[702] Parma, 1) ein (bis 1859) souveränes Herzogthum in Oberitalien, aus P., Piacenza u. Guastalla bestehend, seit 1860 dem Königreich Sardinien annectirt P. liegt zwischen den Staaten von Sardinien, Österreich, Modena u. Toscana; Guastalla ist von dem übrigen P. getrennt u. bildet eine Enclave zwischen Modena u. der Lombardei; 112,99 QM.; liegt im Flußgebiet des Po, der nördlich die Grenze bildet u. hier die Flüsse Bardinezza, Tidone, Trebbia, Nura, Lardi, Taro, Parma, Crostola u.a. alle rechts aufnimmt; alle Flüsse sind fischarm, keiner schiffbar. Das Land ist zum größten Theil gebirgig durch die Apenninen (Spitzen: Succiso, 6390 Fuß, Orsario, gegen 5000 F.), hat jedoch gegen der Po fruchtbare Ebenen u. dort das herrlichste Land mit üppigen Weizen- u. Maisfeldern, Wälder von immergrünen Eichen u. Kastanien ziehen sich von den schroffen Felsen des Apennins in die Thäler herab, Obstbäume stehen dort zwischen Pappeln u. Maulbeerbäumen, an welchen der Wein hoch in die Höhe rankt. Klima gemäßigt u. gesund; Producte: Getreide u. Hülsenfrüchte, Obst, Wein, Holz (Eichen), Oliven, Reis, Seide, Esel, Bienen, Hornvieh, Geflügel, Fische, Kupfer, Eisen, Marmor, Bergöl etc. Das Land war in die fünf Provinzen Borgo S. Donnino, Lunigiana, P., Piacenza u. Val di Taro getheilt u. zählt 512,000 Ew., welche Katholischer Confession sind, sich mit Acker-, Reis-, Oliven- u. Weinbau (Vino santo), Viehzucht, etwas Bergbau, doch mehr mit Steinbrecherei, Bergölgewinn, Salzbereitung, Seidenzucht u. Verfertigung von Seidenwaaren, Barchent, Gebrannten Wassern beschäftigen; es wird auch ein ansehnlicher Handel mit den Nachbarstaaten getrieben. Die höchste Centralbehörde war bis 1859 ein Staatsrath, dem ein Staatsminister präsidirte; der höchste Gerichtshof war der Appellationshof zu P.; es wurde nach französischen Gesetzen, welche sich auf den Code Napoléon gründen, gerichtet. Die Einkünste rechnete man zu 6 Mill. Lire. Die Provinzen wurden von Präfecten od. Gouverneuren verwaltet. An guten Straßen ist noch Mangel, eben so hat P. an Eisenbahnen nur zwei kleine Bahnen, welche von Piacenza auslaufen; auch steht der Unterricht auf keiner hohen Stufe, doch besteht eine Universität, ein Rittercollegium für 500 Edelleute, eine Akademie der Künste, vier Collegien, drei bischöfliche Seminarien, eine Militärschule u. eine Taubstummenanstalt, so wie überall Primärschulen; seit 1819 ist der gegenseitige Unterricht eingeführt, Das Grundeigenthum ist fast gleich unter die Einw. vertheilt, jedoch sind die Bauern mehr Pächter u. Mayer als Grundbesitzer. P. hatte seit 1801 den französischen Münzfuß u. zwar Lire zu 100 Centesimi, welche auch in 20 Soldi à 12 Denarî nuovi getheilt wurden, es hat Vierzig- u. Zwanzig-Lirenstücke in Gold, Fünf-, Zwei- u. Ein-Lirenstücke in Silber. Die alte Lira di P. hat 25 Centesimi (2 Sgr.), 1 Paolo = 12 Soldi. Seit 1860 ist das sardinische Münzwesen eingeführt worden, eben so sind Maße u. Gewichte die sardinischen. Die früheren Maße u. Gewichte, welche noch häufig gebraucht werden, sind: der Braccio (Elle) für Seidenwaaren ist 594,4 Millimeter lang, 100 Brcaccia = 89,13 preuß. Ellen; für Wollen- u. Baumwollenwaaren 643,8 Millimeter, 100 = 96,53 preuß. Ellen; der Braccio di legno à 12 Oncia à 12 Punti à 12 Atomi ist = 542,15 Millemeter, 100 = 172,74 