[842] Bier (hierzu Tafel »Bierbrauerei« mit Text), gegornes und noch in schwacher Nachgärung befindliches alkoholisches Getränk, das aus Getreide (meist aus Gerste), Hopfen und Wasser, oft unter Benutzung von Surrogaten, bereitet wird.
Das hauptsächlichste Rohmaterial der Bierbrauerei ist die Gerste, die durch einen unterbrochenen Keimprozeß zunächst in Malz verwandelt wird. Von andern Getreidearten benutzt man besonders zur Bereitung mancher Lokalbiere Weizen, Mais und Reis (beide ungemalzt als Rohfrucht), seltener Spelz, Einkorn, Roggen und Hafer, und da es sich bei diesen Materialien hauptsächlich um Stärkemehl handelt, ras bei der Bierfabrikation in Zucker verwandelt wird, so verwendet man als Surrogate des Getreides auch Kartoffeln, Stärkemehl, Stärkezucker (oft 331/3 Proz. vom Braumalz; 1 Ztr. Stärkezucker ersetzt 3 Ztr. Malz), Rohrzucker, Sirup und Glyzerin. Gerste eignet sich am besten zur Bierbereitung, weil ihr Stärkemehlgehalt am wenigsten schwankt; sie liefert leichter als andre Getreidearten gutes Malz, und dieses besitzt höhere zuckerbildende Kraft; ihre Spelzen erleichtern überdies die Gewinnung eines klaren Auszugs. Der Brauer sucht ein feinschaliges Korn (gute Gerste enthält 1012 Proz. Spelzen) mit hohem Hektolitergewicht (6372 kg) und mehligem (nicht glasigem) Bruch, wie es auf nicht frisch gedüngtem, leichterm Boden wächst; starke Düngung, besonders mit Schafmist oder Pferch, erhöht den Stickstoffgehalt in nachteiliger Weise. Man bevorzugt die Sorten der zweizeiligen nickenden Gerste, weil sie am sichersten gedeiht, daher am gleichmäßigsten wächst, und weil sich aus gleichem Volumen derselben mehr B. von derselben Qualität erzielen läßt als aus andern Sorten. Man benennt die Gerste im Handel aber ohne Unterscheidung der Sorten nach den Anbaugegenden. Nom Weizen bevorzugt man den dünnschaligen, hellen, mehlreichen. Braugerste enthält in 100 Teilen:
Das Wasser, das der Brauer zum Einweichen des Getreides und zum Maischen braucht, soll den Anforderungen entsprechen, die man an gutes Trinkwasser stellt; doch kann auch Wasser, das nach der chemischen und bakteriologischen Untersuchung zum Genuß wenig tauglich ist, als Brauwasser noch verwendbar sein oder verwendbar gemacht werden.
Die Gerste wird durch einen unterbrochenen Keimprozeß in Malz (s. d.) verwandelt. Dieses kommt für einige Biere nur getrocknet als Luftmalz, für die meisten aber stärker erhitzt als Darrmalz zur Verwendung. Letzteres ist je nach der Temperatur, bis zu der es erhitzt wurde, gelb, bernsteingelb oder braun; doch wird auch dunkel kaffeebraun geröstetes Mal; (Farbmalz) zum Färben dunkler Biere benutzt. Bei der Malzbereitung bildet sich aus einem Teil der eiweißartigen Körper des Getreidekorns ein Enzym, die Diastase, welche Stärkemehl in Dextrin und Zucker verwandelt. Diese Verzuckerung erfolgt am energischsten zwischen 60 und 75°, bei höherer Temperatur verliert dagegen die Diastase ihre Wirkung vollständig. Neben der Diastase entsteht bei der Malzbildung noch ein Enzym, die Peptase, welche Eiweißkörper in Peptone und ähnliche Körper umwandelt. Letztere bleiben im B. und bedingen neben andern Bestandteilen die nährenden Eigenschaften desselben. 100 kg Gerste geben 140 (135148) kg frisches Grünmalz, 76 (73 bis 78) kg frisches geputztes Darrmalz.
Die Vorgänge bei der Malzbereitung stellen sich in folgender Weise dar, wenn man auf 100 kg trockne Gerste 88,81 kg trocknes Malz rechnet:
Beim Darren des Malzes wird, solange es noch feucht ist, der Zuckergehalt erhöht, dagegen enthält Darrmalz kein Dextrin, der Gehalt an löslichen Stickstoffverbindungen nimmt ab, und es entstehen aromatische Substanzen. die den Geschmack und die Haltbarkeit des Bieres beeinflussen. Durch die Art des Darrens wird der Gang des Brauprozesses wesentlich beeinflußt, und der Charakter des Bieres ist in erster Linie davon abhängig. Für lichtes weiniges B. muß[842] das Malz bei niedriger Temperatur schnell getrocknet werden, ehe es stärker erwärmt wird, für dunkles, süßes, vollmundiges B. muß man den Keimungsprozeß weit vorschreiten lassen, das Malz langsam trocknen und stärker erhitzen, solange es noch hinreichend Feuchtigkeit enthält. Die in dem Malz enthaltene Diastase vermag die zehnfache Menge des in demselben vorhandenen Stärkemehls in Dextrin und Zucker zu verwandeln, und hierauf beruht die Möglichkeit, neben Malz noch ungemälztes Getreide, Kartoffeln und Stärkemehl zu verarbeiten; doch sind die mit den beiden letztern Materialien hergestellten Biere stets ärmer an Eiweißkörpern u. Phosphorsäuresalzen und mithin weniger nahrhaft als reine Malzbiere.
Aus dem Malz wird durch den Maischprozeß die Würze hergestellt. Zur Vorbereitung wird das Malz geschroten oder zwischen Walzen zerquetscht, so daß zwar der mehlige Kern zerdrückt, die Hülfe aber nicht völlig zerrieben wird und eine lockere Masse entsteht, die vom Wasser leicht durchdrungen wird, und von der die Würze rasch und rein abläuft. Dies zerkleinerte Malz wird in Vormaischapparaten mit Wasser befeuchtet oder eingeteigt. Der Brei fließt in den Maischbottich und wird hier mit Hilfe von Maischmaschinen mit Wasser weiter vermischt. Beim Maischprozeß bildet die Diastase aus dem Stärkemehl Dextrine, Maltodextrine und Maltose, aus den Eiweißkörpern entstehen durch Einwirkung der Peptase nicht koagulierbare Körper wie Albumosen, Peptone, Amide. Diese Prozesse sind abhängig von der Temperatur. Bei Temperaturen unter 62° entstehen namentlich Maltose und niedrige Maltodextrine, bei höhern Temperaturen höhere Maltodextrine und Dextrine. Diese Körper verhalten sich verschieden bei der Vergärung und bedingen die Haltbarkeit, die Klärung, den Geschmack, die Schaumhaltung des Bieres. Wird die Maische in einzelnen Teilen gekocht, so wird das Malz besser ausgenutzt und die Vollmundigkeit des Bieres verbessert, Eiweißkörper werden zum Gerinnen gebracht und ausgeschieden, ein Teil der Fermente wird zerstört und dadurch der Umwandlungsprozeß der Stärke und der Eiweißkörper eingeschränkt. Auch beeinflußt das Kochen den Geschmack des Bieres. Die Operationen im Sudhause, durch die aus einem auf einmal eingemaischten Malzquantum (Schüttung) eine gewisse Menge Würze erzeugt wird, nennt man Gebräu (Sud).
