Michael

1. An Michaeli (29. Sept.) kauft man gut Vieh.


2. Auf Sanct Michael beende die Saat, sonst wirst du's bereuen zu spat. (Westpreuss.) – Boebel, 47.


3. Bringt Michel nicht Regen, so bringt ein gut Frühjahr uns Segen.Boebel, 46.


4. Bringt Michel Wind aus Nord und Ost, bedeutet's starken Winterfrost.Boebel, 46.


5. Da Michel zündt's Liecht an und da Joseph löscht's aus. (Oberösterreich.)


6. Haben um Michaeli die Galläpfel Maden, im andern Jahr dann alle Früchte gerathen; sind sie früh dran und gibt es viel, dies Schnee und grosse Kält' bedeuten will. Orakel, 788; Bair. Hauskalender.


7. Hat zu Michael die Sonne keinen Rand, so hat das Wetter vier Wochen Bestand.Boebel, 47.


8. Heiliger Sanct Michel, b'hält mir d' Hand ob der Sichel. (Wurmlingen.) – Birlinger, 632.


9. Heiliger Sanct Michel, b'hüet is d' Hand über der Sichel. (Horgen.) – Birlinger, 633.


10. Kommt Michel heiter und schön, so wird es noch vier Wochen so gehn.

Wenn um Michaelis schön Wetter ist, so soll es noch vier Wochen dauern. (Orakel, 790.)


11. Michael mahnt und Martin zahlt.Graf, 268, 258; Estor, I, 523, 1263; III, 349, 423.

Bezieht sich hauptsächlich auf die Zahlung des Pachtzinses, der meist jährlich abgeführt wurde und in die [651] Zeit fiel, in welcher der Pächter die Früchte bereits verwerthet haben konnte. Man zahlt Zins, wenn der Bär im Moose liegt im Winter, oder doch erst zwischen Michaelis- und Martinstag, sodass jener an die Zahlung erinnert, dieser sie spätestens leistet. (Vgl. Savigny, Zeitschrift für ges. Rechtw., II, 45.)


12. Michael, Michael! du hast keine Bienen und verkaufst Honig.


13. Michael mit Nord und Ost verkündet einen scharfen Frost.Bair. Hauskalender.

In Spanien sagt man: Regen an Sanct-Matthä macht Schweine, Lesa und Lämmer fett. (Reinsberg VIII, 174.)


14. Michaele heizen vele, Galle (16. Oct.) alle. (Memel.) – Boebel, 46.


15. Michaeli kauf' am besten Vieh, den Verkauf aber brich nicht übers Knie.Orakel, 799; Bair. Hauskalender.


16. Michalö macht Lauwar und Gras wälö. (Oberösterreich.) – Baumgarten, I, 52.

Um diese Zeit fängt Laub und Gras zu welken an.


17. Michel hät getutt1; Appeln und Bären2 sind geschutt. (Waldeck.) – Firmenich, I, 326, 39.

1) Getutet, geblasen.

2) Birnen.


18. Michel, im Juni greif' zur Sichel.

Juni ist Heumonat. Die Portugiesen sagen: Juni, mit der Sichel in der Faust, Heu hoch oder niedrig, im Juni wird's geschnitten. (Reinsberg VIII, 140.)


19. Michel steckt das Licht an, was das Gesinde zum Spinnen muss han. (Wohlau.) – Boebel, 47.

Die Franzosen stecken es schon eher an; sie sagen: A la saint Lou (Saint-Leu, 1. Sept.) la lampe un clou. (Leroux, I, 79.) Die Russen sagen: Was der Erzengel Michael (8. Nov.) zusammenschneidet, das schneidet Nikola (6. Dec.) auseinander. (Orakel, 949.)


20. Nach Micheli muss man's Grummet af da Blate dern. (Oberösterreich.) – Baumgarten, Ms.

Man muss dann das Grummt auf der Platte dörren, weil der Sonne die Kraft dazu bereits abgeht.

Frz.: A la sainct Michaut lon chacun fruit queaut. (Leroux, I, 80.)


