unterscheidet sich der Fabrikbetrieb zunächst durch die größere Ausdehnung, durch die größere Gleichheit der erzeugten Artikel, welche meist u. besonders, wenn die an jedem einzelnen Stück vorkommenden Arbeiten in verschiedene Zunftgebiete gehören, mit Anwendung des Princips der Theilung der Arbeit hergestellt werden (s. Fabrik); während im Gewerbsbetrieb bei größerer Mannigfaltigkeit der aus derselben Werkstätte hervorgehenden Artikel in der Regel sämmtliche Arbeiten an jedem einzelnen Arbeitsstück von einer u. derselben Person ausgeführt werden. Der Gewerbetreibende handelt zugleich mit den in den Bereich seines Gewerbes gehörenden Artikeln, zu deren Anfertigung er also Befugniß hat; der Kaufmann dagegen handelt mit Gegenständen, die er nicht selbst verfertigt hat, u. der Fabrikant ist mehr Großhändler, ohne sich mit dem Einzelverkauf zu befassen od. selbst befassen zu dürfen. Gelegenheit zum Erwerb der zu erfolgreicherem Gewerbsbetrieb nöthigen wissenschaftlichen Bildung bieten die Gewerbschulen (s.d.). Eine wissenschaftliche Darstellung u. Beschreibung der in den verschiedenen Gewerbsgebieten vorkommenden Arbeiten u. Werkzeuge gibt die Gewerbkunde od. Technologie (s.d.). Die Geschichte des G-s zeigt, daß dasselbe im ganzen Alterthum mit wenigen Ausnahmen zu einer größeren Bedeutung sich nicht erheben konnte. Es hängt dies offenbar damit zusammen, daß in den Sklaven eine Masse von Arbeitskraft gegeben war, welche vorzugsweise zu den gewerblichen Verrichtungen benutzt wurde, ebendeshalb aber einen freien Handwerkerstand u. damit die Grundbedingung für eine größere Ausbildung des Gewerbebetriebes nicht aufkommen ließ (s.u. Arbeit). Verhältnißmäßig am günstigsten scheint die Lage der Gewerbetreibenden bei den alten Hebräern u. in Athen gewesen zu sein. Bes. nach dem Babylonischen Exil standen Handwerke u. Künste bei den Juden in großem Ansehen u. es kommen die verschiedensten Arten von Handwerkern vor. In Athen wußten die Handwerker, wie der Gerber Kleon zeigt, sich selbst politischen Einfluß zu verschaffen. Dagegen verbot die Lykurgische Verfassung in Sparta den freien Bürgern das Betreiben eines G-s geradezu. Bei den Römern galten Handwerke u. bürgerliche Gewerbe (Quaestus, Artes sellulariae, Opificia) als niedrige Beschäftigung, welche zunächst von der ärmeren Bürgerklasse, von Fremden u. Sklaven betrieben wurden. Gleichwohl war die Anzahl der Handwerker (Opifices, Sellularii, Artifices) zu allen Zeiten beträchtlich; bereits zur Zeit der Könige sollen sie in gewisse Gesellschaften (Sodalitia, Collegia) eingetheilt worden sein, die in der Kaiserzeit in festerer Organisation auftreten. Ihren Mitgliedern stand Befreiung von den lästigen Ämtern u. Leistungen städtischer Communmitglieder,[319] auch von der Vormundschaftsverbindlichkeit zu, namentlich hatten solche Zünfte die Schmiede, Zimmer- u. Bauleute (Fabri aerarii et ignarii). Ähnliche Privilegien hatten noch andere Zünfte unter dem Namen Corporati collegiati urbis Romae et Cons tantinopolitanae, welche so zünftig gebunden waren, daß sie kein anderes Gewerbe ergreifen, nicht einmal von einer Officin in eine andere desselben G-s treten durften. Ihr Vermögen war der ganzen Zunft verhaftlich. Die Kinder aller dieser wurden gleich als Zunftmitglieder geboren, u. selbst der Ehemann der Tochter eines Zunftmitgliedes u. alle seine Nachkommen gehörten der Zunft an. Die drei hierunter begriffenen Zünfte waren: die Bäcker (Pistores P. urbici, Ordo pistorius), welche das aus den öffentlichen Getreidemagazinen ihnen gelieferte Getreide mahlen u. backen mußten; unter ihnen waren in Rom die Catabolenses begriffen, welche mit Lastthieren das Getreide von dem Tiber u. den Mühlen in die Bäckereien führten. Ferner die Schiffsherren (Navicularii, Naucleri, Nautici), welche zu den öffentlichen Spenden Getreide, Öl, Wein u. zu den Bädern das Holz herbeiführen u. ein od. mehrere Schiffe haben mußten, um an den Privilegien dieser Zunft Theil zu nehmen. Sie, so wie die Bäcker, waren auf eine gewisse Zahl beschränkt. Endlich die Fleischhändler (Suarii, Porcinarii), mit welchen die Pecuarii vom Kaiser Honorius vereinigt wurden u. welche das Vieh, bes. die Schweine u. das Schweinefleisch, welches aus den Provinzen als Tribut geliefert wurde, in Empfang nahmen u. unter das Volk vertheilten. Dazu gehörten die Mensores frumentarii (Portuenses mensores), Getreidemesser für die Magazine des Hofes der Stadt Rom.