Je nach der Art und Weise, wie das zerkleinerte Malz mit Wasser gemischt und auf die günstigste Maischtemperatur gebracht wird, unterscheidet man verschiedene Braumethoden. Nach der Infusionsmethode, die in den Vereinigten Staaten, in England, Belgien, Frankreich, wenig in Deutschland gebräuchlich ist, wird das Malz mit Wasser von etwa 75° eingeteigt, nach einiger Zeit durch Zufluß von heißem Wasser wieder auf die Maischtemperatur gebracht und nach etwa einer Stunde, wenn die Umwandlung der Stärke hinreichend vorgeschritten ist, die Würze abgezapft, der zweite Ausguß darauf gebracht, nach 1/2-1 Stunde wiederum die Würze gezogen und so auch noch ein dritter Ausguß gewonnen. Die drei Aufgüsse werden entweder vermischt, oder man bereitet aus dem dritten (auch wohl vierten) schwächeres, Kofentbier, oder aus dem ersten und einem Teil des zweiten ein stärkeres Luxusbier (März-, Doppelbier) etc. Das Infusionsverfahren gewährt bedeutende Ersparnis an Brennstoff, Zeit und Arbeit. Es liefert eine an gelösten und leicht veränderlichen eiweißartigen Stoffen reiche Würze, die aber leicht sauer wird. Diese Gefahr ist geringer bei Bereitung sehr starker Biere und bei Anwendung von Darrmalz zu Braunbieren als von Luftmalz zu Weißbieren. Die Würze ist sehr vergärungsfähig, und mittelstarke Biere werden daher leicht weinartig. Manche Biere, wie das Berliner Weißbier, verdanken ihre Eigentümlichkeit z. T. der Milchsäurebildung in der nach dem Infusionsverfahren hergestellten Würze, und solche Biere, die schon wenige Tage nach der Bereitung trinkbar sein sollen, können kaum anders gewonnen werden.
Nach dem Dekoktionsverfahren (Kochverfahren), bei welchem man früher das Wiener, bayrische und böhmische Verfahren unterschied, wird mit kaltem Wasser eingeteigt und mit heißem zugebrüht oder gleich mit warmem Wasser eingeteigt, so daß die Maische 3537° zeigt. Dann werden von der Maische nacheinander 3 Teile (Maischen) gekocht (für lichtes B. 1020 Minuten, für dunkles 45 Minuten). Nach dem Zurückpumpen der ersten gekochten Maische in den Maischbottich steigt die Temperatur hier auf etwa 50°, nach der zweiten Musche auf 62°. Die beiden ersten Maischen sind Dickmaischen mit viel Malzschrot. Die dritte Maische wird bisweilen als Lautermaische vom Malzschrot abgezogen; sie erhöht nach dem Kochen die Temperatur der Gesamtmaische auf 75°. In Bohmen, Österreich und Deutschland bedient man sich des Dekoktionsverfahrens, besonders jenes mit drei Maischen, gegenwärtig so, daß ein Unterschied kaum noch besteht. Das moderne B. wird gewöhnlich nach diesem Verfahren erzeugt.
Bei dem Brauen auf Satz, das in Augsburg. Ansbach, Erlangen, Nürnberg, Kulmbach, Kitzingen gebräuchlich war und bei kleinerm Betrieb ein feineres Produkt liefern soll, bereitete man einen Malzauszug mit kaltem, dann einen zweiten mit heißem Wasser, erhitzte beide zum Sieden und brachte sie in den Maischbottich zurück. Die nun abgezogene Würze wurde längere Zeit gekocht, abermals in den Maischbottich gebracht etc.
Da die im Malz enthaltene Diastase bedeutend mehr Stärkemehl zu verzuckern vermag, als im Malz vorhanden ist, kann man neben Malz noch rohes Getreide (Reis, Mais) oder gewisse andre stärkemehlhaltige Substanzen anwenden. Die Fabrikation wird dadurch aber erschwert, die Hefe artet in Rohfruchtmalzwürzen leicht aus, das B. wird weniger haltbar und der Geschmack verändert. Der Mais bedarf mechanischer Vorbereitung, um ihn aufzuschließen und die fettreichen Keime abzuscheiden. Der Reis wird geschroten und gekocht oder gedämpft und der Malzmaische zugesetzt. Reisbier ist licht, von sehr guter Schaumhaltung und Kohlensäurebindung und uns im Geschmack viel weniger fremdartig als Maisbier. Auch zerriebene und ausgelaugte Kartoffeln oder Kartoffelstärkemehl hat man mit schwach gedarrtem Malz verarbeitet und daraus ein sich schnell klärendes, haltbares B. gewonnen.
