[542] Buchhandel, die gewerbsmäßige Herstellung und Verbreitung von literarischen Erzeugnissen als Handelsobjekt. Der B. zerfällt in 1) Verlagsbuchhandel (Herstellung der Bücher behufs Verkaufs); 2) Sortimentsbuchhandel (Vertrieb der Verlagsartikel der Verleger durch Ladengeschäft und Ansichtsversendung); hierzu gehören auch Kolportagebuchhandel (Reise- und Hausierbetrieb) und Antiquariatsbuchhandel (Handel mit älterer Literatur und mit Büchern aus zweiter Hand); 3) Kommissionsbuchhandel (Vermittelung des geschäftlichen Verkehrs zwischen den Buchhändlern). Ähnlich gegliedert sind Kunst-, Landkarten- und Musikalienhandel, je nach ihren Handelsobjekten. (S. auch die Sonderartikel: »Antiquariatsbuchhandel«, »Kunsthandel« etc.)
Hat sich der Verleger für ein Verlagsunternehmen entschieden, so pflegt er mit dem Autor ein Übereinkommen (Verlagsvertrag) schriftlich abzuschließen, worin über Honorar, Zahlungstermine, Größe der Auflage (s.d.), Zeit des Erscheinens und meist auch über etwaige künftige Auflagen des Buches das Nötige festgesetzt ist. Läßt der Schriftsteller sein Werk auf eigne Kosten drucken, so gibt er es entweder dem Buchhändler gegen eine verhältnismäßige Provision zum Vertrieb in Kommission (Kommissionsverlag), oder er nimmt es in Selbstverlag und Selbstvertrieb, was aber höchstens etwa bei Schriften, die nur für einen kleinern (örtlich begrenzten) Leserkreis bestimmt sind, zweckmäßig sein kann. Nach Vollendung des Werkes erfolgt gewöhnlich der Versand als Novität (Neuigkeit) an die Sortimentsbuchhändler. Nachbestellungen wie andre Bestellungen macht der Sortimentsbuchhändler meist durch offene »Verlangzettel«, die den Weg über Leipzig und durch die dortigen Kommissionäre zum Verleger nehmen. Diese Verlangzettel wie auch Prospekte, Rechnungspapiere etc. werden beim Eintreffen in Leipzig auf die »Bestellanstalt für buchhändlerische Geschäftspapiere« eingeliefert, die sie sortiert und den betreffenden Kommissionären der Adressaten zustellt. Diese 1842 vom Verein der Buchhändler zu Leipzig begründete Bestellanstalt darf als eine der festesten Säulen der Organisation des ganzen deutschen Buchhandels betrachtet werden. Den Erfolg des Unternehmens lernt der Verleger im allgemeinen oft erst nach Jahren kennen; denn fast immer wird zu der nächsten Buchhändlermesse in Leipzig (Ostermesse jedes Jahres) und zu andern Zeiten ein mehr oder minder großer Teil der versandten Exemplare als unverkauft wieder zurückkommen (»Krebse«) oder als Disponenden (unverkaufte und nicht zahlbare Ware) in den Magazinen der Sortimentsbuchhandlungen zum Verkauf zurückbleiben, und erst nachdem er letztere überall eingerufen und von allerwärts zurückempfangen hat, ist der Verleger imstande, ein festes Geschäftsresultat zu ermitteln. Die meisten Verlagsbuchhandlungen geben Verzeichnisse ihrer Verlagsartikel (Verlagskataloge) aus, die sie von Zeit zu Zeit erneuern.
Den ersten dürftigen Bericht über Kauf von Büchern finden wir bei den alten Ägyptern, den Erfindern der Papyrusrolle, der ältesten Buchform (vgl. Buch und Papyrusrollen). Einen eigentlichen B. hat es aber nachweisbar erst im alten Griechenland, später in Rom gegeben. Aus vielen beiläufigen Notizen und Beziehungen verschiedener klassischer Schriftsteller läßt sich ein ziemlich sicheres Bild davon konstruieren. Wahrscheinlich schon vor dem 5. Jahrh. v. Chr. blühte der B., selbst als Ausfuhrhandel, vornehmlich in Athen. Neben der wissenschaftlichen und poetischen Literatur gab es auch Volksschriften verschiedenen Inhalts, die durch fliegende Buchhändler oder Ausrufer unter das Volk gebracht wurden. Die seßhaften Buchhändler, wohl meist zugleich Abschreiber, pflegten in ihren Läden ihre Bücher vorzulesen, um dadurch Käufer heranzuziehen. In Rom entwickelte sich der B. eigentlich erst durch den Einfluß der griechischen Kultur und Einwanderung (Ende des 3. Jahrh. v. Chr.). Von den letzten Zeiten der Republik an, als auch die römische Literatur einen höhern Aufschwung nahm, entfaltete sich eine ungemein große Tätigkeit auf dem Felde des Buchhandels. Die Zahl der bibliopolae war nicht unbeträchtlich. Die Namen mehrerer derselben, z. B. des Pomponius Atticus (dem Cicero seine Schriften in Verlag gab, um 60 v. Chr.), der Gebrüder Sosius, des Tryphon, des Atrectus, sind auf uns gekommen. Die Herstellung der Bücher erfolgte durch Schreiber (librarii, welche Benennung später auch auf die Buchhändler selbst übertragen wurde) so, daß eine größere Anzahl, um einen Vorleser versammelt, dessen Diktat nachschrieb. Die so hergestellten Exemplare erhielten dann durch den Buchbinder (glutinator, »Zusammenleimer« der einzelnen Blätter) ihre letzte Gestalt. Da dies alles die Arbeit von Sklaven war, so lag, abgesehen von etwaiger kostbarer äußerer Ausschmückung, der bedeutendste Kostenpunkt in dem verwendeten Material,[542] dem Papyrus, auf dem ein nicht unbedeutender Eingangszoll lastete. Daher waren die Bücherpreise überraschend niedrig. Honorare und der Begriff geistigen Eigentums lassen sich nicht nachweisen. Verschiedene Ausgaben, der Ausstattung und dem Preise nach, gab es auch damals schon. Preßpolizei war unbekannt, wenn es auch vorkam, daß (schon aus Griechenland ist ein Fall überliefert) mißliebige Schriften, besonders in der römischen Kaiserzeit, konfisziert und verbrannt wurden. Für die Bekanntmachung sorgten Ankündigungen, die an den Ladentüren der Buchhändler angebracht wurden, wohl auch Ausrufer; Neuigkeiten wurden vorgelesen, denn die Buchläden (tabernae bibliopolarum, t. librariae oder bloß librariae) waren Sammelplätze der Vornehmen. Nach den Provinzen mögen die Bücher durch die zahlreichen Briefboten der vornehmen Staatsbeamten und Militärbefehlshaber, durch Kaufleute etc. befördert worden sein. Für Verbreitung der bedeutenden Erscheinungen der Literatur sorgten außerdem die Provinzialbuchhandlungen, deren besonders in Alexandria, Lugdunum (Lyon), dann in Karthago, Antiochia, Smyrna, Massilia (Marseille), Athen, Mailand, Brundusium etc. bedeutende existierten. Dies alles berechtigt zu dem Schluß, daß damals eine sehr große Anzahl von Büchern existiert haben muß. Die Bibliothek zu Alexandria allein besaß deren 700,000. Viele gingen natürlich durch den Gebrauch zu Grunde, die meisten aber in den politischen Stürmen, die den Sturz der römischen Weltherrschaft herbeiführten.