Eine andere Gestaltung nahm der Gewerbebetrieb unter dem Einfluß des freien autonomischen Sinnes u. Corporationsgeistes unter den germanischen Völkern an. Die Gründung der Städte erfolgte zum größten Theil aus den, unter dem Schutze von Bürgern u. bischöflichen Kathedralen sich zusammenfindenden Handwerkern, welche alsbald unter sich in Genossenschaften zusammentraten, theils um sich in ihrem G. möglichst zu unterstützen, theils auch um nach außen hin eine gesichertere Stellung einzunehmen. Die Genossenschaften gaben sich bald eigene Statuten, für welche sie die landeshoheitliche Bestätigung auszuwirken suchten. Schon Heinrich der Löwe bestätigte 1152 die Innung der Tuchscheerer u. Krämer in Hamburg, Erzbischof Wichmann 1153 die der Gewandschneider u. Schuster in Magdeburg, Bischof Ludolf daselbst 1194 die Schilderinnung. Diese Innungen u. Zünfte (über innere Einrichtung derselben s. Zunft) vereinigten sich auch zum Kriegsdienst u. sie trugen so wesentlich zum Schutze der Städte, selbst der Landesherren, gegen die Unbilden der Wegelagerer u. Raubritter bei, u. im 13. Jahrh. finden sich förmliche Schutz- u. Trutzbündnisse zwischen Landesherren u. Handwerken, so das vom Jahre 1262 zwischen dem Bischofe zu Basel u. der dasigen Gärtnerzunft. Die Corporationen anderer Bürger gingen in u. neben diesen Genossenschaften vielfach unter, u. die Handwerke wurden nun die Haupttheile der städtischen Kriegsmacht. Sie erhielten so Einfluß auf das ganze Städtewesen, Ehrentitel, als ehrbares Handwerk, Magistri (Meister), Archimagistri (Obermeister) ja sogar seit dem 14. Jahrh. Antheil an den städtischen Regierungen, bes. in den Reichsstädten, während die Handwerker früher nicht rathsfähig waren. Bei dem Kampfe darüber wußten sich die Bürger (Ingenui) gegen die, mehrentheils aus Unfreien entstandenen Handwerker u. deren Zünfte von den Kaisern Freiheitsbriefe zu verschaffen, wogegen aber die Handwerker immer wieder siegten. Oft kam es zu blutigen Kämpfen, bei denen bald der eine, bald der andere Theil unterlag. Friedrich II. hob 1219 in Goslar alle Zünfte, mit Ausschluß der Münzer, auf; Heinrich VII. stellte sie 1223, mit Ausschluß der Zimmerleute u. Weber, wieder her. Allein die Zünfte überschritten in ihren Anmaßungen alle Grenzen. Sie legten zum Theil ihren Obermeistern den Titel König bei (wovon noch jetzt ein Überbleibsel bei den Schützengilden in den Schützenkönigen ist), sie wählten sich, wie dies bei den alten Bürgergilden üblich war, eigene Schutzpatrone, nach denen sie sich nannten (s.u. Schutzgeister), u. begaben sich, z.B. die Kupferschmiede, unter den unmittelbaren Schutz des Kaisers, welcher das Schirmherrnrecht wieder an andere Landesfürsten zu Lehn gab. Es wurden förmliche Verträge zwischen ihnen u. den Landesfürsten geschlossen, od. diese gaben ihnen förmliche Privilegien. Allein ihre Anmaßungen brachten es dahin, daß sie auf den Reichstagen zu Worms (1231 u. 1233) u. zu Ravenna (1232) ganz aufgehoben wurden. Dennoch wurden um dieselbe Zeit den Städten der Mark Brandenburg Innungsbriefe gegeben, u. so wechselten Jahrhunderte hindurch die. Entscheidungen für u. wider, bis in die Mitte des 14. Jahrh., von wo an die Zünfte wieder zu steigendem Ansehen gelangten. Bes. gewannen sie in Flandern große Macht, u. der Genter Bierbrauer Philipp von Artevelle führte 80,000 Mann gegen den Grafen von Flandern u. König von Frankreich. Viel gewannen die Zünfte durch die allmälige Ausbildung einer eigenen Zunftgerichtsbarkeit, welche ihre Mitglieder in niederen Streitigkeiten u. Polizeisachen vor eigene aus den Zunftmitgliedern gebildete Zunftgerichte wies. Allein darin lag auch ein Hauptgrund für ihre Ausartung, indem damit u. mit dem Streben, jeden Eindringling fern zu halten, eine Menge Mißbräuche sich verbanden, gegen welche mehrere Reichsgesetze von 1551, 1559, 1566, 1570, 1577, 1654, 1667 etc. vergeblich auftraten. Fortdauernde Klagen, selbst größere Tumulte, bes. im Würzburgischen u. Württembergischen, der Schuhknechte in Augsburg (1726), gaben die Veranlassung zu dem Reichsschluß von 1731 wegen Abstellung der Handwerksmißbräuche, welcher 1764, 1771 u. 1772 wiederholt eingeschärft, das Übel endlich in gründlicherer Weise beseitigte. Die darin befohlene Bestellung obrigkeitlicher Aufseher, welche namentlich den Handwerksversammlungen beiwohnen sollten, war ein vorzügliches Mittel hierzu.

Eine neue Richtung für das Gewerbswesen trat aber, zunächst von Frankreich ausgehend, ein, als die Schule der Physiokraten die Zünfte als der Entwickelung des G-s nachtheilig, zu bekämpfen anfing, u. die alle Schranken durchbrechende Revolution zugleich mit dem Lehnwesen die Zunftverfassung als ein Überbleibsel des Mittelalters beseitigen zu müssen glaubte. Gewerbefreiheit wurde nun das Losungswort. Nachdem Frankreich (seit 1791) vorangegangen war, trat auch in Preußen, in Zusammenhang[320] mit den politischen Reformen, durch welche man den in Folge des Friedens von 1807 niedergeworfenen Staat wieder zu heben trachtete, völlig freie Übung des G-s für jeden Staatsangehörigen gegen Entrichtung einer Gewerbesteuer (s.u. Steuer) unter Aufhebung aller Zunftprivilegien durch die Edicte vom 23. Nov. 1810 u. 7. Sept. 1811 ein. Allein diese Aufhebung blieb doch nicht ohne Widerspruch u. manche nachtheiligen Folgen, die sich bald zeigten, schreckten andere Länder ab, diesem Beispiele zu folgen. Die Zahl der selbständigen Gewerbtreibenden wuchs zum Theil selbst durch die Niederlassung fremder eingewanderter Gesellen weit mehr als der allerdings auch zunehmende Bedarf ihrer Erzeugnisse; da nun auch zugleich die an Zahl, Ausdehnung u. Hilfsmitteln immer mehr wachsenden inländischen u. ausländischen Fabriken, unterstützt von der immer größer werdenden Leichtigkeit des Verkehrs, den Markt mit immer mehr wohlfeilen Gewerbsproducten überschwemmten u. obendrein auch Rußland, das bisher viele deutsche Waaren verbraucht hatte, seine Grenzen gegen diese immer mehr absperrte; so sanken die Preise der Gewerbserzeugnisse immer tiefer herab, u. viele Gewerbtreibende wurden in ihrer Existenz bedroht od. verarmten. Die selbständigen Gewerbtreibenden u. mit ihnen viele andere Stimmen aus höheren Lebenskreisen verlangten daher mehrfach in Folge davon u. wegen weiterer Befürchtung für die Zukunft auf den Provinziallandtagen die Aufhebung der Gewerbefreiheit. Auch die Regierung verschloß sich diesem Verlangen nicht ganz. Durch Einführung der neuen Gewerbeordnung vom 17. Jan. 1845 (m it Entschädigungsgesetz) wollte sie zunächst mindestens einen Übergangszustand zwischen der bisherigen Gewerbefreiheit u. dem geschlossenen Zunftwesen begründen; aber da diese Gewerbeordnung noch immer durchgehends auf der Gewerbefreiheit beruhte, schon bestehende Innungen zwar fernerhin bestehen ließ, auch das Entstehen neuer Innungen begünstigte, doch nirgends die Befugniß zum Betrieb eines G-s an einem Orte, wo für dasselbe eine Innung besteht, von dem Eintritte in die Innung abhängig machte u. statt der gewünschten Autonomie mit Zwangs- u. Verbietungsrechten hauptsächlich nur die schon bisher befolgten polizeilichen Grundsätze u. Anordnungen in Betreff des Gewerbewesens enthielt, so dauerten die Klagen der Handwerker fort u. wurden in u. außer Preußen immer lauter. Den ersten Versuch, diesen Klagen ein Ziel zu setzen, machte im Juni 1848 der norddeutsche Handwerkercongreß in Hamburg; allein die aufgeregten Elemente waren hier zu keinem friedlichen Zusammenwirken zu bringen u. man war schon zufrieden, sich in dem Beschlusse zu einigen, daß demnächst ein Allgemeiner deutscher Handwerkercongreß in Frankfurt a.M. zusammen treten solle, um der verfassunggebenden Nationalversammlung in der Ordnung der gewerblichen Verhältnisse Deutschlands zur Seite zu stehen. Die Eröffnung dieses Congresses erfolgte den 15. Juli 1848. Die Hauptarbeit war der Entwurf einer allgemeinen Handwerker- u. Gewerbeordnung für Deutschland, welchen der Congreß der Nationalversammlung zu sorgfältiger Berücksichtigung empfahl. Dieser Entwurf trug aber überall das Gepräge der Zeit u. der Verhältnisse, in denen er entstand neben dem Geiste der Selbtständigkeit, der Ordnung u. der Fürsorge für sämmtliche Innungsgenossen trat darin auch überall eine nur das Handwerkerinteresse ins Auge fassende Sorgfalt hervor; als Heilmittel gegen die Concurrenz hauptsächlich der Fabrikanten u. Kaufleute wurden, wo diese aus dem fabrik- u. maschinenreichen Auslande stammte, große Schutzzölle, u. wo sie sich in Deutschland selbst erhebe, streng geschlossene Innungen empfohlen; Gesellen sollten nur bei Meistern ihres Fachs, also nicht auch bei Fabrikanten, ihr G. ausüben dürfen, der selbständige Betrieb eines technischen G-s sollte vom Beitritte zur Innung abhängen; es sollte festgesetzt werden, wie viel Gesellen höchstens ein Meister haben dürfe; Fabriken u. große G. sollten zu Gunsten der kleinen G. besteuert u. deren Betrieb, sobald die Fabrikate mit Handwerksartikeln concurriren, beschränkt werden; an Insassen der Zucht- u. Arbeitshäuser sollte fortan nicht mehr Arbeit der Handwerker gegeben werden u. dgl. Kurz, es sollten neben der Vernichtung aller bisherigen Privilegien zugleich neue Verbietungsrechte privilegirter Innungen u. neben der Verbrüderung der Nationen eine strenge Absperrung ihrer Handelsgebiete errichtet werden; mitten in dem Wettkampfe der auf allen Märkten der Welt um Absatz ringenden europäischen Industrie sollte in Deutschland fortan nur das Kleingewerbe geschützt werden, ohne Rücksicht auf die Capitalisten. Der Gewerbecongreß in Frankfurt beschloß noch in seiner letzten Sitzung die Gründung eines Organs für die Gewerbsinteressen, welches als Allgemeines Deutsches Gewerbeblatt seit October 1848 erschien; vgl. G. Schirges, Die Verhandlungen des ersten Deutschen Handels- u. Gewerbecongresses, Darmst. 1848.

Während die Frankfurter Gewerbeordnung nicht ins Leben trat, nahm in Preußen eine besondere Commission der constituirenden Nationalversammlung diese Angelegenheit in die Hand, welche auf Ergänzung u. Abänderung der neuen Gewerbeordnung antrug. Dazu sollten nun Abgeordnete der selbständigen Handwerker u. Gesellen u. Vertreter des Handels u. der Großgewerbe mitwirken; diese verhandelten zusammen vom 17. bis 31. Jan. 1849, u. eine Adresse der Deputirten an den Handelsminister brachte hierzu 15 an die Kammer zu richtende Anträge in Anregung; darunter stand eine allgemeine Gewerbeordnung, welche die Handwerker zum Beitritte zu den Innungen verpflichtete, obenan auch begehrte man zur Unterstützung der juländischen Industrie Schutzzölle; darauf folgten nun die Verordnungen vom 9. Febr. 1849, wodurch neben verschiedenen Änderungen der allgemeinen Gewerbeordnung von 1845 zur Überwachung u. Beschützung der gewerblichen Interessen auch die Errichtung von Gewerberäthen u. Gewerbegerichten angeordnet wurde. Der Gewerberath ist zu je 1/3 aus dem Handwerks-, dem Fabrik- u. dem Handelsstande zu wählen, u. zwar erhalten bei der Handwerker- u. der Fabrikabtheilung Arbeitgeber (Handwerksmeister, Fabrikinhaber) fast gleiche Vertretung, indem bei sonst völlig gleicher Mitgliederzahl nur das letzte noch zur Herstellung einer ungeraden Zahl in jeder Abtheilung erforderliche Mitglied von den Arbeitgebern zu wählen ist; sie werden sämmtlich auf vier Jahre gewählt, erneuern sich zur Hälfte alle zwei Jahre u. haben ihr Amt unentgeldlich zu verwalten; die Kosten für die laufende Geschäftsführung aber werden durch Beiträge[321] der Gewerbetreibenden des Bezirks gedeckt. Wo in Folge eines minder erheblichen gewerblichen Verkehrs ein Gewerberath nicht errichtet wird, hat die Communalbehörde die demselben zugewiesenen Angelegenheiten zu besorgen. Die Gewerberäthe sind bei allen gewerblichen Anordnungen mit ihren Ansichten u. Vorschlägen zu hören u. sollen auch nach Anhörung der Betheiligten die tägliche Arbeitszeit für die verschiedenen G., sowie auch die zu einem Handwerke gehörigen Arbeiten bestimmen. Ergänzende Bestimmungen dazu enthält die Circular-Verf. des Ministers für Handel etc. vom 22. Oct. 1850, 7. Nov. 1850, 30. Dec. 1850, 7. Januar 1851. Über die Gewerbegerichte s. unter Fabrik- u. Gewerbegerichte. Auch dem geschlossenen Zunftwesen wurde etwas näher gerückt; so verlangten die Edicte von 1810 u. 1811 nur bei 34 G-n zum Behufe ihres selbständigen Betriebes den Befähigungsnachweis, die allgemeine Gewerbeordnung von 1845 bei 42 G-n zum Behuf der Berechtigung, Lehrlinge zu halten, Aufnahme in die Innung od. das Bestehen einer besondern Befähigungsprüfung, u. die Verordnungen vom 9. Febr. 1840 (dazu Ministerialrescript u. Instruction vom 31. März 1849) bei 55 Handwerken vor Beginn ihres selbständigen Betriebes Eintritt in eine Innung od. anderweitigen Befähigungsnachweis vor einer Prüfungscommission des fraglichen Handwerks; doch kann der von der Prüfungscommission einer Innung Zurückgewiesene den Recurs an die Kreisprüfungscommission ergreifen, die unter dem Vorsitz eines Regierungscommissarius aus zwei Meistern u. zwei Gesellen besteht, welche die Regierung für jeden besondern Fall aus den Wahllisten des ganzen Kreises auswählt. Sodann ist die Zulassung zur Meisterprüfung von mehreren Bedingungen abhängig gemacht, von denen jedoch in besondern Fällen wieder abgesehen werden kann. Die Fabrikanten müssen zwar nicht zu einer Innung treten, doch werden ihnen einige Übergriffe in den handwerksmäßigen Betrieb u. einige andere Mißbräuche bei Strafe verboten; Magazininhaber dürfen den Einzelverkauf von Handwerkerwaaren nur dann betreiben, wenn sie diese entweder nicht selbst verfertigt od. die Befähigung zum Betriebe dieses Handwerks nachgewiesen haben. Endlich werden nicht allein dem Ministerium für Handel u. G., sondern auch den etwa zu errichtenden Ortsstatuten (bezüglich der Unterstützungskassen etc.) viele weitere Bestimmungen vorbehalten, wodurch diese ganze Gewerbeordnung eine gewisse Unbestimmtheit u. Dehnbarkeit erhält. Trotz aller dieser Bestimmungen bleiben auch die Verordnungen vom 9. Febr. 1849 noch bei einer gesetzlich geordneten Gewerbefreiheit stehen u. weisen den Zwang u. die Ausschließlichkeit allein berechtigter Innungen zurück. Vgl. Allgemeine Gewerbeordnung für die preußischen Staaten, Magdeb. 1852; Bergius, Die Preuß. Gewerbegesetze, Lpz. 1857.

Unter den übrigen deutschen Staaten hat zunächst in Österreich sich die Regierung vorläufig für Einführung der Gewerbefreiheit ausgesprochen. Auch im Königreich Sachsen ist eine Gewerbeordnung noch im Entstehen; ein Entwurf dazu wurde von Seiten der Regierung 1857 veröffentlicht u. der Beurtheilung der betheiligten Kreise der Bevölkerung unterbreitet, um dann, vor der Vorlage an die Ständeversammlung, in den Ministerdepartements nochmals berathen zu werden. Die sächsische Regierung erklärt sich weder für unbedingte Gewerbefreiheit, noch für Aufrechthaltung u. resp. Wiedereinführung des Zunftwesens in aller Strenge, sondern stellt sich unter Berücksichtigung der gewerblichen Verhältnisse in Sachsen die Aufgabe, bei möglichst fester, nicht freiwilliger u. auch über den größten Theil der jetzt ohne alle Organisation betriebenen Gewerbszweige auszudehnender corporativer Organisation der Gewerbtreibenden, bei thunlichst fester Regelung des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern u. Arbeitnehmern, bei möglicher Herstellung einer Selbstregierung unter den Gewerbtreibenden nach ihren eigenen Satzungen durch eigene Organe, doch anderseits die der technischen Entwickelung u. der vollkommensten u. freisten Benutzung aller technischen u. wirthschaftlichen Hülfsmittel durch, den Einzelnen entgegenstehende Schranken u. Hindernisse thunlichst zu beseitigen u. so die Freiheit mit der Gebundenheit in einer der Entwickelung der Technik u. der Concurrenz sowohl, als den Forderungen eines geregelten Staatslebens entsprechenden Weise zu vereinigen. Es soll so der organische Zusammenhang unter den einzelnen Gewerbtreibenden u. mit ihm der Stand der Gewerbtreibenden als solcher erhalten werden als ein brauchbares Element für ein tüchtiges Gemeindeleben; es sollen aber die Zünfte od. Innungen keine politische, sondern eine rein gewerbliche Bedeutung haben; es soll das Innungswesen in sofern erweitert werden, als viele bis jetzt außerhalb desselben stehende Gebiete der Gewerbsthätigkeit in dasselbe aufgenommen werden; es soll auch das Gebiet jeder einzelnen Zunft neu bestimmt werden u. zwar so, daß es die Vollendung einer Kategorie von Gebrauchsgegenständen, wenigstens in der Hauptsache, gestattet. Zugleich ist den Gewerbtreibenden eine Mitwirkung bei der entscheidenden u. strafenden Thätigkeit der Gewerbsbehörde in Aussicht gestellt durch die Einführung von Gewerbegerichten u. eine berathende Mitwirkung durch Errichtung von Gewerberäthen u. Handelskammern. Es bleibt das Aufsteigen vom Lehrling zum Gesellen u. vom Gesellen zum Meister geknüpft an das Bestehen einer Prüfung; der Wanderzwang fällt weg; es bleibt die Befugniß zur selbständigen Ausübung eines G-s bedingt durch den Eintritt in die Innung.

In Baiern wurden die G. seit Anfang dieses Jahrhunderts nach u. nach immer mehr entfesselt, indem die Regierung mit Consequenz das Concessionssystem ergriff; die Gewerbegesetzgebung vom 11. Sept. 1825 brachte keine volle u. unbeschränkte, sondern nur eine größere geregelte Gewerbefreiheit; vgl. Kleinschrod, Beiträge zu einer deutschen Gewerbeordnung, mit Rücksicht auf die baiersche Gewerbsgesetzgebung, Augsb. 1840. Am 17. Dec. 1853 wurden in Baiern neue Vollzugsvorschriften zu den gesetzlichen Grundbestimmungen über das Gewerbswesen erlassen (Nördl. 1854), durch welche ebenfalls noch keine unbeschränkte Gewerbefreiheit eingeführt wurde; nach ihnen erfordert die selbständige Ausübung eines Gewerbes eine besondere Concession; diese ist persönlich, unveräußerlich, setzt die persönliche Befähigung zum Betrieb voraus; zu letzter ist bei allen Handwerkern erforderlich die ordentliche Erlernung u. vorschriftsmäßige fünfjährige gesellenweise Ausübung des Handwerks u. das Bestehen[322] einer Fähigkeitsprobe, durch welche die wissenschaftliche u. praktische Befähigung nachzuweisen ist. Nur beim Übertritt eines schon ansässigen Gewerbsmeisters zu einem technisch nahe verwandten G. darf von der Prüfung, der Lehr- u. der Gesellenzeit abgesehen werden; ähnliches gilt von den Handelsgewerben. Bei Ertheilung der Concession ist ferner auf den Bedarf, Absatz der schon bestehenden Meister etc. Rücksicht zu nehmen. Die Innungen od. Gewerbevereine haben nur gewerbliche Bedeutung; der Beitritt zu bestehenden Innungen ist vorgeschrieben, die Bildung neuer Innungen gestattet; die Genossen eines ehemals zünftig betriebenen u. nicht freigegebenen Gewerbes sind zur Bildung von Innungen verpflichtet. In allen größeren Städten sind nach Bedürfniß Gewerb-, Fabrik- od. Handelsräthe zu bilden, jeder in der Regel aus sieben Mitgliedern, welche aus u. von ihren Genossen auf vier Jahre gewählt werden. In jedem Regierungsbezirke tritt alljährlich am 15. Jan. die Kreis-, Gewerbs- u. Handelskammer zusammen, bestehend aus den Vorsitzenden aller Gewerb-, Fabrik- u. Handelsräthe der Provinz; sie berathet u. erstattet dem Handelsministerium Bericht; für Erfindungen u. Verbesserungen können Privilegien od. Patente ertheilt werden.

In Hannover wurde am 1. Aug. 1847 eine Gewerbeordnung verkündigt, welche mit dem 1. Juli 1848 in Wirksamkeit treten sollte; b. vor dieß aber geschah, wurde sie theilweise suspendirt u. abgeändert durch das Gesetz vom 15. Juni 1848; vgl. Heinrichs, Die Gewerbeordnung für das Königreich Hannover, 2. Aufl. Hannover 1855. In Städten, in welchen eine Zunft mit Zunftzwang für ein Gewerbe nicht besteht, kann dasselbe von Jedem betrieben werden, der das 25. Jahr erreicht hat; doch ist in manchen Fällen ein Fähigkeitsnachweis (z. B. für Bauhandwerker nach der Bekanntmachung vom 7. Febr. 1850), od. eine Concession erforderlich. Zünfte können aufgehoben u. errichtet werden, letzteres jedoch mit Ausschluß des Zunftzwanges; geschlossene Zünfte dürfen nicht neu errichtet werden, auch kann das Ministerium des Innern den Gildeschluß jederzeit erweitern od. aufheben; wo Zünfte mit Zunftzwang bestehen, darf ein G. nur von Zunftgenossen betrieben werden; der zünftig aufgenommene Lehrling hat sich nach einer 3–5jährigen Lehrzeit einer Prüfung (Gesellenstück) zu unterwerfen, nach deren Bestehen er als Gesell ein Gesellenbuch erhält; nach fünf Jahren (darunter zwei Wanderjahre) kann er nach Ablegung der Meisterprüfung (Meisterstück) das Meisterrecht erlangen. In Württemberg trat die Gewerbeordnung vom 22 April 1828 mit dem 5. August 1836 als revidirte Gewerbeordnung in Kraft; am 29. Juni 1842 folgte das Gesetz über die Erfindungs- u. Einführungspatente, u. am 20. März 1851 wurde eine revidirte Instruction zur Vollziehung der allgemeinen Gewerbeordnung erlassen, vgl. Gewebeordnung für das Königreich Württemberg, Stuttg. 1851. Ob ein G. zünftig sei od. nicht, bestimmt die Gesetzgebung; der selbständige Betrieb eines zünftigen G-s setzt voraus Volljährigkeit, Meisterrecht, Bürger- od. Beisitzrecht; unzünftige G. kann Jedermann betreiben, doch ist unter Umständen die Auswirkung einer Concession, od. der Nachweis persönlicher Befähigung erforderlich; Erfindungs u. Einführungspatente sind zulässig; bei den zünftigen G-n wird der Lehrling durch Bestehen einer theoretischen u. praktischen Prüfung Gesell; Wanderjahre sind durch das Gesetz nicht vorgeschrieben; die Meisterprüfung erstreckt sich auch auf Theorie u. Praxis; bei einigen zünftigen G-n kann der Nachweis der persönlichen Befähigung auch durch den schriftlichen Ausweis über eine dem Gesetz entsprechende Vorbereitung geliefert werden; jeder Meister einer Zunft kann gleichzeitig auch andern Zünften als Meister angehören, od. gleichzeitig unzünftige G. treiben, od. auch Personen, welche nicht zu einem selbständigen Geschäftsbetriebe berechtigt sind, als Theilnehmer an seinem Geschäftsbetriebe aufnehmen. Im Octbr. 1851 wurde auch in Bremen eine neue Gewerbeordnung publicirt, durch welche namentlich die Aufnahme in die Innungen wesentlich erleichtert wird.

So dauert das Schwanken zwischen Zunftverfassung u. Gewerbefreiheit bis in die neueste Gegenwart fort. Auch mehrere Versammlungen, welche erst in neuester Zeit wieder theils von Nationalökonomen, theils von Gewerbtreibenden Statt gefunden haben, wie z.B. 1858 der volkswirthschaftliche Congreß zu Gotha, haben dies Schwanken zu erkennen gegeben, indem sie sich in sehr verschiedenem Sinne bald für Fortdauer der Zünfte, bald dagegen ausgesprochen haben. Als ein sehr empfehlenswerthes Mittel zur Hebung u. Förderung des Gewerbfleißes hat man aber überall die Errichtung von Gewerbevereinen u. Gewerbehallen erkannt. Die Gewerbevereine sind Verbindungen von allerhand Gewerbetreibenden u. Freunden des gewerblichen Fortschrittes zur Hebung u. Förderung des Gewerbefleißes. Die Mittel, welche sie hierzu anwenden, sind: Versammlungen der Mitglieder od. der für einzelne Zweige des Gewerbewesens ernannten Ausschüsse od. Abtheilungen, wobei technische Vorträge, Mittheilungen über neue Erfindungen u. Verbesserungen, Prüfung u. Erörterung zu ertheilender Gutachten über gewerbliche Fragen Hauptverhandlungsgegenstände bilden; ferner Beschaffung der gewerblichen Literatur in derjenigen Reichhaltigkeit, wie es den Einzelnen nicht möglich sein würde, u. zwar der neuesten Werke über die verschiedenen Zweige des Gewerbewesens u. der verschiedenen technischen Zeitschriften. Hierzu kommt wohl auch noch die Herausgabe einer belehrenden Zeitschrift gewerblichen Inhaltes, worin die wissenschaftlichen Ergebnisse der Vereinsthätigkeit niedergelegt u. veröffentlicht werden; ferner Veranstaltung von Industrie- u. Gewerbeausstellungen, oft mit Vertheilung von Preisen u. anderen Aufmunterungen verbunden; Gründung u. Unterhaltung von Sonntagsschulen, um auch unter den heranwachsenden Gewerbetreibenden wissenschaftliche Bildung zu verbreiten; endlich wissenschaftlicher Verkehr u. Austausch der Zeitschriften u. gewonnenen Resultate mit anderen Vereinen, welche eine ähnliche Tendenz verfolgen. Die meisten Gewerbevereine sind von den Staatsbehörden ausdrücklich od. stilschweigend anerkannt, u. viele genießen ihrer Gemeinnützigkeit wegen aus öffentlichen Mitteln regelmäßige Unterstützungen, werden aber auch dafür oft für allerhand technische Begutachtungen in Anspruch genommen. In größeren Staaten stehen die einzelnen Gewerbevereine bisweilen in einem bestimmten, Verhältnisse der Neben- u. Unterordnung[323] zu einander. Übrigens führen diese gewerblichen Vereine durchaus nicht alle dieselben Namen, u. an vielen Orten dehnen sich ihre Bestrebungen auch auf andere verwandte Zwecke, z.B. auf Landwirthschaft, Handel, Kunst u. Cultur aus. So hat Berlin seinen Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, obgleich deren auch noch in vielen anderen preußischen Städten, z.B. in Breslau, Köln, Königsberg etc. bestehen; Wien den Niederösterreichischen Gewerbeverein, Hannover den Gewerbeverein für das Königreich Hannover, München den Polytechnischen Verein für das Königreich Baiern (außer welchem aber auch noch in vielen anderen baierischen Städten, z.B. in Augsburg u. in Würzburg, ein Polytechnischer Verein besteht), Dresden einen Gewerbeverein (seit 1824), Stuttgart die Gesellschaft zur Beförderung nützlicher Künste u. deren Hülfswissenschaften. In kleineren Städten, z.B. in Altenburg, das einen Kunst- u. Handwerksverein besitzt, u. in Koburg, wo ein Kunst-, Industrie- u. Gewerbeverein besteht, hat man dem Gewerbefleiß oft die Kunst beigesellt, während die größeren Städte gewöhnlich getrennte Kunstvereine besitzen. In München entstand ein Verein zur Ausbildung der Gewerke durch das Zusammenwirken von Künstlern, welche Zeichnungen für geschmackvolle u. doch wohlfeile Gewerbegegenstände liefern, u. von Gewerbetreibenden, welche diese Entwürfe praktisch ausführen. Zu den gewerblichen Vereinen kamen später auch sogenannte Handwerkervereine u. seit 1848 auch noch Arbeitervereine hinzu. Die Handwerkervereine waren größtentheils die Folge der Opposition des bisweilen etwas hintangesetzten Kleingewerbes gegen das Vorherrschen des technischen Gelehrtenwesens u. der Fabrikantenaristokratie; die Arbeitervereine (s.d.) aber streiften mehr od. weniger in das Gebiet der Politik hinüber u. wollten die anstrengende Handarbeit durch staatliche Umgestaltungen von der Herrschaft des Capitals, der Büreaukratie u. Intelligenz emancipiren. Mit diesem ganz außerhalb des G-s liegenden Zwecke erregten sie aber manche Besorgnisse der Regierungen, welche endlich zu einem Verbote derselben durch den Bundesbeschluß vom 13. Juli 1854 führten.

Gewerbehallen sind gemeinschaftliche Verkaufsanstalten für allerhand Gewerbeerzeugnisse. Um nämlich den producirenden gewerblichen Mittelstand vor dem drohenden Untergange zu schützen u. geschickten, arbeitslustigen, aber wenig bemittelten Gewerbtreibenden Gelegenheit, u. verschaffen, ihre Erzeugnisse leichter gegen baare Bezahlung abzusetzen, errichteten die Gewerbevereine od. die öffentlichen Behörden, vorzüglich in den vielbesuchten Städten am Rhein u. Main (Mainz, Manheim, Darmstadt, Worms, Wiesbaden, Köln, Frankfurt, Offenbach, Würzburg etc.), nach dem Vorgange von Mainz (1841) solche Gewerbehallen u. setzten damit wohl auch, wie in Würzburg, eine durch Staatsunterstützung begründete Vorschußkasse in Verbindung. Zugleich sollten dieselben gleich den Gewerbeausstellungen den Theilnehmern ein praktisches Anregungs- u. Fortbildungsmittel werden u. den durch die Schnelligkeit des Eisenbahnverkehrs immer mehr bedrohten Mittelstädten Schutz u. Gegengewicht gegen die erdrückende Concurrenz der Großstädte u. ihrer Großgewerbe gewähren. Unter den Gewerbetreibenden, welche die Gewerbehallen bes. benutzten, stehen die Tischler an den meisten Orten in erster Linie; dann kommen die Sattler, die Buchbinder u. Portefeuillearbeiter, die Drechsler, Kammmacher, Klempner, Schlosser etc. In allen herrschen feste Preise, u. ihre besoldeten Angestellten bestehen meistens in einem Geschäftsführer (Buchhalter) u. in einem Diener, denen gewöhnlich zunächst ein Verwaltungsausschuß des Gewerbevereins u. ein diesem angehöriger Inspector vorgesetzt ist. Die Unterhaltungskosten werden durch festgesetzte Procentabzüge von dem Erlös der darin verkauften Gegenstände gedeckt. Die meisten Gewerbehallen nehmen nur Arbeiten, die in der Stadt selbst, viele sogar nur solche Gewerbeproducte auf, welche von Gewerbevereinsmitgliedern gefertigt worden sind; einige dehnen die Zulaßbarkeit der Gewerbeproducte auf das ganze Land aus.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 319-324.
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Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

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