[546] Zehnt (Zehent, Zehende, Decem, Decimae, Decumae, auch Decima [pars]), der zehnte Theil der von einem hierzu pflichtigen Grundstücke od. Grundstückscomplexe gewonnenen Nutzungen, welcher als Reallast an einen Nichtbesitzer dieser Grundstücke abgegeben werden muß. Statt des eigentlichen 1/10 findet sich als solcher auch nicht selten 1/4 bis 1/12 (Halbzehnt), 1/30, ja 1/60 I. Hauptsächlich verschieden ist der Z. je nachdem das Subject des Zehntberechtigten (Zehntherrn Decimator), d.i. desjenigen, welcher den Z. zu fordern hat, im Gegensatze von dem Zehntholden (Zehntpflichtigen, Decimatus, Decimandus), d.i. dem, welcher den Z. zu leisten hat, eine geistliche od. weltliche Person ist. Im ersteren Falle heißt die Abgabe geistlicher Z. (Decimae ecclesiasticae), die Person sei eine physische od. moralische Person, Kirchenstiftung, Pfarrei, geistliche Corporation etc.; im anderen weltlicher (Laien-) Z. (D. seculares s. laicae). Neben diesen zwei Hauptarten des Z-s unterschied man sonst wohl noch eine dritte, welche aber eigentlich zum Laienzehnt gehört, nämlich den von den Grundstücken an den König entrichteten Herren- od. Königs- od. Salischen Z. (Decimae dominicae, D. indominicatae D. regales, D. salicae). Den geistlichen Z. sprach früher die Kirche als einen allgemeinen Z. (D. universales), d.h. als einen solchen an, welcher sich auf alle Grundstücke u. Fruchtgattungen des Bezirks erstreckt, von welchem eben die Rede ist (Zehntdistrict), während der besondere Z. (D. particulares) sich nur auf gewisse einzelne Grundstücke, od. blos bestimmte Früchte beschränkt. In dieser Beziehung wird auch das Zehntrecht (Jus decimandi) für die Befugniß genommen, überhaupt in einem gewissen District den Z. zu erheben. Das Recht den Z. zu erheben, welches auch häufig zu Lehen gegeben ist (Zehntlehen), theilt sich aber in vollkommenes (Jus decimandi perfectum), wenn es sich auf alle Fruchtgattungen des Zehntdistricts erstreckt, u. unvollkommenes (Jus decimandi imperfectum), wenn es sich auf gewisse Fruchtgattungen beschränkt. Man unterscheidet nämlich bei dem Z-en in Bezug auf die Qualität des Zehntholden, als solchen, u. ob dieser von den, aus einem Grundstück unmittelbar gewonnenen Früchten, od. persönlich von den, durch Handel u. Wandel erlangten den Z. zu leisten hat: A) den Real- (dinglichen) Z. (D. reales). Dieser zerfällt wieder, da die Nutzungen eines Gutes nicht blos in den Feldfrüchten, sondern auch im Ertrage der Jagd, Fischerei, Vogelfang, Viehzucht etc. bestehen, rücksichtlich der ihm unterliegenden Nutzungen in: a) Fruchtzehnt (Z. zu Felde, Prädial-, Feldzehnt, D. praediales), welcher blos von Früchten eines Grundstücks gegeben wird u. wieder nach Maßgabe der das Object ausmachenden Früchte zerfällt in: aa) großen, unter welchem man in der [546] Regel nur alle Getreidearten (Getreidezehnt), aber oft auch Alles, was Halm u. Stängel treibt (Halm-, Heu- u. Weinzehnt), versteht; u. bb) kleinen od. Krautzehnt, wozu man in der Regel alle Gemüsearten u. Wurzelgewächse rechnet, welche auf dem Felde gezogen werden, so Kartoffeln, Klee, Tabak, Cichorien. Rüben, Kohl, Färbekräuter, kurz alle Sömmerungsfrüchte im Gegensatze von Sommerfrüchten, also z.B. nicht Sömmerungskorn. Die zweite Art des Realzinses ist b) Z. im Dorfe (Dorf- od. Hauszehnt, lebendiger Z., Blut-, Vieh-, Fleisch-, Schmalz- od. Schmalzehnt, Ochtum, Octuma, Octomagium, Ochtmundt, Ochtpenning [Uchtpfennig], D. minutae, D. animalium od. D. carnaticae). welcher aus dem durch Benutzung der Grundstücke gehaltenen Viehe zu entrichten ist, also von jungem Vieh, Eiern, Butter, Milch, Käse, Wolle, Fellen etc. Auch dieser Z. theilt sich aa) in den großen u. bb) kleinen Z., deren letzter sich blos auf das Federvieh, erster auf alle übrigen Thierarten erstreckt. Zu dem Dorf- od. Hauszehnt gehört auch z.B. der Immen- od. Bienenzehnt, der Ferken- od. Klauenzehnt von jungen Schweinen, überhaupt der Rauchzehnt von behaarten Zuchtthieren etc. Zum Theil darauf kommt hinaus die Eintheilung in allgemeinen Blutzehnt, welcher sich auf alles Vieh erstreckt, u. besonderen Blutzehnt, welcher sich auf einzelne Arten von Vieh beschränkt. Wird der Z. in Nutzungen selbst entrichtet, so ist er ein Naturalzehnt (D. propriae), u. zwar ein ordentlicher Z. (Zugzehnt, rauher Z., Garbenzehnt), wenn er sofort von den Früchten des Feldes ohne alle weitere Zurichtung, ein Sackzehnt (Scheffelzehnt, D. saccariae), wenn eine gewisse Quantität ausgedroschenen Getreides, statt des ordentlichen Z-s, gegeben wird. Doch ist dies nicht immer die Bedeutung des Wortes Scheffel- od. Sackzehnt, in welcher er zum uneigentlichen Z. (D. impropriae) gehört, also zu dem, welcher nicht in einem verhältnißmäßigen Theile (Pars quota) der wirklich erbauten Früchte, wie der eigentliche Z. (D. propriae), sondern in einer Abfindungsquantität dafür besteht. Vielmehr heißt Sackzehnt nach dem Sprachgebrauch mancher Gegenden auch so v.w. Drescherzehnt, d.i. die verhältnißmäßige Quantität Getreide, welche Frohndrescher als Lohn von dem gedroschenen Getreide erhalten müssen. Je nachdem ferner der Z. von stets urbar gewesenem Lande zu entrichten ist, od. von erst neuerlich urbar gemachtem, seit Menschengedenken nicht bebautem Rottland (unbesuchtem Lande, Neugereuth, Neubruch, Neuriß), ist der Z. alter Z. (D. veteres), od. Novalzehnt (Neubruch-, Rottzehnt, D. novales). Zwischen beiden inne steht der Z. von Aufbrüchen, d.h. von solchen Grundstücken, welche nur längere Zeit nicht benutzt worden sind. Nach der Art der Auszehntung, od. des Auszehntens, wenn das Zehntziehen (Zehntzug, Decimatio), d.i. die Perception des Z-s, nicht in der gewöhnlichen Art geschieht, ist der Z. entweder Schleppzehnt, d.i. wenn der Zehntherr mit dem Wagen, worauf er den Z. einerntet, nicht quer durch die Felder durchfahren u. daselbst die zehnte Mandel, Haufen etc. nehmen darf, sondern den Acker auf- u. niederfahren u. aus jedem Haufen, od. jeder Mandel die ihm gebührende zebute Garbe nehmen (fortzehnten) muß; od. Streuzehnt (fliegender, stehender Z.), d.i. der Z., wenn die Zehntpflichtigen nicht die ganze, eben zum Hieb od. Schnitt kommende Frucht in der ganzen Feldmark aufbinden u. bis zum Zehntzug stehen lassen müssen, sondern der Zehntherr verbunden ist auf jedem einzelnen Zehntacker, sobald das Getreide aufgebunden u. in die Mandel gesetzt ist, nach erfolgter Ansage, noch an demselben Tage den Zehntzug vorzunehmen, falls nicht die Zehntpflichtigen berechtigt sein sollen ihre Früchte abzufahren u. die Zehntgarben liegen zu lassen. Da diese beiden Zehntarten eine Ausnahme von der Regel sind, so müssen die Zehntpflichtigen sie beweisen, wenn sie sich auf die Existenz derselben berufen. Z-en, welche von den an einer Zehntgrenze liegenden Grundstücken an denjenigen, welcher ihn zuerst einfordert, zu geben sind, heißen Laufzehnten, u. die, wobei nur von einzelnen Äckern eine gewisse Zahl Garben gegeben wird, Schlüsselzehnt. Zu dem Realzehnten gehört noch der Holzzehnt, wobei das Holz wie jede andere Frucht eines Grundstücks angesehen u. nach Stämmen, Haufen u. Schocken, je nachdem es Ober- od. Unter-, also Stamm- od. Buschholz ist, ausgezehntet wird. Endlich ist eine ganz besondere Art des Z-s der Bergzehnt, welcher meist ein landesherrliches Reservat u. an die Stelle der ehemaligen Gemeinschaft beim Bergbau zwischen dem Bergherrn u. den Gewerken getreten ist, s. Bergzehnt 1). B) Der Personalzehnt (D. personales) wird von einer Handel u. Wandel treibenden Person von dem errungenen Gewinn entrichtet. Er findet aber selten Statt u. fällt mit gewöhnlichen Abgaben mehr od. weniger zusammen. Er wird oft in Geld gezahlt, wie denn auch der gewöhnliche Z. oft in Geld nach einer Durchschnittssumme abgetragen wird (Geldzehnt).
II. Der Z. war schon bei den Israeliten früher observanzmäßig, durch das Mosaische Gesetz (3. Mos. 27, 26 ff., 4. Mos. 18, 11 ff.) gesetzlich eingeführt, hieß dort Maaser u. es gab daselbst einen dreifachen Z.: den Z., welcher an die Leviten gegeben wurde, weil der Stamm Levi bei der Theilung Palästinas keinen Landestheil bekam; die Leviten gaben wieder den zehnten Theil davon an die Priesterschaft; den andern sollten die Israeliten selbst zu Opfermahlzeiten verwenden, wenn sie an den hohen Festen zum Tempel reisten; da aber dabei der Z. nicht immer ganz verbraucht wurde, so mußten sie alle 3 Jahre Abrechnung halten u. den Überschuß zu Gastmahlen verwenden, zu welchen außer den Freunden auch Leviten, Wittwen, Waisen, Fremde u. Knechte zugezogen wurden. Ein dritter Z. sollte dem Könige gegeben werden; es ist aber ungewiß, ob er überall u. zu allen Zeiten entrichtet wurde. Die Rabbinen behaupteten, daß blos Getreide, Öl u. Most verzehntet werden sollten, Gartenfrüchte u. Kräuter wurden erst später verzehntet. Der Talmud befiehlt Alles zu verzehnten, was gegessen, aufgehoben u. von der Erde hervorgebracht wird. Den Z. entrichtete auch die Juden in der Diaspora; jetzt bezahlen die Juden keinen Z. mehr, denn sie haben selten Grund u. Boden. Vgl. Selden, Dissertatio de decimis; Hottinger, De decimis Judaeorum, im 20. Bd. von Ugolini's Thesaurus; S. Amama, De decimis mos., Fran. 1618; Frischmuth, De decimis. Bei den Arabern verkauften ihre Weihrauchshändler nie eher, bis sie ihrem Gott Sabis, 1/10 ihrer Waare[547] gewidmet; eben so thaten die alten Perser u. Lydier mit der Beute, welche sie ihren Feinden abgenommen hatten; die Carthager schickten von allen ihren Gütern u. der gemachten Beute den Z. nach ihrer Mutterstadt Tyros an den Tempel des Hercules. In Griechenland wurde der Z. (Dekate) von nicht freien Besitzthümern gegeben, daher mußten in monarchischen Staaten alle Bürger die Z-en von ihren Ländereien, in Freistaaten die, welche kein freies Eigenthum, sondern nur Ländereien zum Nießbrauch hatten, geben. In Athen gab es verschiedene Z-en; zuvörderst mußte als Seezoll der Z. gegeben werden u. man hatte dazu bes. Zehntstätten od. Zehnthäuser (Dekaleuteria, Dekatelogia) errichtet; dann vom Bergbau, Feldbau etc.; man überließ auch die Z-en, welche der Staatskasse zuflossen, an Pachter (Dekalonä, Dekateutä). Auch die Tempel bezogen Z-en, nicht blos von den Pächtern der Tempelgüter, sondern auch andere, z.B. von der Beute u. den Kaperpriesen, auch von gewissen Geldstrafen, von confiscirten Gütern etc. Auch die Römer kannten den Z. (Decimae), welchen sie sich sowohl von den besiegten Völkern zahlen ließen, als auch selbst von der Beute dem Hercules (daher Portio herculana) u. dem Apollo opferten od. als Lösung eines Gelübdes darbrachten. Nach dem Koran sollen die Muhammedaner 1/10 ihres Einkommens den Armen geben od. zu öffentlichen wohlthätigen Anstalten verwenden. In die Christliche Kirche ist der Z. aus dem Judenthum übergegangen; nur weiß man nicht seit wenn. Nach Ein. kam der Z. im 2., nach And. im 4. Jahrh. auf, doch wollte die Abgabe nicht recht Beifall finden, u. erst den Erinnerungen der Kirchenväter des 4. u. 5. Jahrh., wo schon die Kirche planmäßig ihre Macht zu erweitern suchte, an das Beispiel der Leviten gelang es den Z. theilweise einzuführen. Ihnen folgten die Concilien hierin nach, zuerst mittelst Synodalbriefes das Concil zu Tours (567 n.Chr.). Indeß blieb es damals, bes. im 4. u. 5. Jahrh., noch bei Ermahnungen. Später dagegen versuchten schon Bischöfe, durch Excommunication, die Zehntentrichtung durchzusetzen, wogegen sich jedoch ein ausdrückliches Gesetz des Kaisers Justinian wendete (c. 39, §. 1. C. d. episcopis et clericis, I, 3). Daher ist auch im Orient u. in der Griechisch-Katholischen Kirche der geistliche Z. nie zur Kraft gekommen. Das zweite Concil zu Macon (585) erhob dagegen die Bezahlung des Z-s an die Geistlichen zu einem Zwangsgebote, bei Strafe der Excommunication, u. König Guntram I. von Burgund (in der zweiten Hälfte des 6. Jahrh.) unterstützte es dabei. Das Concil von Sevilla (590) forderte den Z. von Armen u. Reichen, u. zwar nicht blos Frucht- u. Blutzehnt, sondern auch Personalzehnt von allem Gewinne im Handel. Das Concil zu Nantes (658) endlich gab Vorschriften über die Theilung u. Anwendung des Z-s. In jener Zeit zeigt sich noch der, schon im Römischen Rechte nicht undeutlich begründete Ursprung des Laienzehnts. Denn als Gutsabgabe kommt der Z. schon bei dem römischen Ager vectigalis u. decumalis vor u. eben so bei den Fränkischen Königen. Die Römer gaben nämlich die eroberten Ländereien Colonen gegen Vorbehalt des Z-s von den Saatfrüchten. Dadurch u. durch die römische Emphyteuse, deren Canon auch eine Art von Z-en war, wurde das weltliche Zehntinstitut den Deutschen u. Galliern bekannt. In Sicilien wurde an die Herren von jeher Z. entrichtet, welche denselben, als Sicilien römische Provinz wurde, nach Rom abgeben mußten. Die Franken, als sie Gallien eroberten, ließen sich den Z. von den Galliern zahlen, u. die Geistlichen selbst mußten den Laienzehnt unter dem Namen Pascuarium entrichten, denn Chlotar II. befreite sie (560) von dem Zehnt, welcher von ihnen für die Schweinemastung in den königlichen u. grundherrlichen Waldungen entrichtet werden mußte (Schweinszehnt, Decimae porcorum, verschieden vom Ferkenzehnt, s. oben), u. Pipin der Kurze schenkte (750) einer Kirche einen ihm gehörigen Z. Allein der andere Pipin, Karl Martel u. Karlmann wiesen sogar der Kirche in Utrecht den Z. von den Einkünften des Fiscus an, welche Schenkungen von Ludwig dem Frommen u. Ludwig dem Deutschen bestätigt wurden, so daß diese Fiscalzehnten den Königen, Herzogen, Markgrafen, Fürsten u. Grafen, von denen ähnliche Schenkungen durch Urkunden erwiesen sind, ohne Zweifel zustanden. Heinrich der Vogelfänger u. Otto d. Gr. nennen in Urkunden über Z., welchen sie Kirchen überwiesen, diesen ausdrücklich Dominical-, königlichen, Salischen Z. (s. oben S. 546). Selbst eine Urkunde eines Bischofs zu Worms von 1142 erkennt einen solchen an, u. noch 1296 erwähnt Herzog Otto von Braunschweig in einer Urkunde des Z-s als eines ihm zustehenden Rechts. Dies ist um so merkwürdiger, als schon 779 Karl d. Gr., nach Angabe katholischer Schriftsteller zwar erst noch das Monasterium Honaugiense von der Zehnentrichtung frei sprach, allein nicht nur seine eigenen Domänen, sondern auch die, unter Ärarialverwaltung stehenden Städte dem Z. unterwarf, indem eigentlich Niemand vom Z-en befreit sein u. dieser nicht blos im Real-, sondern auch in Personalzehnten bestehen sollte. Andere bezweifeln, daß die Verordnungen Karls d. Gr. ein allgemeines Gebot zur Entrichtung des Z-s enthalten hätten, u. meinen, der eine Theil seiner Capitularien mache blos diejenigen, welche geistliche Güter als Beneficien von den Königen inne hatten, u. der andere diejenigen überhaupt, welche Beneficien von den Königen besaßen, zehntpflichtig an die Kirchen. So viel ist gewiß, daß er die Verwendung des Kirchenzehnts, so daß der Z. jedes Kirchspiels auch in der Regel der Parochialkirche zu Gute kommen solle, dahin anordnete: 1/4 solle dem Unterhalte der Kirchenbeamten, 1/4 dem Bischofe selbst, welcher den Z. zu verwalten hatte, 1/4 der Erbauung u. Herstellung der kirchlichen Gebäude u. 1/4 Zwecken der Wohlthätigkeit gewidmet sein. So wie überhaupt in den Gegenden, wo die Landesherren keine eigenthümlichen Güter od. fiscalischen Einkünfte hatten, dieselben den Unterthanen die Entrichtung des Z-s zur Unterhaltung der Kirchen etc. auflegten, so unterwarf Karl d. Gr. die von ihm besiegten sächsischen u. westfälischen Lande u. alle Edle, Freie u. Freigelassene darin dem Z. von ihrem Vermögen u. vom Verdienst aus ihrer Arbeit, u. zwar angeblich durch das Verdener Privilegium von 786 u. das Bremer Privilegium von 788. Wird nun gleich gegen die Echtheit dieser Privilegien Manches eingewendet, so ist doch deren Inhalt durch andere Capitularien Karls d. Gr. bestätigt.
Indeß ermahnte schon Alcuin 797 die Bischöfe in Beitreibung des Z-s nicht allzu streng zu sein, da die Sachsen sich demselben nur schwierig unterwarfen; der Personalzehnt war gar nicht durchzusetzen u. ist[548] auch in Deutschland wahrscheinlich nie in Übung gekommen. Einige Zeit wurde statt desselben aus dem Nachlasse jedes Parochianen eine gewisse Abgabe (Mortuarium) gefordert; aber auch dies ist abgekommen. Die Kirche mußte sich mit dem Prädialzehnten begnügen. Dagegen befolgten auch die Bischöfe die ihnen nach Obigem vorgeschriebene Vertheilung des Z-s größtentheils nicht. Während übrigens die Kirche durch kirchlichen Zwang, u. zwar Excommunication als ersten, Geldstrafe von 6 Solidi als zweiten, Feilbietung des Hauses des Widersetzlichen als dritten Grad, die Entrichtung des Z-s durchsetzte, wurden seit Karls Verordnungen auch weltliche Zwangsmittel dafür angewendet, wenn es gleich streitig ist, ob Karl d. Gr. diese genehmigt hat. Oft trat durch diese Verordnungen der Fall ein, daß von demselben Gute der Z. zweimal, nämlich an die Kirche u. auch an den Grund od. Landesherren, deshalb der neunte u. zehnte Theil (Nonae et Decimae) der Nutzungen, gegeben werden mußte. Wie häufig größere Grundbesitzer unbebaute Grundstücke, gegen Bedingung eines Z-s, also eines Laienzehnts, an andere Personen zum Anbau überließen; so auch die geistlichen Stiftungen, welche oft von größeren Grundbesitzern Grundstücke zum Geschenk erhielten. Aus Vorstehendem ergibt sich übrigens, daß die Kirche den geistlichen Z. nicht als den allein gültigen aus Religionsgründen in Anspruch nehmen konnte, zumal sehr viele geistliche Z-en durch Belehnung etc. schon damals aus den Händen der Geistlichkeit in weltlichen Besitz gekommen waren. Es schenkten schon die Merowinger nach der Eroberung Galliens Kirchengüter u. Kirchenzehnten ihren Kriegern als Lohn der Tapferkeit. Daher protestirten Kirchenväter u. Kirchenversammlungen, z.B. die von Meaux (845), gegen Veräußerung des Kirchenzehnts. Sehr auffallend war es aber, daß die dritte Lateranensische Synode (1179) verordnete, daß kein Laie eines Z-s, als eines göttlichen geistigen Rechts, fähig sei, u. daß jeder Besitzer eines solchen denselben bei Verlust des kirchlichen Begräbnisses herausgeben solle, da er sich außerdem eines Kirchenraubes schuldig mache. Dies brachte jedoch die Sache ziemlich zu Ende, denn auf dem Reichstage zu Gelnhausen (1186) wurde der päpstliche Antrag abfällig beschieden. Durch diese Vorfälle sah man geistlicherseits sich genöthigt den Beschluß der Lateranensischen Synode dahin zu ermäßigen, daß die bereits förmlich infeudirten Z-en den Besitzern verbleiben u. nur nicht neue Veräußerungen an Weltliche erfolgen sollten. Allein auch dies wurde nicht befolgt, obgleich Manche aus religiösen Rücksichten theils sofort, theils bei ihrem Tode durch Stiftungen den Z. an die Kirche u. ihre Institute gaben, theils ihren Z. als Lehen der Kirchen darboten (Decimae laicales infeodatae). Immer wurde jedoch der Z. nicht in der, von der Geistlichkeit gewünschten Ausdehnung anerkannt. So erhielt sie in einem großen Theile Deutschlands, z.B. in den neu erworbenen Provinzen jenseit der Elbe, nur den Sackzehnt als Surrogat dafür. In ganzen Gegenden wurde kein Z. gegeben, u. das Volk widersetzte sich der Zehntentrichtung häufig. Die weltlichen Z-en dauerten dagegen überall fort, u. die Rechtsbücher, z.B. der Sachsenspiegel, erkannten sie als gutsherrliche Rechte an. Da die Gutsbesitzer selbst herkömmlich von der Zehntpflicht befreit waren, so veräußerten sie auch einzelne Theile ihres Gutes mit der Zehntfreiheit. Die Patrone sahen häufig die Erhebung des Z-s als einen, ihnen gehörigen Ausfluß der Schirmvoigtei- u. Patronatsrechte an, welchen auch anderweit zu verleihen ihnen frei stehe. Trotz der Bemühungen der Päpste von Gregor VII. bis Alexander III. konnten sie diesen Laienzehnt nicht wieder erlangen. Die Bischöfe waren zwar ferner Oberaufseher der Zehntverwaltung, ihnen mußte Rechnung abgelegt werden; allein die Verwaltung hatten in der Regel nicht sie mehr, sondern die Priesterconvente u. Taufkirchen; sie verloren auch beinahe überall das frühere 1/4 desselben. So z.B. wurden durch diese die Klöster von der Entrichtung des Z-s an die Bischöfe befreit. Doch verminderten sich allerdings auch die Veräußerungen der Kirchenzehnten gegen das Ende des 12. Jahrh. Noch vorher aber entstanden über die Z-en sehr bedeutende Streitigkeiten, z.B. zwischen Burchard, Bischof von Halberstadt, u. dem Abte Mechinger zu Hirschfeld, zwischen dem Bischofe von Lübeck u. den Holsteinern, zwischen den Erzbischöfen von Mainz u. den Thüringern (s. Thüringen S. 565 f.) etc. In der Regel aber drangen, wegen des allzu großen Widerwillens der Nation gegen den Z., die Geistlichen mit ihren Prätensionen wenigstens nicht ganz durch. Selbst der Papst, welcher im 14. Jahrh. häufig den Z. von den Beneficialeinkünften verlangte, erhielt ihn nur in einzelnen Fällen u. mußte ihn öfter den Fürsten zu ihrem Aufwande überlassen. Auch die Kostnitzer Synode (1414) ließ die Mißbräuche der Geistlichkeit rücksichtlich des Z-s nicht ungerügt; der Papst mußte versprechen Z-en nur aus sehr wichtigen, den Nutzen der ganzen Kirche fördernden Gründen u. nur unter Einwilligung der Cardinäle u. Prälaten aufzulegen. Im Bauernkriege, im 16. Jahrh., war der Z. eine Hauptbeschwerde der Rebellen, sie wollten sich nur den Kornzehnt, nicht den sehr verhaßten Blutzehnt gefallen lassen u. verlangten dessen Verwendung zum Unterhalte der Kirchen u. Pfarrer u., wo etwas übrig blieb, zu öffentlichen Ausgaben Indeß blieben doch in Deutschland, bes. im katholischen, die Geistlichen Hauptbesitzer des Z-s, während er sich in Ländern, wohin die Macht des Papstes u. der katholischen Geistlichkeit weniger drang, namentlich in den früher slawischen Ländern, weniger findet. Im protestantischen Deutschland gelangte er oft in die Hände von Gutsbesitzern u. weltlichen Regenten. In Frankreich hat die Geschichte des Z-en mit der Geschichte Deutschlands ziemlich gleichen Schritt gehalten, doch wurden 1187 durch eine Verordnung des Königs Philipp August die Rechte der Gutsbesitzer aufrecht erhalten. In Dänemark, wo Kanut der Heilige (107686) den Z-en, lange unter heftigem Widerstand, einführte, wurde der Z. in drei Theile getheilt, wovon 1/3 der König, 1/3 die Kirche, 1/3 der Pfarrer des Kirchspiels erhielt. In Schweden wurde das angebliche Zehntrecht der Kirche durch König Kanut Eriksson (1200) bestätigt. Auch da bezog fortan die Geistlichkeit nur 1/2 des Fruchtzehnts u. etwas kleinen Z. In Norwegen findet sich der Z. schon 1035 n.Chr. In den Niederlanden wurde zwar der geistliche Z. auch eingeführt, doch nicht ohne bedeutenden Streit der alten Besitzer des Laienzehnts. Am vorsichtigsten benahm sich Gregor VII. bei Einführung des Kirchenzehnts in Großbritannien, wo er, wiewohl ohne Beeinträchtigung des Laienzehnts, den größten Umfang[549] erreicht hat. Zwar sollen schon König Ina (725) u. König Ossa (794), auch König Ethelwolf (855) den Petersgroschen od. Peterspfennig in England eingeführt haben, welchen man häufig, wiewohl mit Unrecht, für eine Art von Z. genommen hat. Wegen, einer ungeheueren Höhe bildet er dort, bes. in Irland, eine sehr drückende Abgabe u. er hat noch bis in die neuesten Zeiten die größten Aufregungen, Excesse u. blutige Tumulte veranlaßt, indem daselbst der Z. von den Katholiken meist an Geistliche der Englischen Kirche entrichtet werden muß, u. die katholischen Gemeinden ihre eigenen Geistlichen auf andere Weise besolden. Auch in Portugal erlangte der Z. seit dem 11. Jahrh., in Spanien seit Alfons X. (125284) gesetzliche Anerkennung.
Die neuere Zeit hat fast überall dem Fortbestehen des Z-en den Krieg erklärt, u. in Folge dessen ist fast in allen Ländern die Aufhebung desselben entweder bereits erfolgt, od. durch die Ablösungsgesetze vorbereitet worden. Die Aufhebung der Z-en wird dadurch geltend gemacht, daß die Z-en mit dem Fortschreiten der landwirthschaftlichen Cultur regelmäßig nicht blos absolut, sondern auch relativ einen immer größeren Druck auf die ackerbauende Bevölkerung ausüben; daß sie den Übergang zu besseren Fruchtfolgen verhindern, dem Landbau einen großen Theil dessen entziehen, was der Bauer zur eigenen Befruchtung des Ackers u. seiner Wirthschaft braucht, u. dadurch zu sorgloser, jeden Unternehmungsgeist hemmenden Wirthschaft führen; daß vielfach die Erhebung des Z-en der Bestellung des Ackers, ordentlicher Einbringung der Früchte etc. hindernd entgegentrete. Schon im 15. u. 16. Jahrh. finden sich daher in Ober- u. Mittelitalien, in der freien Schweiz u. in den Niederlanden zum Theil auch von Erfolg begleitete Versuche die Z-en gegen Geld abzulösen. In Deutschland regten sich wohl ähnliche Bestrebungen, allein seit dem 16. Jahrh. wurden sie durch den widerstrebenden Adel, welcher sich dadurch in seinem gutsherrlichen Ansehen bedroht sah, durch die beginnende Entwerthung des Geldes u. durch den Schrecken, welchen die Bauernaufstände verbreiteten, fast ganz zurückgedrängt. Erst im 18. Jahrh. wurden diese Versuche wieder aufgenommen; allein erst die politischen Stürme der Französischen Revolution vermochten es bei dem großen Widerstand der Berechtigten, diese Bestrebungen zu einem Resultat zu bringen. Für Frankreich wurden am 4. August 1789 alle geistlichen Z-en, sobald für die Bedürfnisse der Kirche anderweit gesorgt sein werde, aufgehoben u. die übrigen Z-en für ablösbar erklärt. In Preußen brachte die Katastrophe von 1806, in den meisten kleineren Staaten von Deutschland die Aufhebung des Deutschen Reiches, od. die Bewegungen von 1830 u. 1848, in Österreich die Katastrophe von 1848 die Ablösbarkeit der Z-en zu Wege. In manchen Staaten ist man dabei soweit gegangen, nach dem Vorgange Frankreichs die Z-en überhaupt od. doch einen Theil derselben ohne alle Entschädigung aufzuheben, indem man sie irriger Weise als Überbleibsel ungerechter Anmaßungen betrachtete. So wurden in Spanien alle Z-en durch Cortesbeschluß vom 29. Juli 1837 ohne Entschädigung aufgehoben. In Baiern erfolgte eine entschädigungslose Aufhebung hinsichtlich des Blut- u. Kleinzehnten etc. Zuweilen ist auch der Ausweg getroffen worden, daß wenigstens der Staat ganz od. theilweise seinen Pflichtigen die Ablösung erlassen, ja daneben wohl auch einen Theil der Privatablösungen aus seiner Kasse bestritten hat. Regelmäßig ist mit der Ablösbarkeitserklärung od. der directen Aufhebung das Gebot verbunden worden, daß hinkünftig keine Z-en auf Grundstücke als unablösbare Reallasten gelegt werden dürfen, s. Ablösung der Grundlasten. Vgl. Werndle, Zehntrecht, Innsb. 1646; Wagner, Das Zehntrecht (in Bezug auf Preußen), 1815; Schein, Handbuch. von dem Z. u. Zehntrecht, Grätz 1820; Müller, Über die wirthschaftliche u. rechtliche Nutzung des Z-s, Nürnb. 1819; Birnbaum, Die rechtliche Natur des Z-en, Bonn 1831; Zachariä, Die Aufhebung u. Ablösung des Z-en, Heidelb. 1831; Judeich, Zusammenstellung der neueren deutschen Ablösungsgesetze in den wissenschaftlichen Beilagen zur Leipziger Zeitung 1859, Nr. 86, 1861, Nr. 23.
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