Während der ersten Jahrhunderte des Mittelalters gab es, außer im römischen Reiche (Byzanz, Alexandria) und später in den Ländern des Islam (Bagdad, Kairo, Cordoba), keinen literarischen Verkehr. In Klöstern und geistlichen Stiftern wie an einzelnen Fürstenhöfen wurden zwar Abschriften angefertigt, aber nur zum eignen Gebrauch, höchstens zu gelegentlichem Austausch. Den sehr seltenen Verkauf von Handschriften kann man kaum B. nennen. Die Kunst des Schreibens war nur wenigen Personen, meist bloß den Geistlichen (Mönchen), eigen, und ihre Produkte standen daher hoch im Preis; auch die Kostbarkeit des zur Anfertigung von Handschriften verwendeten Pergaments (s.d. und Buch, S. 521) verhinderte eine größere Verbreitung der Literatur. Erst mit Entstehung der Universitäten im 12. Jahrh. stellte sich ein größerer Bedarf an literarischen Hilfsmitteln, an Leitfäden und Lehrbüchern für die Studenten heraus, und durch diesen bildete sich der mittelalterliche B. (Handschriftenhandel), eigentlich erst ermöglicht durch die Erfindung des Leinenpapiers, das billigere Herstellung der Handschriften gestattete (vgl. Handschrift).
Die ersten Spuren eines geordneten und regelmäßigen Verkehrs mit Handschriften finden sich in Italien im 13. Jahrh. Zuerst erschienen die Handschriftenverleiher, von ihren Geschäftslokalen (stationes) Stationarii genannt. Sie verliehen die in ihrem Besitz befindlichen, durch Schreiber (Librarii, Scriptores, Amanuenses etc.) oder von ihnen selbst hergestellten Handschriften behufs Abschrift an die Studenten. Die Zahl der vorrätig zu haltenden Werke war, wie der Mietpreis der Handschriften, durch die Universitätsbehörden festgestellt; die Stationarii selbst waren Universitätsverwandte. Der Verkauf von Handschriften war den Handschriftenverleihern untersagt; höchstens durften sie einen solchen kommissionsweise gegen Provision besorgen. Eigentlichen B. betrieben erst die später auftretenden Handschriftenhändler (Venditores librorum, Librarii, Libraji oder auch, da sie sich zum Teil aus Papierhändlern rekrutierten, Cartolaji). Sie waren nicht, wie die Stationarii, der strengen Aussicht der Universität unterworfen, sondern betrieben ihr Gewerbe frei. Ost waren sie zugleich Abschreiber, und als solche stellten sie sich ihre Handelsobjekte (bisweilen geradezu fabrikmäßig) selbst her. Einen bedeutenden Aufschwung nahm der Handschriftenhandel, als zahlreiche Handschriften vor den hereinbrechenden Türken aus Griechenland nach Italien gerettet wurden. Hauptorte des unbeschränkten Handschriftenhandels wurden die bedeutenden Städte Norditaliens: Venedig, Florenz, dann Mailand etc. Venezianische Kaufleute bezogen im 15. Jahrh. Handschriften in großer Anzahl aus Griechenland, ja eigne Reisende suchten Handschriften in Griechenland auf. Die bedeutendsten italienischen Handschriftenhändler waren Joannes Aurispa in Venedig (13691459) und Vespasiano Philippi (sc. filius) in Florenz (Mitte des 15. Jahrh.). Ungefähr zu derselben Zeit wie in Italien erscheinen auch in Frankreich Handschriftenverleiher und -Händler. Sie waren ähnlichen Beschränkungen unterworfen wie in Italien und standen unter Jurisdiktion und Aussicht der Universitäten. In Paris bildeten die Stationarii und Librarii zusammen mit den Schreibern, Rubrikatoren, Pergamentmachern und Papierhändlern die Gilde der Libraires, die, wie Albr. Kirchhoff ausführt, 1292 außer 8 Handschriftenhändlern noch enthielt: 25 Escrivains (Schreiber), 13 Enlumineurs (Rubrikatoren, unter Umständen Verfertiger der Miniaturen), 17 Lieurs (Buchbinder) und 16 Parcheminiers (Pergamentmacher und-Händler). Außer in Paris finden sich Handschriftenhändler in Frankreich nur in den Universitätsstädten. Der bekannteste derselben war der Alchimist Nicolas Flamel (Anfang des 15. Jahrh.). Auch in Deutschland findet sich ein geschäftlicher Verkehr mit Handschriften seit Gründung der ersten Universitäten, Mitte des 14. Jahrh. Stationarii kommen weniger vor, das Verleihen behufs Abschrift wurde meist ersetzt durch die Pronunziationen, d. h. das Diktieren der Hefte durch die Universitätsdozenten. Der Handel mit Handschriften war am bedeutendsten in Prag, Wien, Heidelberg, Erfurt, Köln, dann in Niederdeutschland: Gent, Brügge. Er lag vielfach in den Händen der Schullehrer, aber auch Papier- und Pergamentmacher, Briefmaler etc. waren daran beteiligt. Schreiberschulen und Handschriftenfabriken bildeten sich auch hier. In Niederdeutschland wirkten besonders (Anfang des 15. Jahrh.) die Brüder vom gemeinsamen Leben. Die größte Handschriftenfabrik Oberdeutschlands bestand in Hagenau, wo der Handschriftenhändler Diebold Lauber (um 1447) seinen Wohnsitz hatte. Um diese Zeit scheinen besonders die Messen zu Frankfurt a. M. und zu Nördlingen für den Handschriftenhandel wichtig gewesen zu sein. In England scheinen sich die Stationarii mehr mit dem Handschriftenhandel beschäftigt zu haben. Sie waren, wie anderwärts, zum Teil zugleich Buchbinder.
Zur Zeit der Erfindung der Buchdruckerkunst hatte sich eine bestimmte Art der Geschäftsführung für den B. ganz allgemein gebildet. Die Herstellung von Handschriften dauerte neben dem Buchdruck noch längere Zeit fort, besonders was griechische Schriften anlangt. Vornehme und vermögende Bücherliebhaber zogen es ohnehin häufig vor, für ihre Büchersammlungen Handschriften herstellen und künstlerisch ausschmücken zu lassen; gedruckten Büchern blieben ihre Bibliotheken vorläufig verschlossen. Der eigentliche [543] Geschäftsbetrieb des Buchhandels blieb aber gänzlich unberührt durch die neue Erfindung; er behielt die bisherigen Geschäftsformen bei, in denen noch der heutige B. wurzelt.
Die sogen. Wiederherstellung der Wissenschaften, die fieberhafte Unruhe, welche die Geister in der Zeit des Überganges vom Mittelalter zur neuern Zeit bewegte, trug bald mächtig dazu bei, das neue, der Verbreitung von Bildungsmitteln günstigere Verfahren mehr auszubreiten. Schon im ersten halben Jahrhundert der Buchdruckerkunst (bis 1500) wurden, wie Hain, dem noch manches entgangen ist, in seinem »Repertorium bibliographicum« ausführt, 16,299 Werke in 208 verschiedenen Orten an 1213 verschiedenen Druckstellen, die meist als Verlagsanstalten anzusehen sind, gedruckt. An erster Stelle steht wieder Italien, und zwar der damalige Hauptsitz des Welthandels, Venedig, mit 199 Druckstellen, dann Mailand mit 60, Bologna mit 43, Rom mit 41, Florenz mit 37, Pavia mit 34, Neapel mit 27, Padua mit 16 Druckstellen. In Frankreich ragen hervor Paris mit 87, Lyon mit 48 Druckstellen. In Deutschland verteilt sich die Druck- und Verlagstätigkeit auf eine große Menge von Orten, die aber sämtlich nur kleinere Anzahlen von Druckstätten aufweisen (vgl. Buchdruckerkunst, S. 531). Trotz anfänglicher Anfeindung wurde der Handel mit gedruckten Büchern vielfach von den Handschriftenhändlern in den Bereich ihrer Geschäftstätigkeit gezogen. So hielt z. B. der bedeutende Pariser Handschriftenhändler Hermann von Stadtloen aus Münster (gest. 1474) für Frankreich ein Lager der Drucke von Peter Schöffer und Konrad Henckis.
Der B. war anfangs kein selbständiges Gewerbe. Mit dem Verlag befaßten sich die Buchdrucker, des Vertriebs bemächtigten sich Buchbinder, Kaufleute und eine Menge kleiner Leute. Das Buch war eine Handelsware wie jede andre. Einer der bedeutendsten damaligen Verleger war wohl Peter Schöffer, der Filialen in Paris und in Angers hatte; seine Verbindungen erstreckten sich über Lübeck bis in die Ostseeprovinzen, nach Königsberg, nach Ofen. Nicht selten trugen Fürsten, Magistrate oder reiche Literaturfreunde einen Teil der Kosten des Druckes oder der Ausstattung. In andern Fällen streckten vermögende Freunde das nötige Geld vor; man sagte dann, sie »verlegten« den Buchdrucker, waren seine »Verleger«. Oder es traten auch mehrere Buchdrucker für einzelne Fälle zum Druck auf gemeinschaftliche Kosten zusammen und verteilten dann die hergestellten Exemplare unter sich, um sie jeder auf eigne Rechnung zu verwerten. Solcher Druckgesellschaften finden sich manche Beispiele. Eine bestand z. B. in Basel; ihr Drucker war Joh. Froben, Teilhaber waren F. Birckmann in Köln und wahrscheinlich Joh. oder Anton Koberger in Nürnberg. Besonders gebräuchlich war der Verlag auf gemeinschaftliche Kosten in Frankreich. Solcher Kompagnieverlag bestand dann aus Drucker und Verleger oder aus zwei oder mehreren Verlegern. Wenn ein Buchhändler den Drucker mit einem Auftrag versah, so sagte man ebenfalls, daß er den Drucker »verlegt« habe, sein »Verleger« sei. Im 15. und auch im 16. Jahrh. wird oft auf den Drucken nur der Drucker genannt, während der wirkliche Verleger völlig verschwiegen wird. Der Drucker behielt neben seinem Druckerlohn den Zuschuß, den er in seinem eignen Nutzen verwertete, die Quelle vieler Mißbräuche. Auf eigne Rechnung hergestellte Bücher suchten die Drucker entweder einzeln zu verwerten, oder sie boten sie in Partien oder in ganzen Auflagen den Buchführern (Sortimentsbuchhändlern) zum Ankauf an. Diese waren die eigentlichen Vertreiber der Literatur, die bedeutendsten derselben zugleich Verleger. Solche waren die Koberger in Nürnberg (14721540), die durch ihren großartigen Geschäftsbetrieb Nürnberg gewissermaßen zum Zentralpunkte des Buchhandels machten (Näheres s. Koberger). Franz Birckmann in Köln und Antwerpen (etwa 151050) hatte Geschäftsverkehr mit England, Süddeutschland, der Schweiz, Paris. Von Leipzig aus, wo Buchführer seit 1489 nachzuweisen sind, bestanden schon in den 90er Jahren des 15. Jahrh. weitreichende Verbindungen nach Magdeburg, Prag, im Anfang des 16. Jahrh. nach Danzig, über Breslau nach Polen, Ungarn, Siebenbürgen.
Wie schon die Handschriftenhändler, besuchten auch die Buchhändler im Interesse ihres Absatzes die Messen und Jahrmärkte. So bezogen die Leipziger Buchhändler die Messen und Märkte zu Breslau und Posen schon im Anfang des 16. Jahrh., besonders aber die Peter-Paulsmesse des benachbarten Naumburg; die Breslauer waren regelmäßige Besucher der Neißer Märkte. Die wichtigsten waren die Messen zu Frankfurt a. M., seit den 70er Jahren des 15. Jahrh., die sich zu einem Weihnachtsmarkt entwickelten. Mehr für den deutschen und östlichen Büchermarkt waren die Leipziger Messen, deren Bezug seit 1493 sicher nachweisbar ist. Auf den Messen legten die Buchhändler ihre Waren aus, oder sie schlugen die Titelblätter oder Verzeichnisse ihrer Vorräte an. Sensationelle Neuigkeiten wurden in den Straßen ausgerufen. Verkauft wurde in der frühesten Zeit an Händler und Private unterschiedslos zu gleichen Preisen. Nur in einzelnen Fällen gaben große Verleger den bedeutendsten Buchführern einen Rabatt von ihren Bezügen. Ein Ladenpreis war unbekannt. In der Reformationszeit vermehrte sich die Zahl der Bücherkäufer gewaltig, und als wichtigster Vermittler des Absatzes trat jetzt die Kolportage, der Wander- und Hausierverkehr, ein, die besonders für populäre Artikel die größten Erfolge erzielte. Alles reiste: Briefmaler, Kartenmacher, Briefdrucker (Briefe, litterae, gleich Flugschriften) durchzogen als »Briefträger« und »Kunstträger« das Land, besonders die Nürnberger. Sogar selbstverlegende Gelehrte gingen mit ihren Büchern selbst und durch ihre Angehörigen hausieren. Zu dem Bargeschäfte trat auf den Messen das Changegeschäft. Der geschäftliche Vorteil, den cm möglichst vielseitiges Lager gewährte, führte schon im 15. Jahrh. dazu, daß die Verleger ihre Artikel gegenseitig austauschten. Dieses »Stechen« oder »Changieren« geschah meist »nach der Ballenschnur«, d. h. ballen- oder riesweise. Wurde hier anfangs Gleichschätzung vorausgesetzt, so änderte sich das, als die Niederländer für ihren wertvollern Verlag später das drei- bis fünffache Quantum des deutschen Verlags beanspruchten und meist auch erhielten. Natürlich konnten nur solche Buchhändler changieren, die selbst Verlag auf die Messe brachten; die reinen Buchführer mußten bar kaufen. Übrigens wurden, obgleich der B. nie zünftig gewesen ist, gewisse Schranken mit großer Eifersucht eingehalten. Auswärtige Buchhändler durften in den Meßplätzen nur während der Messe offene Läden halten; Buchdrucker durften nur mit selbstgedruckten Artikeln handeln. Nur die Buchbinder ließen sich trotz langer Kämpfe den Handel mit Kalendern, Schul- und Erbauungsbüchern nicht entreißen. Diejenigen kleinen Bücherhändler, für die sich der Meßbesuch nicht[544] lohnte, bezogen ihren Bedarf von Großsortimenten, deren es verschiedene gab. Der bedeutendste dieser Buchführer, die ein möglichst vielseitiges Lager behufs Weiterverkaufs an andre anlegten, war Georg Willer in Augsburg. Er hatte neben seinem Hauptgeschäft noch ein Lager in Wien und einen Agenten (Kommissionär, institor) in Tübingen. Er war der erste, der (im Herbst 1564) einen gedruckten Katalog der von ihm von der Messe gebrachten Artikel ausgab; hieraus entwickelten sich einerseits die Meßkataloge, anderseits die Lagerkataloge der Buchführer.
Die Blüte des Frankfurter Weltbüchermarktes dauerte kaum ein Jahrhundert. Mit dem Erstarken der Nationalliteraturen der einzelnen Länder gegenüber dem früher allgemein herrschenden Latein entstand der nationale B., der internationale Beziehungen meist nur noch durch Vermittelung einzelner Geschäftshäuser weiter pflegte. Diese Entwickelung hatte ihren Grund vor allem darin, daß die Staatsgewalt sehr bald durch preßgesetzliche Bestimmungen, verschieden nach den verschiedenen Ländern, dem B. der einzelnen Länder und Staaten besondere Bahnen anwies. Von Frankfurt blieben zuerst die Italiener weg, als nach Erscheinen des ersten Index librorum prohibitorum (1559) die deutsche Literatur zum großen Teil von Italien ausgeschlossen war. Den Italienern folgten bald die französischen Buchhändler, und so blieb, abgesehen von den Niederländern, der Büchermarkt auf die deutsche Literatur beschränkt.
entwickelte sich seit Mitte des 16. Jahrh. selbständig weiter. Bis in die neuere Zeit dauerte der oben geschilderte Verkehr, der Besuch der Messen zu Frankfurt a. M. und zu Leipzig, der Austausch der auf die Messen geführten Verlagsartikel. Die Staatsgewalt, Reichsregierung sowohl als Territorialregierungen, legte durch Zensur und gewerbliche Vorschriften dem B. schwere Fesseln an. Die 1569 eingesetzte kaiserliche Bücherkommission in Frankfurt, die zuerst nur fiskalischem Interesse diente, entwickelte sich bald zu einer lästigen allgemeinen Aufsichtsbehörde. Auch nach der rechtlichen Seite hin war die Lage trostlos. Die Privilegien der Buchverleger, meist nur mit großer Mühe und bedeutendem Kostenaufwand zu erlangen und nur auf wenige Jahre erteilt, erwiesen sich noch dazu häufig als wirkungslos. Der Nachdruck blühte allerorten. Schon Luther hatte, freilich vergeblich, gegen den Nachdruck geschrieben, wie sich auch bei ihm die ersten Andeutungen der Idee des Urheberrechts finden. Der erste von allen deutschen Staaten, der einen erträglichen Rechtszustand für den B. schuf, war Kursachsen. Schon unterm 27. Febr. 1686 erschien hier das »Mandat wider ärgerliche Schriften etc., ingleichen von Zensur und denen privilegierten, auch dem Nachdruck derer privilegierten Bücher etc.« Die Ausführung dieses Mandats wie die Beaufsichtigung des ganzen Bücherwesens lag der kursächsischen »Bücherkommission« ob. Durch das kursächsische Mandat, »den B. betreffend«, vom 18. Dez. 1773 wurde dann der Nachdruck aller von in- und ausländischen Buchhändlern in den sächsischen Landen gedruckten Bücher, deren Verlagsrecht »der Buchhändler von dem Schriftsteller in redlicher Weise an sich gebracht hat«, schlechtweg, auch ohne Privilegium, nur unter Beobachtung sehr einfacher Förmlichkeiten untersagt; bloß bei den Ausländern war Gegenseitigkeit gegen sächsische Untertanen Bedingung. Eine aus drei, nur Leipziger Buchhändlern 1811 zur Begutachtung der von der sächsischen Regierung beabsichtigten »Verbesserungsvorschläge« gewählte Deputation erklärte sich aus eigner Machtvollkommenheit permanent und wurde auch offiziell als Vertretung des Buchhandels anerkannt. Unter dem Einfluß der Stürme der Julirevolution von 1830 entwickelte sich aus dieser Deputation der Verein der Buchhändler zu Leipzig.
Die geschilderte Rechtsunsicherheit, die Schikanen, denen der auswärtige B. durch die in Frankfurt a. M. eingesetzte kaiserliche Bücherkommission ausgesetzt war, wohl auch der Umstand, daß die norddeutschen Verleger in Frankfurt für ihren wertvollern Verlag kein genügendes Äquivalent mehr fanden, dann auch die Schwierigkeit, beide Meßplätze zu besuchen (die Frankfurter Fastenmesse war um 1711 von Sonntag Judika auf Sonntag Quasimodogeniti verlegt und dadurch der Beginn der beiden Ostermessen zu nahe aneinander gerückt worden), führten zu dem Entschluß der hervorragendern norddeutschen, besonders Leipziger und Berliner Verleger, den Besuch der Frankfurter Messen ganz einzustellen. Die Ausführung dieses Beschlusses erfolgte, nachdem schon früher einzelne weggeblieben waren, allgemein in der Frankfurter Fastenmesse 1764 mittels eines förmlichen Absagebriefs an Frankfurt a. M., durch den die Beteiligten zugleich erklärten, daß sie von da an nur noch die Leipziger Messen besuchen würden. Damit wurde zu gleicher Zeit der sich nun schnell vollziehende Übergang des Tauschgeschäfts zu dem von nun an eintretenden Rechnungsgeschäft angebahnt.
Das Bedürfnis, gegen manche Übelstände, vor allem gegen den Nachdruck anzukämpfen, führte schon früh zu Versuchen buchhändlerischer Vereinigungen. Etwas Dauerndes wurde aber erst in dem Börsenverein der deutschen Buchhändler geschaffen. Dieser Verein trat hauptsächlich auf Anregung Friedr. Campes in Nürnberg in Verbindung mit Karl Chr. Horvath in Potsdam und Bernh. Friedr. Voigt in Weimar in der Ostermesse 1825 ins Leben. Er ist eine Vereinigung der angesehensten buchhändlerischen Firmen, hat seinen Sitz in Leipzig und erstreckt seine Wirksamkeit nicht allein auf das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn und die Schweiz, sondern auch auf die übrige zivilisierte Welt, soweit sich irgendwo mit dem deutschen B. verkehrende Firmen finden. Sein amtliches Organ ist seit 1834 das »Börsenblatt für den deutschen B.« (seit 1867 täglich erscheinend). Unter seinen Zwecken steht obenan die Feststellung allgemein gültiger geschäftlicher Bestimmungen im Verkehr der Buchhändler untereinander sowie der Buchhändler mit dem Publikum in Bezug auf die Einhaltung der Bücherladenpreise (Schutz gegen die Schleuderkonkurrenz). Der Börsenverein, dessen neue Satzungen vom 25. Sept. 1887 datieren (Mitgliederzahl Anfang 1903: 2977), wurde im Laufe der Zeit von großer Bedeutung für Ordnung und Sicherung des buchhändlerischen Verkehrs in seinem Gebiet. Ein besonderes Verdienst erwarb er sich durch seine erfolgreiche Bekämpfung des Nachdrucks und seine fortdauernde Teilnahme an der einschlägigen Gesetzgebung, namentlich um das Gesetz über Urheberrecht vom 11. Juni 1870 und um die am 9. Sept. 1886 zu Bern abgeschlossene und 5. Sept. 1887 in Kraft getretene internationale Literaturkonvention. Nachdem die 183436 in Leipzig erbaute »Buchhändlerbörse« räumlich nicht mehr ausreichte, besitzt der Börsenverein seit 1888 ein neues prächtiges Heim auf einem von der Stadt Leipzig geschenkten Grundstück: das Deutsche Buchhändlerhaus (s. Tafel »Leipziger Bauten«), in dem alljährlich am Sonntag Kantate die Hauptversammlung[545] (»Buchhändlermesse«) abgehalten wird. Über die Publikationen des Börsenvereins s. am Schluß.
Etwa 30 kleinere Vereine, die sich auf bestimmte Kreise oder Städte oder besondere geschäftliche Richtungen beschränken, sind mit dem Börsenverein als seine Organe verbunden und sorgen innerhalb ihrer Gebiete für Durchführung seiner Bestrebungen. Zwei andre Vereine, die hier genannt zu werden verdienen, der 1836 (von Georg Gropius in Berlin) begründete Unterstützungsverein deutscher Buchhändler und Buchhandlungsgehilfen und der 1872 begründete Allgemeine deutsche Buchhandlungsgehilfenverband, sorgen unter Mitwirkung des ganzen deutschen Buchhandels in umfassender Weise für die Linderung eintretender Not unter den Berufsgenossen und deren hinterbliebenen Familien.
Eine ganz eigenartige Einrichtung des deutschen Buchhandels, die auch für andre Länder vorbildlich wurde, ist das buchhändlerische Kommissionsgeschäft, dessen Anfänge schon im ersten Viertel des 16. Jahrh. erscheinen. Es ist nicht zu verwechseln mit der Wirksamkeit des kaufmännischen Kommissionärs, ebensowenig mit dem Kommissionsverlag (s. oben: S. 542). Der buchhändlerische Kommissionär besorgt alle Geschäfte seines Kommittenten am Kommissionsplatz. Er ist gewissermaßen der Generalbevollmächtigte, nebenbei der geschäftliche Vertrauensmann seines Kommittenten und eine so wichtige Mittelsperson, daß keine bedeutende Buchhandlung in Deutschland bestehen kann, ohne wenigstens in Leipzig, dem Hauptkommissionsplatz, einen festen Kommissionär zu haben. Kommissionsbuchhandlungen gab es in Leipzig 1791: 29 (darunter aber 1 Buchbinder und 2 Kaufleute); 1840: 78; 1885: 133 (mit 5747 Kommittenten); Anfang 1903: 153 (mit 9366 Kommittenten). Außerdem gab es Anfang 1903 Kommissionäre: in Berlin 38 (344 Kommittenten), in Stuttgart 13 (682), in Zürich 6 (73), in Wien 55 (843), in Prag 13 (220), in Budapest 19 (234).
Die Zahl der mit Leipzig in regelmäßiger Verbindung stehenden Buchhandlungen (einschließlich der in Leipzig domizilierenden) betrug:
Davon befanden sich
Auch der B. Münchens hat neuerdings einen bemerkenswerten Aufschwung genommen; das Buchhändler-Adreßbuch für 1903 führt daselbst 220 Firmen auf.
Einen Überblick über die literarische Produktion Deutschlands, soweit solche in den regelmäßigen buchhändlerischen Verkehr gelangt, geben folgende Zahlen. Es erschienen:
Der Buchhandel im Ausland.
Der B. Österreich-Ungarns ist zum großen Teil mit dem B. des Deutschen Reiches auch nach 1866 eng verbunden geblieben. In Wien, dem buchhändlerischen Mittelpunkt auch für die nichtdeutschen Sprachgebiete, besteht der 1854 gegründete »Verein der österreichisch-ungarischen Buchhändler«, der seit 1860 die »Österreichisch-ungarische Buchhändlerkorrespondenz« (wöchentlich) herausgibt (vgl. die Jubiläumsschrift von Junker, Wien 1899). Der tschechische und der ungarische B. besitzen in Prag und Budapest seit 1878, bez. 1879 besondere Vereinigungen mit besondern Organen. Nach Perles' »Adreßbuch für den B. der österreichisch-ungarischen Monarchie« (37. Jahrgang 1902/1903) gab es in der Gesamtmonarchie Ende 1902 an Buch-, Kunst- und Musikalienhandlungen nebst verwandten Geschäftszweigen (Landkarten-, Lehrmittelhandlungen, Leihbibliotheken etc.) 2038 Firmen in 593 Orten. Reine Buchhandlungen waren davon 1726. Auch der B. der Schweiz ist von demjenigen Deutschlands nicht zu trennen. Von den etwa 290 schweizerischen Buchhandlungen gehörten Anfang 1903: 151 dem deutschen Buchhändler-Börsenverein an, und zwar gehören zu diesen die bedeutendsten an den Hauptplätzen des schweizerischen Buchhandels in Basel, Bern, Genf, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Zürich. Ebenso hat Leipzig für die Balkanstaaten fortdauernd große Bedeutung als Buchhandelszentrum, und soweit buchhändlerische Organisationen dort vorhanden sind, schließen sie sich mehr oder weniger der des deutschen Buchhandels an.
Rußland hat sich durch Verbote, Zensurschikanen und Zölle gegen die Einfuhr ausländischer Druckschriften abzuschließen gesucht, aber nicht verhindern können, daß jährlich nahezu 1 Mill. Bände auswärtiger Druckschriften, der Mehrzahl nach französische und deutsche, eingebracht werden. Der russische Verlagshandel zeigt einen sehr anerkennenswerten Aufschwung. Doch haben außer den beiden Residenzen Petersburg und Moskau nur noch die Buchhandlungen in den Universitätsstädten Kiew, Charkow, Kasan (Mittelpunkt für Herstellung und Vertrieb mohammedanischer Literatur in tatarischer, türkischer, persischer und arabischer Sprache) und Odessa größere Bedeutung. Der Bücherumsatz auf der großen Messe zu Nishnij Nowgorod beträgt jährlich 100,000 Rubel. Der unbedeutende finnische und finnisch-schwedische B. hat zum Mittelpunkt Helsingfors, der esthnische Dorpat, der lettische Mitau und Riga. Nicht unbeträchtlich ist der polnische B., dessen Mittelpunkte in Rußland Warschau, in Österreich Krakau, in Preußen Posen sind. Sein Hauptorgan ist die seit 1878 in Krakau monatlich erscheinende »Przewodnik bibliograficzny«.
Der englische B., seit 1694 im Genuß der Preßfreiheit, erhielt durch eine Verordnung der Königin Anna auch Gewährleistung des literarischen Eigentums, und zwar ohne Privilegien. Charakteristisch sind für England seit lange die Bücherauktionen (trade sales), die dazu beigetragen haben, den britischen B. zu einem wahren Börsenspiel zu machen. Bei der großen Menge konkurrierender Verleger stiegen die Honorare oft ins Unglaubliche. Aber es wurde auch für jedermann, der auf Bildung Anspruch machen wollte, die Anschaffung einer Büchersammlung unerläßlich, und aus dem Mutterland verbreitete sich dieses Bedürfnis über die Kolonien. Die reichen Familien, die Leseklubs, Lesekabinette und Leihanstalten (circulating libraries) nehmen Tausende von Exemplaren eines neu erschienenen Buches, das ein Modeartikel zu werden verspricht. Der Verleger macht seinen Kalkül so, daß er für die Kosten der ganzen Auflage durch diesen ersten Absatz gedeckt wird; den Rest bringt er oft schon nach wenig Wochen unter den Hammer. Die so gemeiniglich in Partien von 10, 20 und mehr Exemplaren versteigerten Bücher treten hierauf in einen eignen Buchhändlerkreis ein, in den der second-hand dealers (Händler aus zweiter Hand), und die Bücher selbst in die Klasse der second-hand books, die nun [546] in den cheap lists dem Publikum zu geringern Preisen angeboten werden. Häufig tritt der Antiquar an die Stelle der Auktionen und second-hand dealers; er kauft Partien zu ermäßigtem Preis vom Verleger und rangiert sie dann in seine Kataloge als ständige Artikel ein. In London, dem Mittelpunkte des englischen Buchhandels, gibt es solche Antiquarbuchhändler im großen Stil. Aus den Londoner Pressen gehen jährlich weit mehr Bücher hervor als aus den übrigen Ländern des britischen Reiches. Fast alle Buchhändler im Innern, in Schottland und in Irland haben einen Kommissionär in London. Umgekehrt haben die Londoner Verleger in jeder bedeutenden Stadt der drei vereinigten Königreiche Agenten. Buchhändlervereinigungen sind: »The Associated Booksellers of Great Britain« (seit 1894), »The London Foreign Booksellers' Association« (1895) und »The Publishers' Association« (1896). Hauptorgane des englischen Buchhandels sind »The Publishers' Circular« und »The Bookseller«, geschäftlicher Mittelpunkt ist Stationers' Hall in London. Andre als die allgemein gültigen kaufmännischen Usancen kennt der englische B. nicht. Die Einfuhr fremder Literatur nach England war gering, solange die hohe Papiersteuer noch bestand; nach deren Wegfall hat sie sich bedeutend gehoben; beträchtlich ist auch die Ausfuhr.
In Nordamerika ist der B. ähnlich organisiert wie in England. Ein großer Teil des Vertriebes wird durch die Auktionen vermittelt, die in New York, Philadelphia und Boston jährlich zweimal abgehalten werden und zugleich die Stelle der deutschen Buchhändlermessen vertreten. Am meisten blüht unter den buchhändlerischen Vertriebsarten das Kolportagegeschäft; ganze Verlagsgeschäfte, ja ganze Literaturzweige beruhen lediglich darauf, namentlich sind es die fliegenden Buchhändler (canvassers), die alle Eisenbahnzüge und Dampfschiffe auf allen Fahrten begleiten und unter dem großen, stets wechselnden Reisepublikum eine ungeheure Masse billiger Unterhaltungslektüre absetzen. Fachblätter sind die in New York erscheinenden: »The Publishers' Weekly« und »The American Bookseller«.
Der holländische B. nahm, begünstigt durch die unbeschränkte Preßfreiheit, deren er sich von Anfang an fast ohne Unterbrechung zu erfreuen hatte, und infolge der Tätigkeit großer Verleger schon früh eine hervorragende Bedeutung an, besonders aber im 17. Jahrh., als viele berühmte französische Schriftsteller ihre Manuskripte nach Holland zum Verlag sandten. 1899 gab es 1628 Buchhändler (Verleger und Sortimenter); von diesen waren 282 in Amsterdam, 119 im Haag, 100 in Rotterdam ansässig. 1898 erschienen 2796 Werke (einschließlich neuer Ausgaben). Die geschäftliche Organisation gleicht einigermaßen der des deutschen Buchhandels. Eine dem Deutschen Börsenverein ähnliche Vereinigung ist die 1817 gegründete Vereeniging ter bevordering van de belangen des boekhandels, deren Organ das »Nieuwsblad voor den Boekhandel«; außerdem erscheint im Haag die »Nederlandsche Bibliographie«. Einen Kommissionär hat jeder holländische Buchhändler wenigstens in Amsterdam. Eine eigentümliche Einrichtung sind die Versteigerungen (Fondsveilingen) von Verlagsresten oder ganzer Auflagen seitens der Verleger. In Amsterdam besteht seit 1870 ein »allgemeines Bestellhaus«, Eigentum der holländischen Buchhändlerkorporation, ähnlich den Anstalten in Deutschland. Einfuhr und Ausfuhr sind bedeutend, letztere besonders nach Niederländisch-Indien, Südafrika und einzelnen Staaten Nord- und Südamerikas. Der Nachdruck. der früher in Holland blühte (obschon in weit geringerm Maß als in Belgien), ist jetzt unter dem Drucke der öffentlichen Meinung ganz bedeutend eingeschränkt. Leider steht der Anschluß an die Berner Konvention noch aus. In Belgien ist Brüssel die wichtigste Stadt für Verlagswerke. Hier hat der Buchhändlerverein Cercle de la librairie seinen Sitz und erscheint die »Bibliographie de Belgique«. Die belgischen Pressen lieferten früher meist billige Nachdrucke französischer Werke, jetzt hat die Bücherproduktion der Menge nach abgenommen, dem Gehalt nach gewonnen.
In Dänemark hat der B. seinen Hauptsitz in Kopenhagen. Während diese Stadt zu Anfang des 19. Jahrh. nur gegen 50 eigentliche Buchhändler hatte, gab es 1900: 104 vom »Buchhändlerverein« anerkannte Firmen in Kopenhagen und 183 in den Landstädten. In Schweden ist der B. meist auf Stockholm und die zwei Universitäten Upsala und Lund beschränkt, in Norwegen auf Christiania. Der ähnlich wie in Deutschland organisierte buchhändlerische Verkehr der drei skandinavischen Länder untereinander ist in neuerer Zeit lebhafter geworden, und man hat sich daher auch hier zu dessen Regelung vereinbaren müssen. Dänemark war früher in literarischer Beziehung fast als zu Deutschland gehörig zu betrachten, viele deutsche Bücher wurden dort verlegt, und solche geistige Verbindung hat auch die neueste Zeit trotz aller nationalen Antipathien, trotz künstlich hervorgerufener und gepflegter Bevorzugung besonders der französischen Literatur nicht ganz zu lösen vermocht. Wie lebhaft selbst auf Island die Pflege der Literatur und des Buchhandels getrieben wird, geht daraus hervor, daß sich 1889 auch in der Hauptstadt Reykjavik ein Boghandler-Forening bildete und 1898: 87 Mitglieder (5 in Reykjavik) zählte.
Die Organisation des französischen Buchhandels ist von der in Deutschland völlig verschieden. Paris ist sein Emporium; alle Buchhändler der Departements haben daselbst ihre Kommissionäre, stehen aber in keiner so regelmäßigen Verbindung mit ihnen wie in Deutschland. Auch die Usancen sind sehr verschieden. Nur wenige Verleger (libraires-éditeurs) senden ihre Verlagswerke à condition; die Sortimentsbuchhändler (libraires d'assortiment) müssen solche in der Regel für feste Rechnung nehmen und sogleich bezahlen. Da, wo der Pariser Verleger mit dem Provinzsortimenter in Rechnung steht, wird die Rechnung alle 3, längstens alle 6 Monate abgeschlossen, und der Verleger deckt sich für sein Guthaben ganz nach kaufmännischem Brauch durch Wechsel. Die in der »Provinz« (Tours, Nancy, Lille, Lyon, Toulouse etc.) erscheinenden verhältnismäßig wenigen Werke (ein Drittel von der Zahl der Pariser) pflegen neben dem eigentlichen Verleger auch ein Pariser Haus auf dem Titel zu nennen. Die Zahl der im Druck erschienenen Schriften blieb stets hinter der der deutschen Produktion zurück. Ein eigentlicher Sortimentsbuchhandel existiert in Frankreich nicht. Infolge der großen Zentralisation des Verlagsbuchhandels in Paris, wo auch der französische Buchhändlerverein (Cercle de la librairie) seinen Sitz hat (vgl. »Le Cercle de la libraire. Notice historique et descriptive«, Par. 1885), beziehen viele Bücherkäufer in der Provinz ihren Bedarf lieber aus Paris. Das, was man in Deutschland die »Verwendung« von seiten der Sortimenter nennt, gibt es in Frankreich nicht, Verleger und Verfasser müssen ganz allein für das Bekanntwerden der Bücher sorgen. Ein wichtiges Element für den französischen B. bildet[547] die Ausfuhr. Bei der allgemein verbreiteten Kenntnis der französischen Sprache ist es nicht erstaunlich, daß für viele Millionen Frank französische Bücher alljährlich nach allen Teilen der Welt versendet werden; aber es beschränkt sich diese Ausfuhr nicht allein auf die Bücher in französischer Sprache, sondern der französische Verlagsbuchhandel hat sich auch des ganzen romanischen Amerika bemächtigt, für das mehrere große Häuser in Paris fast seinen ganzen Bedarf an spanischen und portugiesischen Büchern fabrizieren. Diese werden in großen Massen in Paris gedruckt und verlegt und fix und fertig eingebunden nach Mexiko, Chile, Peru, Brasilien, La Plata etc. versendet, ein Handelszweig, dessen jährlicher Umsatz sich nach Millionen beziffert. Umfangreiche wissenschaftliche und gelehrte Werke werden meist ganz oder teilweise auf Kosten der Regierung, gelehrter Gesellschaften, der Akademien oder der Verfasser gedruckt. Selbst gelehrte Journale, wie das »Journal des Savants«, können sich ohne Unterstützung von seiten der Regierung nicht halten. Große Verlagsunternehmungen, wie sie in Deutschland nicht zu den Seltenheiten gehören, sind in Frankreich ohne Unterstützung von oben (die man gemeiniglich durch Subskription auf ein paar hundert Exemplare gewährt) nicht möglich. Die vom Ministerium subskribierten Exemplare werden an die Bibliotheken des Landes verschenkt. Eine ansehnliche Menge der französischen Literaturerzeugnisse erscheint aber auch ganz auf Staatskosten, und aus dem Fonds der Imprimerie nationale (früher royale und impériale) in Paris werden jährlich große Summen auf den unentgeltlichen Druck wissenschaftlicher Bücher verwendet.
In Italien ist die neue Zeit für den B. erst gegen Ende des 19. Jahrh. angebrochen. Der gleich im ersten Jahrhundert nach Erfindung der Buchdruckerkunst sich großartig entwickelnden Blütezeit folgte seit dem Reformationszeitalter durch kirchliche und politische Reaktion ein so gewaltiger Rückschlag, daß von einem B. im heutigen Sinne des Wortes kaum noch die Rede sein konnte. Die Verlagstätigkeit erlahmte bald so, daß größere und der Beachtung werte Werke bis in die neueste Zeit nur auf Privatkosten oder durch Unterstützung reicher Gönner hergestellt werden konnten. Erst seit 1870 hat auch der B. angefangen, sich mehr und mehr wieder zu heben. Das Hauptverdienst gebührt neben den bedeutenden deutschen Buchhandlungen in Italien dem Turiner Verleger Gius. Pomba, dessen Bemühungen es gelungen ist, einen dem Deutschen Börsenverein nachgebildeten Verein, die Associazione dei libraj italiani, zu gründen, deren Organ die »Bibliografia italiana« ist. In Spanien und Portugal haben kirchliche und politische Despotie die literarische Tätigkeit lange Zeit gewaltsam niedergehalten und demzufolge auch den B. zu keiner höhern Entwickelung und Bedeutung kommen lassen. Im jungen Königreich Griechenland blüht die Literatur rasch auf. 1833 wurde die ersie Buchhandlung in Athen gegründet. Nächst Athen, das regelmäßigen buchhändlerischen Verkehr mit Leipzig, Triest und Wien unterhält, ist Korfu der Hauptsitz der griechischen Literatur; letzterer Platz macht seine auswärtigen Geschäfte über London. In der Türkei beschränkt sich der Verkehr mit Büchern zum größten Teil auf den Manuskriptenhandel, da es den Mohammedanern verboten ist, den Koran und ihre andern Religions- und Gesetzbücher durch Druck zu vervielfältigen; auch die Werke der großen orientalischen Dichter und ihrer Kommentatoren sind meist handschriftlich im Umlauf. Für Verbreitung westeuropäischer Literatur sorgen ausländische Buchhändler in Konstantinopel. In Alexandria ist einiger Verkehr mit italienischer und französischer Literatur. Ein Hauptsitz des orientalischen Buch- oder vielmehr Manuskriptenhandels ist Kairo (Bulak), wo sich auch die vizekönigliche Druckerei befindet. Die Manuskriptenhändler lassen den Koran, die arabischen und persischen Klassiker in großen Massen abschreiben und versenden sie in Partien bis in die entferntesten Gegenden des muslimischen Morgenlandes. Auch in Bagdad ist der Manuskriptenhandel bedeutend. Hauptsitz des persischen Buch- (Manuskripten-) handels ist Teheran; doch hat er unter der innern Zerrüttung des Reiches und der dadurch herbeigeführten Verwilderung des Volkes sehr gelitten. In China und Japan ist der Bücherverkehr verhältnismäßig klein und beschränkte sich bis zur allerneuesten Zeit fast ganz auf die Schulbücher, die, unveränderlichen Textes, die Wissenschaften an den Standpunkt fesseln, auf dem sie dort vor ein paar Jahrtausenden waren. Bedeutenden Einfluß haben hier, wie überhaupt in den ostasiatischen Ländern, die Missionare geübt, die große Massen Bücher in den Sprachen der Eingebornen drucken lassen, vertreiben und verteilen. Der Hauptsitz des hindostanischen Buchhandels und der indischen Literatur ist Kalkutta; auch die britische Literatur hat hier sowie in Bombay und Madras ihren Hauptabsatz. Die größte Zahl von Buchhandlungen ist in Kalkutta; sie unterhalten einen regelmäßigen und lebhaften Verkehr mit allen Großstädten der britisch-indischen Provinzen. Im britischen Australien ist der B. ebenfalls im stetigen Aufblühen begriffen, und eine sehr tätige Journalliteratur unterstützt ihn. Auch in der Kapstadt sind mehrere Buchhandlungen, holländische, englische und deutsche; besonders von Amsterdam werden jährlich für Tausende von Gulden Bücher nach der Kapkolonie eingeführt. Die britisch-westindischen Kolonien und Kanada beziehen, die Journale ausgenommen, ihren literarischen Bedarf von dem Mutterland. Auf Cuba ist einiger literarischer Verkehr in der Havana, doch verhältnismäßig sehr wenig. Lebendiger äußert sich das literarische Bedürfnis in den ehemaligen spanischen und portugiesischen Staaten Südamerikas. Lima in Peru, Valparaiso in Chile, Buenos Aires und Montevideo in den La Plata-Staaten, vornehmlich aber Rio de Janeiro und Bahia in Brasilien sind die Hauptplätze des südamerikanischen Buchhandels. Die meisten für Südamerika bestimmten Bücher werden in den Vereinigten Staaten von Nordamerika gedruckt, weil diese wohlfeiler produzieren. In Mexiko beschränkt sich der sehr geringfügige B. auf die Hauptstadt (vgl. oben: Frankreich).
Vgl. die Veröffentlichungen des Börsenvereins der deutschen Buchhändler (über das »Börsenblatt« s. oben, S. 545): »Adreßbuch des deutschen Buchhandels« (bis zum 50. Jahrgang [1888] im Besitz der Firma O. A. Schulz in Leipzig); »Geschichte des deutschen Buchhandels«, 1. Bd. (bis zum 17. Jahrh. bearbeitet von Fr. Kapp, hrsg. von Albrecht Kirchhoff und F. Hermann Meyer, Leipz. 1886); »Publikationen des Börsenvereins« (das. 187496, 9 Bde.) und deren Neue Folge: Archiv für die Geschichte des deutschen Buchhandels (187898, 20 Bde.). Ferner: Rottner, Lehrbuch der Kontorwissenschaft für den deutschen B. (2. Aufl., Leipz. 1861, 2 Bde.); F. H. Meyer, Organisation und Geschäftsbetrieb des deutschen Buchhandels (2. Aufl., das. 1874); Schürmann: Organisation und Rechtsgewohnheiten des deutschen Buchhandels (Halle 188081, 2 Tle.), Die Rechtsverhältnisse der [548] Autoren und Verleger (das. 1890) und Der deutsche B. der Neuzeit (das. 1895). Zur Geschichte des Buchhandels vgl. Metz, Geschichte des Buchhandels und der Buchdruckerkunst (Darmst. 183436,3 Bücher); Göll, Über den B. bei den Griechen und Römern (Schleiz 1865); Schmitz, Schriftsteller und Buchhändler in Athen (Heidelb. 1876); Birt, Das antike Buchwesen (Berl. 1882); Hänny, Schriftsteller und Buchhändler in Rom (Leipz. 1885); folgende Schriften von A. Kirchhoff: Die Handschriftenhändler des Mittelalters (2. Ausg., das. 1853), Weitere Beiträge zur Geschichte der Handschriftenhändler im Mittelalter (Halle 1855), Beiträge zur Geschichte des deutschen Buchhandels (Leipz. 185153,2 Bdchn.) und Die Entwickelung des Buchhandels in Leipzig bis in das zweite Jahrzehnt nach Einführung der Reformation (das. 1885); Wattenbach, Das Schriftwesen im Mittelalter (3. Aufl., das. 1896); Lempertz, Bilderhefte zur Geschichte des Bücherhandels (Köln 18531865,13 Hefte); R. Schmidt, Deutsche Buchhändler, deutsche Buchdrucker (lexikalisch, Berl. 1902f.). Über die buchhändlerischen bibliographischen Hilfsmittel vgl. Bibliographie.
Buchempfehlung
Die beiden Schwestern Julchen und Lottchen werden umworben, die eine von dem reichen Damis, die andere liebt den armen Siegmund. Eine vorgetäuschte Erbschaft stellt die Beziehungen auf die Probe und zeigt, dass Edelmut und Wahrheit nicht mit Adel und Religion zu tun haben.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro