[527] Eid (Juramentum, Jusjurandum), die Betheuerung der Wahrheit od. die Bestärkung eines Versprechens unter Anrufung Gottes od. einer anderen heilig gehaltenen Person od. Sache als Zeugen der Wahrheit u. Rächer der Unwahrheit. Der E. findet sich bei allen Völkern u. bildet insbesondere in neuerer Zeit ein sehr wichtiges u. in seiner Anwendung weitverbreitetes Mittel, theils um die Wahrheit an den Tag zu bringen, theils um für Treu u. Glauben noch eine besondere Bürgschaft zu erhalten. 1. Für die Christen enthält die Heilige Schrift mehrfach (Matth. 5, 3437. Jacob. 5, 12) Äußerungen, welche das Schwören ganz zu verbieten scheinen; allein augenscheinlich sind dieselben nur auf das Verbot willkürlicher Anwendung des Eides auf geringfügige Gegenstände zu beziehen u. in solcher Weise auch nur schon von Zeit der Kirchenväter an verstanden worden. Der E. selbst ist entweder ein Verpflichtungseid (Jur. promissorium), wenn er dazu dient, eine Verbindlichkeit zu bestärken, od. ein Versicherungseid (Jur. assertorium), wenn dadurch die Wahrheit einer Behauptung bestärkt wird. A) Die allgemeinen Voraussetzungen für beide Arten des Eides, wenn derselbe gültig sein soll, sind: a) daß der Schwörende die Eideshandlung mit Bewußtsein vorzunehmen im Stande gewesen sei (Judicium in jurante); daher sind Vernunftlose, Wahnsinnige, Betrunkene, Unmündige u. nach besonderer canonischer Bestimmung auch solche, welche bereits einen Meineid geleistet haben, zur Leistung eines verbindlichen Eides unfähig. Als Eidesmündigkeit ist nach der Praxis des Gemeinen Rechtes das 14. Jahr anzunehmen; Particularrechte haben aber meist eine noch höhere Altersstufe, gewöhnlich das 18. od. 20. Jahr, für dieselbe angenommen; b) daß der Schwörende auch den Willen habe, den E. in seiner ganzen Wahrheit zu leisten (Veritas in mente), weshalb erzwungene u. irrthümlich geleistete Eide, sowie Eide mit sogenannten Mentalreservationen (bei welchen hinter die Eidesworte ein anderer Sinn versteckt wird), unwirksam sind; c) ein rechtmäßiger u. erlaubter Grund (Justitia in objecto), so daß Versprechenseide, welche auf Erfüllung von etwas Unmoralischem od. Unrechtlichem gehen, der Gültigkeit entbehren. Was d) die Form betrifft, so gibt es, wenn der E. außergerichtlich (Jur. extra judiciale) geschworen wird, keine bes. vorgeschriebene; wenn der E. aber vor einer Behörde als gerichtlicher E. (Jur. judiciale) zu leisten ist, so unterscheidet man noch einen feierlichen E. (auch zierlichen E., Jur. solenne), bei welchem, um der Handlung eine größere Feierlichkeit zu verleihen, der Beichtvater od. ein sonstiger Geistlicher zugezogen, die Gerichtstafel mit schwarzem Tuche bedeckt, ein Todtenkopf, Crucifix, angezündete Lichter darauf gestellt, die Thüren des Gerichtszimmers (zuweilen eine eigene Eideskapelle) geöffnet u. das Evangelienbuch zur Handauflegung vorgehalten werden, u. einen minder feierlichen (auch einfachen, schlichten) E. (Jur. minus solenne), bei welchem diese Solennitäten nicht angewendet werden. Feierliche Eide werden indessen in der Regel nur in sehr wichtigen Sachen, namentlich wo etwa auch Verdacht eines Meineides nahe liegt, gefordert. Jeder gerichtlichen Eidesableistung vor Gericht pflegt eine Verwarnung vor den Folgen des Meineides (Eidesadmonition, Eidesverwarnung, Avisatio pro avertendo perjurio) vorauszugehen, u. nach Particularrechten ist dieselbe sogar als eine unerläßliche Form vorgeschrieben. Auch werden dem Eidespflichtigen, damit der Schwörende nicht unwissentlich einen Meineid leiste, od. irrelevante Thatsachen beschwöre, die er zu beschwören nicht schuldig ist, die zu beschwörenden Punkte (Eidesformel) in der Regel einige Tage vorher schriftlich mitgetheilt, damit er während dieser Zeit sich zu fassen vermag u., im Falle er dagegen Einwendungen zu stellen hat, diese noch zu rechter Zeit vorzubringen im Stande ist. Die Betheuerung lautet in jedem Falle auf eine Anrufung Gottes, welche auch zum Begriffe des Eides genügt, meist aber noch mit einem Zusatze versehen wird, wie: So wahr mir Gott helfe, Jesus Christus, mein Erlöser u. Seligmacher, Amen! od.: So wahr mir Gott helfe u. sein heiliges Wort! welche letztere Formel als die gemeinrechtliche betrachtet zu werden pflegt. Particularrechte (z.B. Österreich) beschränken die Formel aber auch auf die einfachen Worte: So wahr mir Gott helfe. Nur ausnahmsweise kann die Ableistung des Eides auch schriftlich (durch Unterschrift der Eidesformel) u. bei einzelnen Eidesarten, wie dem Calumnieneid, auch durch Bevollmächtigte erfolgen; außerdem bildet die persönliche u. mündliche Ableistung die Regel, wobei dann von dem Schwörenden, wenn er eine Mannsperson ist, die rechte Hand emporgehoben, deren innere Seite dem Gesicht zugekehrt, die drei ersten Finger emporgehoben u. die beiden letzten eingeschlagen werden, während Frauenzimmer u. Geistliche die innere Seite jener drei Finger auf die linke Brust legen. Diese Formalität soll sinnbildlich in den drei emporgestreckten Fingern auf den dreieinigen Gott, in den beiden eingeschlagenen auf Leib u. Seele hindeuten, welche der Schwörende für den Fall des Meineides verwirkt haben will. Wegen dieses Gebrauches von Gliedern des Körpers pflegt ein solcher E. auch als körperlicher, leiblicher E. (Jur. corporale), wenn dabei die Worte der Eidesformel einzeln verlesen[527] werden, damit der Schwörende sie einzeln nachspreche, als gestabter E. bezeichnet zu werden. Doch sind diese letzteren Formen keineswegs als nothwendig zu betrachten; insbesondere stellen Particularrechte in minder wichtigen Sachen auch ein bloßes Eidliches Angelöbniß, wobei der Schwörende wührend der Aussprechung der Eidesworte dem den C. abnehmenden Richter nur die rechte Hand zu geben hat, dem förmlichen Eide völlig gleich. Einzelne Religionssecten, welche den E. überhaupt als verwerflich betrachten, haben sogar nach Landesrechten das Privilegium, daß ihren Mitgliedern feierliche Vide überhaupt nicht gefordert werden u. eine gewöhnliche Versicherung mit Handschlag von ihnen auch ohne Anrufung Gottes, als dem Eide völlig gleichstehend, angenommen wird. Dies ist in England z.B. hinsichtlich der Quäker der Fall, welche 1715 durch eine eigene Parlamentsacte aller Eide entbunden wurden. In Deutschland sind es bes. die Rennoniten, für welche durch einen Visitationsschluß des Reichskammergerichts von 1768 festgesetzt wurde, daß ihnen Angelobung bei Manneswahrheit als ein E. anzurechnen sei. Den Judeneid normirte die Kammergerichtsordnung von 1555, unter Aufnahme einer Menge Verfluchungsformeln, sehr umständlich. Die neueren Landesgesetze haben diese Formeln sehr vereinfacht.
B) Die Anwendung des Eides ist in fast allen Gebieten des Rechtes gebräuchlich: a) Am seltensten ist seine Anwendung im Völkerrecht. Zwar pflegte derselbe hier früher zur Bestärkung von Verträgen, sowie auch bei der Stellung von Geißeln ebenfalls vorzukommen; die neuere Diplomatik hat denselben jedoch dabei außer Gebrauch gesetzt; desto häufiger ist er b) im Gebiete des Staatsrechtes. In Betracht kommen hierbei namentlich: aa) der Verfassungseid, welchen nach den neueren Verfassungsurkunden der Landesherr gewöhnlich bei Antritt der Regierung dahin zu leisten hat, daß er nach der Verfassung u. den Gesetzen des Landes regieren werde. Wie u. in wessen Hände dieser E. zu leisten ist, ist in den Verfassungsurkunden verschieden normirt. Manche schreiben eine persönliche Eidesleistung in einer feierlichen Versammlung der Staatsminister u. der Mitglieder des Staatsraths (Baiern), andere ein eidliches Gelöbniß in Gegenwart der vereinigten Kammern (Preußen; in Baiern wird nur eine Teputation der Stände, wenn sie gerade versammelt sind, zugezogen), noch andere nur eine eidliche Zusicherung in dem Patente über den Regierungsantritt vor. Nach einigen Verfassungsurkunden ist ausdrücklich ausgesprochen, daß die allgemeine Landeshuldigung erst nach einer solchen Zusicherung des Regenten erfolgen soll; andere gehen sogar soweit, daß sie den neuen Souverän erst von dem Augenblicke der erfolgten Zusicherung als zur Ausübung der Regierung berechtigt erklären; bb) der Huldigungs- u. Unterthaneneid (Homagium), mit welchem sämmtliche Staatsbürger u. die Stände insbesondere den Gesetzen des Landes Treue zu geloben haben. Der allgemeine Unterthaneneid wird nach feststehender Sitte nur von den männlichen Unterthanen entweder bei Erreichung eines gewissen Alters (z.B. in Württemberg nach zurückgelegtem 16., in Braunschweig nach zurückgelegtem 21. Jahre), od. bei der Ansässigmachung, zuweilen auch wiederholt bei jedem Regentenwechsel gefordert. Der specielle Huldigungseid der Stände wird sowohl bei dem Eintritt in die Ständeversammlung, als auch in der Regel bei jedem Regierungswechsel geleistet. Auch bei der Aufnahme eines Bürgers in eine Stadtgemeinde wird nach einzelnen Städteordnungen von dem neuen Bürger eine eidliche Angelobung der Bürgerpflicht (Bürgereid) gefordert; cc) der E. der Staatsdiener (Amtseid), mittelst dessen dieselben bei Antritt ihres Amtes die treue Verwaltung der ihnen übertragenen Amtspflichten zu versichern haben. Hierher gehört auch der Fahneneid, welcher dem Soldaten beim Eintritt in den Militärdienst abgenommen wird. Alle diese politischen Eide haben indessen nur die Bedeutung von Bestärkungsmitteln auch schon sonst bestehender Verpflichtungen. Ihre Ableistung erzeugt daher juristisch eben so wenig besondere Pflichten, als die Verletzung derselben eine besondere Strafe nach sich zieht. c) Für das materielle Privatrecht entschied, während nach den Grundsätzen des älteren Römischen Rechtes der E. einem Rechtsgeschäft nicht mehr rechtliche Kraft verleiht, als das Geschäft auch ohne den E. haben würde, ein in das Corpus juris aufgenommenes Gesetz Kaiser Friedrich I. (die Authent. sacramenta puberum 2. 28) dahin, daß überhaupt durch einen gültigen E. bestärkte Geschäfte von dem Schwörenden nicht angefochten werden könnten. Das Canonische Recht erweiterte dies dahin, daß die Beifügung eines Eides überhaupt für eine Nova causa obligandi betrachtet wurde, u. beanspruchte mit Rücksicht auf die von der Kirche aufrecht zu erhaltende Unverbrüchlichkeit des Eides, daß alle Eidessachen vor den geistlichen Richter gebracht würden, weil dieser allein entscheiden könne, ob von der mittelst des Eides übernommenen Verbindlichkeit entbunden werden könne od. nicht. Allein das neuere Recht hat diese canonische Ansicht nicht angenommen u. legt für das materielle Privatrecht dem Eide eine besondere juristische Bedeutung nicht bei. Insofern daher das geleistete Versprechen od. der geleistete Verzicht nicht schon an sich eine bürgerliche Wirksamkeit besitzt, wird ihnen eine solche auch durch einen beigefügten E. nicht beigelegt. Dies erkennen namentlich auch die neueren Civilgesetzbücher an, indem sie entweder den E. als ein besonderes Bestärkungsmittel von Rechtsgeschäften gar nicht erwähnen (wie der Code civil), od. ihn sogar bei Strafe verbieten (wie das Preußische Landrecht). Dagegen bleibt es nach dem Canonischen Rechte Gewissenspflicht für den Schwörenden, daß, wenn er den E. nicht hält, doch bei dem geistlichen Richter deshalb Absolution (Relaxatio Juramenti) nachsuche. Die ausgedehnteste Anwendung findet aber der E. d) im Civilprocesse, indem er hier als ein wesentliches Mittel, die Wahrheit der Thatsachen zwischen den Parteien festzustellen, benutzt wird. Der E. kommt hier zunächst als Bekräftigungsmittel der Aussagen von Zeugen u. Sachverständigen vor; zwischen den streitenden Theilen selbst bildet er ein Beweismittel: aa) als angetragener, freiwilliger, Haupt- od. Schiedseid (Jusjur. voluntarium, Litis decisorium, delatum), wenn die eine streitende Partei, welcher der Beweis einer Thatsache obliegt, erklärt, sie wolle von einer Behauptung abstehen, wenn der Gegner (Delat) die Unwahrheit derselben zu beschwören sich getrauen würde. Der Erweis der streitigen Thatsache wird hierbei von dem Eide auf[528] eine vergleichsähnliche Weise abhängig gemacht. Der Gegner hat dann die Wahl, entweder den angetragenen E. anzunehmen, od. ihn dem Deferenten zurückzuschieben u. von diesem die Eidesleistung zu verlangen, od. kann auch erklären, sein Gewissen mit Beweis vertreten zu wollen (Probatio pro exoneranda conscientia.) Erklärt er, den E. annehmen zu wollen, so muß er die Unwahrheit der Seiten des Deferenten behaupteten Thatsache beeidigen, od. er wird als, falls er dies doch nicht thut, zur Strafe der fraglichen Thatsache für geständig erachtet; schickt er den E. zurück, so hat dann der Deferent (dann Relat genannt) selbst die Wahrheit seiner Behauptung zu beschwören, od. unterliegt im Unterlassungsfalle seinerseits dem Nachtheil, daß der Beweis als nicht geführt erachtet wird; durch die Gewissensvertretung endlich macht sich der Delat anheischig, die Unwahrheit der aufgestellten Behauptung durch andere Beweismittel (Zeugen, Urkunden etc.) darzuthun, kann aber, wenn ihm dies nicht gelingen sollte, dann noch immer den deserirten Schiedseid annehmen od. zurückschieben; bb) als nothwendiger E. (Jusjur. necessarium, J. injunctum), welcher von dem Richter einer od. der anderen Partei dann auferlegt wird, wenn über eine erhebliche Thatsache durch andere Beweismittel nur ein unvollständiger Beweis geliefert wurde u. derselbe nach Lage des Processes auf andere Weise nicht mehr ergänzt werden kann. Der nothwendige E. bildet daher einen Nothbehelf, der Gebrauch desselben hängt nicht von den Parteien, sondern nur von dem Richter ab, welcher ihn entweder als Ergänzungseid (Jusjur. suppletorium) od. als Reinigungseid (Jusjur. purgatorium) auferlegen kann. Die Auferlegung des ersteren erfolgt an die beweispflichtige Partei, wenn dieselbe für ihre Behauptung bereits mehr als halben Beweis erbracht hat; der letztere wird dem Gegentheil auferlegt, wenn nach den Umständen mehr Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß die fragliche Thatsache nicht wahr sei, der Beweisführer aber doch vielleicht Einiges erbracht hat, was zu seinen Gunsten gedeutet werden könnte, nun aber durch den Reinigungseid des Gegentheils gänzlich beseitigt werden soll; cc) als Schätzungseid (Juramentum in litem), mittelst dessen es dem Beschädigten unter gewissen Voraussetzungen ausnahmsweise gestattet ist, den Betrag des erlittenen Schadens durch einen von ihm selbst zu leistenden E. darzuthun. Nur eine Unterart dieses Schätzungseides bildet noch das Juramentum Zenonianum, vermöge dessen der, welchem gewaltsam bewegliche Sachen entrissen worden sind, durch E. bekräftigen kann, welche Sachen er hierbei eingebüßt habe u. wie viel dieselben werth gewesen sind. In allen diesen Fällen wird der E. der Regel nach als Wahrheitseid (Jur. de veritate) auferlegt, wenn die Partei über die Wahrheit u. Wirklichkeit der behaupteten Thatsache unterrichtet sein mußte od. wenigstens konnte; als Glaubenseid (Jur. credulitatis, J. credibilitatis, mit der Formel: daß man nicht anders glaube, wisse u. dafür halte) aber, wenn das Factum ein fremdes, von dritten Personen ausgegangen war. Außer diesen drei Arten von Eiden, welche, weil sie für die Hauptsache entscheidend sind, auch als Haupteide zusammengefaßt zu werden pflegen, gibt es im Civilprocesse aber auch noch eine große Anzahl sogenannter Nebeneide, welche die Parteien unter besonderen Verhältnissen zu leisten schuldig sind. Hierher gehören noch dd) der Gefährdeeid (Jusur. calumniae), die eidliche Versicherung einer Partei od. des Anwaltes derselben, daß sie od. er eine gewisse Proceßhandlung nach endlicher Überzeugung von ihrer Rechtmäßigkeit u. ohne Chicane vornehme. Man unterscheidet dabei ein, Jusjur, calumniae generale (allgemeiner Gefährdeeid), welcher auf die Proceßführung im Allgemeinen gerichtet ist, u. Jusjur. calumniae speciale (specieller Gefährdeeid), wodurch die Partei nur bekräftigt, daß sie bei einer bestimmten Proceßhandlung nicht aus Chicane handle, Nach Justinian sollte der allgemeine Gefährdeeid bei jedem Proceß von beiden Parteien geleistet werden; allein in der Praxis hat sich nur der specielle Gefährdeeid erhalten, u. auch dieser kann nur da gefordert werden, wo wirklich ein gegründeter Verdacht der Gefährde vorhanden ist; ee) der Diffessionseid, vermittelst dessen beim Beweise durch Privaturkunden der Product die Beweiskraft der gegen ihn producirten Urkunde zerstören kann (s.u. Urkunde), ff) der Editionseid, welchen derjenige, von welchem die Herausgabe einer Urkunde verlangt wird, dahin zu leisten hat, daß er die verlangte Urkunde nicht besitze u. auch dieselbe nicht böslicher Weise zu besitzen aufgehört habe (s.u. Edition); gg) der Perhorrescenzeid (Jusj. perhorrescentiae), welcher bei der Recusation eines Richters zur vollständigen Erbringung des erforderlichen Verdachtsgrundes dahin zu leisten ist, daß man dem Richter nicht die zur Leitung u. Entscheidung des Processes nöthige Unparteilichkeit zutraue, hh) der Armeneid, welcher bei Erbittung des Armenrechts (s.d.) vorkommt u. darin besteht, daß der um das Armenrecht Nachsuchende, mittelst Eides sowohl sein Unvermögen, die Proceßkosten aus eigenen Mitteln zu bezahlen, als auch das Versprechen zu bekräftigen hat, daß er dieselben, wenn er zu besserem Vermögen kommen sollte, nachbezahlen werde; ii) das Juramentum novorum, welches dann zu leisten ist, wenn Jemand in der Appellationsinstanz od. noch später, in Verbindung mit einem Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, mit neuen Behauptungen hervortritt, welche seine Ansprüche noch aus anderen Gründen, als den bisher vorgebrachten, unterstützen sollen. Die Partei hat dann eidlich zu versichern, daß sie von den neuen Behauptungen bisher keine Kenntniß gehabt habe. e) Im Criminalprocesse ist der Gebrauch des Eides in neuerer Zeit auf die Beeidigung der zu vernehmenden Zeugen u. Sachverständigen, bei den Geschwornengerichten außerdem auf die Beeidigung der Geschworenen beschränkt. Zu den Zeugeneiden gehört auch der E. des Damnificaten, welcher bei Würderung gestohlener od. sonst weggekommener Sachen, wenn der Werth nicht durch Sachverständige ermittelt werden kann, aushülfsweise die sachverständige Schätzung ersetzt. Als unmittelbares Beweismittel gegen den Angeschuldigten kommt nach gemeinem Rechte nur noch der Reinigungseid vor, welcher aus dem altdeutschen Gebrauch der Eideshelfer (s. unten) hervorgegangen ist. Der Eid wird subfidiarisch gegen einen Inquisiten angewendet, gegen welchen mehrere nicht widerlegte Verdachtsgründe vorliegen, u. soll dem Angeschuldigten Gelegenheit bieten, diese Verdachtsgründe von sich abzuwälzen.[529] Leistet der Inculpat den Cid ab, so tritt Lossprechung ein, verweigerter denselben, so wird dies als ein neues Indicium dafür betrachtet, daß er diejenige That, von welcher er sich reinigen sollte, wirklich begangen habe. Die neueren Strafproceßordnungen haben indessen den Reinigungseid ganz beseitigt; eine andere Anwendung des Eides im Straf-, wie im Civilprocesse bilden noch die juratorischen Cautionen, s.u. Caution. f) In der Sphäre des Kirchenrechts endlich kommen Eide der Kirchendiener mit ähnlicher Bedeutung, wie sie den Eidender Staatsdiener zukommt, vor. In der Katholischen Kirche haben alle Bischöfe bei ihrer Consecration in die Hände des von dem Papste zur Consecration delegirten Bischofes einen Eid der Treue abzuleisten. Die Formel dieses Eides wurde zuerst von Gregor VII. (1079) vorgeschrieben u. später von Papst Clemens VIII. genauer festgesetzt. Ebenso wird bei der Übertragung der niederen Ämter dem Bischof ein Eid der Obedienz u. Ergebenheit geleistet. Daneben müssen die Bischöfe nach den meisten Concordaten auch dem Landesherrn einen Huldigungseid leisten. Auch in der Evangelischen Kirche kommt bei der Ordination der Geistlichen ein sogenannter Religionseid, als eidliche Verpflichtung auf die Symbolischen Bücher, vor, gegendessen Einrichtung freilich in neuerer Zeit mir Berufung auf die evangelische Gewissensfreiheit öfters Einwendungen erhoben worden sind. Außerdem wird nach manchen Landesgesetzgebungen (Kurhessen, Hannover, Braunschweig) von Geistlichen, welche zu einer Patronatstelle präsentirt sind, ein Simonieeid (Juram. simoniae) gefordert, in welchem. eidlich versichert werden muß, die Präsentation nicht durch Simonie, d.h. nicht gegen irgendwelche Bezahlung, erlangt zu haben.
C) Bei der Verletzung der Eidespflicht (Meineid im weiteren Sinne) ist die Verletzung des assertorischen Eides (Meineid im engeren Sinne, Pejeratio) u. der Eidesbruch, die Verletzung eines promissorischen Eides (Perjurium) zu unterscheiden. Fürbeide Arten kennt das Gemeine Recht eine peinliche Strafe nur insofern, als es sich um die wissentliche Verletzung eines im Proceß feierlich vor Gericht, nach einer Pon dem Richter vorgelesenen od. vorgesprochenen Eidesformel durch Wiederholung derselben, geschworenen Eides (eines gelehrten Eides) od. einer beschworenen Urphede (s.d.) handelt. Für diesen Fall droht die Peinliche Gerichtsordnung (Art. 107) dem Meineidigen Ehrlosigkeit u. Verlust der Finger, die er zum Schwur in die Höhe gehoben hat, sowie die Ersatzpflicht für allen durch den Meineid entstandenen Schaden an. Sollte aber Jemand als Zeuge im Criminalprocesse durch einen Meineid einem Angeschuldigten eine peinliche Strafe zuschwören, so soll den Meineidigen diejenige Strafe treffen, welche er jenem Angeschuldigten durch seinen falschen Schwur zugewendet hat od. zuwenden wollte. Andere Meineide, welche nicht feierlich vor Gericht geleistet wurden, können gemeinrechtlich nur da bestraft werden, wo sie zugleich für ein anderes, selbständiges Verbrechen, wie z.B. Betrug, zum Mittel gedient haben. Durch den Gerichtsgebrauch ist die verstümmelnde Strafe des Fingerabhauens aber auch bei den bes. ausgezeichneten Meineiden außer Anwendung gekommen. An Stelle dessen erkennt die Praxis bei sehr großem, nicht ersetztem, namentlich im Criminalproceß entstandenen Nachtheil 810 Jahre Zuchthaus, bei germgerem Schaden kürzerdauernde Arbeitshaus- od. Gefängnißstrafe. Die neueren Strafgesetzgebungen folgen dem Gemeinen Rechte insofern, als auch sie nur gerichtlich od. sonst vor einer öffentlichen Behörde geschworene Meineide criminell bestrafen. Dagegen ist bei ihnen innerhalb dieses Begriffes noch für die Bestrafung meist noch eine größere od. geringere Anzahl von Abstufungen gemacht, je nachdem der Meineid in Criminal- od. Civilsachen geschworen wurde, u. durch die Ableistung desselben nachtheiligen Folgen schwererer od. geringerer Art herbeigeführt worden sind. Die Strafe ist in der Regel eine längere od. kürzere Arbeits- od. Zuchthausstrafe; wenn aber durch einen falschen Eid im Criminalprocesse wissentlich ein Meineidiger über einen Angeschuldigten Todesstrafe gebracht hat, so lassen einige Strafgesetzgebungen auch selbst die Todesstrafe eintreten. Bei allen diesen Strafandrohungen haben jedoch diese Strafgesetzgebungen meist nur den Meineid im engeren Sinne im Auge; der Eidesbruch wird entweder ganz von ihnen übergangen od. unter anderen Gesichtspunkten, bes. als ausgezeichnete Betrügerei, gestraft. Dagegen kommen in mehreren Strafgesetzbüchern auch für das leichtsinnige Ableisten falscher Eide, wenn Jemand aus Mangel an pflichtmäßiger Besonnenheit u. Überlegung eine wahrheitswidrige Aussage mittelst Eides bekräftigt, Androhungen kürzerer Gefängniß- od. Geldstrafen vor, während das Gemeine Recht einen culposen Eid nicht kennt. Über die Frage der Vollendung des Verbrechens weichen die einzelnen Gesetzbücher wesentlich von einander ab, indem einige den Meineid für vollendet annehmen, wenn der Eid geleistet od. die falsche Angabe erfolgt ist, andere als Zeitpunkt der Vollendung erst den Abschluß der Verhandlung od. gar den Augenblick betrachten, wo der Schwörende die falsche Erklärung unterschrieben od. bestätigt hat.
II. Für die nichtchristlichen Völker nennt a) bei Pen Griechen der Mythus Chiron als Einführer des Eides (vgl. Horkos). Selbst die Götter der Griechen schwuren unter einander, u. zwar beim Styx (s.d.), indem sie mit der einen Hand den Himmel, mit der anderen die Erde berührten; dazu holte Iris eine Schale Wasser aus dem Styx, welches der Schwörende libirte. Den meineidigen Gott traf die Strafe, daß er 1 Jahr athem- u. sprachlos u. ohne von Ambrosia u. Nektar zu kosten, in Schwachheit darniederliegen mußte, u. er gelangte erst wieder von Stufe zu Stufe zur Göttlichkeit. Die ältesten Griechen schwuren bes. beim Zeus, dem Schützer u. Rächer des Eides, u. bei dem, was ihnen sonst heilig u. werth war, bes. bei ihrem gastlichen Tische u. Herde, bei ihrem Haupte, Herrscher bei ihrem Herrscherstabe, Weiber bei Here u. bei ihrem ehelichen Lager. Waffenverbindungen wurden beschworen, indem man das dabei verbrannte Opfer berührte od. das Opferthier mit der Lanze durchstach. Später schwur man bei verschiedenen Göttern, denen bes. die Kunst od. das Gewerbe, was einer trieb, heilig war, so Wahrsager bei Apollo, Kaufleute bei Hermes, Ackerleutebei Demeter; auch bei der Zwölfzahl der großen Olympischen Götter. Die Athener schwuren öffentliche (große) Eidschwüre, nach Drakons Anordnung, bei Zeus, Poseidon u. Athene; auch Solen befahl den E. bei 3 großen Göttern; daher schwuren die Richter bei Zeus, Demeter u. Helios; die Heliaften[530] bei Zeus, Poseidon u. Demeter; der Reinigungseid wurde geleistet bei Zeus, Apollo u. Themis; der Bürgereid lautete: Ich will weder die Waffen beschimpfen, noch das Heer verlassen, noch das Vaterland verrathen; Soldaten schwuren: Ich will mein Leben nicht höher achten, als die Freiheit, das Vaterland vertheidigen, will die Anführer nicht verlassen, die Waffen nicht wegwerfen, die Todten begraben. b) Auch bei den Römern schwuren Magistratspersonen, Feldherren, Bürger, Soldaten öffenlich den E. der Treue im Dienste des Vaterlandes u. ihres Amtes, es geschah bei den großen Göttern vor deren Altären; dabei wurde geopfert. Privatim schwuren die Römer bei ihrem Genius, bei ihren Penaten, bei ihrer Rechten, die Weiber bei Juno, Sklaven u. Clienten bei dem Genius ihrer Herren u. Patrone. Den Römern galt in der ältesten Zeit der E. sehr heilig (vgl. Regulus); mit dem Sittenverderben nahm seine Kraft ab. Ein bes. feierlicher E. wurde abgelegt, indem man einen Kieselstein in der rechten Hand hielt u. diesen mit den Worten wegwarf: Si sciens fallo, tum me Diespiter, salva urbe arceque, bonis ejiciat, ut ego lapidem. Unter den Kaisern war der E. bei dem Genius, dem Leben, dem Heil des Kaisers sehr gemein. Der Soldateneid (Sacramentum) war in verschiedenen Formeln gefaßt, die den Sinn hatten: Ich will dem Feldherrn gehorsam sein, die Legionszeichen nicht verlassen, die Waffen nicht wegwerfen. Vor Beziehung eines Lagers schwuren (Sacramentum castrense) die Soldaten, nichts stehlen u. das Gefundene an die Befehlenden abgeben zu wollen. c) Die Germanen schwuren bei einem od. mehreren Göttern (in Skandinavien bei Freyr, Niördr u. Odin od. Thor, in Deutschland bei Donar u. Wuotan) zugleich, in der christlichen Zeit bei Gott u. seinen Heiligen. Beim Hersagen der Eidesformel berührte der Schwörende mit der Rechten einen Gegenstand, welcher sich auf die angerufenen Götter od. auf die dem Meineid folgende Strafe bezog; so berührte in Skandinavien der Schwörende einen ihm vom Priester dargebotenen, mit Blut gerötheten Ring; in Deutschland schwuren sie auf ihr Schwert, bei Erde u. Gras u. andern heiligen Dingen, in der christlichen Zeit auf das Kreuz; schwörende Frauen hielten die Hand auf die Brust. Eide wurden geleistet an heiligen Orten, in der christlichen Zeit in Kirchen od. Kapellen, auch wurde der Reliquienkasten, auf welchen geschworen wurde, in das Gericht gebracht. Die Strafen für Meineid waren hart, z.B. Abhauen der Hand, mit der einer geschworen hatte. Ein eigenthümliches deutsches Institut waren die Eideshelfer, Bekannte, Verwandte, Freunde etc., welche schwuren, daß sie an die Betheurung der Unschuld u. des Rechts der Schwörenden glaubten, ohne Augen- od. Ohrenzeuge der That gewesen zu sein, s.u. Consacramentales. Die Einrichtung der Eideshülfe galt bis ins späteste Mittelalter, u. noch 1548 wird ein Beispiel angeführt. Auch in Wales galten die Eideshelfer u. zwar traten sie in großer Zahl, bis auf 600, auf. d) Die Sklawen schwuren bei dem Gotte Perun; die Lithauer bei Perkunnos, beides Götter des Donners, was auf Rache für Meineid deutet. e) Bei den Hindu heißt der heiligste E. Sankalp. Der Schwörende gießt geweihtes Wasser über die Hand dessen, dem er etwas versichert, während er die Formel des Eides ausspricht. Übrigens schwört der Priester bei seiner Wahrhaftigkeit, der Kschetri bei seinem Pferde od. Elephanten, der Waisya bei seinen Kühen, Getreide, Gelde u. der Sudra wünscht sich die Strafen aller Verbrechen über sein Haupt, wenn er falsch schwört, od. berührt die Häupter seiner Frau u. Kinder der Reihe nach.
Vgl. Malblanc, Doctrina de jurejurando, Altorf 1781; Meister, Über den E. nach Vernunftbegriffen, Lpz. 1810; Stäudlin, Geschichte der Vorstellungen u. Lehren über den E., Gött. 1824; Göschel, Der E. nach seinem Principe, Begriff u. Gebrauch, Berl. 1837; v. Arnold, Die christliche Eidesformel, Erl. 1851; Strippelmann, Der christliche E. nach Entstehung, Entwickelung, Verfall u. Restauration, Kassel 185557, 2 Bde.; Kraußold, Zur Lehre vom E., Münch. 1857.
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