Nach Vollendung des Maischprozesses (dem Abmaischen) wird die Maische in den Läuterbottich gebracht und nachdem sich die Rückstände des Malzes abgesetzt haben, die Würze (Vorderwürze) abgezogen und in die Würzepfanne gebracht. Auf den Trebern findet sich nach dem Abfließen der Würze eine graue, schmierige, hauptsächlich aus geronnenen Eiweißkörpern bestehende Masse (Oberteig, Bierteig), die als Viehfutter verwertbar, auch zum Brotbacken empfohlen worden ist. Um die Treber auszulaugen, werden[843] sie mittels einer Maschine mit heißem Wasser (Nachguß) gemischt (das Anschwänzen) und auf diese Weise eine zweite, dritte, auch vierte Würze (Nachwürze) gewonnen. Die letzte Würze heißt Glattwasser. Über die weitere Behandlung der Treber s. d. Gewöhnlich werden Vorder- und Nachwürzen gemischt, doch bereitet man auch aus der Vorderwürze ein stärkeres, besseres, aus der Nachwürze ein leichtes, billiges B. (Dünnbier, Scheps, Hans la). Die Würze ist bräunlich, riecht angenehm, schmeckt süßlich und reagiert schwach sauer. Sie enthält die im Malz löslich gewesenen und durch den Maischprozeß löslich gewordenen Teile des Malzes. Dieser Extraktgehalt beträgt bei den Würzen zu Ale und Porter 1630 Proz. Balling und mehr, bei den österreichischen und deutschen Bieren 10 und 14,5 Proz., bei Exportbieren mehr. Der Gehalt an Eiweißkörpern macht die Würze leicht veränderlich und besonders geneigt, sauer zu werden. Wollte man sie ohne weiteres in Gärung versetzen, so würde sie wenig haltbares B. liefern; man kocht sie daher und fügt Hopfen hinzu; durch die Siedetemperatur und die Gerbsäure des Hopfens werden Eiweißkörper gefällt, die Diastase wird völlig zerstört und in der Würze enthaltene Mikroorganismen werden getötet. Dabei wird die Würze konzentrierter, dunkler und weniger vergärungsfähig und nimmt Bitterstoff, Hopfengerbsäure, Harze, ätherisches Öl aus dem Hopfen auf. Die Art des Hopfenhaltens, d. h. die Anwendung des Hopfens, unterliegt großen Schwankungen. Lichte Biere, die wegen Verwendung schwach gedarrten Malzes weinig schmecken, werden, auch um ihre Schaumhaltung zu verbessern, stark gehopft, während Biere aus hoch gedarrtem Malz schwach zu hopsen sind, um das Malzaroma nicht zu beeinträchtigen. Auch Biere, die lange lagern sollen, erhalten mehr Hopfen als kurzlagernde. In Weihenstephan rechnet man auf 50 kg Malz 620 g Hopfen für Winterbier und 750990 g für Sommerbier. Gewöhnlich teilt man den Hopfen in 2 Portionen und kocht die erste 2 Stunden, die zweite (frischen, bessern Hopfen) 111/2 Stunde. Der ausgekochte, mittels des Hopfenseihers von der Würze getrennte Hopfen wird leicht ausgewaschen, auch gepreßt, um die eingeschlossene Würze zu gewinnen, dann zur Kompostbereitung benutzt oder verbrannt, auch hat man ihn als Futtermittel empfohlen. Die Dauer eines Gebräus vom Beginn des Einteigens bis zur Beendigung des Hopfensudes beträgt etwa 10 Stunden. In Deutschland wird meist noch über direktem Feuer gekocht, weil man durch Dampfkochung eine Änderung des Biergeschmacks fürchtet. Anderseits werden die Vorteile der Dampfkochung hervorgehoben, und zahlreiche Untersuchungen haben festgestellt, daß man durch Dampfkochung Biere von gleicher Beschaffenheit wie bei Anwendung direkter Feuerung erhalten kann. Man kocht in der Regel in geschlossener Pfanne mit geringem Dampfdruck. Bei Feuerkochung rechnet man für 1 hl Würze im Durchschnitt 10,3 kg mittelgute Steinkohle oder 16 kg gute Braunkohle, bei Dampfkochung 6 kg Kohle.
Die gekochte und mittels des Hopfenseihers vom Hopfen getrennte Würze wird möglichst schnell auf die Gärungstemperatur abgekühlt, weil bei einer Temperatur zwischen 25 und 30° ungemein leicht Säuerung eintritt. Infolge der Verbesserung der Kühlvorrichtungen ist gegenwärtig die Herstellung haltbarer Lagerbiere in ausgedehnterm Maße möglich als früher. Man benutzt zum Kühlen meist große, sehr flache eiserne Gefäße, Kühlschiffe, in denen die Würze nur etwa 3 cm hoch steht und anfangs durch Krücken oder Rührvorrichtungen in Bewegung gesetzt wird. Während der Abkühlung findet eine Konzentration der Würze statt, auch wirkt der Sauerstoff der Luft auf gewisse Bestandteile der Würze ein, von denen manche unlöslich, andre löslich werden. Zugleich wird Sauerstoff absorbiert, der für die Entwickelung der Hefe bei der Gärung unentbehrlich ist. Während der Abkühlung scheidet sich das Kühlgeläger (Biergallen, Schifftrüb) ab, das aus eiweißartigen Stoffen, z. T. in Verbindung mit Gerbsäure, besteht, auch wohl harzige Substanzen, Trümmer von Hopfen und Gerstenhülfen enthält. Es wird auf Filtrierbeutel gebracht, um die darin enthaltene Würze zu gewinnen, den Rückstand verwertet man als Viehfutter oder in Brennereien. Auf der innern Wandung des Kühlschiffes bildet sich eine festhaftende grünliche oder braune kalkreiche Kruste (Bierstein), die die Reinhaltung des Kühlschiffes begünstigt. Ein Nachteil der Würzekühlung auf Kühlschiffen ist die Infektionsgefahr durch Bakterien und wilde Hefen, die aus der Luft in die Würze gelangen. Auch ist der Brauer durch die Kühlschiffe von der Jahreszeit abhängig, während die neuen Kühlapparate stets gleich gut funktionieren. Sie müssen aber die Abscheidung des Kühlgelägers und die Aufnahme von Sauerstoff gestatten. Um hierbei die Infektion zu vermeiden, wird die zuzuführende Luft erhitzt, filtriert oder gewaschen. Beschreibung und Abbildung der bei der Bierbereitung benutzten Apparate s. beifolgende Tafel.
Die vom Kühlgeläger klar abgezogene Würze wird nun in Gärung versetzt, durch die ein Teil des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure zerfällt. Im Gegensatze zur Spiritusfabrikation wird bei der Bierbrauerei vollständige Vergärung der Würze sorgfältig vermieden. Wie weit die Gärung getrieben wird, hängt von der Natur der Würze und von der Beschaffenheit des zu erzielenden Bieres ab. Durch niedrige Temperatur, Beschränkung der Hefe, starkes Darren des Malzes, langes Kochen der Würze mit viel Hopfen läßt sich die Gärung verzögern und die Haltbarkeit des Bieres erhöhen. Bleibt die Würze bei geeigneter Temperatur stehen, so gerät sie durch aus der Luft hineinfallende Hefe in Gärung (Selbstgärung zur Darstellung von Faro und Lambik in Belgien), gewöhnlich wird sie aber durch Zusatz von Hefe, die von einer gleichartigen Gärung stammt, in Gärung versetzt. Im allgemeinen begünstigt Wärme die Gärung, und die bei hoher Temperatur, also bei stürmischer Gärung neugebildete Hefe, die sich an der Oberfläche der Würze sammelt (Oberhefe), erregt auch wieder eine schnellere Zersetzung in einer neuen Portion Würze als die bei niederer Temperatur gebildete Hefe, die sich am Boden des Gefäßes ablagert (Unterhefe). Danach unterscheidet man auch Ober- und Untergärung und wendet letztere namentlich bei Würzen an, die ein haltbares B. (Lagerbier) liefern sollen. Solches B. wird erst nach längerer Zeit trinkbar, kann nur im Winter oder in künstlich gekühlten Räumen gebraut werden, läßt sich aber auch längere Zeit aufbewahren. Brauereien für untergärige Biere bedürfen daher guter Gärkeller, die sich genügend kalt erhalten, ventilieren lassen. Zum Absaugen der unreinen mit Kohlensäure geschwängerten Luft benutzt man Körtingsche Gebläse und Exhaustoren, zur Kühlung werden Vorräte von natürlichem Eis aufgespeichert oder Kältemaschinen in Betrieb gesetzt. Die meisten Biere sind gegenwärtig untergärige. Die Obergärung liefert bald trinkbare,[844] wenig haltbare Biere und fordert Würzen, die schon durch teilweise Zersetzung des Zuckers hinreichend Alkohol liefern; sie wird aber auch angewendet bei Würzen, die infolge großer Konzentration, längern Kochens, Benutzung von stark gedörrtem Malz etc. weniger leicht zersetzbar sind, wie z. B. die Würze zum Porterbier. Der Gärungsprozeß selbst verläuft in drei Stadien. Die bald nach dem Zugießen der Hefe beginnende Hauptgärung (wilde oder rasche Gärung) kennzeichnet sich durch Erhöhung der Temperatur und Schaumbildung auf der Oberfläche der durch neugebildete Hefe getrübten Würze, der größte Teil des Zuckers zerfällt in Alkohol und Kohlensäure, ein Teil der stickstoffhaltigen Substanzen wird zur Bildung neuer Hefe verbraucht, und das in der Würze enthaltene Hopfenharz wird abgeschieden. Bei der dann folgenden Nachgärung schreitet die Zersetzung des Zuckers und die Hefenbildung wohl noch fort, aber gleichzeitig klärt sich das B., es wird reif, trinkbar und unterliegt nun der stillen Gärung, bei der noch vorhandener Zucker langsam zersetzt, also auch fortwährend noch Kohlensäure gebildet wird, die das B. moussierend macht und ihm den erfrischenden Geschmack verleiht. Einen großen Fortschritt in der Gärungstechnik bezeichnet die Hefereinkultur (s. Hefe).
Die Gärbottiche bestehen aus Holz, das innen mit einer Glasur überzogen oder mit Paraffin imprägniert wird, auch wohl aus emailliertem Eisen oder Schieferplatten und fassen meist 2530 hl (dazu 1520 Proz. Steigraum). Für untergärige Biere stellt man die Würze im allgemeinen bei 57° mit Hefe an (das Zeuggeben). Lichte Biere gärt man im allgemeinen kälter. Die Maximaltemperatur während der Gärung beträgt bei böhmischem B. 7,59°, bei Wiener B. 7,58°, bei bayrischem B. 10°. Kann man diese Temperaturen nicht durch allgemeine Kühlung des Gärraumes einhalten, so kühlt man die Würze durch hineingesenkte metallene, mit Eis gefüllte Schwimmer, besser durch Taschenkühler, in denen eiskaltes Wasser zirkuliert. Etwa 12 Stunden nach Zugabe der Hefe zeigt sich ein leichter, weißer Rahm, und nach weitern 12 Stunden erscheint die Oberfläche der Würze unter stärkerer Schaumbildung gezackt und gekräuselt (niedere Kräusen). Im weitern Verlauf wird der Schaum lockerer, hebt (hohe Kräusen) und bräunt sich. Schließlich fällt der Schaum zusammen, die Würze ist mit einer zähen, ziemlich konsistenten, braunen Masse bedeckt. Die Temperatur, die in den ersten Stadien der Gärung gestiegen war, sinkt wieder, und nach 714 Tagen ist die Hauptgärung beendet. Das Jungbier besitzt infolge der Zersetzung des Zuckers, der Bildung des Alkohols und der Ausscheidung gewisser Stoffe ein geringeres spezifisches Gewicht als die Würze. Lange gekochte und stark gehopfte Würzen aus stark gedarrtem Malz verlieren durch die Hauptgärung etwa die Hälfte, die vergärungsfähigern Biere bis zwei Drittel ihrer Saccharometerprozente. Neben Alkohol und Kohlensäure entstehen bei der Gärung stets auch etwas Bernsteinsäure und Glyzerin.
Das Jungbier wird auf Fässer gebracht, die auf der Innenseite mit Pech oder Faßglasur überzogen sind, weil der dünne Harzüberzug größere Reinlichkeit sichert, das B. vor nachteiligen äußern Einflüssen schützt und die weitere Zersetzung verzögert. Die Lagerkeller müssen kalt (12°) und trocken sein, um die Nachgärung zu verzögern und die Kohlensäure im B. zurückzuhalten. Ist die Nachgärung vollendet, und erscheint das B. hell und blank, so kann man die Fässer verspunden, die weiter sich entwickelnde Kohlensäure bleibt dann im B. aufgelöst, und nach 814 Tagen ist es trinkbar. Bisweilen vermischt man das B. beim Abziehen auf die Transport- oder Schenkfässer mit 610 Proz. Kräusenbier und gibt es ungespundet an die Wirte ab, die es einige Tage offen lagern lassen, bis die neugebildete Hefe vollkommen abgesetzt ist, und dann 46 Tage vor dem Ausschenken spunden. Diesem Verfahren verdankt das B. seine Milde und Süssigkeit. Trübe Biere klärt man mit Hilfe von etwa 2 mm dicken Spänen aus Haselnuß oder Buchenholz, die vorher gut ausgekocht und gewaschen worden sind und nach jedesmaliger Benutzung durch Ausdämpfen wieder gereinigt werden. Sie nehmen rein mechanisch im B. suspendierte Stoffe auf und wirken ähnlich wie Schwämme oder Klärsteine. Auch Gelatine (und Hausenblase) wird zum Klären benutzt. Vorteilhafter aber ist das Filtrieren durch Papierbrei, Holzstoff oder Mischungen von diesem mit Baumwolle, Asbest etc. Bei Herstellung der Exportbiere muß allen Faktoren, die auf die Haltbarkeit des Bieres Einfluß haben, erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Man braut Exportbiere selten unter 13, meist mit 14,515,5 Proz. ein (die stark gehopften Pilsener Lagerbiere sind nur 12,5 prozentig). Bei der Abfüllung auf (dunkelbraune, nicht lichtgrüne, weil das Licht das B. verdirbt) Flaschen ist größte Reinlichkeit notwendig, und wenn mit Luftdruck abgezogen wird, muß die Luft filtriert oder gewaschen werden. Auch dem Verkorken ist größte Sorgfalt zu widmen.
Die Obergärung verläuft bei 1020° viel schneller als die Untergärung und liefert schon wenige Tage nach dem Brauen trinkbares B. Die obergärigen Lagerbiere läßt man ganz oder bis zu einem gewissen Zeitpunkt in Bottichen gären, während man sonst, namentlich bei obergärigen Lokalbieren, die Würze sogleich in kleinere Fässer verteilt. Nach der Hauptgärung wird das B. auf die Lagerfässer gebracht, die man mit dem Spund längere Zeit lose bedeckt hält, allmählich fester verschließt und endlich wie beim untergärigen B. spundet. Sind die Biere für sofortigen Verbrauch bestimmt, so füllt man die gärende Würze, sobald sie rahmt, auf Fässer, aus deren Spund die abgeschiedene Hefe beständig ausgestoßen wird. Die Fässer werden täglich ein- bis zweimal ausgefüllt, damit sich die Hefe rein absondere; aber nach 12 Tagen ist die Gärung bereits vollendet, und das B. wird oft in denselben Fässern versandt. Die Abnehmer lasien es noch 23 Tage offen liegen, füllen es dann auf gut zu verkorkende Flaschen und können es schon nach 23 Tagen ausschenken. In England verlängert man die Obergärung durch Kühlung der Würze mittels Kühlschlangen, durch die kaltes Wasser fließt.
Normales, gut vergornes B. muß klar, reich an Kohlensäure sein und angenehm, erfrischend schmecken. Stärkere Ausscheidungen von Stärke und Eiweiß sind auf fehlerhafte Beschaffenheit des Rohmaterials und auf mangelhafte Bereitung zurückzuführen. Das Trübwerden des Bieres ist meist durch die Entwickelung von Hefe bedingt, selten durch niedere Organismen, Eiweißstoffe oder Stärkeausscheidung. Das Schalwerden beruht auf dem Entweichen von Kohlensäure; man ersetzt dann wohl den »Trieb« durch Moussierpulver, Mischungen von doppeltkohlensaurem Natron und Weinsäure. In mangelhaft zubereitetem B. entsteht Essigsäuregärung; zum Abstumpfen der Säure werden Soda oder Pottasche zugesetzt. Alle derartigen Manipulationen sind verwerflich, sie verbessern[845] nicht das B., sondern verdecken nur seine schlechte Beschaffenheit; die Zusätze können schädlich wirken und erzeugen nicht selten Magen- und Darmkatarrhe. Zur Konservierung des Bieres eignet sich am besten das Pasteurisieren, bei dem das B. in Flaschen (selten in Fässern) 11/2-2 Stunden auf 50° und, wenn sehr große Haltbarkeit verlangt wird, 111/2 Stunden auf 75° erwärmt wird. Bayrische und Wiener Biere ertragen das Pasteurisieren am besten, während der Geschmack stark gehopfter lichter Biere oft bedeutend leidet. Salizylsäure, Borsäure, schwefligsaurer Kalk, Fluorsalze, Wasserstoffsuperoxyd, Benzoesäure wirken auch konservierend, ihre Anwendung ist aber in den meisten Staaten verboten. Die Bierwaggons zum Versenden des Bieres müssen im Sommer mit Eis gekühlt, im Winter geheizt werden. Mäßigen Schutz gegen Wärme und. Kälte gewährt auch das Verpacken der Fässer in Überfässer oder in Stroh.
Abgesehen von den einzelnen Lokalbieren unterscheidet man Gersten-, Weizen- und Reisbier etc., ferner Braunbier aus stark gedarrtem, Weißbier aus schwach gedarrtem Malz; je nach der Menge des Hopfens erhält man Süß- oder Bitterbier, je nach der Quantität des verwendeten Malzes für ein gewisses Quantum B. einfaches oder Doppelbier. Alkoholreiche Biere heißen trockne im Gegensatze zu den extraktreichen substanziösen; leichte Biere nennt man vorzugsweise solche mit geringem Extraktgehalt, schwache solche mit wenig Alkohol, starke, worin viel Alkohol, und schwere solche, die sich durch größern Extraktgehalt auszeichnen. Die Lagerbiere sind Winter- oder Schenkbiere, d. h. zum baldigen Verbrauch bestimmt, oder Sommerbiere (Lagerbiere im engern Sinn), die in besondern Kellerabteilungen bis hoch in den Sommer und Herbst liegen bleiben. Dieser Unterschied galt besonders für Bayern, solange man dort nur vom Ottober bis April braute und aus 1 hl Malz durchschnittlich 2,52,6 hl Winterbier, aber nur 2,02, 1 hl Sommerbier bereitete. Die Einführung der Kältemaschine, die das Brauen auch im Sommer gestattet, hat diese Unterschiede mehr und mehr verwischt. Auf denselben Verhältnissen wie beim Märzenbier beruht die Vorzüglichkeit des Bockbieres. Kondensierte Biere von süßem, likörartigem Geschmack werden hauptsächlich in London durch Eindampfen extraktreicher Biere im Vakuum auf etwa ein Fünftel ihres ursprünglichen Volumens bereitet.
In England unterscheidet man dunkeln Porter (je nach Farbe und Stärke: Stout, Brown Stout, Double Stout etc.) u. helles Ale (Sweet, Bitter, Pale India, obergäriges London-, untergäriges Scotch Ale); Porter wird aus stark gedarrtem Malz durch anhaltendes Kochen bereitet, ist obergärig, vollmundig, angenehm bitter; Ale ist mehr weinartig, hell, wird aus schwach gedarrtem Malz bereitet, stark gehopft und ist sehr haltbar. Die belgischen Biere werden mit starkem Zusatz von ungemalztem Getreide und durch Selbstgärung, die als Untergärung verläuft, bereitet. Die Biere sind von weinigem, säuerlichem Geschmack und werden erst nach vollständiger Vergärung getrunken. Der Lambik wird aus der ersten Würze bereitet, ist stark, licht, sehr sauer und wird vor dem Genuß mit zuckerhaltigen Lösungen verschnitten. Mars ist ein Dünnbier aus der letzten Würze, und aus beiden mischt der Wirt sein Schenkbier, das Faro. Von den deutschen Nieren haben die bayrischen von München (Hofbräu, Spatenbräu, Löwenbräu, Zacherl-, Pschorr-, Augustinerbräu etc.), Nürnberg, Kulmbach, Erlangen, Augsburg, Regensburg, die von Einbeck, Gießen, Koburg, Dortmund, Hamburg, Zerbst etc. altbewährten Ruf; doch liefert auch Sachsen vortreffliche Biere in Dresden (Waldschlößchen, Feldschlößchen, Felsenkeller), Plauen, Chemnitz, Leipzig. Preußen hat große Bierbrauereien in Berlin, Hannover, Frankfurt a. M. und Breslau. Die größten Brauzentren Österreich-Ungarns sind Wien, Pilsen, Budapest, Prag, Graz, Brünn. Von den eigentlichen Lokalbieren haben nur wenige noch Bedeutung. Erwähnenswert sind etwa das Berliner Weißbier, aus 3 Teilen hellem Weizenmalz und 1 Teil hellem Gerstenmalz obergärig gebraut, schmeckt durch Milchsäuregehalt säuerlich; das Lichtenhainer B. der Jenenser Studenten; die Leipziger Gose; die sirupartige Braunschweiger Mumme, aus 40 proz. Würze gebraut, jetzt fast vergessen; das ähnliche Danziger Jopenbier, das in großen Mengen nach England ausgeführt wird, von angenehm süßem, wenig aromatischem Geschmack, porterähnlichem Geruch und mäßig mit Kohlensäure geschwängert.
Die Mäßigkeitsbestrebungen haben zwar bisher nicht vermocht, den Verbrauch von B. zu beschränken, aber sie weckten namentlich in Norwegen und Schweden Bemühungen zur Erzeugung gering vergorner Biere. Aus dieser Bewegung geht auch das alkoholfreie B. hervor, zu dessen Bereitung man entweder auf gewöhnlichem Wege durch Gärung erzeugtes B. durch Destillation von Alkohol befreit, oder eine der Bierkonzentration entsprechende Extraktlösung ohne Gärung herstellt; in beiden Fällen imprägniert man das Getränk mit Kohlensäure.
Die normalen Bestandteile des Bieres sind Wasser, Alkohol, Zucker, Dextrin, eiweißartige Substanzen (Peptone etc.), Hopfenstoffe, Kohlensäure, etwas Glyzerin, Bernsteinsäure, Milchsäure, auch wohl etwas Essigsäure, von Mineralstoffen besonders Kali, Phosphorsäure, Magnesia etc. Die Summe sämtlicher Bestandteile eines Bieres mit Ausnahme des Wassers heißt sein Gesamtgehalt, die Summe der nicht flüchtigen Bestandteile sein Extraktgehalt. Die folgende Tabelle gibt die mittlere Zusammensetzung verschiedener Biere.
Alle Malzsurrogate, wie Kartoffeln, Rohrzucker, Trauben- (Kartoffel-) Zucker, Maltose, ein Produkt aus Mais und Grünmalz, vermindern den Nährwert des Bieres. Besonders verwerflich sind Glyerin, Süßholz, Saccharin. Nach dem bayrischen Gesetz vom[846] 16. Mai 1868 dürfen zur Herstellung von B. nur Malz (Gersten-, Weizenmalz), Hopfen, Hefe und Wasser verwendet werden. Auch in Baden (Gesetz vom 30. Juni 1896) ist die Verwendung aller Surrogate und in Österreich (Gesetz vom 2. April 1900) die von Hopfensurrogaten verboten. Letztere sind viel verwerflicher als die Malzsurrogate. Als Hopfensurrogate kommen in Betracht: Hopfenextrakt, Hopfenöl, Weiden-, Fichtenrinde, Tausendgüldenkraut, Wermut und andre bittere Kräuter, Quassia, Aloe, auch Gewürze, Tannin und selbst die giftigen Kokkelskörner, Herbstzeitlosensamen, Pikrinsäure etc. Über derartige in neuester Zeit sehr selten vorkommende Verfälschungen des Bieres wird viel gefabelt, und jedenfalls wird von Händlern und kleinern Wirten mehr am B. gesündigt als von den großen Brauereien.
In diätetischer Hinsicht ist B. als etwa 5 proz. Nährstofflösung zu betrachten, die aber durch den Alkoholgehalt, das Hopfenbitter und auch durch die Kohlensäure ein eigenartiges Gepräge erhält. Die substanziösen Biere enthalten Nahrungsstoffe in leichtverdaulicher Form, ihre Menge ist aber so gering, daß auch sehr gutes B. kaum mit Obst auf eine Stufe gestellt werden kann. Als alkoholisches Getränk regt das B. bei mäßigem Genuß die geistigen Funktionen an, ein etwaiges Hungergefühl wird unterdrückt und eine leichtere physische oder psychische Abspannung überwunden. Es wirkt namentlich auch durch seinen Gehalt an Hopfenbitter und Kohlensäure auf die Verdauung. Ein gut gehopftes B. regt die Absonderung des Darmsaftes und die Tätigkeit der Nieren an und befördert bei anhaltendem Genuß Vollblütigkeit und Fettbildung. Daher ist es anämischen, magern Personen, die gleichzeitig an atonischer Verdauungsschwäche leiden, zu empfehlen, und Rekonvaleszenten genießen es bisweilen mit größerm Vorteil als schwere Weine. Indem das B. dem Branntwein mehr und mehr Boden abgewinnt, vollzieht es eine hohe kulturgeschichtliche Mission, allein es ist nicht zu übersehen, daß in den Ländern mit starkem Bierverbrauch dem Körper mehr Alkohol zugeführt wird als in den Schnapsländern. Der Bierrausch erzeugt einen viel jämmerlichern Zustand als der Weinrausch, was vor allem auf Rechnung des Hopfens zu schreiben ist. Anhaltender starker Biergenuß erzeugt Phlegma, Trägheit, Gleichgültigkeit; doch ist diese Wirkung, welche die tägliche Erfahrung zu bestätigen scheint, häufig sehr übertrieben worden. Wie jedes andre im Übermaß genossene geistige Getränk, lähmt auch das B. endlich die Geistestätigkeit und zwar um so früher, je dürftiger die Ernährung dabei ist. Personen, die zur Vollblütigkeit und Fettleibigkeit neigen, müssen vorsichtig im Biergenuß sein, und zur Zeit herrschender Epidemien, wie Cholera, Ruhr, sind hefereiche, leicht zersetzbare Biere zu vermeiden.
Das Gewerbe der Bierbrauerei ist im allgemeinen nicht gesundheitsschädlich. Abgesehen von Verbrühungen, Verbrennungen und Verletzungen, gegen welche die gewöhnlichen Vorsichts- und Schutzmaßregeln sichern, sind Erkältungen am häufigsten. In den Gärkellern ist für Ableitung der Kohlensäure am Boden Sorge zu tragen. Die Abfälle der Bierbrauerei dienen als Viehfutter oder Dünger. Die Abwässer enthalten reichlich organische Stoffe gelöst oder suspendiert und sind daher sehr fäulnisfähig. Direkt ablassen darf man sie nur in große Wasserläufe, da sie kleinere Flüsse und Bäche auf weite Strecken verpesten. Am besten ist die Verwertung auf Rieselfeldern, wo eine solche aber nicht durchführbar ist, müssen die Abwässer mechanisch nach dem Verfahren von Rothe-Röckner oder chemisch durch Kalk, schwefelsaure Tonerde und lösliche Kieselsäure (Verfahren von Nahnsen-Müller) gereinigt werden. Der auf Filterpressen abgepreßte Schlamm dient als Dünger.
Fast alle Völker der Erde haben seit der Vorzeit alkoholische Getränke bereitet, teils aus zuckerhaltigen Stoffen (wie Honig, Palmsaft, Agavensaft, Obst, Milch), teils aus stärkemehlhaltigen, welche die Biere lieferten. Zu letztern gehören unter andern das Hirsebier der afrikanischen Naturvölker, das Soma- und Haomabier der alten Inder und Perser, das Reisbier der Ostasiaten und Formosas, das Kawabier der Südseeinsulaner und das Chica- oder Maisbier der südamerikanischen Stämme. Diese Biere wurden wenigstens z. T. vor Begründung des Ackerbaues aus wild wachsenden Pflanzen und vor Erfindung der Töpferei durch Steinkochen bereitet. Bei den Letten gab es Steinbierbrauereien bis Ende des 18. Jahrh. und in Kärnten noch heute. Schon die nordamerikanischen und australischen Naturvölker rösteten ihre Wildgrassamen, um sie wohlschmeckender zu machen, z. T. mit Hilfe glühender Steine, und zur Einleitung der Gärung wurde und wird z. T. noch heute die Kawawurzel, der Reis auf Formosa, der Mais in Peru und Bolivia, die Früchte einer Leguminose in Argentinien gekaut und dann ins Braugefäß gespieen. Der Speichel verzuckert hierbei das Stärkemehl und liefert wohl auch Gärungsferment. Auch im nördlichen Europa deutet die Kwasirsage auf ein ähnliches Verfahren. In Nubien, manchen Teilen Ostasiens und z. T. in Rußland verarbeitet man zur Bierbereitung zuvor verbackenes Getreide. Als Bierwürzen werden sehr verschiedene Pflanzen benutzt, z. B. die Zweige der Somapflanze und die von Calotropis procera, die im Sudân und Kordofan dem Hirsebier und dem aus den Samen von Penicillaria hirsuta bereiteten B. zugesetzt werden. In Norddeutschland, Dänemark, Skandinavien, in Westfalen noch 1477 erhielt das Gruten- oder Gruysenbier (cerevisia monachorum) einen Zusatz von Sumpfmyrte (Myrica Gale, nicht von Ledum palustre). auch Wacholderbeeren, in Nordamerika die Schößlinge der Schierlingstanne (Sprossenbier, gegen Skorbut empfohlen), in Irland und Island die Samen der wilden Mohrrübe wurden benutzt, bis derHopfen alle andern Bierwürzen verdrängte. Die Ägypter schrieben die Erfindung des Bieres dem Osiris zu. Sie verwandelten Gerste in Malz, versetzten den Auszug mit Safran und andern Gewürzen und ließen ihn gären. Dies Getränk (Zythos) wurde zu Strabons Zeit in Alexandria allgemein getrunken. Eine alte Bierstadt war Pelusium an der Mündung des Nils (Pelusisches Getränk). In Spanien war bei den mit den Libyern Afrikas genealogisch oder kulturhistorisch sich berührenden iberischen Stämmen das B. seit alter Zeit üblich. Dies spanische, auch den Galliern bekannte Getränk hieß caelia oder cerea. Nach Archilochos (700 v. Chr.) bereiteten Phrygier und Traker ihr Bryton aus Gerste und dem Würzkraut Konyze. Die Armenier hatten ein starkes, berauschendes Gerstengetränk, und bei Illyriern und Pannoniern findet sich B. als sabaja oder sabajum. Priscus (448 n. Chr.) erwähnte ein Getränk aus Gerste, das die Pannonier camum nannten. Dies Wort ist aber älter als die Ankunft der Hunnen in Europa und scheint seit den Zeiten der großen keltischen Wanderung in Pannonien heimisch geworden[847] zu sein. In allen genannten Ländern ist das B. gegenwärtig bei der Masse des Volkes fast unbekannt. Vergil erzählt von gegornen Getränken, welche die Nordvölker statt des Weines genießen. Im mittlern Frankreich war das B. im 1. Jahrh. n. Chr. unter dem Namen korma noch Volksgetränk, und man darf annehmen, daß das B. aus Spanien zu den Kelten gekommen sei. Dies keltische B. behauptete sich in Nordfrankreich, Belgien und England bis auf den heutigen Tag. Frühzeitig erscheint die Namensform cervesia, cervisia, die sich bis heute in den romanischen Sprachen erhalten hat. Die Germanen scheinen zu Cäsars Zeit das B. noch nicht gekannt zu haben, wohl aber erwähnen es der nur wenig spätere Diodor und Tacitus. Das B. heißt im Altdeutschen peor (auch bior, pier) und wird von Grimm und Wackernagel auf das mittellateinische biber oder biberis (»Getränk«) zurückgeführt; ein andrer altgermanischer Ausdruck für B. war alu (alo, ealo), das sich im englischen ale erhalten hat. Den Hopfen verdanken wir den Finnen, wie er auch im Kalewalaliede schon als Bierwürze erwähnt wird. Zwischen dem Abzug der Angelsachsen nach England und der Zeit Karls d. Gr. scheint er dann nach Westeuropa gekommen zu sein. In einer Urkunde Pippins von 768 werden zuerst Hopfengärten erwähnt. Wahrscheinlich brauten im Mittelalter zuerst die Klöster gutes B. Die heil. Hildegard, Äbtissin zu Rupertsberg, erwähnt 1079 den Hopfen als Bierzusatz, und damals wurde schon in Bayern, Franken, Niedersachsen vielfach Hopfenbau betrieben. Allmählich kam die Kunst des Bierbrauens aus den Klöstern, wo man schon das stärkere Paterbier von dem schwächern Kofentbier unterschied, in die Hände der Bürger, und eine Verordnung der freien Reichsstadt Nürnberg von 1290 befahl den Gebrauch der Gerste und verbot Hafer, Dinkel, Roggen und Weizen. Die Zünfte der Bierbrauer bildeten sich im 14. Jahrh. und wählten den fabelhaften König Gambrinus (s. d.) zu ihrem Schutzpatron. In Süddeutschland kam das B. im Verlauf des Mittelalters außer Gebrauch, bis das haltbarere, nach bessern Braumethoden bereitete norddeutsche B. das verlorne Terrain wiedereroberte. Herzog Albrecht V. (155079) ließ das bessere B. aus Sachsen kommen und bezog für eignen Gebrauch Eimbecker B., für das auch Luther Vorliebe hatte, und nach dem das heutige Bockbier benannt ist. 1591 wurde in München das Hofbräuhaus eröffnet, das seit 1614 sehr gutes B. braute, aber erst 1830 den unmittelbaren Ausschank eröffnete. Lagerbier braut man in Deutschland seit dem 13. Jahrh.; das märkische gelangte zuerst zu großem Ruf; die größte Brauerei besaß 1390 Zittau. 1541 wurde in Nürnberg das erste Weißbier gebraut, und 1492 erfand Christian Mumme in Braunschweig das nach ihm benannte B., das bis nach Indien versendet wurde. Weizenbier wurde, in England erfunden, im 15. Jahrh. viel nach Hamburg ausgeführt und schon vor 1520 dort gebraut. Der dort beschäftigt gewesene Brauknecht Kurt Broihahn braute es seit 1526 in Hannover, und von dort verbreitete es sich über ganz Norddeutschland. Nach 1572 wurde es auch in Berlin gebraut, wo es sich zu dem jetzigen Weißbier entwickelte. In England war die Benutzung des Hopfens bis ins 15. Jahrh. verboten, Ale und Porter werden dort kaum seit mehr als 100 Jahren gebrant. Der Porter wurde von dem Braumeister Harwood erfunden und zu Ende des 19. Jahrh. bereits in alle Welt versendet.
Die ungemein großen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten verdankt die Bierbrauerei dem Eifer, mit dem sie alle Hilfsmittel der Wissenschaft und Technik sich dienstbar gemacht hat. Man studierte die chemischen Vorgänge in den einzelnen Stadien des Malz- und Brauprozesses und suchte sie zu überwachen und zu leiten; man führte eiserne Geräte und Maschinen, auch den Dampfbetrieb ein und gewann durch die Forschungen über die Hefe größere Sicherheit in der Leitung des Gärungsprozesses und durch die Eismaschine eine große Unabhängigkeit von der Witterung und Sicherheit in der Behandlung der leicht veränderlichen Flüssigkeiten. Infolge dieser Umgestaltung des ganzen Industriezweiges hat sich bei enorm steigender Produktion die Zahl der Brauereien immer mehr vermindert. Die kleinern Brauereien sind nicht mehr imstande, mit den großen Fabriken zu konkurrieren, zumal die bessern Lagerbiere bei den gegenwärtigen Verkehrsmitteln auch abgelegenere Orte leicht erreichen. In Bayern hat sich die Durchschnittsproduktion einer Brauerei im Laufe des 19. Jahrh. von 700 auf 2800 hl gehoben. Die Gesamtproduktion stieg von 3 auf 16 Mill. hl. In Norddeutschland wurden 1853 ca. 4,2 und 1896/97 ca. 38 Mill. hl erzeugt. Das deutsche B. hat internationale Bedeutung gewonnen, es wird weithin ausgeführt und von Technikern, die auf deutschen Fachschulen ausgebildet wurden, in allen Ländern hergestellt. Auch die deutschen Benennungen »Bock« und »Lager« haben sich in andern Ländern eingebürgert. Unter solchen Verhältnissen entstanden in Deutschland großartige Brauereien, von denen 1901 die Schultheißbrauerei in Berlin 890,964, Löwenbräu in München 642,100, Spaten in München 500,000, Schwechat bei Wien (Dreher) 613,840 hl produzierten. Die große Ausdehnung der Bierindustrie und vor allem die Notwendigkeit, wissenschaftlich und praktisch geschulte Brautechniker zu besitzen, hat zur Gründung von Brauerschulen, Brauerakademien, Versuchs- und Lehrbrauereien geführt (Näheres s. im Artikel »Brauerschulen«).
[Statistisches.] Die Bierproduktion betrug nach der »Wiener Brauer- und Hopfenzeitung« 1901:
[848] Über den Bierhandel liegen folgende Angaben aus den Hauptverkehrsländern vor. Es betrug die Ein- und Ausfuhr:
Der Bierkonsum hat in neuerer Zeit ganz erheblich zugenommen, er betrug 1900 in Deutschland nahezu 70 Mill. hl im Wert von mehr als 2 Milliarden Mk. Der Verbrauch berechnete sich für Bayern in den 30er Jahren des 19. Jahrh. auf etwa 130 Lit. auf den Kopf, 1898: 247,6, in Berlin 1882/83: 159 L., 1895/96: 209 L. Für 189095 berechnet sich der Bierverbrauch in Litern auf den Kopf der Bevölkerung in
Im norddeutschen Brausteuergebiet betrug der Konsum 1900 auf den Kopf 106,0, in Elsaß-Lothringen 83,1, in Baden 161,2, in Württemberg 179,5 und in Bayern 241,8 L. In München beträgt der Verbrauch auf den Kopf 566, in Nürnberg 321 L. In 10 Jahren hat sich der Bierverbrauch erhöht in Baden um 74,1 Proz., in Elsaß-Lothringen um 47,5, im Brausteuergebiet um 30, in Württemberg um 22,8, in Bayern um 16,6 Proz.
Vgl. Leyser, Die Malz- und Bierbereitung (als 10. Aufl. von Heiß' »Bierbrauerei«, Augsb. 1900); Lintner, Lehrbuch der Bierbrauerei (Braunschw. 1878); Derselbe, Grundriß der Bierbrauerei (2. Aufl., Berl. 1898); Fasbender, Mechanische Technologie der Bierbrauerei (Leipz. 188387, 3 Bde.; Supplementband 1893); Thausing, Theorie u. Praxis der Malzbereitung u. Bierfabrikation (5. Aufl., das. 1898, mit Atlas); Johannesson, Lexikon der Malzfabrikation und Bierbrauerei (Berl. 1884); Reischauer, Die Chemie des Bieres (Augsb. 1877); Ehrich, Handbuch der Bierbrauerei (hrsg. von Schneider u. Behrend, 6. Aufl., Halle 1897); Michel, Lehrbuch der Bierbrauerei (ll. Aufl., Augsb. 1900); Moritz u. Morris, Handbuch der Brauwissenschaft (deutsch von Windisch, Berl. 1893); Goslich, Brauerei-Maschinenkunde (1. Teil: Dampfbetrieb, das. 1902); Schönfeld, Herstellung obergäriger Biere (das. 1902); Benninghoven, Die Brauereiindustrie Deutschlands und des Auslandes (das. 1900); Schwachhöfer, Amerikanische Brauindustrie (Wien 1894); Windisch, Das chemische Laboratorium des Brauers (5. Aufl., Berl. 1902); Rosenthal, B. und Branntwein und ihre Bedeutung für die Volksgesundheit (2. Aufl., das. 1893); Hoppe, Gefahren des Biergenusses (Basel 1902). Zur Geschichte: Hehn, Kulturpflanzen und Haustiere (7. Aufl., Berl. 1902); Grässe, Bierstudien; Geschichte des Biers und seiner Verbreitung etc. (Dresd. 1872); v. d. Planitz, Das B. und seine Verbreitung einst und jetzt (Münch. 1879); Michel, Geschichte des Bieres (Augsb. 1901). Zeitschriften: »Allgemeine Brauer- und Hopfenzeitung« (Nürnb., seit 1861); »Zeitschrift für das gesamte Brauwesen« (hrsg. von Holzner, Münch., seit 1877); »Der Bierbrauer« (hrsg. von Ehrich, Halle, seit 1859); »Deutsche Brauindustrie« (hrsg. von Johannesson, Berl., seit 1873); »Der deutsche Bierbrauer« (Stuttg., seit 1884); »Allgemeine Zeitschrift für Bierbrauerei und Malzfabrikation« (hrsg. von Fasbender, Wien, seit 1872); »Wochenschrift für Brauerei« (hrsg. von Delbrück u. a., Berl., seit 1884); »Österreichische Brauer- und Hopfenzeitung« (hrsg. von Tiller, Prag, seit 1888); »Der böhmische Bierbrauer« (hrsg. von Schmelzer, Prag, seit 1873); »Brautechnische Rundschau« (hrsg. von Schwarz, Mährisch-Ostrau, seit 1889); »Jahrbuch der Versuchs- und Lehranstalt für Brauereien in Berlin« (bisher 4 Bde., Berl. 18991902).
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