21. Sanct Michael lässt sich wacker aufpfeifen und Sanct Salvator muss es theuer bezahlen. (Baiern.) – Sailer, 133.

In einem Orte Baierns sind zwei Kirchen; in einer derselben ist Sanct-Salvator, in der andern Sanct-Michael Patron. Die letztere, welche die Pfarrkirche ist, hat eine treffliche Kirchenmusik; da aber die Kirche wenig Einkommen hat, müssen die Kosten aus der Kasse der reichen Salvatorkirche bestritten werden.


22. Sanct Michel's Wein ist Herrenwein, Sanct Gallus Wein ist Bauernwein.Bair. Hauskalender.


23. Sibe Mech'l gabe erst ên Stoffel. (Meiningen.) – Frommann, II, 410, 94.

24. So viel mal es vor Michaeli reift, so viel mal soll es nach Georgi reifen.Orakel, 777.


25. So viel Tag' es vor Michael reift, so viel Fröste nach Sanct Georg.


26. Um Michaeli die Saat, ist nicht zu früh und nicht zu spat.Boebel, 46.


27. Um Michaeli viel Eicheln, um Weihnacht viel Schnee.Orakel, 785.


28. Von Michel und Hieronymus mach' aufs Weihnachtswetter den Schluss.Bair. Hauskalender.


29. Wenn es einige Tage vor Michaelis reift, so beschädigen die Maifröste den Weinberg. Orakel, 778.


30. Wenn es vor Michaelis drei oder vier Wochen friert, so friert es auch drei oder vier Tage vor dem ersten Mai.Orakel, 780.


31. Wenn Michael de Wind stieg, sau wet de Roggen düer. (Tecklenburg.) – Boebel, 48.


32. Wenn Michael viel Eicheln bringt, Weihnachten die Felder mit Schnee dann düngt. Boebel, 48; Orakel, 786.


33. Wenn Michel das Wetter ist gut, steckt der Schäfer 'ne goldene Feder an Hut. (Arnsberg.) – Boebel, 48.


34. Wenn um Michael Gewitter sind, so deutet dies auf grossen Wind.Orakel, 796.

Man bemerkt noch, dass Regen am Sanct-Michaelistage ohne Gewitter auf einen milden Winter, mit Gewitter auf viel Wind deutet. (Orakel, 792.)


[652] 35. Wenn vor Michaeli der Wein erfriert, so soll er im nächsten Mai wieder erfrieren.


36. Wenn vor Michaeli schon Reife kommen, so folgt ein schlechter Frühling und späte Kälte. (Luzern.)


37. Wenn vor (um) Michaelis die Vögel nicht wegziehen, so bleibt gelind Wetter bis Weihnacht.Orakel, 782-783.


38. Wie viel vor Michaelis Fröste kommen, so viel sollen dann auch nach Walpurgis oder Philippi Jakobi fallen.Orakel, 779.


39. Zu Michael die Wintersaat gestreut, den Bauer mit reicher Ernt' erfreut.Orakel, 797.


40. Zu Michaeli ist alles feil. (Oels.) – Boebel, 47.


41. Zu Michaeli steigt das Vesperbrot in den Himmel.Orakel, 800.


*42. De grawe Michel.Dähnert, 305b.

Scheltwort in Pommern, auch Knullmichel.


*43. Der deutsche Michel.Eiselein, 462; Sailer, 310; Körte, 4246a; Tendlau, 312; Braun, I, 2705; Reinsberg V, 60; VI, 38.

Nach Kirchhofer (51): Entweder der Titel, den man man jenseit des Rheins den biedern, geraden, ehrlichen Deutschen gibt, oder den man diesseit desselben denen beigelegt, oder richtiger früher beilegte, die keine lateinische Schule besucht hatten. Jetzt fängt man an, auch die allmählich zu den Menschen zu rechnen, zu deren Bildung die alten Sprachen nicht mitgewirkt haben. – Wol richtiger die gemeinsame Benennung der Deutschen als Vertreter des gesammten Volks, wie Jan Hagel für Pöbel, John Bull für das englische Volk, Yankees oder Bruder Jonathan für Nordamerikaner gebraucht, der Franzose Jean Foutre und der Holländer Mynheer genannt wird. Es scheint das althochdeutsche mihil, mittelhochdeutsch michel oder gross (unbeholfen, schwerleibig, klotzig) zu sein, womit man sagen will: unbeholfener Deutscher; der deutsche Michel so viel als das ganze schwerleibige deutsche Volk. Man hat zwar versucht, den Ausdruck »deutscher Michel« von diesem spöttischen Beigeschmack zu befreien, indem man ihn auf eine wirkliche Person zurückführen wollte. Zum Beweis dessen hat man behauptet, der erste Träger desselben sei ein tapferer Soldat, Michael Obertraut, 1620-22 Generallieutenant im Dienste des dänischen Königs gewesen, der sehr erfolgreich gegen die Spanier gekämpft habe. Bei jedem Vortheil, den man errang, hiess es: »Das haben wir dem deutschen Michel zu verdanken.« (Vgl. darüber Zeinar, Frühlings-Parnass aus dem Jahre 1694, Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode, Weimar 1826, Bd. 41; auch Wurzbach III, 36 fg.) Bei Keller (140b) heisst es darüber: »Diese Benennung führt Phil. Andr. Bourgoldensis in seinen Discursa ad instrumentum Pacis Osnabrugo-Monasteriensi her von den in dem Dreissigjährigen Kriege durch seine Tapfferkeit berühmten Michaele Obertrautio, welcher als eine Zierde der deutschen Milit. der deutsche Michel genannt wurde, wiewohl dieses Wort jetzund gantz in einem andern Verstande angewendet wird.« Weiter bemerkt Keller: »Anno 1638 ist zu Insprug der deutsche Michel oder ein neues Mengelied wider alle Sprachverderber nachgedruckt worden, das sich anhebt: Ich deutscher Michel versteh schier Nichel in meinem Vaterland. Es ist eine schand, man thut frembde reden in allen Läden. Die Leite reden Latein, Welsch und Französisch, halb japonesisch« u.s.w. Die Bezeichnung »deutscher Michel« ist aber ältern Ursprungs und hat sich, längst vorhanden, sicher nur an den Vornamen des Generals Obertraut angelehnt, selbst wenn die aus dem Althochdeutschen von Eiselein (462) angeführte Belegstelle: »Das diutschiu Volk ist mihhil giheissan«, unecht und nur von ihm erfunden wäre, was man bei seinen Citaten nicht wissen kann, da sie, wie eben die vorstehende, der Quellenangabe gänzlich ermangeln oder nicht am angeführten Orte zu finden sind. W. Wackernagel, der in Pfeiffer's Germania (IV, 129 fg.) die deutschen Appellativnamen und dabei auch den »deutschen Michel« behandelt, bringt indess keine Belegstellen aus dem Mittelhochdeutschen bei, er führt für das sprichwörtliche Vorkommen des Ausdrucks nur Philander von Sittewald (Strasburg 1666, I, 35, 123) und den Simplicissimus (II, 1047 fg.) auf. – Es erscheint aber fast geboten, hier schliesslich noch zu bemerken, dass das Jahr 1870-71 in den Anschauungen und Urtheilen über den »deutschen Michel« als Volksbezeichnung eine wesentliche Aenderung herbeigeführt hat. Noch 1845 klagt der Dichter in: Des armen Michel's Lebenslauf. Teutsches Heldengedicht in sechs Klageliedern: »Ich armer Michelissimus, Weltmutter, was hatt'st du verbrochen, das dich unser lieber Herrgott liess kommen mit mir in die Wochen?« Und sagt, ihn zu charakterisiren: »Sie (andere Völker) kräftigten zu Nationen sich, und ich – ich blieb der Michel. Ich blieb der Michel und ging nach Haus und legte mich auf den Glauben; denn weil mir die irdischen hingen zu hoch, so schielt' [653] ich nach himmlischen Trauben. So bracht' ich das Mittelalter herum, gehorsam Gott und dem Fürsten, den einen Hang verspürend nur, nach Sauerkraut und Würsten.« (Vgl. Das enthüllte Preussen, Winterthur 1845, S. 46-47.) Ein anderes Heldengedicht, Die Micheliade in 24 Gesängen, in der des deutschen Michel Geburt, Charakter, Leiden und Hoffen, Geständnisse, Aufstand, dargestellt wird, findet sich in Welt und Zeit, IV, 8-36; namentlich wurde der »deutsche Michel« als verschlafen, unerweckbar, als unempfindlich gegen üble Behandlung dargestellt. H. Heine (Ueber Börne, Hamburg 1840, S. 78) sagt: »Ich konnte dadurch bei dem schnarchenden Giganten nur ein sanftes Niesen, keineswegs ein Erwachen bewirken. Riss ich auch heftig an seinem Kopfkissen, so rückte er es sich doch wieder zurecht, mit schlaftrunkener Hand. Michel lächelte im Schlummer.« Noch 1849 behauptet die Westdeutsche Zeitung (Köln, Nr. 117): »Kein Schriftsteller in der Welt ist stark genug, den deutschen Michel aufzureizen«; er hat aber 1870 bewiesen, dass alles einmal, auch sein Schlaf und seine Geduld ein Ende habe, er hat gezeigt, dass er, wenn er zur rechten Zeit und auf die rechte Weise geweckt wird, aufzustehen und den ihm gebührenden Platz einzunehmen weiss.


*44. Der Remner Misch kit. (Siebenbürg.- sächs.) – Frommann, V, 177, 212.

Der Riemer Michael, d.i. die Peitsche kommt.


*45. Er ist's klein' Michele.Nefflen, 457; Michel, 264.

Er ist der Herr im Haus, gilt aber nichts.


*46. Er spielt's kleine Michele mit ihm. (Rottenburg.)


*47. Es ist Vetter Michel.Körte, 4246b.


*48. Herzog Michel fiel ins Land. (Ostpreuss.)

Redensart, wenn Herzen (Coeur) ausgespielt wird.


*49. Ich, deutscher Michel, verstehe schon nihil.

Lat.: Inanium inania sunt consilia, et cogitationes. (Chaos, 815.)


*50. Michel, gib dich! (Oberösterreich.)

So sagt man zu sich selbst oder zu einem andern, um auszudrücken, man müsse sich in das Unvermeidliche fügen.


*51. Micheli, Mächeli, mach' is Kächeli.Sutermeister, 29.

Die Schweiz hat eine Anzahl sprichwörtlicher Reime und Wortspiele mit Namen, zu denen das vorstehende gehört. (S. Lorenz 3.)


*52. Möchel, merkst nuscht?Frischbier, 502; Frischbier2, 2629.

Zu einem, der von dem Gewinn eines andern für sich Vortheil ziehen möchte.


[654]

53. Michael Daus stösst die Leute hinaus.

Es ist um diese Zeit ein Umzugstermin.

Poln.: Michał ludzie wypychał. (Frischbier, 4298.)


54. Nass vor Michaeli (29. Sept.), kalt vor Christtag.Schulfreund, 83, 25.


55. Netzt Michael die Flügel an, werden wir Regen bis Weihnacht han.

Es ist der Engel Michael gemeint. Wenn es um die Zeit des 29. Sept. regnet, soll die Witterung regnerisch bis Weihnacht sein.

It.: Quando l' angiolo (Michele) si bagna l' ale, Piove fine a Natale. (Giani, 1069.)


56. Regnet's zu Micheli nicht, wird der Frühling schön gericht't.Payne, 31.


57. Stehn zu Michelis die Fische hoch, kommt viel schönes Wetter noch.Payne, 31.


58. Trockner Michael, trocknes Frühjahr.Zittel. Rheinischer Landbote, 1848.


59. Wenn Michaeli der Wind von Nord und Osten weht, ein harter Winter zu erwarten steht.Wunderlich, 31.

60. Zu Michaeli rauher Wind, wird der Winter nicht gelind.Weckstimmen, I, September.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873.
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