Ägypten [1]

[199] Ägypten (gr. Ägyptos, lat. Aegyptus, a. Geogr., Sittengesch. u. Ant.). I. Das Land. Land in NOAfrika, an beiden Ufern des Nils, grenzte in N. an das Mittelmeer, in O. an das Peträische Arabien u. den Arab. Meerbusen, in S. an Äthiopien, in W. an Libyen. Gebirge: in O. das Arabische Gebirge mit den Spitzen Troikos, Alabastrites, Porphyrites, Äas, Akabe, Smaragdos u. Basanites; in W. das Libysche Gebirge mit dem Berg Thinodos; in N. der Berg Kassios; Vorgebirge am Abrabischen Meerbusen: Drepanon u. Lepte; der einzige Fluß der Nil; dagegen viel Kanäle zur Beförderung des Handels u. zur Verbreitung der Nilüberschwemmung über das ganze Land, z.B. der Ptolemäos- od. Trajanskanal beim j. Kairo, zur Verbindung des Nils mit dem Rothen Meere; Seen: Möris, Sirbonis, die Bitterseen, See von Tanis (mit Inseln), von Butos, Mareotis (Maria). Klima in S. sehr heiß, kein Wechsel der Jahreszeiten, der Himmel stets heiter, die Luft ruhig u. klar, Regen fiel fast nie. Nur das Nilthal u. die untersten Abhänge der Gebirge, die es einschließen, waren bebaut, in dem übrigen Land nur kleine Districte dünn bevölkert, alles andre dürre, sandige u. steinichte Wüste. Producte: Nilpferde, Rinder, Pferde, Krokodile, Ichneumon, Ibis, Sperber, Trochilus, Schlangen, Heuschrecken, Moskitos, Fische; Getreide, Bohnen, Zwiebeln, Melonen, Gurken, Kürbisse, Papyrusstaude. Baumwolle, Flachs, Lotos, Oliven, die Ölpflanze Kiki, Feigen, Palmen, wenig Wein, Sykamoros, wenig Bauholz; Gold, Edelsteine, bes. Smaragden, Basalt, Porphyr, Granit, Alabaster etc. Die Einwohners unten II. A. u. Ägypten (Gesch.). Die Sprache der alten Ägyptier war die Koptische (s.d.); ihre Schrift die Hieroglyphen, hieratische u. demotische Schrift (s.d. a.). A. war früher in 2 (Ober. mit der Hauptstadt This u. Unter-Ä. mit der Hauptstadt Memphis), später in 3. Theile getheilt: a) Ober. (Thebais), von Äthiopien bis Hermopolis Magna, Hauptstadt Theben, außerdem Elephantine u. a. Städte; b) Mittel (Heptanomis), von Hermopolis bis zur Theilung des Nils; Hauptstadt Memphis, außerdem Abydos, Herakleopolis; c) Unter-Ä. (Delta), von der Niltheilung bis zum Meer, Hauptstadt später Alexandria; andre Städte Tanis, Bubastis, [199] Mendes, Sebennytos, Sais. Diese 3 Theile zerfielen wieder in kleinere Abtheilungen (Nomen), u. zwar in 36 (nach And. 46 od. 47). Von diesen Nomen kamen 10 (13) auf Thebais, 16 (7 od. 8) auf Heptanomis u. 10 (26) auf das Delta. Die Eintheilung unter den Byzantinischen Kaisern s. u. Ägypten (Gesch.). V.

II. Die Leute. A) Öffentliches Leben. a) Verfassung. An der Spitze des Staates stand ein erblicher König (Pharao), der zugleich der oberste Richter war; er besorgte früh die Staatsgeschäfte, ging zu Opfer u. Gebet u. hörte dann Vorlesungen der Priester über die Königspflichten; seine Hofleute waren aus den Söhnen der angesehensten Priester gewählt; Sklaven durften sich ihm nicht nahen. Die Gemahlin des Pharao hatte gleichen Rang; es haben auch zuweilen Königinnen auf dem Thron Ä-s gesessen. Wie die Königsreihen bis in die mythische Zeit zurückgehen und die Landesgötter unter den Königen aufführen, so erhielt auch immer der König nachmals seit seiner Thronbesteigung einen religiösen Cultus und behielt denselben nach seinem Tode, wozu mit den Pyramiden Tempel verbunden waren. Das Volk unterschied sich als die Autochthonen u. die Einwanderer; erstere waren eine dunkele Race mit rothen Lippen, letztere von lichterer Farbe, stammten aus Asien u. bildeten die Aristokratie des Landes. Wenn man von Kasten in Ä. spricht, so ist dies nicht in so strenger Abgrenzung, wie in Indien, zu verstehen, denn die Nachrichten stimmen über die Anzahl der verschiedenen Stände nicht überein. Den ersten Stand bildeten die Priester; alle zu einem Tempel gehörige Priester hatten einen Oberpriester (Piromis) an ihrer Spitze, der dem König, zur Seite stand. Sie waren zugleich Richter, Ärzte, Mathematiker, Astronomen, Zeichendeuter; sie waren die Grundbesitzer und ließen ihren Besitz an Pachter ab. Nach ihnen folgten die Krieger. Herodot theilt sie in Hermotybies u. Kalasiries (jene waren in der Zeit ihrer größten Macht 160,000, diese 250,000 M. stark), sie hatten eigene Nomen, u. darin waren ihnen bestimmte Ländereien angewiesen, sie durften kein Handwerk treiben, sondern zogen blos in den Krieg u. bildeten die Leibwache des Königs, wozu jährlich von jeder der beiden Abtheilungen 1000 M. commandirt wurden. Die niederen Klassen waren Gewerbtreibende, zu denen Handwerker, Krämer u. Kaufleute gehörten; ferner Ackerbauer, Schiffer auf dem Nil, die erst unter König Psammetich aufgekommenen Dolmetscher od. Mäkler, die Rinderhirten, welche Viehzucht zu ihrem Hauptgeschäft machten, u. die Schweinehirten, die verachtetsten, die keinen Tempel betreten u. mit denen Niemand Umgang haben durfte. Zu allerhand häuslichen Verrichtungen hatte man Sklaven u. Sklavinnen, welche man durch Kauf u. Krieg erhielt. b) Rechtswesen. Die Gesetze, deren Abfassung u. Auslegung in den Händen der Priester lag u. denen der König selbst unterworfen war, waren im Alterthum durch ihre Weisheit berühmt; bes. unter der Regierung des Menes, Sesostris, Amasis u. Bokchoris waren Gesetzrevisionen u. Vervollständigungen vorgenommen worden. Sie waren theils Criminal-, theils Polizeigesetze. Mord ward mit dem Tode bestraft, Fälschung durch Verlust beider Hände, Ehebruch durch Stockschläge. Der König konnte diese Strafen mildern. Die Verwaltung des Rechts geschah in Gerichtshöfen; im obersten Gerichtshof waren 30 Richter (aus Priestern von Theben, Memphis u. Heliopolis) u. ein von ihnen selbst aus ihrer Mitte gewählter Vorsitzer, der als Auszeichnung eine goldene Halskette trug, an welcher das Gerichtssiegel (ein aus Edelsteinen gefertigtes, mit dem Symbol der Wahrheit versehenes Bild) hing. Jeder führte seine Sache selbst, doch mußte es schriftlich geschehen, die Acten wurden mit der Duplik des Beklagten geschlossen, worauf das Gericht sprach. Der Spruch wurde ebenfalls schriftlich gegeben u. von dem Vorsitzer untersiegelt. Jeder Freie war innerhalb seines Hauses über seine Leute selbst Richter u. ließ die Strafe vollziehen. a) Die Finanzen waren getrennt: aa) die königlichen bestanden aus den Ländereien des Königs, den Einkünften aus den nubischen Goldbergwerken, der Nilfischerei u. den Tributen der unterworfenen Völker; davon besoldete der König seine Leibwache, Hofleute u. Räthe des oberen Gerichtshofes; bb) die Tempeleinkünfte flossen aus den Pachtgeldern für die Tempelgüter, woraus sich der Tempelschatz bildete, der von besonderen Rentmeistern verwaltet wurde. d) Kriegswesen. Die Krieger dienten entweder zu Fuß od. zu Wagen; Anführer war der König selbst zu Wagen, ihm wurde das Reichspannier nachgetragen. Die Streitwagen waren zweiräderig u. wurden von 2 Pferden gezogen, auf jedem nur ein Streiter. Waffen: Pfeile, Bogen, Köcher, die selbst der König führte; Schwerter von aller Art u. Form, lang, kurz, gerade, gekrümmt, sichelförmig; Wurfspieße, deren Jeder bald nur einen, bald mehrere trug; Streitäxte; Panzer, Panzerhemden, Helme, große, viereckige, an der einen Seite abgerundete Schilde. Die Art der Stellungen u. Gefechte verräth eine ziemlich ausgebildete Taktik u. Uebung; bes. merkwürdig sind die geschlossenen Glieder, die tiefen Stellungen des Fußvolks, die Art des Angriffs, des Ueberflügelns, wie sie auf Bildern in Tempeln u. Palästen dargestellt sind. Es kommen auch Erstürmungen von Vesten (wobei Sturmleitern u. Sturmdächer erscheinen), Treffen nur mit Kriegswagen u. Seegefechte vor; die Kriegsschiffe, den Nilschiffen ähnlich, hatten eine lange Gestalt u. wurden durch Segel u. Ruder getrieben. Bei den Triumphzügen fuhr der König auf dem Wagen od. wurde auf einem Palankin von Kriegern getragen, u. von Priestern u. Kriegern begleitet; voraus wurden die Gefangenen geführt. Der Zug ging in den Tempel des Osiris, wo der König seine Waffen wieder übergab u. opferte. Auch Postenod. öffentliche Boten gab es; (nach Champollion) Reiter, die von Station zu Station ihre Pferde wechselten; solcher Stationen gab es zwischen Memphis u. Theben 40. B) Über die Religion s. Ägyptische Mythologie; C) Wissenschaft, Kunst u. Gewerbe. Der wichtigste Theil a) der ägyptischen Gelehrsamkeit war die Astronomie. Die Ägyptier kannten genau die Größe des Sonnenjahrs, die Vorrückung der Nachtgleichen (wie der Thierkreis von Denderah [s.d.] beweist), berechneten Sonnen- u. Mondfinsternisse, theilten den Himmel in 4 Zonen u. 360 Grade, kannten die Gestalt des Erdkörpers, die Planeten u. ihre Reihenfolge, verbanden zuerst die Fixsterne zu festen Sternbildern u. hatten einen genauen Kalender. Sie kannten das Jahr von 365 Tagen u.[200] die Entdeckung der Jahreslänge von 365 Tagen u. die Vereinigung beider gab Anlaß zu der Sothisperiode (Canicularperiode, s. u. Jahresrechnung) von 1460 julianischen od. 1461 Wandeljahren, nach welcher der Sirius wieder am ersten Tage des Jahres vor der Sonne aufging. Eben so kannten sie die Periode von 25 Jahren, nach welcher die Neu- u. Vollmonde wieder auf die nämlichen Tage des Jahres fallen. Dabei herrschte viel astrologischer Wahn. Dem Kinde ward sogleich bei der Geburt sein Horoskop gestellt u. nichts Wichtiges, weder im Privat- noch öffentlichen Leben, unternommen, ohne vorher die Gestirne befragt zu haben. In der Rechenkunst bediente man sich der sogenannten arabischen Ziffern. Durch die nach der jedesmaligen Nilüberschwemmung nöthig werdenden Ausmessungen der Felder wurden die Ägyptier Geometer; ihre Kanäle, Schleußenwerke, Wasserschrauben etc. setzen die Bekanntschaft mit mehreren Theilen der angewandten Mathematik voraus. Landkarten kannte man unter Sesostris II. Die Naturlehre war mystisch, denn alle Naturerscheinungen glaubten sie durch die Einwirkung der Götter hervorgebracht. Dagegen hatten sie einige Kenntnisse in der Chemien. Metallurgie. Die Heilkunde, von Priestern ausgeübt, stand mit der Astrologie in Verbindung, es kam dabei mehr auf eine genau vorgeschriebene Diät, als auf den Gebrauch eigentlicher Arzneimittel an. Alle Monate mußte der Ägyptier drei Tage nach einander Brechmittel u. Klystiere als Reinigungsmittel anwenden, neben einer im Allgemeinen vorgeschriebenen Lebensweise im Essen u. Trinken. Die historische Gelehrsamkeit war hauptsächlich an die öffentlichen Denkmäler geknüpft, indem die Ereignisse durch Gemälde u. Reliefs in Tempeln, Palästen etc. der Nachwelt überliefert wurden. Aller Unterricht wurde in den Priesterschulen in 7 Klassen ertheilt; die Schüler in der 1. Klasse hießen mit griechischen Namen Pastophorenu. lernten hier die symbolische Sprache u. Hieroglyphenschrift, die Anfangsgründe der Physik u. Medicin; in der 2. Klasse Neokorenu. lernten Geometrie u. Baukunst; in der 3. Klasse Melanophoren u. erhielten nun Unterricht in der Moral, in dem Glauben an die Fortdauer nach dem Tode, in der Gesetzgebung u. in den Elementen der Geschichte, Astronomie, Geographie u. Beredtsamkeit; in der 4. Klasse Kistophoren und traten nun, während sie zeither blos in den geheimen Gemächern des Tempels gelebt u. studirt hatten, ins praktische Leben, wurden nun Ausleger der Gesetze, Richter, erhielten Zutritt zum Könige u. studirten Philosophie; in der 5. Klasse Balahaten. lernten die Chemie; in der 6. Klasse Astronomen u. wurden in den höheren mathematischen Wissenschaften unterwiesen; in der 7. Klasse Propheten, u. gelangten zur Kenntniß aller noch übrigen Wissenschaften. Die Weisheit der Ägyptier (ägyptische Philosophie) war im Alterthum hoch angesehen, daher Thales, Pythagoras, Platon nach A. gingen, um die Weisheit ihrer Priester kennen zu lernen. Die Gründer ihrer Wissenschaft waren Thaut, Hermes Trismegistos, Horapollo, deren Lehren nicht unmittelbar erhalten u. sowohl im Mittelalter als auch noch in neuerer Zeit (s. Ägyptische Maurerei) vielfach zu mystischen Täuschungen gebraucht worden sind. b) Von Künsten war die Architektur mehr als bei irgend einem Volke des Alterthums ausgebildet. Zwar ward dieselbe nicht an Privatwohnungen angewendet, sondern an Tempeln mit Pylonen, Säulengängen, Höfen, Sälen, Obelisken, Sphinx- u. Widderalleen etc. u. an den Reichspalästen, welche außer zur Wohnung der Könige, auch zum Empfang von Gesandten, Sitzungen der Gerichtshöfe, zu Festen u. dgl. bestimmt waren; an die Höfe u. Säulengänge schlossen sich Speisesäle u. die Bibliothek an, u. als Schluß des Ganzen erhob sich, am Höchsten gelegen, das Grabmal, das sich der König selbst noch bei Lebzeiten baute; vgl. Pyramide. Die ägyptischen Bau-, wie alle ihre Kunstwerke, sind ihrem Charakter nach kolossal u. erhaben, im Einzelnen mit großer Genauigkeit ausgeführt, aber im Verhältniß zu den griechischen erscheinen sie starr u. kalt. Die Sculptur sollte den Producten der Baukunst Leben u. Sprache geben. Die Wände u. Mauern der Tempel u. Gräber sind mit reichen Bildwerken bedeckt, welche Gottheiten, Opferceremonien, Processionen u. historische Reliefs, Schlachten zu Lande u. zu Wasser, Belagerungen etc. darstellen. Ihre Statuen, aus dem härtesten Stein (Granit, Syenit, Porphyr), aus feinkörnigem Sandstein, in kleinerem Maßstabe aus Hämatit, Serpentin, Alabaster gebildet, sind meist bestimmt, sich an Pfeiler u. Wände zu lehnen u. Architekturflächen zu schmücken. Die Reliefs waren meist Basreliefs en creux, wo sich die Figuren in einer eingeschnittenen Vertiefung erheben. Holzschnitzereien kommen selten vor; doch gab es hölzerne Bilder von Menschen u. Göttern, u. Schnitzereien auf Mumiensärgen, welche Särge oft selbst als Bilder des Osiris u. der Isis geformt waren. Die Sculpturen waren zugleich mit Farben überstrichen. Der Malerei bediente man sich zu Verzierung der Wände in den Begräbnißkammern, wo man meist Gegenstände u. Scenen des häuslichen Lebens abbildete. Die Umrisse sind bestimmt u. correct. Man hatte 5 Farben: Weiß, Gelb, Roth, Blau, Grün; die Farben wurden auf den Stein, den Maueranwurf od. bei Mumienkästen auf eine dünne Gypsunterläge aufgetragen, ohne Licht u. Schatten. Jeder Gegenstand hat seine bestimmte Farbe, die mit demselben immer wiederkehrt. Auf Metall zu malen, war eine spätere Kunst in Ä. Die bildenden Künste erhielten erst Ausbildung zur Zeit der Ptolemäer, bes. zu Alexandria. c) In dem Kunstfleiß der Ägyptier stehen oben an die Webereien, von Männern verfertigt. Der einfache Weberstuhl war an vier in die Erde getriebenen Pflöcken befestigt; man webte die feinsten Zeuge, Decken, Teppiche (bis auf 100 Ellen lang), u. Stoffe zu Kleidern von Byssus u. Linnen, mit Stickereien von bunten Fäden u. Golddraht; die Gewebe, deren Stoff zum Theil schon vor der Verarbeitung gefärbt wurde, waren von verschiedener Farbe. Die Metall- u. Holzarbeiten zeigen große Mannigfaltigkeit; jene sind bes. Kriegsgeräth aus Erz, aber auch goldene u. silberne Gefäße; von diesen fertigte man Ruhebetten, Sessel, Schränke, Körbe, Spindeln etc.; Thongefäße für den häuslichen Gebrauch, zu denen auch die sogenannten Kanoben (Krüge zum Durchseihen des Nilwassers mit Menschenköpfen) gehören, lieferte A. sehr gut, u. die Hauptfabriken für diesen Zweig der Industrie waren in Koptos; die Töpferscheibe drehte man mit der Hand. Auch kleine Götterbilder mit grüner u.[201] blauer Schmelzfarbe u. Scarabäen machte man von Thon. Die Formen der Gefäße waren mannigfaltig u. den griechischen an Schönheit gleich; auch gefärbte hatte man. Auch Trümmer von farbigem Glas werden bei den Pyramiden häufig gefunden; buntes Glas benutzte man zum Schmuck. Man findet auch mit Blau eingelegtes Silber u. Enkaustik auf Metalle angewendet. Bergbau wurde eifrig betrieben, zuweilen ganze Berge umgestürzt u. Bäche durch sie geleitet, um das Erz auszuwaschen. d) Vor allen ländlichen Beschäftigungen ward in Ä. der Ackerbau getrieben; er war indeß auf die Theile des Landes beschränkt, wohin sich die Überschwemmungen des Nil erstreckten od. geleitet wurden. Des Pflügens u. Düngens bedurfte es nicht; nachdem sich das Wasser verlaufen hatte, wurde gesäet, der Same durch darüber getriebenes Vieh eingetreten od. auch mit dem, von Ochsen od. Menschen gezogenen unberädertem Pfluge bedeckt. Nach der Aussaat im November fiel die Ernte im April; abgeschnitten ward das Getreide mit der Sichel, oft blos die Ähren, in Körben in die Scheuern geschafft, durch Ochsen ausgetreten u. auf der Tenne geworfelt. Gebaut ward bes. Gerste, Weizen, Roggen, Flachs u. (bes. in Ober-Ä.) Baumwolle; in Unter-Ä. wuchsen mehr Wasserpflanzen, z.B. eine Art Lilien, Lotos u. Byblos, meist zur Nahrung, letzterer auch zur Bereitung des Papyrus dienend. Öl gewann man aus einer Art Sesam (Kiki, griech. Sillikyprion); Weinbau war auf hochliegende Gegenden beschränkt; die Trauben wurden mit den Füßen ausgetreten. Viehzucht: einen Hauptzweig bildete die Rindviehzucht, der Ochsen bediente man sich zur Nahrung u. Feldarbeit; die Schweinezucht gehörte einer bes. Kaste von Hirten, das Schwein war ein unreines Thier. Auch Schafe u. Ziegen wurden gehalten, ferner Pferde, Esel u. Maulesel; Kameele wurden wohl nicht in den Niederungen Ä-s gezogen, sondern durch Handel von den Nomadenstämmen erhalten. Federvieh gab es verschiedener Art. Jagd machte man auf Krokodile, Hafen, Gazellen, Antilopen, Löwen, Schakale etc.; Vögel (auch Wasservögel) fing man in Netzen u. in Sprenkeln. e) Schifffahrt trieb man auf dem Nil u. seinen Kanälen; sie war zur Zeit der Überschwemmung die einzige Art der Communication. Vor Psammetich gab es keine od. wenig Schifffahrt nach außen, dann aber wurde Ä. auch Seemacht, da ihnen seit jener Zeit die phönicischen Waldungen zu Gebote standen, die Bauholz lieferten, welches in A. fehlt. Die Nilschiffe (Baris) wurden mit u. ohne Ruder bewegt, die Segel waren drei- u. viereckig, Taue machte man aus Byblos. Auch die Schiffwinde kannten die Ägyptier schon. Bei Fahrten stromaufwärts wurden die Schiffe mit Seilen gezogen; zur Beschwerung u. Haltung der Schiffe wurde an das Vordertheil ein Korb mit Sand, an das Hindertheil ein großer Stein gehängt. Von den Transportschiffen unterschieden sich die Personenschiffe durch buntfarbige Segel mit breitem Saume u. 2 Kajüten. f) Der Landhandel war bedeutend, u. Theben dessen Sitz. Man trieb ihn nach Äthiopien, Arabien, Indien, Phönicien, Griechenland u. der afrikanischen Wüste. Man holte von da Gold, Elfenbein, Sklaven, Räucherwerk, Gewürze, Wein, Salz, u. setzte dagegen Korn u. Webereien ab. Unter u. nach Psammetich aber, bes. unter Amasis, erhielt der Handel zur See u. zu Lande durch die Verbindung mit Fremden großen Zuwachs u. hob sich unter den Ptolemäern zum Welthandel. g) Ägyptische Münzen kennt man erst aus der Zeit der Ptolemäer, sie waren von griechischem Gepräge u. bes. schön unter Ptolemäos Lagi u. Ptolemäos Philadelphos; sie enthalten das Bildniß des Königs u. der Königin, auf dem Revers einen über Jupiters Donnerkeil sitzenden Adler od. zwei zusammengebundene Füllhörner; in der römischen Zeit das Krokodil. D) Privatleben. a) Die Kleidung der Ägyptier bestand bei Männern in einem leinenen, unten mit Fransen besetzten Unterkleid (Kalasiris), oft auch nur aus einem um die Lenden geschlagenen Tuche u. aus einem weißen, wollenen Oberkleide; bei Weibern aus einem ähnlichen Tuch; sie war verschieden nach den Kasten; König u. Krieger trugen kurze Kleider, Priester lange leinene, weiße, weiß u. roth gestreifte, gesternte u. geblümte, dazu Schuhe aus Byblos u. den Kopf geschoren; Ackerleute u. Arbeiter trugen blos einen weißen Schurz. Nationaltracht war eine enganschließende Haube, die bei den Priestern mannigfach geschmückt wurde. Die Frauen gingen mit einem Schleier, Lustdirnen ohne ihn. Reinlichkeit war Hauptgesetz bei den Ägyptiern, daher auch die Priester sich täglich mehrere Male baden mußten u. die Beschneidung (s.d.) eingeführt war. b) Speisen: Brod (Kyllostis), wozu man den Teig mit den Beinen knetete, bereitete man aus eine Art Gerste, in Unter-Ä. auch aus den zerriebenen Lotoskörnern u. den unteren Theilen des Byblos; Bohnen aß man gar nicht; Fleisch von Kühen, als heiligen, u. von Schweinen, als unreinen Thieren, so wie das aller heiligen Fische u. Vögel, war verboten, dagegen wurden andere Fische, Geflügel (bes. Gänse) etc. gegessen. Zum Nachtisch aß man Früchte u. Süßigkeiten; auch ward nach Beendigung der Tafel das Bild eines Gestorbenen herumgegeben, u. der Träger sagte zu jedem Gaste: »mit dem Blick auf diesen iß u. trink, denn nach dem Tode wirst Du sein wie dieser.« Von Getränken war der Genuß des Weins den Priestern u. Kriegern vorbehalten u. dem Volk nur bei gewissen Festen erlaubt; gewöhnlich tranken gemeine Leute eine Art von Bier (s.d.) aus Gerste bereitet. c) Von Spielen kannte man ein der Dame ähnliches Bretspiel mit Steinen, dann gymnastische Uebungen im Ringen u. Spießwerfen. Musik machte man auf dreieckigen Lyren, Sistren (Kemkem), Zithern, Harfen, Handtrommeln, Doppelpfeifen, Quer- u. Langflöten, Trompeten. Den Gesang begleiteten die Umstehenden mit Händeklatschen. Ein eigenthümlicher Trauergesang war der Maneros, der mit dem griechischen Linos verglichen wird. Beim Tanz tanzten Männer mit Männern, Weiber mit Weibern; Frauen scheinen zum Tanz gesungen zu haben, wie die Alme in Ä. noch thun. Auch Kunsttänze gab es, wobei man den Leib nach hinten beugte u. eine Art Schwibbogen bildete. Jeder Ägyptier konnte zur d) Ehe so viel Weiber haben, als er wollte, nur bei den Priestern u. bei den Unterägyptiern herrschte Monogamie. Selbst die Schwester durfte geehelicht werden. Das Kind folgte dem Stand des Vaters. Die Eltern zu ernähren, waren die Töchter durchs Gesetz gebunden. Die Erziehung leiteten die Priester; lesen konnten wenige, schreiben nur die Priester. Man schrieb auf Papyrusblätter,[202] welche um platte Stäbe gewickelt wurden. Wenn ein Vornehmer starb, so bestrichen sich zur e) Leichenfeier die Weiber des Hauses Kopf u. Gesicht mit Schmutz u. liefen mit aufgegürtetem Gewand u. entblößter Brust wehklagend durch die Stadt; auch die Männer wehklagten. Die Leichname wurden mumisirt (s. Mumie); die Mumie an den Begräbnißort gebracht, wenn das Todtengericht (s. u. Ägyptische Mythologie) die Beisetzung nicht verhinderte; die Feierlichkeit schloß sich mit Wehklagen der Frauen u. Verwandten, die sich auch Haupt- u. Barthaar wachsen ließen, dann mit Besprengung, Gebet u. Leichenschmaus. Ward der Leichnam eines von einem Krokodil Geraubten od. im Nil Ertrunkenen am Ufer gefunden, so wurde derselbe für heilig gehalten u. von den Priestern des Ortes bestattet. f) Eigenthümliche Gebräuche waren noch: statt des Grußes beugten sich die Ägyptier vor einander, indem sie die Hand bis an das Knie herabließen; Jünglinge wichen den Greifen aus u. sitzend räumten sie ihnen ihren Platz; die Männer trugen die Lasten auf dem Kopfe, die Weiber unter dem Arme u. a. – Vgl. Prosp. Alpin, De medicina Aegyptiorum, Padua 1601; De ritibus vet. Aegyptiorum, Rom 1644; I. Bapt. Casselius, De vet: Aegyptiorum moribus et symbolico ac hieroglyphico cultu, Rom 1644; Zoega, Nummi aegypt. imp., Rom 1787; Tochon d'Annecy, Recherches sur les médailles des nomes d'Egypte, Par. 1822; Savary, Zustand des alten u. neuen Ägyptens, a. d. Franz. von Schneider, Berl. 1786–89, 4 Thle.; Denon, Voyage dans la haute et basse Egypte, Par. 1802, 2 Bde., Fol.; Description de l'Egypte (von der Napoleonschen Commiss.); W. Hamilton, Aegyptiaca, a. d. Engl., Weim. 1814; Belzoni's, A. Menu v. Minutoli's u. A Reisen, s. Ägypten (n. Geogr.).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 199-203.
Lizenz:
Faksimiles:
199 | 200 | 201 | 202 | 203
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Condor / Das Haidedorf

Der Condor / Das Haidedorf

Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon