Humboldt [1]

[603] Humboldt, die Familie H., früher Hombold, stammt aus der Neumark:, 1) Erdmann Ludwig, aus Zamenz im Neustettiner Kreis, war Brandenburgischer Legationsrath bei einer Gesandtschaft nach Paris u. st. 1739 als Amtshauptmann der Starostei Drahheim; er erscheint zuerst mit adeligem Prädicat. 2) Hans Paul, einer der Söhne des Vor., war Soldat, focht 1706 unter dem Alten Dessauer bei Turin mit, wo er verwundet wurde, nahm als Hauptmann seinen Abschied, kaufte 1735 Zeblin bei Bublitz in Hinterpommern u. st. 1740; er war vermählt mit Julie v. Schweder. 3) Alexander Georg, einer der Söhne des Vor., geb. 1720, war ebenfalls Soldat, focht im Siebenjährigen Kriege als Adjutant des Herzogs Ferdinand von Braunschweig u. nahm 1761 als Major seinen Abschied; er wurde 1765 Kammerherr u. war Vertrauter des Königs Friedrich Wilhelm II.; seit 1759 besaß er die Herrschaft Gingenwalde u. Tegel, war seit 1766 vermählt mit Marie Elisabeth geb. Colomb verw. v. Hollwede (geb. 1741, st. 1796) u. st. 1779; er wurde zu Falkenberg in der Neumark, dem Gute seiner Frau, begraben. 4) Karl Wilh. v. H., älterer Sohn des Vor., geb. 22. Juni 1767 zu Potsdam, wurde nach dem Tode seines Vaters mit seinem Bruder Alexander (s. unt. 5) erzogen, mit dem er auch in Frankfurt a. d. O. u. in Göttingen, u. zwar er selbst Jurisprudenz studirte; er machte dann Reisen nach Paris, der Schweiz u. dem Rhein, verheirathete sich mit Karoline v. Dachenröden (gest. 1849) u. lebte mit seiner Familie in Paris u. Spanien, dann in Potsdam u. Berlin; 1801 wurde er preußischer Ministerresident in Rom, kehrte 1808 nach Deutschland zurück u. wurde Minister des Cultus u. des Unterrichts, in welcher Stellung er eine gründliche Reform des öffentlichen Unterrichts in Preußen u. die Gründung der Universität in Berlin veranlaßte, aber nach der Eröffnung der letztern aus dem Ministerium trat. Er wurde 1810 Gesandter in Wien, unterzeichnete 1814 mit Hardenberg den Frieden in Paris, war 1815 auf dem Wiener Congreß u. 1816 in Frankfurt bei Gründung des Bundestages thätig, ging dann als Gesandter nach London u. vertrat 1818 Preußen beim Congreß zu Aachen, trat aber 1819 aus dem Staatsdienst u. lebte in Berlin u. auf seinem Gute Tegel den Wissenschaften. 1828 besuchte er noch einmal mit seiner Familie England, wurde 1830 wieder zu den Sitzungen des Staatsrathes berufen u. st. 8. April 1835 in Tegel. Unter den Schriften H-s, welche überhaupt den verschiedensten Literaturgebieten angehören, sind die bedeutendsten aus früherer Zeit: Ästhetische Versuche, Braunschw. 1799, Bd. 1, welche u.a. eine berühmte Kritik von Goethes Hermann u. Dorothea enthalten; Die Übersetzung des Agamemnon des Äschylos, Berl. 1816. Unter seinen sprachwissenschaftlichen Arbeiten sind die einflußreichsten die mustergültige Prüfung der Untersuchungen über die Urbewohner Spaniens, mittelst der Baskischen Sprache, ebd. 1821, u. sein eigentliches Hauptwerk: Über die Kawisprache auf der Insel Java, ebd. 1836–40, 3 Bde.; die Einleitung. zu letzterem Werke (die auch besonders erschien), Über die Verschiedenheit des menschlichen[603] Sprachbaues, ebd. 1835, ist in der Geschichte der Sprachwissenschaft epochemachend geworden. Schon 1800 ausgearbeitet waren H-s Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen, ebd. 1851; hierzu kommen noch außer verschiedenen anderen Abhandlungen auch viele Gedichte, worunter die Elegie Rom (ebd. 1806) u. eine große Anzahl geistvoller u. gedankenreicher Sonetten (ebd. 1853), sowie H-s Briefwechsel mit Schiller, Stuttg. 1830; Briefe an C. F. Welcker, herausgeg. von Haym, Berl. 1859; Die Briefe an eine Freundin, Lpz. 1847, 2 Bde., 4. A. 1850, sind H-s Briefwechsel mit Charlotte Diede, einer Predigerstochter, geb. um 1770, deren Bekanntschaft H. 1788 in Pyrmont machte, die nach einer unglücklichen Ehe in Braunschweig lebte u. nach dem Verlust ihres Vermögens in den Kriegsjahren 1813 u. 1814, mit H. wieder in Briefwechsel trat u. denselben bis zu H-s Tode fortsetzte. Diesen Briefwechsel übergab sie ihrer Freundin, der Frau von Lützow, u. durch deren Vermittelung wurde er nach Charlottens Tode herausgegeben. Sämmtliche Schriften H-s, mit Ausnahme des großen Werkes über die Kawisprache u. der Briefwechsel, sind in der Sammlung der Sämmtlichen Werke (Berl. 1841–52, Bd. 1–7) vereinigt. Biographie von Elise Maier, Lpz. 1850 (nebst Lichtstrahlen aus H-s Briefen an eine Freundin, Fr. von Wolzogen, Schiller, G. Forster u. F. A. Wolf); G. Schlesier, Erinnerungen an W. v. H., Stuttg. 1854; R. Haym, W. v. H., Lebensbild u. Charakteristik, Berl. 1856. 5) Freiherr Friedrich Heinrich Alexander von H., jüngerer Bruder des Vor., geb. 14. September 1769 in Berlin, verlor bereits seinen Vater (s. oben 3), als er noch nicht das 10. Jahr erreicht hatte, genoß aber im Hause seiner Mutter gemeinschaftlich mit seinem Bruder Wilhelm unter Leitung des nachmaligen Geheimen Oberregierungsrathes Kunth die sorgfältigste Erziehung. Beide Brüder erhielten von Fischer Unterricht in der Mathematik, von Engel in der Philosophie, von Dohm in den politischen Wissenschaften. Den Winter 1787–88 wandte sich H. auf der damaligen Universität Frankfurt a. d. O., im folgenden Jahre wieder in Berlin dem Studium der Technologie (mit besonderer Rücksicht auf das Fabrikwesen) zu, beschäftigte sich aber daneben auch ernstlicher mit dem Griechischen. Seine Freundschaft mit dem Botaniker Willdenow förderte ihn in der Botanik, namentlich interessirte er sich für die Kryptogamen u. die Gramineen. Seit Frühjahr 1789 studirte H. ein Jahr in Göttingen; er besuchte hier auch die Vorlesungen in Heyne's Philologischem Seminar u. arbeitete auch eine kleine Schrift über die Webereien der Alten aus. In der Hauptsache lag er jedoch unter Blumenbach, Beckmann, Lichtenberg u. Link naturhistorischen Studien ob, die er durch Reisen nach dem Harz u. dem Rhein unterstützte. Als Ergebniß der letzteren Excursion erschien H-s erste gedruckte Arbeit: Über die Basalte am Rhein, nebst Untersuchungen über Syenit u. Basanit der Alten (Braunschw. 1790). Im Frühjahr u. Sommer 1790 brachte er in Begleitung Georg Forsters auf einer Reise von Mainz aus durch Belgien, Holland, England u. Frankreich zu, während welcher theils durch seinen Reisegenossen, theils durch den Verkehr mit dem Naturforscher Banks, theils endlich auch durch den Anblick des Meeres plötzlich in ihm eine Leidenschaft für has Seewesen u. den Besuch tropischer Länder wach gerufen wurde. Damals noch für eine cameralistische Laufbahn bestimmt, ging H., im Juli 1790 nach Deutschland zurückgekehrt, nach Hamburg um hier auf der Handelsakademie die Vorträge Busch's u. Ebeling's zu hören. Die günstige Gelegenheit, welche ihm hier zur Übung in lebenden Sprachen geboten wurde, so wie der Verkehr mit Klopstock, Voß, Claudius u. den beiden Stolberg, machten H-s Aufenthalt in Hamburg lehrreich u. angenehm. Nachdem er hierauf fünf Monate bei seiner Mutter in Berlin u. Tegel unter Fortsetzung seiner botanischen Studien verlebt hatte, bezog er im Juni 1791 die Bergakademie in Freiberg u. erwarb sich hier die Freundschaft Freieslebens, Leop. von Buchs u. Andreas' del Rio. Zu Freiberg verfaßte H. die Schrift: Florae subterraneae Fribergensis prodromus et aphorismi ex physiologia chemica plantarum, welche jedoch erst später (Berl. 1793) erschien. In diese, sowie die nächstvorhergehnde Zeit fallen auch verschiedene Aufsätze in Usteri's Annalen der Botanik, Gren's Journal der Physik u. andern Zeitschriften. Schon im Februar 1792 wurde H. durch den Minister von Heinitz zum Assessor im Bergdepartement ernannt, folgte demselben aber im Juli 1793 nach dem Fürstenthum Baireuth, um hier die Untersuchung des dasigen Berg- u. Hüttenwesens zu übernehmen. Da er jedoch mehr Neigung für den wirklichen Grubenbau hatte, erhielt er die Stelle eines Oberbergmeisters am Fichtelgebirge in den Fränkischen Fürstenthümern u. nahm seinen Wohnsitz in Steben bei Naila. Obgleich H. in dieser Stellung bis 1797 die Direction des praktischen Bergbaues behielt, so wurde seine Thätigkeit doch mehrfach unterbrochen. So ging er im Herbst 1793 nach Oberbaiern, Salzburg, dem Salzkammergut u. über Tarnowitz nach Galizien, um die Salzbaue u. Siedwerke zu untersuchen; ferner im Sommer 1794 mit ähnlichen Aufträgen nach Kolberg, dem Netzdistrict, dem unteren Weichselgebiet u. über Thorn nach Südpreußen. Von Posen zurückgekehrt, begleitete H. den Minister Hardenberg, in den Fränkischen Fürstenthümern u. auf dessen. Mission nach Frankfurt, wo er für die Dauer des Subsidientractates mit den Gesandten Englands u. Hollands unterhandeln sollte. Während dieses viermonatlichen Aufenthaltes in Frankfurt u. bei der Armee zwischen Mungernheim, Mainz u. Wesel war H. mehrfach mit Missionen nach dem Hauptquartier des Feldmarschalls von Möllendorf u. mit der Cabinetscorrespondenz betraut. Im October 1794 nach dem Fichtelgebirge zurückgekehrt, wandte er sich wieder seinen chemischen Untersuchungen über die Grubenwetter (welche er später in der Schrift: Über die unterirdischen Gasarten, Braunschw. 1799, veröffentlichte) u. verwandten Versuchen zu, bis er dieselben aufs Neue durch eine Reise unterbrach, welche ihn in Begleitung erst Reinhards von Hanften, dann Karl Freieslebens über Tyrol nach Venedig, die Euganeen, die Lombardei u. die Schweiz führte u. ihn in Verkehr mit Volta in Como u. mit Scarpa in Pavia brachte. Letztere Bekanntschaften förderten sehr H-s schon 1792 bei seinem ersten Aufenthalte in Wien angeregte Untersuchungen über die gereizte Muskel- u. Nervenfaser, deren Ergebnisse er in dem größeren Werke: Über die gereizte Muskel-[604] u. Nervenfaser, nebst Vermuthungen über den chemischen Proceß des Lebens in der Thier- u. Pflanzenwelt (Berl. 1797–99, 2 Bde.), später selbst (nicht Blumenbach) veröffentlichte. Vom Nov. 1704 bis Febr. 1795 war H. wieder in seinem Berufe in Steben, Lauenstein, Goldkronach u. Arzberg bei Wunsiedel thätig. Ende Juli 1796 wurde H. unter Begleitung des Hauptmanns von Pirch in das französische Hauptquartier gesandt, um hier bei General Moreau die Verschonung der hohenloheschen Besitzungen in Schwaben zu erwirken, was ihm auch binnen wenigen Tagen gelang. In dem französischen Lager traf H. den General Desaix an, welcher schon damals die Absichten Bonapartes auf Ägypten kannte u. ihn dafür zu stimmen suchte, anstatt der bereits beabsichtigten größeren Reise nach den Tropenländern, lieber eine solche im Gefolge der Armee nach Ägypten u. dem Orient zu unternehmen. Der im Nov. 1796 erfolgte Tod seiner Mutter brachte den Entschluß zu einer größeren Expedition der Ausführung näher, zu welcher er sich auf Rath des Freiherrn von Zach bereits auch ernsthaft astronomisch vorbereitet hatte. Er löste sein dienstliches Verhältniß auf, um ganz dem Studium der Natur zu leben. In der Absicht, mit seinem Bruder Wilhelm Italien zu bereisen, ging er 1797 nach Jena, wo er unter Loder anatomische Studien begann u. mit Schiller u. Goethe in freundschaftlichem Verkehr lebte. Nach kurzem Aufenthalt in Jena reiste H. über Wien nach Salzburg u. blieb daselbst, um mit seinem Freunde L. von Buch meteorologische Beobachtungen anzustellen, da die kriegerischen Zustände in Italien eine wissenschaftliche Reise dahin nicht rathsam erscheinen ließen. Sein Bruder Wilhelm ging nach Paris. Während seines Aufenthaltes in Salzburg erhielt H. eine Aufforderung von Lord Bristol, ihn auf einer achtmonatlichen Reise nach Oberägypten zu begleiten. H. nahm das Anerbieten an, jedoch mit der Bedingung, nach Beendigung der Expedition sich in Alexandrien von dem Lord zu trennen, um allein Syrien u. Palästina zu bereisen. Um einige zu dieser Reise nothwendige Instrumente zu kaufen, reiste H. im Mai 1798 nach Paris, wo er nach getroffener Übereinkunft Briefe von seinem Reisebegleiter erwarten sollte, derselbe wurde jedoch in Mailand verhaftet, weil der Verdacht entstanden war, daß seiner Reise nach Ägypten polnische Absichten zu Grunde lägen. H. blieb indessen unangefochten in Paris u. lebte in der Familie seines Bruders. Unterdessen war man in Paris mit der Ausrüstung zu einer großen Weltumsegelung beschäftigt, welche unter der Anführung des Capitän Baudin die Küsten von Buenos-Ayres, das Feuerland u. die ganze Westküste Amerika's bis zur Landenge von Panama, die Südseeinseln, Neuholland u. Madagascar berühren u. um das Cap der Guten Hoffnung zurückkehren sollte. H. erhielt die Erlaubniß, sich dieser Expedition anzuschließen, da jedoch die politischen Verhältnisse in Italien immer bedenklicher wurden u. man den Ausbruch des Krieges mit Deutschland befürchtete, hielt es das Directorium für gerathener, das Unternehmen bis auf ruhigere Zeiten zu vertagen. Unterdessen hatte H. die Bekanntschaft des schwedischen Consuls Skjöldebrand gemacht, welcher ihm das Anerbieten machte, mit seiner Barke, welche jährlich einmal nach Tunis segelte, dorthin zu reisen. Aber auch diese Hoffnung schlug ihm fehl, da die schwedische Fregatte durch Stürme beschädigt, in Cadix überwintern mußte, u. in Folge des zwischen der Türkei u. Frankreich ausgebrochenen Krieges die Sicherheit der französischen Reisenden sehr gefährdet war. H. beschloß daher den Winter über mit dem Botaniker Bonpland in Spanien zu verleben u. bei günstiger Gelegenheit von hier aus nach Ägypten zu reisen. Anfang Februar 1799 kam er in Madrid an u. erwarb sich hier die Gunst der Regierung in dem Maße, daß ihm nicht nur das Bereisen der spanischen Besitzungen in Amerika u. dem Indischen Ocean gestattet, sondern ihm auch alle Instrumente zu unbeschränktem Gebrauch für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung gestellt wurden. Sein Plan war nun, die tropischen Länder Amerikas zu besuchen.

Mitte Mai 1799 verließ er mit Bonpland Madrid u. schiffte sich am 5. Juni in Coruña auf der Fregatte Pizarro ein. Am 19. Juni landeten die Reisenden im Hafen von Santa-Cruz auf Teneriffa, wo sie den Pic bestiegen u. viele wichtige Beobachtungen anstellten; am 25. Juni verließen sie wieder Teneriffa u. betraten am 16. Juli die amerikanische Küste bei Cumana. Nach einem längeren Aufenthalte in den Provinzen des jetzigen Freistaates Venezuela kamen sie im Februar 1800 in Caracas an. Von hier aus drang er, in der Absicht den Vereinigungspunkt des Orinoco mit dem Rio Negro u. dem Amazonenstrom aufzusuchen, durch die Grassteppen von Calabozo bis an den Orinoco vor, fuhr auf demselben in Indianerkähnen von den Wasserfällen von Atures u. Maypure nach dem Fort San Carlos am Rio Negro u. kam dann durch den Cassiquiare nach dem Orinoco zurück. Er hatte somit die lange streitig gewesene Verbindung des Orinoco u. Amazonenstromes mittelst des Cassiquiare u. Rio Negro festgestellt u. zugleich den Ort der Vereinigung astronomisch bestimmt. Auf dem Orinoco stromabwärts fahrend, erreichte er Mitte Juni Angostura, die Hauptstadt des spanischen Guiana, u. kehrte endlich nach Cumana zurück. H. u. Bonpland wendeten sich nun nach Havaña, wo sie sich mehrere Monate aufhielten, dann schifften sie sich in Batabano an der Südküste der Insel Cuba im März 1801 ein, um über Cartagena de Indios nach Panama zu gehen; statt dessen fuhren sie, da die Jahreszeit zu weit vorgerückt war, den Magdalenenstrom aufwärts bis Honda u. gingen nach Bagota. Von hier aus unternahmen sie Excursionen in die Umgegend u. setzten im September ihre Reise nach Süden fort. Sie gelangten nach einem viermonatlichen Marsch auf den Rücken der Cordilleren am 6. Januar 1802 nach Quito u. verweilten daselbst 5 Monate, um die Kette der das Thal von Quito umschließenden Vulkane zu untersuchen. Am 23. Juni 1802 bestiegen sie den Chimporasso bis zu einer Höhe von 18,096 Fuß u. wurden nur durch eine senkrechte Schlucht an der Erreichung der höchsten, noch um 2004 Fuß höher gelegenen Spitze gehindert. Nach längerem Aufenthalte in Quito gingen sie in Begleitung des jungen Tarlos Montufar über den Andespaß in Paramo de Asuay, Cuença u. durch die Chinawälder von Loxa nach dem oberen Thal des Amazonenstromes u. gelangten über die Hochebene von Caxamarca, Micuipampa u. Montan an den westlichen Abfall der Cordilleren von Peru. Von hier aus kamen sie nach Truxillo u. durch die Sandwüste von Nieder [605] Peru nach Lima, wo der Durchgang des Mercur durch die Sonne beobachtet wurde, ein Hauptzweck der Reise nach Peru. Ende December 1802 segelten sie von Callao nach Guayaquil u. langten am 23. März 1803 in Acapulco an. Im April kamen sie nach der Hauptstadt Mexico, wendeten sich nach einem mehrmonatlichen Aufenthalt daselbst nördlich nach Guanaxuato u. Valladolid, nach der Provinz Mechoacan, besuchten den Vulkan von Jorullo u. kehrten über Toluca nach Mexico zurück. Nachdem H. den Vulkan von Toluca u. den Cohre de Perote bestiegen u. gemessen hatte, reiste er mit seinen Begleitern im Januar 1804 nach dem atlantischen Ufer u. schiffte sich am 7. März nach Havaña ein; hier verweilte er wieder einige Zeit, um seine Sammlungen zu ordnen u. Beobachtungen zusammenzustellen. Am 29. April unternahm er eine Fahrt nach Philadelphia, blieb kurze Zeit in Washington u. verließ Amerika am 9. Juli, um nach Frankreich zurückzukehren. Am 3. August landete er in Bordeaux. Nach Paris zurückgekehrt, beschäftigte er sich mit der Anordnung der Sammlungen u. Manuscripte. H-s Reise nach den Tropengegenden Amerikas ist von höchstem Nutzen für die Naturwissenschaften überhaupt u. bes. für die Kenntniß dieser Länder gewesen, von denen man in Europa vorher so viel wie nichts wußte, u. es wird mit Recht von ihm gesagt, daß er Amerika zum zweiten Mal entdeckt habe. H. hat mehr als 700 Ortsbestimmungen u. 459 Höhenmessungen auf astronomischem Wege ausgeführt, 3600 neue Arten der phanerogamischen Pflanzen entdeckt u. ist der Begründer einer ganz neuen Wissenschaft der Pflanzengeographie geworden. Seine zahlreichen thermometrischen Beobachtungen führten ihn zur Entdeckung der Isothermen, er legte den Grund zu einer vergleichenden Klimatologie u. seine geologischen Beobachtungen bieten unschätzbare Materialien zur Kenntniß der Vulkane, wie des gesammten inneren Baues unserer Erde. Das Studium der Denkmäler u. Bauwerke der alten Mexicaner u. Peruaner führte ihn zu Nachforschungen über die Sprachen, den Culturzustand u. die Wanderungen jener Völkerschaften, u. die Statistik u. Ethnographie erhielten durch ihn nicht nur ungemein große Vermehrungen, sondern wurden in Verbindung gebracht mit naturhistorischen Thatsachen u. so von einem völlig neuen Gesichtspunkt behandelt.

Die Berichte über die Reisen in Amerika sind in einem großen Werke zusammengefaßt, welches theils französisch, theils lateinisch geschrieben ist; es besteht aus 6 Abtheilungen mit 29 Folio- u. Quartbänden u. 1425 zum Theil colorirten Kupferstichen; der Preis eines Exemplars ist 3000 Thlr. Die erste Abtheilung: Voyage aux régions équinoxiales du Nouveau Continent, zerfällt in 2 Sectionen, von denen die eine (Par. 1809–25, 3 Bde., Fol. u. Quart.; 1816–31, 13 Bde., Octav; deutsch: Reise in die tropischen Gebiete der neuen Welt, Stuttg. 1825–32, 6 Bde.) die eigentliche Reisebeschreibung enthält, die andere Section: Vues des Cordillères et monuments des peuples indigènes de l'Amérique (Par. 1810, gr. Fol., 2 Bde., ebd. 1816, 8.).; die zweite Abtheilung, an welcher Cuvier u. Latreille mitgearbeitet haben, erschien unter dem Titel: Observations de zoologie et d'anatomie comparée (Par. 1805–32, 2 Bde.); die dritte: Essai politique sur le royaume de la Nouvelle Espagne (Par. 1811, 2 Bde.; ebd. 1811, 5 Bde.; 2. Aufl. ebd. 1825, 4 Bde.; deutsch, Stuttg. u. Tüb. 1811, 2 Bde.); die vierte, an deren Herausgabe Oltmann mitwirkte: Observations astronomiques opérations trigonométriques et mesures barométriques; die fünfte umfaßt H-s Beobachtungen über allgemeine Physik u. Geologie: Physique général et géologie (Par. 1807); die sechste Abtheilung, welche die Botanik enthält, zerfällt in 6 Sectionen: Plantes eq uinoxiales, recueilles au Mexique, dans l'île de Cuba etc. (Par. 1805–18, 2 Bde.); Monographie des mélastomes et autres genres du même ordre (Par. 1806–23, 2 Bde.); Nova genera et species plantarum, quas in peregrinatione ad plagam aequinoctialem Orbis Novi collegerunt, descripserunt et adumbraverunt A. Bonpland et A. de Humboldt, in ordinem digessit C. S. Kunth (Par. 1815–24, 7 Bde.); Mimoses et autres plantes légumineuses du Nouveau Continent, red. p. C. S. Kunth (Par. 1819–24); Synopsis plantarum, quas in itinere ad plagam aequinoctialem Orbis Novi collegerunt A. de Humboldt et A. Bonpland, autore C. S. Kunth (Strasb. u. Par. 1822–26, 4 Bde.); Révision des graminées publiées dans les nova genera et species plantarum (Par. 1829–34, 2 Bde.).

Im März 1805 reiste H., von Gay-Lussac begleitet, zu seinem Bruder nach Albano u. mit L. von Buch nach dem Vesuv, welchem er besondere Aufmerksamkeit zuwandte. Am 17. Septbr. 1805 verließ er Italien u. kehrte mit L. von Buch u. Gay-Lussac durch die Schweiz nach Berlin zurück, wo er am 16. Novbr. eintraf. Hier lebte er zurückgezogen mit schriftstellerischen Arbeiten u. magnetischen Beobachtungen beschäftigt. Auf Wunsch des Königs von Preußen begleitete er den Prinzen Wilhelm 1808 auf seiner Mission nach Paris, um derselben durch seinen Einfluß in Frankreich günstig zu sein, u. als der Prinz nach Berlin zurückkehrte, blieb er in Paris, um die Herausgabe seines Reisewerks zu beginnen. In der Absicht, eine wissenschaftliche Reise nach Oberindien, dem Himalaya u. Tibet zu unternehmen, erlernte er unter der Leitung Sylvesters de Sacy u. Andrée's de Nerciat die Persische Sprache, u. da 1812 der Kaiser Alexander von Rußland eine wissenschaftliche Expedition nach der Tibetanischen Hochebene anordnete, wurde H. veranlaßt, sich derselben anzuschließen. Der unterdessen zwischen Rußland u. Frankreich ausgebrochene Krieg verhinderte jedoch die Ausführung des Planes. 1814 ging H. im Gefolge des Königs von Preußen nach England u. 1818 auf den Wunsch des Königs über London zu dem Congreß nach Aachen; auch dem Congreß von Verona wohnte H. bei u. begleitete dann den König nach Italien. Bis 1827 war er in Paris mit der Herausgabe seiner Werke beschäftigt, dann kehrte er über London nach Berlin zurück. Im November 1827 begann er seine Vorlesungen über Kosmos od. die physische Weltbeschreibung vor einem großen Kreise von Zuhörern, zu denen auch die berühmtesten Gelehrten, die höchsten Staatsmänner u. die Glieder der königlichen Familie gehörten.

Unterdessen hatte Kaiser Nikolaus beschlossen, die von seinem Bruder Alexander projectirte Expedition nach Asien zur Ausführung bringen[606] zu lassen, u. H. war nun eifrig mit den Vorbereitungen zu dieser Reise beschäftigt. Am 12. April verließ er mit G. Rose u. Ehrenberg, welche er sich als Begleiter hatte wählen dürfen, Berlin, um sich in Petersburg der Gesellschaft anzuschließen. Die Reisenden gingen über Moskau u. Kasan nach Jekatharinenburg, dann nach den Goldseifenwerken des Ural, den Platinwäschen von Nischnei-Tagilsk, über Bogoslowsk, Werchoturje u. Tobolsk nach dem Altai; hier besuchten sie Barnaul, die Silberwerke des Schlangenberges u. den Kolywan-See. Von da wendeten sie sich westlich nach dem südlichen Ural, durch die große Steppe von Ischim, über Petropawlowsk, Omsk, Miask, den Salzsee Ilmen, Statust, den Taganay, Orenburg u. die Steinsalzwerke von Ilezk in der Kirgisensteppe der Kleinen Horde. In Folge heftiger Regengüsse konnte nicht auf dem gewöhnlichen Wege nach Astrachan u. dem Kaspischen Meer gelangt werden, daher wurde die Richtung über Uralsk, Saratow, den Eltonsee, Dubowka, Tsaritsyn u. die Herrnhutercolonie Sarepta in der Steppe der Kalmücken eingeschlagen. Nach längerem Aufenthalt am Kaspischen Meer, dessen Wasser chemisch untersucht wurde, kehrten sie nach neun Monaten über Woronesch, Tula u. Moskau zurück. Die Ergebnisse dieser Reise hat H. in dem Werk: Asie centrale, recherches sur les chaines de montagnes et la climatologie comparée (1843, 3 Bde.) niedergelegt.

Im Mai 1830 begleitete H. den Kronprinzen von Preußen nach Warschau zur Eröffnung des letzten polnischen Reichstages u. reiste dann nun dem König in das Bad Teplitz. In Folge der Thronbesteigung des Königs Ludwig Philipp wurde H. vom König nach Paris gesendet, um dem neuen Regenten die Anerkennung von seinem Könige zu überbringen, u. dies war die Veranlassung, daß H. nun mehrmals u. auf längere Zeit nach Paris ging, um dem König Bericht über die französischen Zustände zu geben. 1841 reiste er mit Friedrich Wilhelm IV. nach England zur Taufe des Prinzen von Wales u. 1845 nach Dänemark. Zum letzten Mal war H. im October 1847 bis Januar 1848 in Paris. In den letzten Jahren lebte H. theils in Berlin, theils auf dem nahe gelegenen Familiengute Tegel; er starb zu Berlin am 6. Mai 1859 im neunzigsten Lebensjahre u. wurde am 11. Mai in der Familiengruft zu Tegel beigesetzt. H. war nie verheirathet, sein bedeutendes Vermögen hatte er allein seinen Forschungen u. deren Veröffentlichung geopfert, seine werthvolle Bibliothek vermachte er seinem treuen Diener u. Reisegefährten Seifert. In seinem Nachlasse findet sich ein Tagebuch, welches jedoch auf seinen ausdrücklichen Wunsch niemals veröffentlicht werden soll, u. ein großes geographisches Werk.

Außer den erwähnten Werken gab H. noch heraus Essai sur la géographie des plantes et tableau physique des régions équinoxiales, Par. 1805 (deutsch, Stuttg. 1807); Ansichten der Natur, Stuttg. 1808, 3. Aufl. 1849, 2 Bde; De distributione geographica plantarum secundum coeli temperiem et altitudinem montium prolegomena, Par. 1817 (deutsch von Beilschmied, Bresl. 1831); Essai géognostique sur le gisement des roches dans les deux hémisphéres, Strasb. 1823 u. 26; Essai politique sur l'île de Cuba, Par. 1827, 2 Bde.; Examen critique de l'histoire de la géographie du nouveau continent et des progrès de l'astronomie nautique aux quincième et seizième siècles, Par. 1836 bis 1838, 5 Bde. (deutsch von Ideler, Bd. 1–3, Berl. 1836–51); Kleinere Schriften, 1. Bd. Geognostische u. physikalische Erinnerungen, Stuttg. 1853. Sein letztes u. bedeutendstes Werk: Kosmos, Entwurf einer physischen Weltbeschreibung (1. Bd. Stuttg. 1845, 2. Bd. ebd. 1847, 3. Bd. ebd. 1851, 4. Bd. ebd. 1858), dessen Bearbeitung er erst im hohen Alter begann u. an dessen Vollendung er noch in den letzten Monaten seines Lebens arbeitete, ist in deutscher Sprache geschrieben u. enthält in den beiden ersten Theilen eine allgemeine Darstellung des Weltganzen, »die Verallgemeinerung, in welcher die Weltanschauung als ein Ganzes auftritt, u. die geschichtliche Entwickelung dor menschlichen Naturerkenntniß im Laufe der Zeiten;« in den nächsten Theilen folgt die Darstellung der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung in den speciellen Theilen der physischen Weltbeschreibung, die Darstellung unserer gegenwärtigen Naturkenntnisse in Bezug auf die Himmelserscheinungen u. das Innere u. Äußere unsers Planeten. Der fünfte u. letzte Band, den er kurz vor seinem Tode beendigte, ist noch aus seinem Nachlasse zu erwarten. Der Kosmos wurde in alle europäische Sprachen (in manche mehrfach) übersetzt u. hat eine eigene Literatur ins Leben gerufen, wovon besonders hervorzuheben sind: Schaller, Briefe über H-s Kosmos, Lpz. 1850, 2 Bde.; Cotta, Briefe über H-s Kosmos, Theil 1 bis 3, Lpz. 1848–51, 2. Aufl. 1850 ff.; Abbé Moigno gibt seit 1852 in Paris ein, Journal du Cosmos als fortwährende Ergänzung zu diesem Werke heraus. Eine kurze Darstellung der Reisen H-s enthält Löwenberg, A. v. H-'s Reisen in Amerika u. Asien, 2. Aufl. Berlin 1843, 2 Bde. Unter den zahlreichen Biographen sind zu nennen: Klencke, A. v. H., ein biographisches Denkmal, 2. Aufl. Lpz. 1852; Juliette Bauer, Lives of the brothers H., Lond. 1852; Zimmermann, Das Humboldt-Buch, Berl. 1859; Wittwer, A. v. H., Lpz. 1859.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 603-607.
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