Schuld (Zahlungspflicht).
1. Alle Schulden muss man bezahlen. – Graf, 236, 90.
Mhd.: Alle scult mut man wol gelden. (Homeyer, Sachsenspiegel, I, 65.)
2. Allererst die Schulden, dann die Almosen. – Graf, 221, 267.
Erst wenn aus dem Nachlass des Verstorbenen die Schulden bezahlt sind, können Legate und Vermächtnisse berichtigt werden, die ebenfalls vom Erbe abgehen, ehe es angetreten oder vertheilt werden kann.
Mhd.: Allererst de schult, danne die almosen. (Hach, Lüb. Recht, 262, 31.)
3. Alte schuld ist besser, denn alte (neue) Fehde oder newer Krieg. – Henisch, 1037, 61; Petri, II, 12; Sailer, 112; Simrock, 9230; Körte, 5417; Braun, I, 3990.
Kein Streit! »Eine alte schuld ist ohne vnderscheid viel besser denn ein alter neid.«
Dän.: Gammel gield er bedre end gammel eller nye sag. (Prov. dan., 217.)
Holl.: Beter olde schult dan olde vede. (Prov. ser., 9.) – Beter oude schulden dan geen. – Beter oude schulden dan oude vijandschap. (Harrebomée, II, 263a.)
Lat.: Laudantur vetera plus debita, quam vetus ira. (Loci comm., 146; Fallersleben, 139.)
Schwed.: Bättre gammal gäld än ny saak. (Grubb, 67.)
4. Alte Schuld rostet nicht. – Heuseler, 134; Petri, II, 212; Pistor., X, 81; Körte, 5421; Körte2, 6777; Simrock, [364] 9231; Graf, 230, 74; Ramann, Unterr., V, 1; Frischbier2, 3413.
Dies Sprichwort befindet sich auf S. 6 von Luther's Ms., aber dunkel.
Mhd.: Ein alt sprichwort giht: alt schult lît und rostet niht. (Krone, 18836.) – Hector liez an im werden schên, daz schulde lît und rostet niht. (Troj. Krieg.) (Zingerle, 134.)
Böhm.: Dluh bývá, čím dále mladší. (Rybicka, 3144.)
Dän.: Gammel gjeld forrustes, om man maner ey stedse. (Prov. dan., 222.)
Isl.: Gamlar skuldir rydga ei. (Jonssyni, 117.)
5. Alte Schulden, faule Schulden.
Lat.: Vel optima nomina non appellando fiunt mala. (Columella.) (Seybold, 621.)
6. Alte Schulden zahlt man nicht, und neue lässt man alt werden.
7. An alter oder vngewisser schuld nimpt man haberstro. – Franck, I, 78b; Gruter, I, 4; Petri, II, 18.
8. An einer bösen Schuld soll man geschnitten Stroh an Bezahlung nemen. – Moscherosch, 324.
9. Bezahlte Schuld ist die beste.
Die Russen: Der schönste Augenblick einer Schuld ist der, wenn man sie bezahlt. (Cahier, 1930.)
10. De sîne Schuld betâlt, vermêrt sin Gôd. – Bueren, 174; Eichwald, 1693; Hauskalender, I; für Holstein: Schütze, IV, 77.
Der oldenburger Bauer sieht vor allen Dingen darauf, die Schulden wieder zu bezahlen, die er durch das Abfinden seiner Brüder und das »Utberaen« (Aussteuern) seiner Schwestern hat machen müssen. (Weserzeitung, 4047.)
11. Der seine Schuld bezahlt, der ringert sein Gut nicht. – Lehmann, 709, 3.
12. Die ältern Schulden verdrucken die neuern. – Graf, 281, 342.
Mhd.: Die schulde die elder syn dy vordrucken die nuwen. (Daniels, 277, 10.)
13. Die Schulden liegen und faulen nicht. – Eiselein, 556; Simrock, 9232; Graf, 230, 65; Rössler, I, II; Grimm, Rechtsalt., 612.
In Schaffhausen: De Schulde lieged und fuled nid. (Schweiz, II, 168, 36.) Lange geborgt ist nicht geschenkt. Das Sprichwort ist bereits im Mittelhochdeutschen vorhanden. Bei Gottfried von Strassburg (Tristan, 5461-5463) heisst es: De wart die wârheit wol schôn des sprichwortes, das schulde lign unde fûlen niht.
Mhd.: Die schulde magen niht rôzen, sô wir schie niht büezen. (Servatius, Haupt, 3532.) Roôzen = faulen. (Vgl. Graf, 2, 60.)
Böhm.: Dluh bývá čím dál vždy mladší. (Čelakovsky, 274.)
14. Die Schulden sind der nächste Erbe. – Eisenhart, 311; Hillebrand, 138, 197; Pistor., III, 84; Simrock, 9243; Sailer, 256; Graf, 221, 263.
Die Erben des Verstorbenen können nicht eher dessen Nachlass unter sich theilen, bis von dem hinterlassenen Vermögen die Schulden bezahlt sind. Es versteht sich auch wol von selbst, dass die Gläubiger mit ihren Forderungen vor den Erben den Vorzug haben.
15. Eine Schuld hindert die andere nicht.
Frz.: Une dette n'empêche pas l'autre. (Cahier, 512.)
16. Es bezahlt nur eine alte Schuld, der seine Aeltern pfleget mit Geduld.
Die Chinesen: Alte Schuld wird abgeführt, wo man Aeltern dankbar ehrt. (Hlawatsch, 250.)
17. Es ist nüt besser z' ha as Schulde; je weniger me ne z' frässe git, um so grösser werde si. (Solothurn.) – Schild, 68, 136; Sutermeister, 142.
18. Für alte Schuld nimm Haferstroh, sonst machst nur Advocaten froh.
»An alten Schulden sei schon froh, erhältst du etwas Haferstroh.« (Seybold, 30.)
Port.: Melhor he palha, que nada. (Bohn I, 283.)
19. Für alte (ungewisse) Schuld nimmt man auch Bohnen(Hafer-)stroh. – Eyering, I, 65; Latendorf II, 14; Pistor., X, 82; Eiselein, 556; Sailer, 273; Simrock, 9234; Körte, 5418; Gaal, 1385; Blass, 12; Braun, I, 3989; Hollenberg, II, 25; Dove, 49 u. 685.
In Schwaben: An era ung'iesa Schuld neahmt mer Haberstrouh. (Michel, 254; Nefflen, 451.) Die Neugriechen sagen: Wenn ein schlechter Schuldner dir einen Sack mit Heu bringt, so ist's Gewinn. (Sanders, 68.) Bei Tunnicius (1046): Vor olde schult nimt men wol hoi unde stro. (Stramine vel foeno solvuntur debita prisca.)
Böhm.: Od špatného dlužníka i plevy beř. (Rybicka, 3123.) – Ze zlého dluhu dobra i sláma vzieti. (Čelakovsky, 275; Rybicka, 3124.)
[365] Dän.: Tag swort salt af oudhe geldere. (Prov. dan., 487.)
Engl.: Of an ill paymaster get, what you can, though it be but a straw. (Marin, 4.)
Frz.: De mauvaise paie on tire ce qu'on peut. (Lendroy, 1174; Gaal, 1385.) – D'un mauvais détteur et paĭeur, prends paille et foin pour ton labeur. (Masson, 307; Kritzinger, 229b.) – Payer en chats et en rats. (Lendroy, 331.)
Holl.: Voor olde schult neemt men haver. (Tunn., 25, 13.) – Voor oude en onwisse schulden neemt men hooi en haverstroo. (Harrebomée, II, 264a.)
It.: Ciò che si riceve da mali pagatori è tutto guadagno. (Pazzaglia, 161, 11.) – Da cattivo debitor togli paglia in luogo d'or. (Gaal, 1385.) – Da mal pagatore o aceto, o cercone. (Gaal, 1385; Marin, 4.)
Lat.: Accipias paleam, si non vult solvere nequam. (Seybold, 30; Buchler, 82; Binder I, 8; II, 42.) – Antiqua debita pensat saepe numero stramen. (Philippi, I, 35.) – Debita si vetera hinc capiatur avena. (Fallersleben, 770.) – Pro veteri debito accipimus stramen avenae. (Eiselein, 556.)
Poln.: Od złego dłużnika dobre i plewy. (Masson, 307.)
Schwed.: Af dålig gäldenär tar man hwad man kan få. (Marin, 4.)
20. Für alte Schuld soll man Habern nehmen. – Lehmann, II, 174, 50; Petri, II, 320.
21. Gross schuld macht manchen frommen man liegen. – Wachter, A, vi; Petri, II, 361.
22. Gute Schuld kann bald böss werden. – Lehmann, 709, 4.
Dän.: Ingen gjeld er saa ond, som den man holder at for god. (Prov. dan., 222.)
23. Gute Schuld verdirbt, wer's nicht bald erwirbt.
Dän.: God gjeld kan snart bliv ond. (Prov. dan., 222.)
Lat.: Bona nomina fiunt mala si nunquam interpelles. (Philippi, I, 61.)
24. Für verlorne Scholl nimmt me' Hôberschproe'. (Henneberg.) – Frommann, II, 411, 116.
25. Ich will meine Schuld bei dir (in deiner Familie) abarbeiten, sagte der Scharfrichter zum Juden.
26. Keine Schuld hält die andere auf. – Eisenhart, 435; Graf, 237, 108.
Vertritt die Rechtsansicht, dass man eine Forderung durch Gegenforderung nicht ohne weiteres decken könne. (S. ⇒ Geld 461.)
27. Keine Schuld hemmt die andere. – Eisenhart, 435; Pistor., VII, 65; Graf, 237, 109.
28. Lass deine Schulden nicht veralten. – Lehmann, II, 372, 40.
29. Man darf eine Schuld nicht mehr als einmal bezahlen.
Vorsichtshalber thut man aber gut, sich die Bezahlung bescheinigen zu lassen, sonst kann man sehr leicht in die Lage kommen, sie noch einmal zu bezahlen.
Frz.: C'est assez de payer une fois ses dettes. (Cahier, 1303.)
30. Mit Schulden auf dem Rücken ist nicht gut vorwärts rücken.
Lat.: Profectum faciunt rarum, quos debita stringunt. (Seybold, 459.)
31. Mit Schulden bezahlen und Trinkgeld geben verläppert man viel Geld.
32. Neue Schulden hängt man an die Wand, alte wirft man unter die Bank.
Lat.: Quod bene fit puero, perit, etsi permanet ille; decrepito quod fit, non perit, ipse perit. (Chaos, 862.)
33. Niemand zahlt Schulden nach seinem Tode weiter als sein Gut reicht. – Graf, 222, 271.
Nur so weit der Nachlass reicht, können die Forderungen an den Erblasser befriedigt werden. Die Erben sind nicht verpflichtet weiter zu bezahlen als der Nachlass reicht. (S. ⇒ Gut 190 und ⇒ Nichts 85 fg.) Im Altgothischen: Engia gieldi gield geter han dauthan, frai mer en haus kustr vindrat. (Schildener, Gutalaph, 39, 2.)
34. 'S werdet olle Schulde zahlt, no d' Geldschulde net. (Schwaben.)
35. Schollden mâchen Ongedolden. (Trier.) – Laven, 191, 102.
36. Schuld und Zank macht Müh und Stank.
Schwed.: Träta och skull, kastar mången omkull. (Grubb, 822.)
37. Schuld zahlen macht Hauptgeld, – Eiselein, 556; Eisenhart, 425; Hassl., 28; Hertius, I, 47; Hillebrand, 112, 151; Estor, II, 351; Pistor., X, 83; Sailer, 257; Simrock, 9237; Graf, 269, 273; Savigny, Zeitschrift, II, 51.
Unsere Vorfahren hatten das gute Wort »Hauptgeld« für das fremde Kapital. Das Sprichwort kann auf eine doppelte Weise verstanden werden. Entweder will es sagen, dass der, welcher eine Schuld abträgt, gleichsam [366] ein Kapital gewinnt, oder sie zu einem Hauptgelde (Kapital) machen kann, oder, wie Hertius meint, dass der, welcher für einen andern die Zinsen entrichtet, wie dies z.B. bei einem Verwalter fremder Geschäfte eintreffen kann, von den angelegten Zinsen, die für ihn zu angelegtem Hauptgeld oder Kapital geworden sind, wieder Zinsen zu fordern habe.
Engl.: He who pays his debts, begins to make a stock.
38. Schulden, Alter und Tod kommen unangemeldet (schleichen unversehens) ins Haus. – Sailer, 79; Simrock, 9238; Körte, 5422; Braun, I, 3988.
39. Schulden bleiben Schulden. – Graf, 230, 61; Blumer, III, 110.
Kein Schuldverhältniss hört von selbst auf. (S. ⇒ Salz 8 und ⇒ Schuld 13.)
40. Schulden essen mit uns aus der Schüssel. – Lohrengel, I, 596.
Holl.: Wacht je voor schuld, schuld wacht niet. (Harrebomée, II, 264a.)
41. Schulden fressen alle Tage mit aus der Schüssel. – Birlinger, 460.
Böhm.: Dluh z mísy jídá. (Čelakovsky, 274.)
Wend.: Nepůjde ti k duhu, dáš-li jisti s sebou dluhu. (Čelakovsky, 274.)
42. Schulden fressen am (verkürzen das) Leben.
Böhm.: Kdo se nedluží, život prodlouží. (Čelakovsky, 274.)
Poln.: Kto się niedłuży, ywot żswój przedłuży. (Čelakovsky, 274.)
43. Schulden gehen mit schlafen und stehen mit auf.
Böhm.: Dluh má nohy. (Čelakovsky, 249.)
44. Schulden haben Blei an den Füssen, wenn sie heim gehen sollen.
Böhm.: Půjčka jde vždycky s pláčem domů (Čelakovsky, 275.)
45. Schulden haben die Lüge hinten aufsitzen, und die Lüge führt ins Verderben. – Wunderlich, 12.
46. Schulden halber wird niemand gehängt.
Holl.: Men hangt niemand om schuld. (Harrebomée, II, 263b.)
47. Schulden lassen die Lügen hinter sich aufsetzen. – Simrock, 9245.
Böhm.: Dluh nosí lež na zádech. (Čelakovsky, 274.)
Poln.: Kto się rad dłuży, nierad złowa trzyma. (Čelakovsky, 274.)
48. Schulden lassen nicht schlafen.
Böhm.: Dluhy sen zapuzují, a i pány burcují. – Sladce spí, kdo bez dluhův. (Čelakovsky, 274.)
It.: Dorme chi ha dolore, non dorme chi è debitore.
Kroat.: Mirno počiva, koi dùga nima. (Čelakovsky, 274.)
Span.: Duerme á quien duele, y no duerme quien algo deve. (Bohn I, 215.)
49. Schulden machen beide Wangen schwarz. – Burckhardt, 127.
Schulden sind dauernde Schmach. Mache mein Gesicht nicht schwarz, sagt der Vater zu seinem Sohne, d.h. mache mir durch deine Aufführung keine Schande.
50. Schulden machen in Glimpf und nicht zahlen können, macht Schimpf.
51. Schulden machen ist keine Schande, aber Schulden bezahlen ist Ehrensache. – Grossmann, Aufgaben zu Aufsätzen.
52. Schulden machen ist keine Schande, es thun's die feinsten Leute im Lande.
53. Schulden machen jährlich Aderlass, endlich wird der Bauer vor Wassersucht blass. – Wunderlich, 12.
54. Schulden machen sich bequem, aber das Bezahlen ist unangenehm.
55. Schulden machen und nicht bezahlen, ist adelich.
Holl.: Het is adelijk (hoffelijk) veél schulden te hebben, en niet te betalen (of: gemaand te worden.) (Harrebomée, II, 263b.)
56. Schulden sind des Elends Nachbar.
Frz.: Dette et misère sont voisines. (Masson, 308.)
57. Schulden sind die wahren Erben. – Hillebrand, 137; Graf, 221, 264.
Weil sie vor der Erbtheilung zum Abzug kommen.
Frz.: Le créancier hérite le premier. (Masson, 307.)
58. Schulden sind ein Klotz am Bein.
59. Schulden sind keine Frösche, sie hüpfen nicht fort. (Schles.)
Sagen die, welche sich Zeit nehmen, sie zu bezahlen.
60. Schulden sind keine Hasen. – Körte, 5424; Simrock, 9233; Graf, 230, 63.
Sagt, wer schlecht bezahlt wird.
[367] 61. Schulden sind Wohlthaten (?). – Blass, 7.
62. Schûlden um Nüejôr, Schûlden äm gânze Jôr. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 488.
63. Schulden und der Krebs sind unheilbare Uebel. – Simrock, 9240; Gaal, 1387.
Böhm.: Dluh není bratr. (Čelakovsky, 274.)
Lat.: Debens debebis nec reddere cuncta valebis. (Gaal, 1387.)
64. Schulden und der Tod schleichen daher, wenn man's am wenigsten vermeint. – Sutor, 32.
65. Schulden und Gottes Wort sind ewig. (Würzburg.) – Sartorius, 162.
Ansicht derer, die nicht gern Schulden bezahlen.
66. Schulden untergraben das Haus.
Böhm.: Půjčka domů klecá. (Čelakovsky, 275.)
Wend.: Pożčawki rady klacawki domoj khodźa. (Čelakovsky, 275.)
67. Schulden und Sünden sind allweg grösser als sie angegeben werden.
It.: I peccati, et i debiti sono sempre più di quello, che si dice. (Pazzaglia, 78, 2.)
68. Schulden vndt der todt schleichen vnversehens ins hauss. – Eyering, III, 295; Petri, II, 533.
69. Schulden wachen auf. – Grimm, Rechtsalt., 612; Graf, 230, 62.
70. Schulden werden leicht gemacht und schwer bezahlt.
Die spätern kommen unter bestimmten Umständen erst zur Bezahlung, wenn die ältern bezahlt sind.
It.: I debiti sono come li fanciulli, che si concepiscono con gioia, e si partoriscono con dolore. (Pazzaglia, 83, 4.)
71. Unbezahlte Schulden sind unverziehene Sünden.
Böhm.: Dluh neplacen, hřích neodpuštĕn. (Čelakovsky, 274.)
72. Um Schuld und Erbe kann niemand zeugen, er habe denn Erbe. – Graf, 456, 503.
Zur Uebertragung eines Zeugnisses wurde in gewissen Fällen nur der zugelassen, der ein gewisses Vermögen besass. (S. ⇒ Leute 233.) In Hamburg: Vmme schult vnde vp erue ne mach nen men tugen he ne hebbe erue. (Lappenberg, 10, 16.)
73. Unter allen Schulden ist Verachtung am leichtesten zu zahlen. – Chaos, 747.
74. Vil Schûlden, vil dûlden. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 489.
75. Vor alte Schuld soll man Stroh nemen. – Lehmann, 709, 1.
Schwed.: Af ond gäldenär tager man swart salt. (Grubb, 8.)
76. Vör en ungewisse Schuld mutt man Haverkaff annehm'n. – Eichwald, 1692.
77. Vor verlôrene Schuld maut men Hawerkawe1 nömen. – Schambach, II, 401.
1) Haferspreu. (S. ⇒ Kaff.) – Für eine alte und unsichere (faule) Schuld muss man von dem Schuldner das Geringste an Zahlungsstatt nehmen.
78. Wei sîne Schulden betâhlt, verbettert sîn Gutt (Vermögen). (Waldeck.) – Curtze, 339, 322; für Hannover: Schambach, II, 318; hochdeutsch bei Körte, 5423; Frischbier2, 3418.
Böhm.: Dluh odbytý, hlava zmyta. – Kdo dluhy splácí, tomu statek roste. – Nepláce statku oplače. (Čelakovsky, 275.)
Engl.: He that gets out of debt, grows rich.
Frz.: Qui paye ses dettes, s'enrichit. – Qui s'acquitte, s'enrichit. (Cahier, 36.)
It.: Chi paga debito, fa capitale. (Cahier, 2880.)
Kroat.: Koi duge splaća, pobolšava svoj imetek. (Čelakovsky, 275.)
Schwed.: Den som betalar sin skuld, förbättrar sitt gods. (Marin, 8.)
79. Wenn Schulden, Frauen und Kinder versterben, fällt das Gut wieder zu Hofe. – Graf, 185, 97.
Vom Heimfallsrecht hofhöriger Güter und zwar der Beschränkung desselben. Ein solches Gut fiel nur dann an den Hof zurück, wenn keine Gläubiger des Dienstmannes vorhanden und dessen Frau und Kinder gestorben waren.
Mhd.: Wan die schulte, di frouwe, di kinter verstorven binnen, so kumpt dat godt tho houe. (Grimm, Weisth., III, 149.)
80. Wenn Schulden sitzen mit zu Tisch, ist giftig der Braten und mucksig der Fisch. (Rheinhessen.)
81. Wer anderer Schulden bezahlt, sucht sein eigenes Unglück.
[368] 82. Wer auf Schulden liegt, hat ein hartes Lager.
83. Wer d' Schulde zahlt, verbessert si Kapital. (Schaffhausen.) – Schweiz, II, 168, 34.
84. Wer in Schulden steckt, der bleibt nicht ohne Gäste.
Die freilich nicht sehr willkommen sind: Mahner, Gerichtsdiener.
Böhm.: Kdo v dluhy zabředl, nebývá bez hostí. (Čelakovsky, 274.)
85. Wer keine Schulden hat, darf nur Bürge werden.
Aehnlich die Türken Cahier, 2635.
86. Wer keine Schulden hat, der ist reich. – Hollenberg, I, 97.
Engl.: Out of debt, out of danger. (Bohn II, 85.)
Frz.: Est assez riche qui ne doit rien. (Bohn I, 17.)
Holl.: Hij is rijk, die aan niemand iets schuldig is. (Harrebomée, II, 21b.)
It.: E ricco chi non ha debiti.
87. Wer mit Schulden anfängt, hat in des Teufels Lotterie gesetzt, wo jeder Gewinn ein Verlust ist.
88. Wer ohne Schulden schlafen geht, steht morgens reich auf.
Holl.: Des avonds zonder schulden, des morgens rijk. (Harrebomée, II, 263a.)
89. Wer ohne Schulden zu Bett mag gahn, der ist gewiss ein reicher Mann.
Holl.: Hij is gewis in goeden staat, die zonder schuld te bedde gaat. (Harrebomée, II, 263b.)
90. Wer Schulden bezahlt, bessert (steigert) seinen Credit.
Engl.: He getteth a great deal of credit, who payeth but a small debt. (Bohn I, 5.)
91. Wer Schulden hat, der hat auch Credit.
It.: Chi non hà debiti, non hà credito. (Pazzaglia, 83, 1.)
92. Wer Schulden hat, hält leicht ein Papier für einen Zahl(Mahn-)brief.
93. Wer Schulden hat, hat Sorge.
»Welche stecken in schulden gross, die haben wenig hinderniss.«
Dän.: Geldbunden mand, sorgbunden mand. – Hvo som har megen gjeld, har liden glæde. (Prov. dan., 222.)
It.: Senza debiti senza pensieri. (Bohn I, 126.)
Lat.: Huomo indebitato non può vivere.
94. Wer Schulden hat, ist unter der Bank geboren. (Saalberg im Kreise Hirschberg.)
95. Wer Schulden hinterlässt, lebt nach dem Tode fort.
»Einer wurde gefragt, wie er nach seinem Tode einen unsterblichen Namen erlangen möge, der antwortet, wenn er viel Schulden hinter sich liesse.« (Wirth, I, 372.)
96. Wer Schulden macht, hat er nicht betrogen, so will er betrügen.
97. Wer Schulden macht, hat immer eine Lüge zur Hand.
Frz.: Le faiseur de dettes a toujours le mensonge en croupe. (Cahier, 511.)
Span.: Deudas tienes, y haces mas; si no mentiste, mentirás. (Bohn I, 213.)
98. Wer Schulden macht mit Lust, soll (wird) mit Unlust sie bezahlen.
»Wer mit Wollust Schulden macht, sol billig mit dem Leib bezahlen.« (Wirth, I, 486.)
99. Wer Schulden macht, soll sie bezahlen.
Dän.: Gjeld skal betalles af fælles boe. (Prov. dan., 68.)
100. Wer Schulden macht um Genuss, der kauft sich nur Verdruss.
Böhm.: Nedluž se u Zakusila, oplatíš zase u Musila. (Čelakovsky, 274.)
101. Wer Schulden mit Schulden bezahlt, macht ein Loch auf und das andere zu.
Böhm.: Kdo dluh dluhem platí, ten klín klínen vyráži. (Čelakovsky, 274; Rybicka, 3147.)
102. Wer Schulden zahlt, der fordre Schein, sonst könnt' das Geld verloren sein.
Böhm.: Dluhy co nejdříve splat' a kvitanci ujíšt'ující, že se dluh od tebe přijal, míti chtĕj. (Rybicka, 3127.)
103. Wer seine schuld bezahlt, der macht sein gut nicht geringer, sondern bessert sein nahrung. – Henisch, 364, 39; Dove, 295.
104. Wer seine Schuld bezahlt, der schmelert (verringert) sein Gut nicht. – Lehmann, 914, 2; Petri, II, 754; Körte, 5423.
Man hat es von Seume sehr sonderbar gefunden, dass er, bevor er in die weite Welt ging, zuvor seine Schulden [369] bezahlte. Die Russen: Wer seine Schulden häuft, verdünnt sein Erbe. (Altmann VI, 483.)
Engl.: He that gets out of debt, grows rich. (Bohn II, 5.) – He who pays his debts, begins to make a stock. (Gaal, 1386.)
Frz.: Qui s'acquitte, s'enrichit. (Gaal, 1386; Kritzinger, 274b; Lendroy, 13; Bohn II, 52.)
Holl.: Die betaalt, maakt zich rijke. (Harrebomée, II, 221b.)
It.: Chi paga debito acquista credito. (Pazzaglia, 83, 3 u. 260, 5.) – Chi paga debito, fa capitale. (Bohn I, 85; Gaal, 1386.)
Schwed.: Den som betalar sin skuld, han bättrar sitt godz. (Grubb, 124 u. 812.)
105. Wer seine Schulden bezahlt, bessert sein Kapital (seine Nahrung). – Petri, II, 754; Eiselein, 556; Lohrengel, I, 837.
106. Wer seine Schulden bezahlt, legt ein Kapital an (oder: gewinnt Zinsen, verbessert seine Güter). – Hollenberg, I, 54; Blum, 329; Sailer, 266; Gaal, 1368; Körte2, 6779; Braun, I, 2983.
Frz.: Couche-toi plutôt sans souper, que te de lever avec des dettes. – Mieux vaut payer ses dettes que d'en contracter de nouvelles. (Masson, 308.)
Holl.: Die zijne schuld betaalt verarmt niet. – Die zijne schuld betaalt, vermindert zijn goed niet, maar hij raakt zijn geld toch kwijt. (Harrebomée, II, 263b.)
Span.: Quien paga deudas hace caudas. (Masson, 308.)
107. Wer seine Schulden nicht bezahlt, ist (lebt) so gut, als wenn er keine hat. – Frischbier2, 3419.
108. Wer so viel Schulden hat als Haare auf dem Kopfe, der mag sich hinter den Ohren krauen.
Böhm.: Maje než dlužen málo víc, pojedeš do Drbalovic. (Čelakovsky, 274.)
109. Wer steckt in Schulden, muss täglich viel Ungemach dulden. – Sutor, 657.
110. Wie die Schuld, so die Bezahlung. – Winckler, XX, 82.
111. Wo Schulden sind und Streit, ist das Elend auch nicht weit.
Lat.: Aeris alieni atque litis comes miseria est. (Seybold, 13.)
112. Zu allen Schulden gehört nicht einerlei Widerrede. – Graf, 441, 336; Klingen, 46a, 2.
Jede Rechtssache erfordert ihre eigene, ihrem Wesen entsprechende Vertheidigungsweise.
*113. Dear macht Schulde(n) im Tagelohn. (Ulm.)
*114. Der denkt auch, mit Schulden zahlen wird das meiste Geld verläppert.
*115. Die Schuld der Natur bezahlen.
Frz.: Païer le tribut inevitable à la nature. (Kritzinger, 693a.)
*116. Die Schuld ist so sicher wie Eis zu Pfingsten.
Dän.: Den gjeld er saa vis, som trane-æg om juulen. (Prov. dan., 222.)
*117. Die Schulden mag man in den ⇒ Schornstein (s.d.) schreiben.
Der Chinese sagt dafür: Schulden mit blauer Farbe an den Himmel malen.
*118. Die Schulden haben (plagen) ihn wie den Hund die Flöhe. – Braun, I, 3993; Eiselein, 556.
*119. Eine Schuld in den Schornstein schreiben. – Eiselein, 566.
Sie verloren geben.
*120. Er hat mehr Schulden als Bissen im Kropf. – Parömiakon, 1296.
*121. Er hat mehr Schulden als Erbsen im Topf. – Parömiakon, 1297.
*122. Er hat mehr Schulden als Ziegel auf dem Dache.
Lat.: Capillos liberos non habet. (Binder II, 431; Petronius, 38, 126.)
*123. Er hät Schulde wie roth Hünd. – Sutermeister, 97.
*124. Er hat Schulden, dass die Säue dran zu ficken haben. (Nürtingen.)
*125. Er hat Schulden, dass es dem Teufel dran grauset. (Nürtingen.)
*126. Er hat Schulden, dass es eine Art hat. (Nürtingen.)
*127. Er hat Schulden, er sieht nimmer drüber hinaus. (Rottenburg.)
*128. Er hat Schulden wie d' Misthaufen. (Rottenburg.)
*129. Er hat Schulden wie ein Major. (Rottenburg.)
*130. Er hat Schulden wie ein Sautreiber. (Ulm.)
*131. Er hat Schulden wie ein Stabsoffizier. (Stockerau.)
[370] *132. Er hat so viel (oder: mehr) Schulden als Haare auf dem Kopfe. – Braun, I, 3992; Parömiakon, 1295; Frischbier2, 3416.
Lat.: Animam debet. (Terenz.) (Seybold, 27.)
Poln.: Ma długów jak włosów na głowie. (Lompa, 20.)
*133. Er het Schulde, dass sich a Sau dran reibe(n) möcht. (Ulm.)
*134. Er ist voll Schulde wie en Hund voll Flöhe. – Sutermeister, 97.
Um zu sagen, dass jemand arm oder verschuldet ist, finden sich a.a.O. noch folgende Redensarten: Ich und du händ viel Gäld. Er ist mer in der Tinte. Er ist alle Hunde schuldig. Er muess iez dänn en Hund zuethun as er em d' Schulde frisst. Er het en Hund nöthig wie de Bättler e Goldwag. Er is verschagget wie en arms Hündli.
*135. Er steckt in Schulden bis an die Zähne.
Holl.: Hij steekt tot de tanden in de schold. (Harrebomée, II, 263b.)
*136. Er steckt in Schulden bis über die Ohren. – Wurzbach II, 264.
Frz.: Être endetté jusqu'aux oreilles. (Kritzinger, 270a.) – Être noyé de dètes. (Kritzinger, 229b.)
Holl.: Hij zit tot over de ooren in de schulden. (Harrebomée, II, 263b.)
*137. Grosse Schulden machen, um kleine zu bezahlen.
Holl.: Groote schulden maken, om kleine te voldoen. (Harrebomée, II, 263b.)
*138. In Schulden baden bis über die Ohren. – Pauli, Postilla, III, 54b.
*139. Mit Schuld un Ungeduld. (Holst.) – Schütze, IV, 87.
Z.B. ein Gut übernehmen, mit allem, was darauf haftet.
*140. 'N Schold mit d'r grûssa Glocke b'zoala. – Peter, 448.
Wenn man gestorben ist.
*141. Neue Schulden machen, um die alten zu bezahlen.
*142. Schulde wie e Offizier (auch: Major) und Trakement wie e Gemêner. – Frischbier2, 3417.
*143. Schulden mit Schulden bezahlen.
Sich aus einem Ungemach herausreissen und dadurch in ein weit grösseres verwickelt werden.
Lat.: Versuram facere. (Sutor, 372.)
144. Alte Schulden sind besser als ein alter Process.
145. Schulden und Kinder sind bald da, aber sie wachsen heran und fressen einen auf.
146. Wer keine Schulden hat, hat auch keinen Credit, und wer keinen Credit hat, ist ein Lump.
So sagen die, welche lieber aus fremder als aus eigener Tasche leben.
147. Wer seine Schulden nicht bereinigt, wird jedes Jahr aufs neu' gesteinigt.
It.: Uomo indebitato, ogni anno lapidato. (Giani, 837.)
*148. Er hat Schulden wie ein Landschreiber in der Kurpfalz. – Horn, Gesammelte Erzählungen, X, 261.
Adelung-1793: Schuld, die · Receß-Schuld, die · Allodial-Schuld, die
Brockhaus-1911: Unfundierte Schuld · Schwebende Schuld · Schuld
Herder-1854: Schuld · Flottirende Schuld
Kirchner-Michaelis-1907: Schuld
Meyers-1905: Schwebende Schuld · Schuld
Pierer-1857: Schwebende Schuld · Unfundirte Schuld · Schuld · Flottirende Schuld · Fundirte Schuld
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