[890] Tscherkessenkrieg (Krieg am Kaukasus), die Kämpfe der Russen am Kaukasus gegen die dortigen Gebirgsvölker. Seitdem Georgien, welches schon längere Zeit der Zankapfel zwischen Rußland, Persien u. den Türken gewesen war, 1796 unter dem Namen Grusien eine russische Provinz geworden war, strebte Rußland, dessen Grenzen bereits 1783 bis an den Kuban vorgerückt worden waren, darnach, eine Verbindung durch Landbesitz zwischen Grusien u. Kaukasien herzustellen, u. wirklich erlangte es eine solche im Frieden von Tiflis 1814 durch die Erwerbung von Daghestan u. Schirwan von Persien u. vergrößerte 1826 die Besitzungen südlich des Kaukasus noch, indem es die früheren persischen Provinzen Eriwan u. Nachitschewan durch den Frieden von Turkmanschai abgetreten erhielt. Immer fehlte aber noch die Hauptverbindung längs des Schwarzen Meeres u. zwischen diesem u. dem Kaspischen, aber auch diese bekam es durch den Frieden von Adrianopel 1829 u. im Vertrag von Petersburg im Januar 1834, wo auch Abchasien abgetreten wurde. Schon seit 1781 war Rußland mit den kaukasischen Ge[890] birgsvölkern, namentlich mit den Tscherkessen, in fortwährendem Kriegszustand gewesen; diese wollten von einer Unterwerfung unter Rußland nichts wissen u. hatten nach ihrer Gewohnheit Raubzüge jenseit des Kuban gemacht u. russische Unterthanen in Gefangenschaft geschleppt, u. jene hatten dagegen Rachezüge unternommen. Dadurch war die gegenseitige Erbitterung gesteigert worden. An ernstlichen Unternehmungen dagegen war Rußland lange durch andere Kriege gehindert. Erst als 1829 die Küste des Schwarzen Meeres bis Poti u. der ganze Kaukasus von der Türkei an Rußland abgetreten worden war, erklärte Kaiser Nikolas ihren Häuptlingen, daß er nicht ferner gesonnen sei die Raubzüge der Tscherkessen u. ihren Widerstand gegen Rußlands Oberherrschaft zu dulden. Als 1834 Abchasien gewonnen war, suchten die Russen zunächst durch die Sperrung Anapa's, des bisherigen Handelsplatzes der Tscherkessen, deren directe Verbindung mit den Türken u. Briten zu erschweren u. durch Besetzung der Küste des Schwarzen Meeres mit einer Reihe Forts auch dem Schleichhandel, bes. mit Waffen, Kriegsbedarf, Sklaven, Sklavinnen u. mit dem den Tscherkessen unentbehrlichen Salz, ein Ziel zu stecken. Dann befestigten sie unter dem General Weljaminow, Befehlshaber von Ciskaukasien, ein schon 1832 u. 1833 gebautes Fort bei Gelendshik, etwa 10 Meilen südöstlich von Anapa, u. mehre Forts am Kuban stärker u. von Tiflis nach Stawropol u. von Gelendshik nach Fort Olgadorf u. Jekaterinodar am Kuban an. Da die Tscherkessen wohl einsahen, daß diese Anstalten zu ihrer völligen Unterwerfung gemacht wurden, so machten sie häufige Angriffe auf russische Forts u. Etablissements.
Ganz Tscherkessien im weitesten Sinne ist eine natürliche Festung. Gegen Süd u. West sicherte die Steilheit des Gebirgs, die undurchdringlichen Wälder, welche seinen Hang bedecken, u. die Gletscher u. Schneefelder gegen einen Angriff u. gegen Nordwest, Nord u. Ost erschwerten die tiefen u. steilen Thäler, welche den Russen nur in Einer Colonne zu marschiren erlaubten u. die für Geschütz u. Wagen fast unwegsam sind, den Einfall ungemein. Nur zwei Straßen verbanden Nord- u. Südkaukasien, sowie Stawropol mit Tiflis; die eine geht von Stawropol nach Alexandrow, Georgiewsk u. Jekaterinograd u. von da, die andere verlassend, in einem großen Bogen östlich, nördlich des Terek nach dem Kaspischen Meer, dann südlich durch Daghestan längs desselben u. von da wieder westlich nach Tiflis; die andere aber von Jekaterinograd abgehend, den obern Terek aufwärts, mitten durch das Gebirg über die russische Festung Wladikawkas (Beherrscher des Kaukasus) u. durch einen tiefen Einschnitt des Kaukasus nach Tiflis (den Paß von Dariel); letztere ist zwar weit kürzer, war aber bei der Insurrection der Bergvölker nur mit Bedeckung u. nicht ohne Gefahr gefangen zu werden zurückzulegen. Mit den größten Mühseligkeiten mußten die Russen bei allen Kriegsunternehmen von der Operationsbasis u. Hauptstraße weg nach dem innern Kaukasus stets ihren Colonnen durch eigene Convois die Lebensmittel nachfahren lassen, u. gerade diese Convois waren den meisten Angriffen der Tscherkessen ausgesetzt u. mußten daher stets mit starker Bedeckung marschiren. Dazu kam noch die eigenthümliche Art der Kriegsführung der Tscherkessen; dieselben lieben nur das zerstreute Gefecht u. den kleinen Krieg; sie fechten zu Fuß nur in Brüderschaften (s.u. Tscherkessen) u. einzeln Mann für Mann zu Fuße hinter Büschen, Bäumen u. Erdaufwürfen, mit ihren langen Flinten von größerer Tragweite gut schießend u. nur die Offiziere aus der Mitte der Bataillons heraussuchend, gegen die geschlossene russische Infanterie, od. zu Pferd, nie in geschlossener Ordnung gegen die gleichfalls schwärmenden Kosacken, eilen, ernstlich angegriffen, auf ihren leichten Pferden die steilen Höhen hinan u. flüchten in die dicksten Wälder; die Thäler dagegen schließen sie immer mit Verhauen od. Flechtwerk, dessen Zwischenräume mit Erde ausgefüllt sind u. welche sich oft 20- u. mehrmal wiederholen, u. vertheidigen dieselben eine Zeit lang. Kaum waren die Russen, aus Mangel an Lebensmitteln u. durch den immerwährenden kleinen Krieg erschöpft, abgezogen, als von den Tscherkessen wieder irgend ein schlecht bewachter Punkt der Russen, ein Fort, oft auch offene Städte überfallen wurden. Die Bergvölker wählten sonst nur jeder Stamm einen Führer, u. erst seitdem sich auch die mehr östlichen Tschetschenzen u. Lesghier an die Tscherkessen angeschlossen hatten, singen sie an sich einem gemeinschaftlichen Feldherrn unterzuordnen. Die Russen aber hielten sich hinter mehren Festungen u. einer Reihe Forts (Kreposts), welche aus Graben u. Brustwehren von Erde bestanden u. in denen hölzerne Häuser u. nur einige steinerne für den Kriegsbedarf sich befanden, u. durch Stanizen (s.d.) am Kuban u. Terek u. hinter einer ähnlichen verschanzten Linie an der Südgrenze Tscherkessiens den größten Theil des Jahres defensiv, verhinderten die Verbindung der Tscherkessen mit den Türken u. Briten durch eine Linie ähnlicher Forts am Schwarzen Meere u. unternahmen nur des Jahres ein- od. zweimal Züge in das Gebirg hinein. Dabei brachte es die Natur des Landes u. die große Ausdehnung der Linien mit sich, daß der Verband der Corps mit den Divisionen u. Brigaden weit weniger fest war u. daß dieselben nicht so rasch u. einig zusammenwirken konnten. Nur durch dies alles wird es erklärlich, wie ein so wenig zahlreiches Volk den ihm weit überlegenen Russen, welche sie noch dazu von zwei Seiten, von Süd- u. von Nordkaukasien aus, angreifen konnten, so lange zu widerstehen vermochte.
Die Jahre 183436 waren ohne große Resultate vorübergegangen u. drei große Einfälle in das Innere von Tscherkessien, um eine Militärstraße von Anapa durch die Schwarzen Berge nach Jekaterinodar zu führen, mißlungen, u. kaum hatten die Russen die wichtigsten Forts am Schwarzen Meere halten können. Dort trieben nämlich nicht nur die Tscherkessen noch immer Schleichhandel, sondern englische Agenten, nuter Anderen Urquart u. Bell, durchzogen, dort ans Land steigend, Tscherkessien in allen Richtungen u. hatten wohl wesentlichen Antheil an den Proclamationen, worin die Tscherkessen ihre Sache zu vertheidigen suchten. Diese Küste mußte daher erst völlig im Besitz der Russen sein, bevor sie hoffen konnten die Tscherkessen vollständig zu besiegen. Mit einer Flotte, welche von Süden aus von dem Kriegsgouverneur von Südkaukasien unterstützt wurde, landeten daher die Russen, vertrieben die Tscherkessen u. bauten das Fort Konstantinowsk (Heiligen Geists-Fort), wo sie 1000 Mann[891] in Garnison ließen. Hier aber u. in den meisten anderen Forts waren die Russen nicht weiter Herren des Landes als einen Kanonenschuß weit; jenseit standen tscherkessische Posten hinter Gemäuer u. Ravins versteckt u. hoben jeden auf, welcher aus dem Fort hervorkam. Am 26. Novbr. 1836 wurde auch das britische Schiff Vixen, welches für englische Kaufleute mit Waffen, Kriegsbedarf u. Salz beladen, an der Küste Tscherkessiens kreuzte u. diese in der Nähe von Sudschuk Kaleh landen wollte, von dem russischen Kriegsschiff Ajax genommen u. confiscirt (doch hatte dies kein Mißverständniß mit Großbritannien zur Folge, so viel auch im britischen Parlament darüber gesprochen wurde). 1837 unternahm Weljaminow vom Kuban mit 8000 Mann u. vom Suchum Kaleh aus mit 10,000 M. einen Angriff auf die Schwarzen Berge, welcher durch eine Diversion Rosens von Grusien aus unterstützt wurde; aber auch diese Angriffe waren fruchtlos. Kaiser Nikolas kam damals persönlich nach dem Kaukasus, um sich zu überzeugen, woran es liege, daß die russischen Angelegenheiten so langsam gingen; er veranlaßte den General Rosen sein Commando niederzulegen u. schickte 1838 nach Weljaminows Tode den General Golowin als commandirenden General dahin; General Rajewski erhielt aber das Commando des Districts am Schwarzen Meere. Der Kaiser hatte das ganze System geändert. Die Bergvölker wurden nicht mehr mit Streifzügen beunruhigt, sondern ihnen durch Proclamationen des Generalgouverneurs Religion, Sitten, Gebräuche u. Verfassung garantirt, u. nur an der Küste des Schwarzen Meeres suchten die Russen Forts anzulegen od. die alten zu verstärken u. durch die Gegenwart ihrer Flotte den Schleichhandel zu hindern. Am 24. April 1838 wurde eine Landung bei Mamai unternommen, 8 Linienschiffe u. mehre Fregatten beschäftigten die Tscherkessen durch lebhaftes Feuer, während die Landungsboote bemannt wurden, ohne Schwierigkeit landeten u. die Abchasenvertrieben. Dasselbe geschah bei Toapse, Schapsekua etc., u. an allen diesen Punkten, sowie 1839 an der Mündung des Subesch u. bei Waia, wurden Forts angelegt.
Von 1839 an begann aber Schamyl (s.d.), ein Führer der Tschetschenzen voll religiöser Beredtsamkeit, die Gemüther zu fanatisiren u. wurde Leiter des ganzen Aufstandes. Er brachte die Gebirgsvölker zuerst dazu, nach Einem Plane zu handeln, u. verschaffte sich durch Strenge, ja Grausamkeit (so ließ er Bergbewohner, welche sich dazu hergegeben hatten die Spione der Russen zu machen, lebendig begraben), Ansehen u. Gehorsam. Die Tschetschenzen nahmen nun den Platz unter den Bergvölkern am Kaukasus ein, welchen früher die Tscherkessen behauptet hatten, welche durch so viele Kämpfe geschwächt, nun ruhiger wurden u. sich, wenigstens die nächsten Stämme am Kuban, zum Schein unterwarfen. Der General Grabbe unternahm 1839 einen Zug nach Schamyls Hauptsitz, der Felsenburg Achniko am Sulak, schlug Schamyl u. nahm die Burg; Schamyl selbst entkam. Im Frühjahr 1840 stürmten die Tscherkessen die russischen Forts am Schwarzen Meer, zu deren Schutz die Flotte nicht stets zur Hand sein konnte, so am 16. März das Fort Waia u. am 8. April Toapse (Michailowsk); beide wurden durch Auffliegen eines Pulvermagazins in die Luft gesprengt. Ende April fiel das Fort Abun u. später die Forts Sotsche, Nikolajewski u. m. a., u. so gewannen die Tscherkessen einiges Geschütz, verließen aber die Forts nach der Eroberung wieder. Rajewski wurde nun abberufen; die Generale Grabbe u. Anrep befehligten in Kaukasien. Das Jahr 1841 verging mit Versuchen die Vorpostenlinie vom obern Kuban nach der Laba, einem Nebenfluß des Kuban, welcher bei Ust-Labanskaja mündet, vorzuschieben u. mit einigen glücklichen Versuchen Anreps die Tscherkessen von der Küste des Schwarzen Meeres zu vertreiben. 1842 wollte Grabbe einen großen Zug unternehmen, indessen kamen ihm die Gebirgsvölker mit dem Angriffe zuvor, denn während die Tscherkessen im milden schneelosen Winter auf 1842 die russische Linie am Kuban neckten u. alarmirten, griffen die Tschetschenzen die Stadt Kisljar am Terek in Nordkaukasien an. Dies zu rächen brach Grabbe 1842 in das Gebiet der Gumbeten auf u. versuchte das Innere des Kaukasus zu erobern. Er wurde jedoch im Itschkerischen Walde geschlagen, vier Batterien wurden vernichtet u. 80 Offiziere blieben. Grabbe wurde durch General Gurko ersetzt, auch General Golowin in Südkaukasien u. Tiflis u. der General Saß abberufen u. Golowin durch General Neidhart ersetzt, welcher zugleich den Oberbefehl über die auf 80,000 Mann u. 100 Geschütze verstärkte Armee führte. 1843 lud Schamyl die Tscherkessen zu neuen Unternehmungen ein; sie machten auch schwache Züge gegen den Kuban; er selbst überfiel im März mit den Tschetschenzen Mosdok u. im August Unzukul, welches er durch Abgrabung des Wassers eroberte, zwang den von Temirchanschura anrückenden Entsatz sich zurückzuziehen, wendete sich hierauf nach Wnesapnaja, welches er jedoch nicht zu bezwingen vermochte, da er mit seinem 1015,000 Mann starken Heere gegen den von Stawropol anrückenden General Gurko ziehen mußte. Da das 1843 befolgte Defensivsystem so unvollkommene Resultate gegeben u. die Russen drei Bergfestungen in Awarien u. zugleich die Gebirgsprovinzen großentheils verloren hatten, gingen sie 1844 wieder in die Offensive über; drei Divisionen unter Lüders, Gurko u. Argulinski wurden aufgestellt; 30,000 Mann unter Lüders erschienen von Norden her, beträchtliche Kräfte wurden aus Südkaukasien gezogen u. der Kampf sollte auf beiden Abhängen des Ostkaukasus gleichzeitig beginnen, da Schamyl Derbent bedrohte; zugleich erneuten die Tscherkessen an der Küste des Schwarzen Meeres ihre Angriffe, wurden jedoch zurückgeschlagen. Indessen die Angriffe der Bergvölker am Kaspischen Meere hatten den ganzen Feldzug der Russen vereitelt. 1845 sollte der Feldmarschall Graf Woronzow, Generalgouverneur von Odessa, die Kriegsunternehmungen leiten. Er erhielt deshalb im ganzen Kaukasus fast dictatorische Gewalt u. sammelte alle disponiblen Truppen zu dessen Unterwerfung. Auch er verfuhr offensiv; zog von Gersel-Aul aus, erstürmte mit 12,000 Mann auf dem Marsch durch das Land der Gumbeten u. die Wälder von Itschkeri 24 Verhaue u. Verschanzungen von Flechtwerk u. Erde, welche die Tschetschenzen ihm entgegen gelegt hatten, u. nahm im Juli Dargo (Schamyls Hauptwaffendepot), verließ aber, als die Lebensmittel aufgezehrt waren, das Gebirgsland u. kehrte in einem großen Bogen nach einem Verluste von 3000 Mann, 3 Generalen u. 300 Offizieren über das Altaithal nach Gersel-Aul zurück, wo ihm General Freitag mit 6000 Mann[892] u. 300 Kosacken entgegenkam. Auch die Operationen der übrigen russischen Detachements waren erfolglos geblieben, Im Herbst wurde russischer Seits an keine weitere Expedition gedacht; die Kaukasier dagegen ließen es an erneuten Einfällen in das russische Gebiet nicht fehlen; Gersel-Aul wurde vergebens belagert, die Provinz Dargo verheert, Schamyl selbst nahm einen bedeutenden Transport weg.
Indessen hatte Woronzow der Verwaltung des ihm anvertrauten Gebietes eine erfolgreiche Aufmerksamkeit zugewandt, Ordnung in das Heer- u. Spitalwesen, wie in die Verproviantirung gebracht, den Sklavenhandel für die Tscherkessen an der Ostküste des Schwarzen Meeres freigegeben, um dieselben für Rußland zu gewinnen, u. die bisher in viele einzelne, verschieden gestaltete Herrschaften zerfallenden kaukasischen Länder in vier gleichmäßig organisirte Gouvernements, Derbent, Schemachia, Kutais u. Tiflis, eingetheilt, um die Verwaltung zu vereinfachen. Zu den Vorbereitungen für den Feldzug 1846 sollte auch die Vernichtung der den Russen bisher so vielfach verderblich gewordenen Wälder des Tschetschenzenlandes gehören, unter deren Schutz die Leute Schamyls aus den fruchtbaren Ebenen der Tschetschna Getreide u. Futter holten, um diese durch Mangel zu bezwingen u. sie zugleich durch Überfälle in ihren Schluchten zu ermüden u. zu schwächen. Da deren Niederbrennung sich als unthunlich erwies, beschränkte man sich auf das Aushauen der gefährlichsten Stellen; Schamyl hinderte die Arbeit in keiner Weise. Nachdem im Frühjahr 1846 gegen 8000 Mann frische russische Truppen angelangt waren, sollte im Mai der Feldzug gegen Weden, Schamyls neue Residenz, eben beginnen: da brach Schamyl plötzlich am 11. Mai mit 10,000 Mann Reitern u. Fußgängern aus der, von den Russen gehauenen Straße an der unteren Aßai hervor u. stand unversehens, eine doppelte Linie von russischen Lagern u. Festungen u. zwei Flüsse hinter sich lassend, jenseits des Terek, wo er ein Kosackendorf zerstörte, setzte sich in dem Engpaß von Karadagh fest, durchzog von da aus raubend u. plündernd einen Theil der den Russen längst unterworfenen Kabarda, brannte eine Menge Dörfer nieder u. drang endlich nach Naltschik, der Hauptveste des russischen Centrums, vor, welches er 6 Tage lang vergeblich stürmte. Dabei hatte er ein Heer von 70,000 Mann u. die ganze militärische Kosackenbevölkerung am Terek u. der Ssunsha im Rücken u. vor sich die russischen Truppenmassen des rechten Flügels sammt den Kosacken an der Laba u. am Kuban. Die Russen kamen denn auch endlich von allen Seiten gegen Naltschik herbeigeeilt, worauf Schamyl am 19. Mai sein Fußvolk entließ, welches in den Wäldern wieder ankam, während er selbst noch mit den Reitern bis Jekaterinograd vordrang, dann sich östlich nach der Kleinen Kabarda wendete, die Obersten Iljinsky u. Möller-Sakomelsky bei Seite schob, den Terek überschritt, rasch jenseits der Ssunsha anlangte u. dann mit großer Beute u. vielen Gefangenen in seine Wälder zurückkehrte. Über diese Heldenthat kam der ganze Kaukasus in Bewegung; die Tscherkessen suchte man durch Zugeständnisse zu beruhigen, konnte aber doch nicht verhindern, daß sich die Bergvölker der Festungen Golowin u. Gagry am Schwarzen Meere durch einen Überfall bemächtigten. Die beabsichtigte Expedition nach Weden unterblieb nun. Woronzow beschränkte sich darauf, die Ssunshalinie durch Anlegung neuer Vesten zu verstärken, die Lichtung der Wälder fortzusetzen u. das Dorf Gergebil, unweit des Koißu am Eingang der nach Awarien führenden Schluchten, zu befestigen. Daneben wurden einzelne unbedeutende Züge gegen feindliche Auls unternommen. Schamyl dagegen setzte seine Angriffe unermüdet fort, fing wieder einen bedeutenden Transport weg, verheerte die Provinz Dargo aufs Neue, eroberte ein großes Stück derselben zurück, nahm auch Gergebil ein, drang in Daghestan vor u. kehrte erst im Spätherbst zurück.
Die um vieles geringere Aufgabe, welche Woronzow sich für den Feldzug von 1847 gestellt hatte, galt der Einnahme der von Schamyl neu befestigten Dörfer Gergebil u. Ssalty, am Kara- u. kasikumykschen Koißu, etwa drei Stunden von einander liegend. Zweck des Unternehmens sollte die Wiederherstellung der Verbindung zwischen dem Khanate Kasikumyk u. Temirchanschura sein. Zugleich sollte die alte Handelsstraße von dem zur Gouvernementsstadt erhobenen Derbent nach dem Innern Georgiens u. nach Tiflis wiederhergestellt werden, weshalb die nöthige Mannschaft abgeschickt wurde, um von Nuchi aus über den 8000 Fuß hohen Ssawalat-Dagh einen fahrbaren Weg zu bauen. Am 18. Mai wurde der Feldzug, zunächst gegen Gergebil, eröffnet; Woronzow leitete die Expedition persönlich; die Belagerungsarmee mochte gegen 16,000 Mann betragen. Nachdem in den vor dem Dorfe liegenden Befestigungen mehrmals Bresche geschossen worden war, stürmten die Russen u. drangen auch in das Innere der Befestigung ein, fanden aber durch die angebrachten Verhaue, Barrikaden u. Falllöcher zumeist ihren Tod. Ein zweiter Sturm wurde eben so blutig zurückgeschlagen. Am 18. Juni hob Woronzow die Belagerung auf u. gönnte seinem Heere auf dem Plateau von Turtschi-Dagh bis zum 6. August Ruhe, worauf die zweite Expedition, gegen das befestigte Dorf Ssalty, unternommen wurde. Erst nach längeren, für die Russen siegreichen Kämpfen, auf der einen Seite gegen die Bergvölker unter Kibit Mohamma u. Daniel Beg, auf der anderen gegen Abakir Hadshi u. Mußa Balakanski, konnte die Belagerung von Ssalty beginnen, welche dann mehre Wochen lang fortgesetzt wurde, bis nach großer Beschädigung der Befestigungen durch das russische Feuer die Besatzung sich endlich am 27. Septbr. zurückzog u. den Russen Ssalty überließ. Diesen schien es jedoch auch nicht räthlich zu sein die Eroberung zu behaupten, auch sie zogen sich zurück. Schamyl war bei allen diesen Kämpfen nicht betheiligt gewesen, hatte jedoch inzwischen für seine Sache allenthalben gewirkt, namentlich auch die noch übrigen Lesghierstämme der oberen Koißugaue gewonnen u. ganz Lesghistan u. das Tschetschenzenland gehörig organisirt. Übrigens war im Laufe dieses Jahres auch auf anderen Punkten gekämpft worden. Von der Kleinen Tschetschna aus hatte der Naib Nur Ali Einfälle bis gegen Wladikawkas u. in die Kleine Kabarda unternommen, wie auch der Stamm der Karabulaken einen hartnäckigen Widerstand geleistet hatte; die Siege der Russen auf allen diesen Punkten hatten wenigstens das feindliche Gebiet in keiner Weise zu verringern vermocht. Das Jahr 1848 ging ohne bedeutende Unternehmen hin; 1849 wurde Achniko 11 Monate lang belagert. Die davor lie[893] gende, von den Russen selbst früher erbaute Bastei, der Schlüssel der ganzen Stellung, gelangte erst nach 9 Monaten in den Besitz der Russen. Vom 27. Juli bis 17. August wurde dann um Achulko selbst unter großen Verlusten gekämpft. Nachdem alle Stürme abgeschlagen worden waren, fing man mit Schamyl zu unterhandeln an, ohne jedoch zu einem Resultat zu gelangen, worauf vom 21. bis 29. Aug. der Angriff fortgesetzt wurde. Erst dann fiel die Veste, nachdem ihre Vertheidiger todt od. gefangen waren; Schamyl war entkommen. Andererseits fiel den Bergvölkern die Veste Sudscha in die Hände, wobei von der 4000 Mann starken Besatzung der vierte Theil getödtet, die andern gegen u. 150 Kanonen erobert wurden.
Durch erfolgreiche Kämpfe gewann Schamyls Macht im Jahre 1850 an Ausdehnung weit in bisher längst als russisches Eigenthum geltende Districte; so in Kaukasien, bei den Schwarzen Bergen wenig südlich von Stawropol, über die Große Kabarda hinaus, ferner an der Labalinie im Lande der Nogai-Tataren, endlich in Daghestan, mitten unter den Tatarendörfern südlich von Azderan, so daß er fast die ganze Breite des Gebirges von Meer zu Meer. beherrschte u. mit seinem rechten u. linken Flügel den Russen am Terek wie am Kuban gegenüber stand. Die heftigsten Kämpfe waren an drei Punkten ausgefochten worden; auf der Lesghischen Linie waren die Kaukasier bei ihrem Angriff auf die Veste Bielokány zwar zurückgeschlagen worden, brachten aber dann den verfolgenden Russen eine Niederlage auf dem Berge Akimala bei; auf der schon lange ruhigen Labalinie errang Mohammed Amin große Erfolge gegen Oberst Schagodin u. den Kosackenhetman Marienowitsch, welche über die Laba zurückgetrieben wurden; in Daghestan endlich, wo Schamyl selbst befehligte, wurde das Dolgoruki'sche Corps überfallen u. zu einem Rückzug nach der Grenze gedrängt, wo es endlich bei Eskideverche noch in einen Hinterhalt Schamyls fiel u. geschlagen wurde. Ehe der Krieg von 1851 begann, war es Mohammed Amin gelungen die bisher den Russen mindestens nicht feindlichen Stämme im Westen des Kaukasus so für sich zu gewinnen, daß sich die russischen Festungen während des Winters plötzlich eingeschlossen sahen. Anfang April stand Mohammed Amin bereits mit 30,000 Tscherkessen in der Ardana u. war Herr über die Küstenbevölkerung des Schwarzen Meeres. Viceadmiral Cerebriakow wurde in Tschemers eingeschlossen, von der Kubanlinie ganz abgeschnitten u. mußte sich endlich, nachdem Tschemers von Mohammed Amin erstürmt worden war, nach Anapa flüchten. Das linke Kubanufer wurde ganz von den Bergvölkern gewonnen, u. zugleich fielen mehre Binnensorts u. Küstenfestungen in deren Hände. Mit mehr Glück kämpften dagegen die Russen im Sommer 1851 in Daghestan gegen Schamyl auf dem linken Flügel u. ebenso auf dem rechten westlichen gegen Mohammed Amin. Hier unterwarf sich ein Stamm von ungefähr 16,000 Seelen den Russen u. erhielt feste Wohnsitze unter dem Schutze der Feste Ust-Laba. Ein von Schamyl selbst im Juli versuchter Angriff, während Hadschi Murad die Bevölkerung von Tabasseran aufwiegeln wollte, schlug fehl, weil diese Bevölkerung sich den Russen unterwarf u. sich verpflichtete Straßen durch ihre Wälder zu bahnen, um zu jeder Jahreszeit freien Zutritt zu sich zu gewähren. Der Bau einer neuen russischen Festung zwischen den Flüssen Belaja u. Laba, welche die dortigen fruchtbaren Ebenen beherrschte, veranlaßte mehre andere tscherkessische Stämme sich unter russischen Schutz zu begeben u. Mohammed Amin zu verlassen. Im November 1851 fiel auch Hadschi Murad von Schamyl ab, wurde aber von den Russen getödtet. Im Feldzuge von 1851 hatten sich auch Fürst Argutinski-Dolgoruki u. Generalmajor Kozlowski ausgezeichnet. Um diese Zeit war die Kriegsstellung Rußlands in den Kaukasusländern ungefähr folgende: Die kaukasische Armee war auf einer die Stawropol-Tisliser Heerstraße durchschneidenden Linie vom Kaspischen bis zum Schwarzen Meere aufgestellt, auf welcher Kosackencolonien, befestigte Lager u. Festungen sind, von denen die Strecke zwischen dem Terek u. dem Kuban das Centrum, die Truppen östlich längs des Terek den linken, diejenigen längs des Kuban den rechten Flügel bildeten. Um die Lesghier, Tschetschenzen, Awarier u.a. östliche Bergvölker von der westlichen tscherkessischen Völkergruppe zu trennen u. sie zu bekämpfen, lag ein Truppenkörper der kaukasischen Armee den Tschetschenzen gegenüber mit dem Hauptquartier Graßnaja; ein zweiter Daghestan gegenüber mit dem Hauptquartier Temikan Chura, u. ein dritter auf der südlichen Abdachung den eigentlichen Lesghiern gegenüber mit dem Hauptquartiere Zakatali. Die Festungen des am Kaspischen Meere liegenden Regierungskreises Derbent schlossen den Kreis im Osten, im Westen die Festungen, welche die Heerstraße nach Tiflis decken. Durch die Lichtung der Wälder mußte, wenn auch langsam, aber sicher, der Widerstand der Gebirgsvölker auf ein immer kleineres Gebiet zusammengedrängt werden. Jeden Winter unternahm Woronzow einen Kriegszug, um einen, eine Viertelstunde breiten Weg durch die Wälder ins Gebirge hinein einige Werft weiter zu führen, woran sogleich Befestigungen errichtet wurden u. die Kosacken ihre Blockhäuser bauten. Die Absperrung des Krieges mit Schamyl wurde außerdem durch religiöse Spaltungen gefördert. Die zahlreichen Muhammedaner der kaukasischen Provinzen sind meist Sunniten, wie die Türken, nur geringeren Theils Schiiten, wie die Perser. Schamyl u. sein Volk gehörten aber zur Secte der Müriden, welche zwar den türkischen Sultan als geistliches Oberhaupt betrachtet wissen wollen, aber den Glauben gereinigt zu haben behaupten. In dieser Beziehung hatten sie ihre nächsten Nachbarn int Gouvernement Derbent u. die Muhammedaner Georgiens u. Armeniens zu Gegnern, u. diese Spaltung ward von den Russen gepflegt u. benutzt. Aber auch die Tscherkessen waren nicht blos durch die Festungen der Heerstraße von Stawropol nach Tiflis von Schamyl getrennt; ihr Gebiet waren die Große u. Kleine Kabarda am nördlichen Abhange des westlichen Kaukasus dem Centrum der russischen Operationslinie gegenüber ungefähr bis zum Zusammenflusse der Laba u. des Kuban; sodann die Gebirge, welche dem rechten Flügel der kaukasischen Armee gegenüber liegen, jenseits der Flächen, welche sich vom Zusammenflusse der Laba mit dem Kuban bis zum Schwarzen Meere erstrecken u. theils von Auls von Nogai-Tataren, theils von militärischen Ansiedelungen (Stanizen) der Kosacken eingenommen sind; endlich die Gebirgsgegenden von Anapa südlich hinunter längs den Ufern des Schwarzen Meeres. Der Theil der Kabarda, welcher unmittelbar[894] auf beiden Seiten der Tifliser Heerstraße liegt, war schon längere Zeit den Russen unterthan u. schied das Gebiet Schamyls von dem gegen Rußland kämpfenden Tscherkessien. Die Völkerschaften des letzteren wurden am ganzen Kuban bis zu den Kosacken am Schwarzen Meere u. an der Laba von Ansiedelungen von Linienkosacken u. in angemessenen Zwischenräumen durch kleine Befestigungen u. größere Festungen mit Besatzungen bis zu 8000 Mann im Zaum gehalten, wie dies auf der ganzen Kaukasischen Linie der Fall war. Längs des Ufers des Schwarzen Meeres war ebenso von Anapa in südöstlicher Richtung bis Gagry eine gleichförmige Reihe Festungen erbaut, u. zahlreiche Kriegsschiffe kreuzten von einer zur andern, um jede Verbindung der Tscherkessen mit der See zu hindern; zunächst Sudschuk-Kale, dessen Besitz die Russen durch drei Werke sich zu sichern gesucht hatten. Ünmittelbar unterhalb öffnet sich die Bucht von Gelendshik, welche bis 1855 die bedeutendste Station der russischen Kriegsschiffe war. Der Theil Tscherkessiens von da bis Mamai setzte den entschiedensten Widerstand entgegen. Die Feste von Gagry beherrscht den Eingang von Tscherkessien nach Abchasien. Die abchasischen Bewohner der darüber liegenden Alpen hatten schon lange die Oberherrlichkeit Rußlands anerkannt.
Die Kämpfe der lesghischen Völkergruppe unter Schamyl standen in der Regel mit denen der tscherkessischen in keinem inneren Zusammenhange; aber im Jahre 1852 war es einem Sendlinge Schamyls gelungen einige tscherkessische Stämme für den Müridismus zu gewinnen, welche über einige Kosackenstanizen herfielen u. die Besatzung niedermachten. Sie wurden jedoch von den Russen wieder in ihre Gebirge zurückgetrieben. Der Widerstand wurde überhaupt immer schwächer, vereinzelter u. auf immer kleinere Gebiete beschränkt. Im Jahre 1853 brachten die Russen die Ausführung ihres Planes ein bedeutendes Stück weiter, aber der Krieg Rußlands mit der Türkei, England u. Frankreich hemmte diesen Siegeslauf. Im Jahre 1854 verbündeten sich die Bscheduchen, ein kleiner den Russen bisher befreundeter Stamm, mit den, Mohammed Amin als Oberhaupt anerkennenden Völkern u. zogen sich meist von den Ufern des Kuban ins Gebirge zurück. Von größerer Wichtigkeit war, daß am 25. Mai 1855 die Verbündeten. Kertsch u. Jenikale besetzten, worauf die Russen am 28. Mai Sudschuk-Kale u. ebenso Anapa am 5. Juni räumten, überhaupt die Küstenfestungen verließen. Die Tscherkessen setzten sich in diesen Plätzen fest u. mit den französischen u. englischen Schiffen in Verbindung. Dagegen zeigte sich gerade in diesem entscheidenden Augenblicke die Spalung zwischen den Müriden Schamyls u. den übrigen Muhammedanern wirksam. Im Juli 1855 gaben die Russen den Sohn Schamyls, welcher früher gefangen u. in Rußland erzogen worden war, seinem Vater zurück. Von da stellte Schamyl seine Angriffszüge gegen die Russen eine Zeit lang ein. Auch zeigte sich, daß die Tscherkessen zu schwach waren, um den Türken, welche unter Omer Pascha (Nov. 1855) in der Provinz Imerethien eingefallen waren, zu Hülfe zu kommen. Im Jahre 1856 hatte Fürst Baratinski, welcher den Befehl über die kaukasische Armee übernommen hatte, auf der lesghischen Seite nur noch vereinzelte Raubzüge zurückzuweisen. Im April 1856 kamen mehre Tscher kessen nach Constantinopel, welche als angebliche Abgeordnete ihrer Landsleute dem Sultan eine Schrift überreichten, worin sie den Wunsch aussprachen wieder türkisch zu werden, was jedoch nach Abschluß des Friedens zwischen der Türkei u. Rußland ohne Folgen blieb. Vielmehr besetzten die Russen nach u. nach wieder die im Kriege verlassenen festen Punkte, kreuzten mit Kriegsschiffen an der Küste u. setzten die Ausführung ihres Unterwerfungsplanes gegen die Gebirgsvölker auf beiden Flügeln der kaukasischen Armee fort. Auf dem linken Flügel begann der Winterfeldzug 1856, 57 mit der Fortsetzung der Durchhaue durch die Wälder der Tschetschna, namentlich durch den Wald von Majurtup. Erst um die Mitte Decembers hatte Schamyl mehre kleine Heerhaufen dagegen versammelt, ohne die Russen hindern zu können, welche in drei Wochen ihre Aufgabe vollendeten u. dann in ihre Winterquartiere zurückgingen. Auf dem rechten Flügel hatten die Russen im Herbste 1856 am Flusse Issubai eine neue Befestigung errichtet, welche im December von den Tscherkessen angegriffen wurde. General Koslowski lieferte, verbunden mit einigen befreundeten Schaaren der Bergvölker, ihnen am 31. December 1856 an den Ufern des Cham-Keti ein siegreiches Gefecht. Zu derselben Zeit wurde der feste bscheduchische Aul Enem am linken Ufer des Flusses Ssup von den Russen zerstört. Zu Anfange des Jahres 1857 gelang es dem Mehemed Bey (ehemaligem ungarischen Obersten Bangya) den Tscherkessen auf einem englischen Dampfschiff 300 Ungarn u. Polen, nebst Waffen, Kanonen, Congrevschen Raketen u. anderem Bedarf, welchen ein englischer Agent lieferte, zuzuführen u. bei Gelendshik zu landen. Die Kämpfe dauerten auch während des Frühjahres u. Sommers 1857 lebhaft fort. Auf dem linken Flügel suchte Schamyl die gewonnenen Waldlichtungen durch Gräben u. Wälle unwegsam zu machen, die Russen dagegen dies zu verhindern u. mit dem Durchhau der Wälder weiter vorzudringen. Im Frühjahre 1857 rückten 291/2 Bataillone Infanterie, 31 Sotnien mit 34 Geschützen unter den Generalen Ewdokimow u. Nikolai ins Innere der Großen Tschetschna u. vollendeten die Hauptlichtung, welcher die Russen von Wosdwischensk aus bedurften. Zu Anfang Juli schlug Fürst Orbeliani II. auf der Hochebene Schalatawla die Hauptmacht Schamyls, worauf eine gebahnte Straße durch die Terengulschlucht angelegt, u. um den Besitz von Schalatawla zu sichern, sin Platz als Stabsquartier daselbst befestigt wurde. Auf dem rechten Flügel hatte die Mitwirkung von Europäern u. die Erwerbung von Kanonen auf Seite der Tscherkessen zur Folge, daß an die Stelle des Kampfes in der Nähe mehr ein Kampf aus der Ferne trat. Die Russen bauten zwei neue Festungen, eine an Adagum u. eine am Ausgange des Engpasses Maikop, die weitest vorgeschobene Stellung der Russen im Gebiete der eigentlichen Tscherkessen. Am 2. Juli landete General Filipson bei der Festung Gelendshik, überfiel die Tscherkessen in einer befestigten Stellung u. zerstörte ihre Pulvermagazine. Vergeblich waren die Anstrengungen Schamyls die Fortschritte der Russen zu hemmen. Am 17. October 1857 nahm Fürst Orbeliani II. das Fort Neu-Bartunai, einen der wichtigsten Punkte in der Schalatawla, mit Sturm; sein Sohn Kasi-Mahom wurde von einer aus Tuscheti in das Land der Didoizen vorgedrungenen [895] Abtheilung aufs Haupt geschlagen. Eine Expedition des Generallieutenants Ewdokimow gegen die Kleine Tschetschna führte im November zu erneuerten Gefechten mit den Bergvölkern; die Russen bemächtigten sich der feindlichen Stellung, zerstörten alle Auls, errichteten ein neues Fort in dem Districte Auch (zwischen der Tschetschna u. der Schalatawla) am linken Ufer des Jaryk-Su u. unterwarfen nach heftigen Kämpfen bis zu Ende December vollständig die Ebene der Großen Tschetschna, deren Einwohner in andere Districte versetzt wurden. Auf die vom Naib von Bogodali mit zwölf anderen Naibs u. 3000 M. vertheidigten Verschanzungen bei Dylym unternahm Fürst Orbeliani II. am 25. Nov. einen sieggekrönten Angriff; fünf Naibs fielen, alle Ortschaften wurden von den Russen in Brand gesteckt u. die Bergbewohner mußten die ganze Schalatawia räumen. Um dieselbe Zeit wurde Mingrelien, eine der reichsten Provinzen Transkaukasiens, dem russischen Kaiserreiche einverleibt. Aus Anlaß von ausgebrochenen Unruhen rückten russische Truppen in das Land ein; die im Namen ihres unmündigen Sohnes regierende Fürstin Dadian wurde für abgesetzt erklärt u. die Verwaltung des Landes einem russischen General übertragen. Im November 1857 traf dasselbe Schicksal die nördlich von Mingrelien gelegene Landschaft Suanien. Der Fürst derselben, Dadiskilian, war von dem General Fürst Gagarin nach Kulais geladen worden u. erhielt dort von demselben die Aufforderung sich nach Tiflis zu begeben. Dadiskilian, den Plan durchschauend, erdolchte in einem plötzlichen Anfall den Fürsten Gagarin u. zwei bei ihm befindliche Offiziere u. entfloh aus der Stadt, wurde jedoch wieder eingeholt u. wenige Tage später in Kutais erschossen. Schamyls älterer, von den Russen ihm zurückgegebener Sohn Dschmeal-Eddin, von Jugend auf seiner Familie u. seinem Heimathlande entfremdet, verfiel in Melancholie, welche ihn rasch ins Grab stürzte. Noch unglücklicher für Schamyl war der Feldzug von 1858; durch ein geschicktes Manöver war es dem General Ewdokimow gelungen die Höhe Darga zu besetzen u. sich bald darauf im März fast ohne Schwertstreich des Passes von Argun zu bemächtigen, welcher aus den Schwarzen Bergen zu dem fruchtbaren Plateau des Andi führt u. an welchem bisher alle Angriffe der Russen gescheitert waren. Die Russen drangen hierauf in die Schluchten des Martan, der Goita u. des Engelik bis zum Gechi u. zu den Quellhöhen des Tataschei; 96 Auls wurden zerstört, u. die ganze Bevölkerung des gebirgigen Theiles der Kleinen Tschetschna (12 bis 15,000 Seelen) unterwarf sich od. entfloh. Die Unterworfenen erhielten neue Wohnsitze in dem von den Forts Wosdwischensk u. Kurinsk beherrschten Gebiete angewiesen. Am 21. Juni schlug Oberst Altuchow von Neuem den Feind; Schamyls Schaaren zogen sich am 27. hinter den Argun zurück, welchen Fluß die Russen gleichfalls überschritten; sie siegten im Lande der Schubotowzen u. unterwarfen die Stämme zwischen dem oberen Terek u. dem Argun. Am 11. August stieß Schamyl, welcher sich in die feste Position von Warandy hinter dem Paß von Achcho zurückzuziehen suchte, bei Aul Ismail, 14 Meilen von Wladikawkas, auf die Division des Generalmajors Mischtschenko; nach einem hartnäckigen Kampfe zerstreuten sich seine Schaaren in wilder Flucht mit Hinterlassung von 370 Todten. Das Zelt, das Gepäck u. ein großer Theil des Kriegsmaterials Schamyls fiel den Russen in die Hände. An demselben Tage nahm Generallieutenant Ewdokimow die feste Stellung von Marandy, wodurch der ganze Lauf des Argun in die Gewalt der Russen kam. In Folge mehrer anderer glücklich ausgeführter militärischer Operationen im Lande der Bergvölker unterwarfen sich der Naib von Anzuch, Sckago u. andere Stämme. Doch fiel General Wrewski bei Erstürmung des Auls Kitturi in Ilanchaw, u. die Expedition nach der Landschaft Dido kehrte nach der Zerstörung von 23 Auls über das Kodorgebirge zurück. Ende Jan. 1859 begannen die russischen Militäroperationen gegen die Tscherkessenstämme am linken Ufer des Kuban; die Gebiete der Bschedukhs u. Khatukhaievtsys wurden verwüstet u. wiederum 44 Auls zerstört. Nach allen diesen Erfolgen konnte Ewdokimow es wagen Schamyl in der Feste Weden am linken Zuflusse des Chulchutan anzugreifen, welche ihm seit 14 Jahren zum Knotenpunkte seiner Macht gedient hatte u. von Schamyls tapferem Sohne Kasi-Mahom mit einer Besatzung von angeblich 7000 M. vertheidigt wurde. Am 19. Febr. 1859 erschienen die Russen vor Weden, welches sieben Wochen lang den Belagerungsarbeiten Widerstand leistete, bis es am 13. April nach einer furchtbaren Kanonade von den Russen erstürmt wurde. Die Vertheidiger waren gefallen od. hatten sich mit Kasi-Mahom in die Schluchten des Gebirges geworfen. Dieser Schlag war entscheidend; mit dem Falle von Weden war die Eroberung des ganzen Landes am nördlichen Abhange des Andischen Gebirges gesichert; am 17. April zerstörte Baron Wrangel den letzten auf Schamyls Seite gebliebenen Aul Schamchal-Berdy, nach Einnahme der noch hartnäckig vertheidigten Auls Dewlet Bei u. Nonoi. Der Abfall von Schamyls offenbar vom Unglück verfolgten Sache wurde allgemein. Die meisten Auls in Itschkovien, einem bisher fast unbekannten Landstrich, alle Stämme von der Sundsha bis zum Koißu von Kasikumyk, unterwarfen sich. In Awarien wurden die Nachkommen der alten Khane wieder eingesetzt, u. in das Hauptquartier des Fürsten Bariatiuski, welcher inzwischen persönlich das Obercommando übernommen hatte, drängten sich von allen Seiten die Häuptlinge mit Versicherungen. aufrichtiger od. erheuchelter Ergebenheit. Kasi-Mahoms Schwiegervater, Daniel-Bey, überlieferte als Pfand seiner Treue das Fort Iaib, nächst Weden Schamyls bedeutendsten Waffenplatz, u. zwischen der georgischen Militärstraße u. dem Kaspischen Meere leistete nur noch die in Daghestan gelegene Bergfeste Ghunib, in welcher Schamyl mit nur 400 Mann u. 6 Kanonen seine letzte Zuflucht gefunden hatte, Widerstand. Am 27. Juli begann Bariatinski den Feldzug gegen Daghestan. Die Festung Ullu-Kale ergab sich am 5. August einer russischen Streifcolonne. Am 6. September erklommen drei russische Colonnen, von einem dichten Nebel begünstigt, die schroffen Bergwände von Ghunib u. erschienen unvermuthet im Rücken der für die ausgedehnte Stellung zu schwachen Besatzung. Nach einem verzweifelten Kampfe flüchtete sich Schamyl in den Aul auf dem Gipfel des Berges, als er aber das Vergebliche jedes Widerstandes erkannte, unterwarf er sich dem unvermeidlichen Schicksal. Er ergab sich mit seinen Söhnen u. einigen vierzig Getreuen auf Gnade u. [896] Ungnade dem Fürsten Bariatinski; er wurde ehrenvoll behandelt u. nach Petersburg geschickt, später erhielt er Kalnga als Wohnort angewiesen. Der 6 Sept. als der Tag, an welchem der östliche Kaukasus unterworfen u. der 50jährige Krieg beendet wurde, wurde durch kaiserlichen Ukas zum Festtag für Kaukasien erklärt. In den ersten Tagen des December leisteten auch die Ältesten der Abadsechen nebst ihrem geistlichen Oberhaupte Mahomed Amin im russischen Lager den Eid der Unterthänigkeit, u. es war somit auf dem Nordabhange des Kaukasus zwischen den Quellen des Kuban u. der östlichen Grenze des Schapsugenlandes kein einziger nicht unterworfener Stamm mehr übrig. Hiermit war der eigentliche Krieg, welcher selbst nach officiellen Daten der russischen Armee nach u. nach 1/2 Million Soldaten gekostet haben mag, beendet. Doch hörten die Kämpfe mit den Tscherkessen noch immer nicht ganz auf. Der Stamm der Natuchaizen (an den Niederungen des Kuban, des Schwarzen Meeres u. der Flüsse Neberdscha u. Adagum), welcher sich bedingungslos unterworfen hatte, zeigte sich bald wieder unbotmäßig, u. es wurde im Jahr 1860 nothwendig, erneut mit Waffengewalt gegen ihn einzuschreiten. Auch gegen die Schapsugen u. in Daghestan mußten neue Kämpfe geführt werden. Überhaupt fehlt noch immer viel, daß der ganze Kaukasus als der russischen Herrschaft unterworfen angesehen werden könnte. Namentlich unterhalten die Stämme des westlichen Kaukasus, welche in den Gebirgen u. fruchtbaren Niederungen zwischen dem Kuban u. Schwarzen Meere hausen u. noch niemals einem fremden Eroberer unterworfen gewesen sind, fortdauernd einen kleinen Krieg, wo fast kein Tag ohne Blutvergießen vergeht. Die Beschaffenheit des Landes, in welchem es an allem Baumaterial u. allen Communicationsmitteln mangelt, hat es den Russen hier noch nicht möglich gemacht, von ihren hart am Saume des Schwarzen Meeres gelegenen Festungen aus tiefer im Gebirge Stand zu fassen. Diese Unmöglichkeit einen regelrechten Krieg zu führen hat die Russen neuerdings, wie es scheint, zu dem System geführt, die Tscherkessen durch Absperrung u. dadurch erzeugte Hungersnoth zu bändigen u. zu unterwerfen. Kosackencordons mit Forts u. Blockhäusern umziehen das Gebiet der freien Tscherkessen von der Land- u. Seeseite u. Kriegsdampfer u. Kanonenboote kreuzen fortwährend an der Ostküste des Schwarzen Meeres, um jeden Verkehr mit dem Ausland abzuschneiden. Zahlreiche Auswanderungen von Tscherkessenstämmen nach der Asiatischen Türkei vereiteln indessen die Bemühungen der Russen, u. noch ist der Besitz des Kaukasus, dieses Schlüssels zur Eroberung der Türkei u. Persiens, dem Czaren nicht als gesichert anzusehen. Es gährt noch fortwährend unter den Bewohnern des Kaukasus u. neueste Nachrichten über Constantinopel lassen (Oct. 1863) einen erneuten Ausbruch erwarten. Wie es heißt, soll zwischen den Häuptlingen der Tscherkessen u. dem jungen Fürsten von Daghestan ein Vertrag zu gemeinsamen Beginne von Feindseligkeiten gegen Rußland abgeschlossen worden sein. Vgl. Bodenstedt, Die Völker des Kaukasus u. ihre Freiheitskämpfe gegen die Russen, Frankf. 1850, 3 Bde., 2. A. Berl. 1855; Lapinsky, Die Bergvölker des Kaukasus u. ihr Freiheitskampf gegen die Russen, Hamb. 1863, 2 Bde.
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