preuß. Fuß; 6 Braccia di legno sind 1 Pertica. Fruchtmaße: der Staro od. Stajo hat 16 Quartarole od. 51,42 Liter, 100 Staja = 93,55 preuß. Scheffel. Handelsgewicht: der Rubbo hat 25 Libbre (Pfund), die Libbra à 12 Once à 24 Denari à 24 Grani, wiegt 328 französische Gramm, 100 Libbre (Cantaro) = 70,13 preuß. Pfund. Medicinalgewicht ist dasselbe Pfund. Das Militär bestand bis 1859 aus 2 Linieninfanteriebataillonen à 1037 M., einer Jägerdivision von 360 M., einer Escadron Garde du Corps zu 55 M., 1 Batterie Artillerie zu 157 M; 4 Compagnien Gendarmerie, insgesammt 417 M., u. einer Compagnie herzoglicher Hellebardiere zu 100 M., insgesammt über 3000 M.; auf dem Kriegsfuß 5672 M. Das Besatzungsrecht der Stadt u. Citadelle P. stand bis 1859 dem Kaiserthum Österreich zu. Chef des Militärs war ein Oberst; Uniformirung u. Reglement dem österreichischen ähnlich. Das Heer wurde durch Conscription ergänzt. Orden: Constantinischer Georgsorden. 2) Provinz darin mit 149,000 Ew. 3) Hauptstadt darin, an der Parma, über welche drei Brücken führen, u. welche die Stadt in zwei Theile theilt; war sonst Sitz der Centralbehörden u. Residenz; hat Citadelle, breite Straßen, Residenzschloß (Palazzo Farnese), eine große Menge unregelmäßiger u. altmodischer Gebäude. Öffentliche Plätze: Piazza grande, Piazza di Corte, Domplatz. 65 Kirchen, unter ihnen: Kathedrale, im Byzantisch-lombardischen Styl aus dem 12. Jahrh., mit Gemälden u. Denkmälern (u.a. des Petrarca, welcher Archidiakon an dieser Kirche war), in der Kuppel die Himmelfahrt Mariä von Correggio, ferner das Baptisterium, die Kirchen S. Giovanni Evangelista, mit Kuppel von Correggio, S. Alessandro, S. Annunziata, S. Antonio Abate, Sta. Cristina, Madonna della Steccata, mit den Gräbern der Fürsten von P.; 4 Klöster (darunter S. Paolo, jetzt S. Ludovico, mit Erziehungsanstalt, S. Franzesco del Prato, größtentheils Gefängniß); 4 Hospitäter, Waisenhaus; mehre Paläste (P. Ducale, mit Gemäldesammlung, P. di Giardino); Opernhaus (Teatro Farnesi), gegen 4500 Zuschauer fassend, neues Theater; mehre Privatpaläste der Familien Rangoni, Pallavicini u. San Vitale. Wissenschaftliche Anstalten: Universität (gestiftet 1422 u. 1855 erneuert, hat etwa 500 Studenten, mit anatomischem Theater, physikalischem u. naturhistorischem Cabinet, chemischem Laboratorium, Sternwarte), Akademie der schönen Künste (mit Lehranstalt u. Sammlungen von Statuen u. Gemälden); öffentliche Bibliothek, herzogliches Museum mit Alterthümern u. der Tabula Trajana aus Velleja; Botanischer Garten, Museum der Naturgeschichte, Militärschule, Taubstummenanstalt, Collegio dei Nobili, bischöfliches Seminar, Collegio[702] Lalatta, Armenhaus, Gebärhaus, Gewerbschule etc. P. hat wenig Fabriken, nur in Strümpfen, Porzellan, Zucker, Wachs, Glas, Hanf, Barchent, berühmte Buchdruckereien (u.a. die Bodonische); schöne Spaziergänge, bes. die Stradone, welche, aus den Festungswerken entstanden, um einen Theil der Stadt läuft; Wasserleitung, Springbrunnen u. 43,700 Ew. Zahlreiche Schlösser u. Landhäuser umgeben P., so das Schloß Colorno, das Jagdschloß Sala mit Schäferei, das Lustschloß Palazzo Giardino mit Gärten u. schöner Aussicht. 4) Rechter Nebenfluß des Po, entspringt an dem Nordabhange der Apenninen bei Cornigilo, nimmt den Baganzo auf u. mündet bei Brescello.
Die Stadt Parma war von Celten an dem Fluß Parma (Paala) angelegt u. hieß vom Anfang an P.; es wurde von den Römern erobert, welche 183 v. Chr. es colonisirten u. mit 2000 römischen Bürgern bevölkerten, worauf die Blüthe der Stadt begann, namentlich war sie als Handelsplatz wichtig. Die Sümpfe der Umgegend ließ der Consul Scaurus durch Kanäle austrocknen; bes. wurden um P. Schafe mit seiner Wolle gezüchtet. In den Bürgerkriegen hatte P. durch je Partei des Antonius zu leiden, wurde aber durch Kaiser Augustus wieder verschönert u. Colonia Julia Augusta genannt. Nach dem Untergange des Weströmischen Reiches hieß P. Chrysopolis (Goldstadt). Nachher das Schicksal der Lombardei theilend, kam P. 570 an die Longobarden u. 590 an die Byzantiner; 774 wurde es von Karl dem Großen erobert; in der Theilung seines Reiches zu Thionville 806 gab es derselbe mit Italien seinem Sohn Pipin. Nach dem Tode des Kaisers Otto I. riß sich P. mit Piacenza vom Reichsverbande los, doch lag P. von da mehrmals mit Piacenza in blutigem Streit. Auch die Kämpfe der Guelfen u. Ghibellinen wütheten in P., u. während diese P. dem Reiche zu erhalten strebten, trachteten jene es als Theile des Patrimonium Petri dem Römischen Stuhle zu unterwerfen. Kaiser Friedrich II. nahm 1245 P., vertrieb die päpstliche Partei u. setzte Heinrich Testa als Podesta ein. Diesen schlugen die Päpstlichen unter Hugo San Vitale 1247 am Taro u. besetzten P., das Volk aber ernannte Gerard Corregio als Podesta. Der Kaiser belagerte nun P. u. baute das Fort Vittoria, aber 1248 wurde er von den Päpstlichen geschlagen. 1323 wurde Gilbert Corregio Herr von P.; 1326 ergab sich P. dem Papst Johann XXII., u. dieser setzte Passerino de la Torre als Statthalter ein; aber schon 1328 wurde dieser durch Marsilio Rossi u. Azzo Corregio vertrieben, u. des Letzteren Neffe, Mastino della Scala, machte sich zum Herrn von P. Aber die Scala wurden wegen ihrer Tyrannei gehaßt u. 1341 von den Corregios wieder vertrieben. Azzo u. Guido Corregio herrschten nun eine Zeit lang in P., aber von Mastino della Scala u. anderen mächtigen Familien, welche aus P. vertrieben worden waren, beunruhigt, verkauften jene im Nov. 1344 P. an Obbizzo III. von Este, welcher es den 10. Octbr. 1346 wieder an Luchino Visconti von Mailand verkaufte. 1403 machte sich Otto von Terzi, General des Herzogs Johann Maria Visconti, um sich für seine Dienste zu entschädigen, zum Herrn von P. u. theilte es mit Peter Rossi. Aber bald entzweiten sie sich u. Otto behielt die Oberhand. 1409 wurde Otto ermordet, u. P. kam mit Piacenza wieder an das Haus Este u. 1420 an die Herzöge von Mailand. Als Mailand 1499 von Frankreich erobert wurde, nahm der römische Hof P. u. Piacenza als Eigenthum der Kirche, Kaiser Maximilian aber als Reichslehn in Anspruch, Letzter gestattete jedoch in einem Bündniß zur Vertreibung der Franzosen aus Italien, daß Papst Julius II. 1511 diese Länder in Besitz nahm. 1515 nach der Schlacht bei Marignano nöthigte König Franz I. von Frankreich den Papst Leo X., ihm P. u. Piacenza als Theile des Herzogthums Mailand heraus zu geben. Deshalb schloß der Papst mit Kaiser Karl V. einen neuen Bund gegen die Franzosen, u. nach Vertreibung derselben aus Italien erhielt er 1521 wieder P. u. Piacenza.
Papst Paul III. erhob beide zu erblichen Herzogthümern, mit denen er den 12. August 1545 seinen Sohn Peter Ludwig Farnese belehnte. Der neue Fürst zeigte sich bei jedem Anlaß als Gegner des Kaisers u. drückte den Adel so, daß derselbe sich gegen ihn verschwor u. ihn 1547 zu Piacenza ermordete. Der kaiserliche Statthalter von Mailand, Ferrante Gonzaga, nahm nun sogleich das Herzogthum Piacenza in Besitz, P. dagegen wurde von den päpstlichen Truppen für Peter Ludwigs Sohn, Ottavio, besetzt, doch erhielt dieser erst 1550 das Herzogthum in sicheren Besitz, da Papst Paul III. dasselbe mit dem Kirchenstaat verbinden u. dafür den Herzog mit Camerino entschädigen wollte. 1552 verband sich Ottavio mit Heinrich II. von Frankreich, um durch dessen Beistand Piacenza wieder zu erlangen. Dadurch wurde er in einen Krieg mit dem Kaiser u. dem Papst verwickelt, welcher erst 1557 mit dem Siege der Spanier bei St. Quintin endete. Ottavio schloß jetzt ein Bündniß mit Philipp II. von Spanien, wodurch er Piacenza u. alle Gebiete, welche von den Spaniern besetzt waren, zurück erhielt. Als Ottavio 1586 starb, folgte sein zweiter Sohn Alexander. Dieser, einer der größten Helden u. Staatsmänner seiner Zeit, befehligte während des größten Theils seiner Regierung als Statthalter der Niederlande die spanischen Heere gegen die Niederländer u. Franzosen u. st. 1592. Sein Sohn Ranuccio I. verpfändete die Herzogthümer Castro u. Ronciglione an den Monte pieta zu Rom u. gab dadurch Veranlassung zu verdrießlichen Händeln seiner Nachfolger mit dem Papste. Er st. 1622, u. ihm folgte, da sein älterer Sohn Alexander taubstumm war, sein zweiter Sohn, Odoardo, vermählt mit Margarethe, der Tochter des Großherzogs Cosmo II. von Toscana, u. deshalb auch ein Bundesgenosse des Hauses Medici u. Frankreichs; er zog sich aber dadurch einen Überfall der Spanier zu u. wurde von denselben zur Flucht genöthigt. Von dem Papst, mit welchem er wegen des verpfändeten Castro in Streit war, wurde er 1642 in den Bann gethan. Er verbündete sich darauf mit Venedig, auch Toscana u. Modena leisteten ihm Beistand, u. ein heftiger Krieg brach aus. Endlich wurde 1644 durch Vermittelung Frankreichs der Friede hergestellt, u. Castro wieder an P. zurückgegeben. Er st. 1646. Sein Sohn Ranuccio II. ließ sich von seinen Günstlingen leiten; unter ihm zog der Papst das verpfändete Castro 1649 förmlich ein; er st. 1694. Sein Sohn Franz regierte bis 1727, dessen Sohn Anton bis 1731, wo er ohne männliche Nachkommen starb.
Elisabeth, Tochter Odoardos, eines Sohnes des Herzogs Ranuccio II., welche seit 1714 mit König Philipp V. von Spanien in zweiter Ehe vermählt[703] war, wünschte ihren ältesten Sohn, Karl, welcher als. ein Prinz aus zweiter Ehe keine Hoffnung auf den spanischen Thron hatte, zum regierenden Fürsten zu erheben u. wußte es, unterstützt von dem Minister Alberoni, durch Unterhandlungen dahin zu bringen, daß ihrem Sohne die Anwartschaft auf das Großherzogthum Toscana, sowie auf die Herzogthümer P. u. Piacenza von den Großmächten zugesichert wurde, indem, nach dem Ableben der Fürsten dieser Länder, dieselben als Mannslehen an das Deutsche Reich zurückfallen u. von dem Kaiser dem Infanten Karl für sich u. seine männlichen Nachkommen zu Lehen ertheilt werden sollten. Dieser Vertrag, 1718 geschlossen u. 1722 von dem Reiche bestätigt, fand bei allen Mächten Anerkennung, außer bei dem päpstlichen Hofe, auf dessen Protestation jedoch keine Rücksicht genommen wurde, u. Spanien ließ, um der Vollziehung sicher zu sein, mit Genehmigung der übrigen Mächte, die drei Länder sogleich besetzen, doch ohne dadurch die Regierung der noch lebenden Fürsten zu stören. Nach dem Tode des Herzogs Anton nahm 1731 der Infant Karl von Spanien Besitz von. P. u. Piacenza. Da seitdem aber Spanien mit Österreich in Krieg gerieth, u. Spanien durch diesen Krieg Neapel u. Sicilien erwarb, so wurden durch die Friedenspräliminarien von 1735 die beiden Herzogthümer P. u. Piacenza an Österreich abgetreten.
Bei dieser Macht blieben sie, bis 1745 in dem Ostereichischen Erbfolgekriege Spanien sie eroberte. Zwar gewann sie Österreich schon 1746 zurück, trat sie aber in dem Frieden zu Aachen 1748 an den spanischen Infanten Don Philipp als eigenes Herzogthum ab. Philipp wurde bald mit dem römischen Hofe wegen der Lehnshoheit über die Herzogthümer in Streitigkeiten verwickelt. Unter Philipp kam auch 1748 Guastalla an P. Er st. 1765, u. ihm folgte sein Sohn Ferdinand (geb. 1751) unter der Vormundschaft du Tillot's, des Ministers seines Vaters, welcher bes. den Einfluß der Clerisei brach u. die Jesuiten aus dem Lande vertrieb; als der Herzog nach erlangter Volljährigkeit die Regierung selbst übernahm, verabschiedete er du Tillot u. begab sich wieder unter den Einfluß der Geistlichen. Im Vertrauen auf Österreichs Macht hatte der Herzog von P. 1705 Spaniens Antrag, mit der Französischen Republik einen Vertrag zu schließen, verschmäht, als aber 1796 P. von den Franzosen besetzt wurde, mußte er für 6 Mill. Lire den Waffenstillstand vom 9. Mai 1796 erkaufen, welcher durch Spaniens Vermittelung in einen Frieden verwandelt wurde, in welchem er nur einen mäßigen Theil seiner Staaten an die Cisalpinische Republik abtrat. Dagegen erhielt er 9. Febr. 1801 durch den Frieden von Luneville für seinen Sohn Ludwig das Großherzogthum Toscana, mußte aber bereits am 21. März 1801 durch den Madrider Frieden seine Herzogthümer P. u. Piacenza an Frankreich abtreten, welche 1805 unter dem Namen des Departements Taro mit dem Königreich Italien vereinigt wurden; der Herzog Ferdinand st. 9. Octbr. 1802. Durch den Frieden von Paris 1814 erhielt die Kaiserin Maria Luise, Gemahlin Napoleons I., geb. Erzherzogin von Österreich, die Herzogthümer zum lebenslänglichen Besitz als souveräne Fürstin, die ehemalige Regentenfamilie aber wurde durch das Herzogthum Lucca entschädigt, der Herzog Karl von Lucca aber erhielt durch Vertrag vom 10. Juni 1817 u. 20. Juli 1819 für sich u. seine männlichen Nachkommen die Anwartschaft auf P. mit den dazu gehörigen Ländern, wogegen er nach dem Ableben der Erzherzogin Maria Luise Lucca an Modena abtreten sollte. Maria Luise regierte im Ganzen mild. Von den, 1846 in ganz Italien ausbrechenden Unruhen wurde auch P. mit ergriffen, aber von weiteren Stürmen dadurch bewahrt, daß die Herzogin eine allgemeine Amnestie ertheilte. Am 17. Decbr. 1847 st. Maria Luise, u. zufolge der Verträge fiel das Herzogthum P. an den ehemaligen Herzog von Lucca Karl II., in dessen Namen die Mitglieder des bisherigen Conferenzrathes von dem Lande Besitz ergriffen u. laut Manifestes vom 26. Decbr. 1847 die Verwaltung übernahmen, wogegen nach den weiteren Bestimmungen jener Verträge P. an Modena das Herzogthum Guastalla nebst den am rechten Ufer der Enza gelegenen Districten, andererseits aber Modena an P. die Districte von Villafranca, Treschietto, Castevoli u. Mulazzo, u. endlich Toscana an P. die Districte von Pontremoli, Bagnone, Filatierra, Groppoli u. Lusuoli abzutreten hatte.
Sogleich nach dem Übergang des Landes an der Herzog Karl hatten die Bewohner P-s an denselben eine Gesammtadresse abgehen lassen, worin die Bitte ausgesprochen wurde, dieselben Reformen einzuführen, welche der Großherzog von Toscana (Febr. 1848) gewährt hatte. Doch rief der Herzog, um gegen jeden Ruhestörungsversuch gesichert zu sein, Österreich um ein Hülfsheer an, welches auch alsbald erschien. Deshalb brach am 20. März eine Revolution aus, welche den Herzog zu capituliren zwang. Das seitherige Ministerium wurde entlassen, u. Alles, was man gefordert hatte, bewilligt, wogegen der Herzog, nachdem er noch eine Regentschaft eingesetzt hatte, an deren Spitze Graf San Vitale stand, das Land verließ. Am 30. März wurden darauf von der Regentschaft die Grundzüge der Constitution bekannt gemacht u. von dem aus 100 Mitgliedern bestehenden Rath der Alten eine Provisorische Regierung ernannt, zu deren Präsidenten Graf Ferdinand von Castagnola erwählt wurde. An den Regierungswechsel in P. knüpfte sich nachträglich noch ein Streit über die Lunigiana, welche von Toscana an P. fallen sollte, deren Einwohner aber sofort alle Mittel in Bewegung setzten, in dem Staatsverbande von Toscana zu verbleiben. Nun gelang es zwar noch, die Bewohner dieses Landes zur Nachgiebigkeit zu bewegen, allein kaum hatte Herzog Karl P. verlassen, so vereinigten sich sofort die Bewohner der Lunigiana wieder mit Toscana, welches denn auch das Land aufs Neue in Besitz nahm. Mittlerweile schloß sich aber nun, als Ende März Karl Albert von Sardinien sich an die Spitze der italienischen Bewegung stellte u. mit Österreich Krieg anfing, neben der Lombardei u. Modena auch P. durch Proclamation vom 10. Mai 1848 an Sardinien an, wurde aber deshalb mit in den Österreichisch-Italienischen Krieg verwickelt, welcher indeß für das Land weiter keine wesentlichen Folgen hatte, als daß es vorübergehend von sardinischen Truppen besetzt wurde. In Folge des Waffenstillstandes vom 9. Aug. 1848 zwischen Sardinien u. Österreich mußte Sardinien P. räumen. Am 12. Aug. nahm Feldzeugmeister d'Aspre wieder Besitz von P., u. es wurde ein provisorisches Militärgouvernement mit Graf von Degenfeld-Schomburg an der Spitze eingesetzt, wodurch dem Herzogthum die politische Stellung wieder angewiesen[704] wurde, welche es vor der Revolution eingenommen hatte. Als nach Kündigung des Waffenstillstandes am 12 März 1849 Radetzky sich genöthigt sah, seine Streitkräfte zu concentriren, erklärte sich der Magistrat der Stadt P. am 16. März für die Einverleibung in Sardinien, u. es rückten abermals Sardinier in P. ein. Allein nach dem auf die Schlacht von Novara (am 23. März) folgenden Waffenstillstande vom 26. März 1849 mußte Sardinien abermals P. räumen, worauf bereits am 6. April die Österreicher wieder einrückten. Inzwischen hatte am 14. März 1849 Herzog Karl II zu Gunsten seines Sohnes Karl III. die Regierung niedergelegt. Da aber dieser damals in London abwesend war, so wurde im Auftrag des zurücktretenden Herzogs durch d'Aspre am 6. April eine Centraljunta zur Verwaltung des Landes niedergesetzt, die oberste Civil- u. Militärverwaltung übernahm d'Aspre selbst, während der neue Herzog Karl III. 24, März von London aus in einem Manifeste die Übernahme der Regierung verkündigt hatte. Zur vollständigen Regelung der Verhältnisse wurden nun auch den 12. April die Grafschaft Pontremoli u. die anderen Theile der Lunigiana in P. besetzt, wie sie durch den Florentiner Vertrag vom 28. Nov. 1844 (zwischen Modena, P. u. Toscana) überwiesen worden waren. Am 27. Aug. 1849 trat der Herzog Karl III. die Regierung in Person an. Sein nächstes Bestreben war, das Regierungssystem vor 1848 wieder zu restituiren, wozu er sich auch immer enger an Österreich anschloß. Zur Sicherung vor neuen Revolutionsversuchen wurde 1850 die Citadelle von P. zur Festung erklärt u. umgewandelt. Im Frühjahr 1851 schloß P. mit dem Päpstlichen Stuhle ein Concordat. Im Febr. 1853 verband sich P. mit Österreich zu einem Zollverein, in Folge dessen es auch dem österreichisch preußischen Handelsvertrage vom 19. Febr. 1853 beitrat, u. schloß mit Toscana einen Vertrag wegen des Baues einer Eisenbahn von P. nach Pontremoli. In Folge der Lebhaftigkeit u. Schroffheit, womit der Herzog Karl III. persönlich der italienischen Demagogie entgegentrat, wurde er 26. März 1854 auf der Straße von einem Meuchelmörder gefährlich verwundet u. verschied nach 24 Stunden. Die Untersuchung führte nicht zur Entdeckung des Mörders.
Der ältere Prinz Robert wurde als Herzog von P. proclamirt, u. seine Mutter Luise Marie Bourbon, Schwester des Grafen Chambord, übernahm die Regentschaft. Sie änderte das Ministerium, hob ein Zwangsanlehn auf u. setzte an dessen Stelle eine freiwillige Anleihe, für welche sie mit ihrem Privatvermögen bürgte. Die Civilliste wurde von 1,800,000 Fr. auf 600,000 herabgesetzt, in der Verwaltung Vieles verbessert, das Militär um 2/3 verringert u. die Beschlagnahme der Güter der Personen, welche an der provisorischen Regierung theilgenommen hatten, aufgehoben. Dessen ungeachtet brach am 22. Juli 1854 ein mazzinistischer Aufstand in der Stadt P. aus, welcher aber von den Truppen unterdrückt wurde. Die Finanzlage des Herzogthums besserte sich unter der Verwaltung der Regentin so, daß im Budget von 1855 Ausgaben u. Einnahmen im Gleichgewicht waren. Am 8. Jan. 1855 wurde die neu eröffnete Universität in P. eingeweiht. Die bei dem Aufstand vom 22. Juli v. I. betheiligten Gefangenen wurden zum Tode verurtheilt, von der Herzogin aber zu Freiheitsstrafen begnadigt. Überhaupt bestrebte sich die Regentin durch Herabsetzung der Steuern, mildere preßpolizeiliche Maßregeln, Anknüpfung freundschaftlicher diplomatischer Beziehungen mit den Westmächten u. Anderes die öffentliche Wohlfahrt zu fördern u. den Wünschen des Landes zu entsprechen. Trotzdem wurde am 8. März 1856 der Strafhausdirector Magawli Cereati u. am 19. d. M. der Kriegsauditeur Gantani Bordi ermordet, worauf die Stadt P. in Belagerungszustand erklärt u. zahlreiche Verhaftungen vorgenommen wurden. Die beunruhigendsten Gerüchte wurden ausgesprengt, welche die Regierung aber durch ihr Verfahren widerlegte. Schon am 7. Sept. 1856 endigte der Belagerungszustand, u. am 7. Febr. 1857 verließen die Österreicher das Herzogthum, nur Piacenza blieb vertragsmäßig von ihnen besetzt. Zugleich verwandelte die Herzogin die Strafe von 15 wegen politischer Vergehen Verurtheilten in Verbannung u. ließ ihnen die Reisekosten aus der Staatscasse geben. Am 14. Novbr. 1856 kam ein Vertrag mit Frankreich wegen gegenseitiger Auslieferung der Verbrecher zu Stande. Sowohl die politischen Maßregeln als das Bemühen der Verwaltung für das Wohl des Landes u. namentlich der ärmeren Volksklassen, gewannen der Herzogin die Herzen, so daß der Carneval von 1857 in P. ein außerordentlich glänzender wurde trotz aller Anstrengung der Mißvergnügten den Ausbruch der Volksfreude zu unterdrücken. Auch bei der Krankheit des jungen Herzogs im März 1857 zeigte sich allgemein ungeheuchelte Theilnahme. Da alles Österreichische in Italien mit dem entschiedensten Haß betrachtet wurde, so erneuerte die Regierung den mit Österreich abgeschlossenen Zollvereinsvertrag nicht, sondern stellte den Zoll an der Grenze wieder her, was, obwohl mit finanziellen Nachtheilen verbunden, dennoch mit großem Beifall aufgenommen wurde. Eine aufständische Bewegung, welche von Livorno u. Genua ausging, fand in P. nicht den mindesten Anklang. Durch Decret vom 4. Juli ertheilte die Herzogin einer rein italienischen Gesellschaft die Genehmigung zum Bau einer Eisenbahn von Piacenza nach der piemontesischen Grenze u. setzte die Gebühren herab, welche die Post von eingehenden fremden Zeitungen erhob. Durch Decret vom 13. April 1858 wurde eine Nationalbank in P. begründet.
Es herrschten friedliche u. befriedigende Verhältnisse im Herzogthum, als der Sturm von 1859 hereinbrach. Als der Krieg zwischen Österreich u. Sardinien im Begriff war auszubrechen, hatte die Regierung eine national-italienische Haltung bewahrt. P. sollte vertragsmäßig im Falle eines Krieges 3000 Mann zum österreichischen Heere stoßen lassen, aber die Regierung zögerte. Allein die Herzoginregentin befand sich in der schwierigen Lage, entweder dem Willen ihres Volkes zu folgen, u. dann wurde P. mit Piemont vereinigt, od. alle Kräfte aufzubieten, um die Selbständigkeit des Herzogthums zu erhalten, u. dann blieb nichts übrig, als sich Österreich in die Arme zu werfen, welches aber durch ihre nationale Haltung erzürnt worden war. Österreich verstärkte daher nicht blos die Besatzung der Festung Piacenza, sondern besetzte auch die Stadt. Unterdessen ergriff die Bevölkerung aufs Lebhafteste Partei für Victor Emanuel. Bis zum 1. April 1859 hatten sich aus P. 1000 Freiwillige ins sardinische Heer aufnehmen lassen, während die Zahl der jährlich Ausgehobenen 300 M. betrug. Die[705] Maßregeln der Regierung wurden schwankend u. unsicher. Bald schien sich für die nationale Bewegung, bald für die Erhaltung der Souveränetät zu erklären. Nur die Minderzahl wollte P. als constitutionelle Monarchie selbständig, die große Mehrzahl erblickte in der Kleinstaaterei die Schwäche u. das Verderben Italiens. Als man am 30. April die Ankunft der französischen Truppen u. den Ausbruch der nationalen Bewegung in Toscana erfuhr u. die Offiziere im Namen der Truppen die Regentin ersuchten, gemeinschaftliche Sache mit Victor Emanuel zu machen, verließ die Regentin mit ihrem Sohne das Land u. begab sich nach Mantua, nachdem sie eine Regentschaft, aus ihren Ministern bestehend, eingesetzt hatte, welche in ihrem Namen die Regierung fortführen sollte. Die Regentin wollte neutral bleiben, allein kaum war sie abgereist, als das Volk die unmittelbare Vereinigung mit Sardinien verlangte. Dagegen erklärte sich ein Theil des parmesanischen kleinen Heeres für die Erhaltung der Selbständigkeit u. rief am 4. Mai die Herzogin zurück, während ein anderer Theil sich mit den Piemontesen vereinigte. Die Herzogin kehrte zurück, ließ jedoch den jungen Herzog Robert in Mantua. Die Nationalgarde wurde entwaffnet, man versuchte von Neuem neutral zu bleiben, allein Österreich verlangte Erfüllung vertragsmäßiger Bestimmungen, neben welchen die Neutralität nicht bestehen konnte. Ein Theil des Herzogthums empörte sich u. wurde im Namen Victor Emanuels von General Ribotti besetzt. Vergeblich ließ die Regentin nochmals ihre Kinder nach P. zurückkehren u. stellte ihr Minister in einer Denkschrift an die Großmächte vor, daß die Bevölkerung in der großen Mehrheit ihrem Regenten treu sei. Am 27. Mai flüchteten die Kinder der Regentin nach der Schweiz, u. während die Regentin auf der einen Seite Victor Emanuel ersuchte, sie gegen ihre eigenen Soldaten zu schützen, ließ sie am 28. Mai Waffen u. Kriegsmaterial nach Mantua schaffen, um es dort sicher zubergen. Am 9. Juni in Kenntniß gesetzt, daß die Österreicher Anstalt trafen, Piacenza zu räumen, entband sie ihre Truppen des Eides der Treue, erklärte in einer Kundmachung, daß sie, um weder den Wünschen des Volkes entgegenzutreten, noch den Verpflichtungen gegen Osterreich untreu zu werden, sich in ein neutrales Land zurückziehen werde, u. reiste an demselben Tage über Verona, wo sie mit dem Kaiser von Österreich eine Zusammenkunft hatte, nach der Schweiz. Schon am 8. Juni war in Parma (Stadt) eine neue revolutionäre städtische Behörde eingesetzt worden, welche nunmehr eine provisorische Regierung von drei Mitgliedern wählte. Diese verkündigte, daß, nachdem die Österreicher sich zurückgezogen hätten, das Herzogthum frei sei u. sich der dreifarbigen Fahne mit dem Kreuze des Hauses Savoyen anschließe. Abgeordnete gingen ins Hauptquartier Victor Emanuels ab, um denselben zu bitten, die Regierung zu übernehmen, u. neben Bildung der Nationalgarde ward ein Landesvertheidigungsausschuß ernannt. Die Vereinigung mit dem Königreich Sardinien wurde proclamirt, u. am 16. Juni kam der von der Regierung Victor Emanuels ernannte Gouverneur des Herzogthums an, um davon Besitz zu ergreifen. In den, Friedensbestimmungen von Villafranca zwischen Österreich u. Frankreich war P. nicht erwähnt; man erfuhr später, daß schon früher von Seiten Frankreichs der Besitz des Herzogthums P. dem König Victor Emanuel zugesagt worden war. Eine Nationalversammlung, die einberufen wurde, nachdem bei einer allgemeinen Abstimmung des Volkes über die Vereinigung mit Sardinien 63,403 Stimmen dafür u. 506 dagegen sich ergeben hatten, vollendete das Werk, worauf sämmtliche Beamte dem König Victor Emanuel den Eid der Treue leisteten u. das Herzogthum einen Bestandtheil des neu entstehenden Königreichs Italien bildete. Vgl. Asso, Storia della città di Parma, 17921795, 4 Bde., von Pezzana, Parma 183759; Rossi, Ristraito di storia patria, Plac. 182933; Scarabelli, Istoria civile dei ducati di Parma, Piacenza e Guastella, Italia 1858 ff.
Brockhaus-1809: Das Herzogthum Parma · Die Hauptstadt Parma · Das Herzogthum Parma
Brockhaus-1837: Parma · Margaretha von Parma
Brockhaus-1911: Parma [2] · Parma
DamenConvLex-1834: Parma · Margarethe von Parma
Herder-1854: Parma [2] · Parma [3] · Margaretha von Parma · Parma [1]
Meyers-1905: Parma [4] · Parma [5] · Parma [3] · Parma [1] · Parma [2]
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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro