Hessen-Kassel [1]

[323] Hessen-Kassel (Kurfürstenthum Hessen), besteht aus dem sehr unregelmäßig gestalteten Hauptgebiet, begrenzt von Waldeck, chem preußischen Regierungsbezirk Minden, dem hannöverschen Fürstenthum Göttingen, dem preußischen Regierungsbezirk [323] Erfurt, dem weimarischen Fürstenthum Eisenach, dem baierschen Kreise Unterfranken, den großherzoglich hessischen Provinzen Oberhessen u. Starkenburg, von Frankfurt, Nassau u. den preußischen Regierungsbezirken Coblenz u. Arnsberg; aus zwei bedeutenden enclavirten Gebietstheilen, Schmalkalden, östlich zwischen gothaischem, preußischem u. meiningischem, u. Schaumburg, nördlich zwischen hannöverschem, preußischem, lippe-detmoldischem u. schaumburg-lippeschem Gebiet u. den kleineren Enclaven Barchfeld u. Nauheim; Flächeninhalt: 173,7 QM. Kurhessen ist meist gebirgig, doch erreicht keine Bergspitze die Höhe von 3000 Fuß; im SO. ist in der Provinz Fulda die westliche Abdachung des Rhöngebirges, im W. derselben u. in der Provinz Hanan sind Ausläufer des Vogelsberges; das Werragebirg mit dem Meißner, das Fuldagebirg mit dem Reinhartswald, Habichtswald u. Knüllgebirg, Riedforst u. Sillingswald durchziehen Niederhessen, Fortsetzungen des Rodhaar mit dem Keller, Burgwald u. Lahnberg Oberhessen; Schmalkalden ist durch den Thüringerwald sehr gebirgig u. Schaumburg enthält den höchsten Punkt des Süntelgebirges, den Hohenstein, auch Theile vom Deister u. Bückeberg; Flüsse: Werra u. Fulda (letztere nimmt die Haun u. Edder mit Schwalm auf) u. die durch beide entstandene Weser (mit Diemel), Lahn (mit Ohm), Main (mit Kinzig), auch Nidda (mit Nidder); Klima gemäßigt, doch wegen der Berge mehr rauh, als mild; Producte: Pferde, Rindvieh, Schafe, Schweine, Wildpret, Geflügel, Bienen, Fische; Getreide, Buchweizen, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Flachs (bes. wichtig), etwas Hanf u. Tabak, Hopfen, Cichorien, Obst, wenig Wein, viel Holz; Waschgold (in der Edder), so wie Silber u. Blei werden nicht mehr gewonnen, dagegen Kupfer, Eisen, Kobalt, Braun- u. Steinkohlen, Torf, Gyps, Kalk, Basalt, treffliche Sand- u. andere Bausteine, Alabaster, Schiefer, Thon, Porzellanerde, Vitriol, Alaun, Salz, Mineralwasser; bemerkenswerthe Mineralquellen: die schwefelhaltige in Nenndorf, die eisenhaltigen in Hofgeismar, Wilhelmsbad u. Johannisberg (bei Fulda), die Sauerbrunnen in Schwalheim, Dorsgeismar u. Volkmarsen; unter den Soolbädern Nauheim. Gesammtbevölkerung nach der Zählung vom Dec. 1855: 736,392 Ew., zum größerem Theile Reformirte, über 158,000 Lutheraner, über 100,000 römische Katholiken, 270 Mennoniten, über 15,000 Juden. Die Hessen sind bedächtig, ernst, bieder, tapfer, treuherzig, doch etwas langsam, schön von Gestalt; sie sprechen Niederdeutsch an der Diemel, hessisch Hochdeutsch an der Werra u. Fulda, rheinisch Hochdeutsch an der Lahn u. Kinzig. Die Beschäftigung der Einwohner besteht in Ackerbau, bes. starkem Flachsbau, in Obstzucht, Wiesenbau, Waldcultur, Viehzucht; Salinen- u. Bergbau sind im Verhältniß der Größe des Landes bedeutend (Salinen in Allendorf, Nauheim u. Rodenberg, Kupfer- u. Kobaltbergwerke in Reichelsdorf u. Biebar); die Eisenhütten liefern jährlich gegen 100,000 Centner; auch die Eisenfabrikation in Schmalkalden, die jedoch außer einer Gewehrfabrik mehr grobe Arbeit liefert; desgleichen liefern die Fabriken in Exten (bei Rinteln) Sensen, Messer u. dergl.; Gold- u. Silberfabrikation hat bes. Hanau, doch auch Kassel liefert darin Gutes u. hat eine Gold- u. Silberteffen- u. Argentanfabrik, sowie eine großartige Maschinenfabrik u. Stückgießerei; auch Soda, Alaun, Pulver, Smalte werden bereitet; wichtig ist bes. die Leinweberei, in groben u. seinen Sorten, u. die Lederbereitung; auch wird in Wolle, Baumwolle, Seide, Hüten, musikalischen Instrumenten, Kutschen u. chemischen Waaren fabricirt, u. Tabak, Topfwaaren (Großalmenroder Schmelztiegel), Steingut, Holzwaaren, gröbere u. Maschinenpapiere, Glas, Seife, Talg- u. Wachslichter gefertigt. Der Handel besteht hauptsächlich in der Ausfuhr inländischer Producte u. Fabrikate; Speditionshandel treiben die Städte Wanfried u. Eschwege an der Werra u. Karlshafen an der Weser; in Kassel u. Hanau sind Messen, aber von geringer Bedeutung; der Handel wird durch die Schifffahrt auf der Weser u. dem Main, auch auf der Fulda u. Werra, freilich mittelst nur kleiner Schiffe u. durch Chausseen begünstigt; am meisten fördern ihn Eisenbahnen, hauptsächlich die Friedrich-Wilhelms-Nordbahn, zum Anschluß sowohl an die Köln-Mindener u. die Hannöversche Südbahn, als auch an die Thüringer Bahn u. die Main-Weserbahn, zur Verbindung mit Frankfurt; im Süden ist die Frankfurt-Hanauerbahn, u. im Westen die projectirte Kinzigbahn.

Staatsverfassung: sämmtliche kurhessische, als untheilbar u. unveräußerlich in ein Ganzes vereinigten Lande bilden nach der früheren Grundverfassung vom 5. Januar 1831, so wie auch nach der im Einverständniß mit dem Bundestage octroyirte Verfassung vom 13. April 1852 eine Constitutionelle Erbmonarchie des Deutschen Bundes, deren mit dem 18. Jahr volljähriger Landesfürst (Kurfürst), vermöge Abstammung aus ebenbürtiger Ehe, nach der Linealfolge mit dem Rechte der Erstgeburt im Mannsstamme succedirt; Friedrich Wilhelm I. (geb. 1802), dem bereits am 30. Sept. 1831 von seinem Vater, dem Kurfürsten Wilhelm II. die Regentschaft übertragen wurde, folgte demselben als Kurfürst am 20. Nov. 1847; da derselbe seit 1831 in morganatischer Ehe lebt mit Gertrude, Fürstin zu Hanau u. Gräfin von Schaumburg, deren Kinder Fürsten von Hanau u. Grafen von Schaumburg heißen, so sind zur Thronfolge nach dem regierenden Kurhause, zu dem noch die Nebenlinie des (1837 verstorbenen) Landgrafen Friedrich, Großoheims des Kurfürsten, gehört, zuerst H.-Philippsthal, ältere Linie, dann H.-Philippsthal-Barchfeld, dann H.-Darmstadt berufen; auch bestehen Erbverbrüderungen mit Sachsen von 1373 u. mit Preußen von 1457, zuerst 1614 erneuert. Der Kurfürst, welcher am 28. April 1815 das Prädicat königliche Hoheit angenommen hat, u. dem auf dem Bundestage die achte Stelle, im Plenum 3 Stimmen zukommen, vereinigt in sich unter deren verfassungsmäßiger Ausübung alle Rechte der Staatsgewalt u. ist oberster Militärchef; er gelobt beim Regierungsantritt, vor der Huldigung, urkundlich Aufrechthaltung der Verfassung an; er bezieht außer einer Civilliste, welche für ihn u. seine Nachfolger auf 300,000 Thlr. festgestellt ist, den über 300,000 Thlr. betragenden Genuß des zum Fideicommiß constituirten Hausschatzes, nach Gesetz vom 27. Febr. 1831. Die Streitfrage über die 1834 heimgefallene, von der Regierung beanspruchte Rotenburger Quar fand erst 1848 ihre Erledigung, die Domänengüter[324] dieser Erbschaft wurden dem Finanzministerium überwiesen, auf die Rückerstattung der bisher vom Kurfürsten bezogenen Summen aber verzichtet. Die fürstlichen Familienglieder beziehen Apanagen, die Prinzen heißen Landgrafen zu H., mit dem Prädicat Durchlaucht, der Thronfolger Kurprinz, mit dem Prädicat Hoheit. Die besonderen Rechtsverhältnisse der Standesherren sind durch Edict vom 29. Mai 1833 geordnet. Die Landesvertretung, nach der früheren Verfassung durch Theilnahme an der Gesetzgebung, Steuerbewilligungsrecht, Aufsicht der Verwaltung u. Recht der Ministeranklage von der in Einer Kammer vereinigten Ständekammer geübt, besteht nach der Verfassung von 1852 aus zwei Kammern. Die erste Kammer wird gebildet durch die volljährigen nachgeborenen Prinzen des Kurhauses, die Standesherren, die Obervorsteher der Stifter Wetter u. Kaufungen, die Abgeordneten der althessischen Ritterschaft u. des fuldaischen Adels, den Erbmarschall aus dem Hause Riedesel, den Vicekanzler der Landesuniversität, den Bischof, die drei evangelischen Superintendenten u. vom Landesherrn aus den großen Grundbesitzern erblich ernannte Mitglieder; die zweite Kammer besteht aus 16 großen Grundbesitzern, 16 städtischen u. 16 bürgerlichen Abgeordneten. Die Körperschaft der städtischen Wahlmänner ist aus den Bürgermeistern, Gemeinde- u. Ausschußvorstehern, Zunft- u. Gildemeistern, Fabrikbesitzern u. Großhändlern zusammengesetzt; ähnlich ist es bei den ländlichen Wahlkörperschaften verfügt. Staatsdiener bedürfen der Regierungsgenehmigung zur Annahme der Wahl. Die Wahlperiode umfaßt 3 Jahre; der Landesherr verfügt die Zusammenberufung der Stände, doch muß dies wenigstens alle 3 Jahre einmal geschehen; die Laadtage dürfen nicht über 3 Monate dauern, wenn der Landesherr keine Verlängerung verfügt. Zweck der Berufung der Stände sind nur die inneren Angelegenheiten; die Sitzungen sind in der Regel öffentlich; Beschlußnahme erfolgt durch absolute Stimmenmehrheit. Die Rechtspflege bleibt von der Verwaltung getrennt. Alle im Staate anerkannten Kirchen genießen gleichen Schutz desselben. Zur Abänderung der Verfassung bedarf es einer Mehrheit von 3/4 in beiden Kammern. Vgl. Murhard, Die kurhessische Verfassungsurkunde erläutert, Kassel 1834, 2 Bde.; Der kurhessische Staat, Hildburgh. 1831; Pfeiffer, Geschichte der landständischen Verfassung, Kassel 1834; Gössel, Geschichte der Landtage von 1830–35, ebd. 1837.

Mittelpunkt der Verwaltung ist das Gesammt-Staatsministerium, gebildet aus 5 Ministern u. Ministerialvorständen, unter Vorsitz des Landesfürsten. Als einzelne Ministerien bestehen: das Ministerium des kurfürstlichen Hauses u. der auswärtigen Angelegenheiten, das Justizministerium, das Ministerium des Innern, das Finanzministerium u. das Kriegsministerium. An Stelle der im Jahre 1848 (Gesetz vom 31. Oct. u. Verordnung vom 22. Dec.) eingeführten Eintheilung in 9 Verwaltungsbezirke ist seit 1851 wiederum die frühere Eintheilung des Landes in Provinzen u. Kreise getreten; an Spitze der ersteren stehen die Regierungen, an Spitze der letzteren die Landrathsämter (früher Kreisämter genannt), mit Ausnahme der Kreise Schaumburg u. Schmalkalden, für welche die Functionen der Regierung u. des Landrathsamtes in eine Behörde, unter der Bezeichnung Regierungscommission (zu Schmalkalden u. Rinteln) verschmolzen sind; die Provinzen sind: a) Niederhessen mit 9 Kreisen unter der Regierung in Kassel; b) Oberhessen mit 4 Kreisen unter der Regierung in Marburg; c) Fulda mit 3 Kreisen unter der Regierung in Fulda; d) Hanau mit 3 Kreisen unter der Regierung in Hanau; für jeden Kreis besteht neben dem Landrath ein aus Eingesessenen des Kreises gebildeter Bezirksrath. Die Rechtspflege wird in oberster Instanz von einem Oberappellationsgericht in Kassel, in mittlerer Instanz von 2 Obergerichten in Kassel u. Fulda, in unterer von 9 Criminalgerichten (6 unter den Bezirken von Kassel, 3 von Fulda) für die Strafrechtspflege u. 88 Justizämtern (55 unter den Bezirken von Kassel, darunter 1 Stadtgericht in Kassel, 33 unter den Bezirken von Fulda) für die Civilsachen verwaltet. Das Privatrecht beruht, nachdem das mit der Gründung des Königreichs Westfalen eingedrungene französische Civilgesetzbuch nach der Auflösung dieses Königreichs durch eine Verordnung vom 4. Jan. 1814 wieder außer Kraft gesetzt u. das frühere Recht wiederhergestellt wurde, auf dem Gemeinen Recht, welches für die verschiedenen Landestheile durch eine Reihe von älteren u. neueren Verordnungen ergänzt wird. Für Althessen sind dieselben gesammelt in der Sammlung fürstlich hessischer Landesordnungen u. Ausschreiben, Kassel 1767 bis 1802, 8 Bde., Fol., u. Neue Sammlung der Landesordnungen, Ausschreiben etc., Kassel 1828 f., 4 Bde.; Kersting, Die Sonderrechte im Kurfürstenthum Hessen, Fulda 1855; Roth u. von Meibom, Kurhessisches Privatrecht, Marb. 1858, 1. Bd.; für den Civilproceß sind von besonderer Wichtigkeit die Sammthofgerichtsordnung von 1673, Untergerichtsordnung vom 9. April 1732, Proceßordnung vom 5. Sept. 1745, Oberappellationsgerichtsordnung vom 15. Febr. 1746, mehrere Gesetze betreffend die Abänderung des Proceßverfahrens vom J. 1834 u. das Gerichtsorganisationsgesetz vom 31. Oct. 1848; vgl. Wagner, Grundzüge der Gerichtsverfassung in Kurhessen, Marb. 1827, 2. Aufl., u. Bickell, Beiträge zum Civilproceß, Kassel 1836. Im Strafrecht gilt das Gemeine Strafrecht nach der Carolina, jedoch mit vielen Ergänzungen; das Strafverfahren wurde nach den Grundsätzen des Anklageverfahrens mit Mündlichkeit, Öffentlichkeit u. mit Geschworenen durch zwei Gesetze vom 31. Oct. 1848, die Umbildung des Strafverfahrens betreffend, u. vom 22. Juli 1851, abändernde Bestimmungen über das Verfahren in Strafsachen betreffend, neugeregelt; über sämmtliche Rechtstheile bestehen als Repertorien: Kopp, Handbuch zur Kenntniß der hessen-kasselschen Landesverfassung u. Gesetze, Kassel 1796–1808, 7 Thle., u. Kulenkamp, Systematisches Repertorium aller hessischen Verordnungen, Ausschreiben etc., Kassel 1843 f., 2 Bde.; eine populäre Bearbeitung bietet Klauhold, Kurhessisches Rechtsbuch, Kassel 1854. Einen großen Einfluß auf Fortbildung des Particularrechts haben von jeher die Erkenntnisse des obersten Gerichtshofes vermöge der Bestimmung der Oberappellationsgerichtsordnung von 1746 ausgeübt, daß die Entscheidungen des Gerichtshofes über streitige Rechtsfragen in künftigen Fällen so lange zur Norm dienen sollen, als nicht im Wege der Gesetzgebung eine andere Bestimmung erfolgt[325] die so entstandenen Präjudicien sind in mehrfachen Sammlungen erschienen, namentlich von Kanngießer, Collectio notabiliorum decisionum supremi trib. Hasso-Cassel., 1768–71, 2 Bde. (neugedruckt Manh. 1790–92, 12 Bde.), 3. Th. von Pfeiffer u. Duysing, 1821, Fol.; Henkel, Bemerkenswerthe Rechtsfälle etc. aus der kurhessischen Rechtspflege, Kassel 1838–40, 3 Hefte in 1 Bd., u. Strippelmann, Neue Sammlung bemerkenswerther Entscheidungen des Oberappellationsgerichtes zu Kassel, Kassel 1852–55, 9 Thle.; viele sind auch enthalten in B. W. Pfeiffer, Praktische Ausführungen aus allen Theilen der Rechtswissenschaft, Hannov. 1825–50, 8 Bde.; Juristische Zeitschriften: Der Rechtsfreund, redigirt von Nebelthau, Rössing u. Schwarzenberg, 1835–39; Heuser, Annalen der Justizpflege u. Verwaltung in Kurhessen, 1854–55, 2 Bde. Finanzen: Nach dem Budget für 1858–60 wurde die Einnahme auf 15,300,840 Thlr., die Ausgabe auf 15,205,620 Thlr. veranschlagt. Staatsschulden: Eisenbahnschulden 8,500,000 Thlr., eigentliche Staatsschuld 4,900,000 Thlr., im Ganzen 13,400,000 Thlr.

Das Militär besteht aus a) Infanterie: 4 Regimenter Linie, jedes aus dem Stab u. 2 Bataillonen zu 4 Compagnien bestehend, 1 Jäger- u. 1 Füsilirbataillon, beide zu 4 Compagnien; das Regiment Linieninfanterie zählt im Kriegsstande 1545 Mann, das Jägerbataillon 410, das Füsilierbataillon 771 Mann; die ganze Infanterie 7281 Mann; sie ist in 1 Division, welche 1 Generalieutenant befehligt, formirt, u. diese in 2 Brigaden, welche 2 Generalmajors commandiren, eingetheilt; dem Divisionsgeneral ist 1 Hauptmann, jedem Brigadier 1 Premierlieutenant als Adjutant beigegeben. Bewaffnung: die Linie mit Bayonnetflinten, Säbeln u. per Mann zwei kleinen Patrontaschen, die Offiziere mit Degen, die Jäger mit Büchsen u. Hirschfängern, deren Offiziere mit Säbeln in schwarzlederner Scheide. Uniform: dunkelblaue Waffenröcke mit ponceaurothen Kragen u. Aufschlägen, das Leibgarderegiment mit weißen Achselklappen u. Knöpfen, die übrigen 3 Regimenter durch gelbe, blaue u. rothe Achselklappen unterschieden mit gelben Knöpfen; die Jäger grüne Waffenröcke, roth aufgeschlagen, mit rothen Achselklappen u. gelben Knöpfen; die Füsiliere dunkelblaue Waffenröcke, roth aufgeschlagen, mit halbblauen Achselklappen u. gelben Knöpfen; sämmtliche Infanterie hat Helme, die Leibgarde mit weißen Beschlägen u. weißen Haarbüschen, alle übrigen mit gelben Beschlägen, 1 Infanterieregiment u. Jäger mit schwarzen Haarbüschen, graue (im Sommer weißleinene) Beinkleider, graue Mäntel; Linieninfanterie weißes, Jäger u. Füsiliere schwarzes Lederzeug; Auszeichnungen der Offiziere auf den Epaulettes, ähnlich den preußischen; Dienstzeichen: silberne Schärpe; bei den Unteroffizieren Auszeichnungen die preußischen. b) Cavallerie, besteht aus 1 Division Garde du Corps u. 2 Husarenregimentern, so wie 1 Detachement Gardegendarmerie. Im Kriegsstande bildet die Garde du Corps 2 Escadron Kürassiere u. zählt 304, das 1. Husarenregiment zu 4 Escadronen 595, das 2. zu 3 Escadronen 433 Manu; die gesammte Cavallerie bildet 1 Brigade unter 1 Generalmajor. Bewaffnung der Garde du Corps: gelbe Kürasse, Pallasche, Karabiner u. 2 Pistolen; Uniform derselben: weiße Collets mit ponceaurothen Kragen u. Aufschlägen, weißen Knöpfen, Achselklappen u. Litzen, graue Reithosen, graue Mäntel, Helme mit weißen Beschlägen u. weißen Haarbüschen, weißes Lederzeug; zum gewöhnlichen Dienste dunkelblaue Collets mit rothen Kragen u. weißen Achselklappen. Bewaffnung der Husaren: gekrümmter Säbel, Karabiner u. 1 Pistole; Uniform: hell- u. dunkelblaue Pelze u. Dollmans mit weißen Schnüren u. Knöpfen, graue Reithosen u. Mäntel, Pelzmützen mit rothen Kolpacks, weißen Tordons u. Fangschnüren u. weißen Haarbüschen, weißes Lederzeug. c) Artillerie, aus 3 Fuß- u. 1 reitenden Batterie, 1 Handwerker- u. 1 Pioniercompagnie u. im Kriege noch einer Munitionscolonne bestehend; die ganze Artillerie mit den Pionnieren (94 Mann) zählt mit Stab 835 Mann u. bildet 1 Brigade; jede Batterie besteht aus 6 sechspfündigen (die eine Fußbatterie aus 6 zwölfpfündigen) Kanonen u. 2 siebenpfündigen Haubitzen. Bewaffnung der Fußartillerie: Säbel wie die Infanterie, doch etwas länger; der reitenden: gekrümmter Säbel u. 1 Pistole; Uniform: dunkelblaue Waffenröcke, schwarz aufgeschlagen, mit ponceaurothen Achselklappen u. gelben (bei den Pionnieren weißen) Knöpfen, graue Hosen u. Mantel, Helme mit gelben (bei den Pionnieren weißen) Beschlägen u. schwarzen Haarbüschen, weißes (die Pionniere schwarzes) Lederzeug. Das Bundescontingent beträgt 6626 M. u. 1893 M. Reserve. Diese Truppen bilden mit Nassau die zweite Division des neunten Armeecorps. Außerdem bestehen noch andere militärisch organisirte Corps, nämlich: d) Schweizerleibgarde, 16 Mann zur Bewachung der Löwenburg u. des kurfürstlichen Residenzschlosses. Uniform: dunkelblau, ponceauroth aufgeschlagen, mit weißen Achselklappen u. Litzen; Bärenmützen, weißes Lederzeug. e) Garnisonstruppen, Halbinvaliden, in zwei Compagnien. f) Invalidencompagnie im Invalidenhaus in Karlshafen; unbestimmte Zahl von Offizieren u. Soldaten. g) Gendarmerie, als Gardegendarmerie, zu Ordonnanzen für den Kurfürsten u. zur Polizei in den Schlössern, u. Landgendarmerie (Offiziere u. Gendarmen) zu Pferd u. zu Fuß. Uniform: dunkelgrüner Waffenrock mit kornblumenblauem Kragen u. Aufschlägen, rothem Vorstoß, gelben Knöpfen u. Litzen, Helm mit gelben Beschlägen, die Gardegendarmerie mit weißen, die Landgendarmerie mit schwarzen Haarbüschen; weißes Lederzeug. h) Cadetten haus in Kassel, für 20–30 Zöglinge, die nach dem Offizierexamen als Portepéesändrich eintreten. Jeder ist in Kurhessen zum Militärdienst pflichtig; das Loos entscheidet, wer eintritt. Dienstzeit vom zurückgelegten 20. bis zum vollendeten 30. Lebensjahr; Dienstleistung in zwei Aufgeboten, wovon das erste (bis zum 25. Jahr) die active, das zweite im Kriege die Ergänzungsmannschaft bildet. Stellvertretung ist soweit gestattet, daß Pflichtige des ersten Aufgebots durch Leute des zweiten sich im ersten vertreten lassen können. Die Generalität besteht aus 1 Generallieutenant u. 5 Generalmajors; die Adjutantur aus 1 Generaladjutant u. 3 Flügeladjutanten. Der Generalstab besteht aus 1 Generalmajor, 1 Oberstlieutenant, 1 Major, 4 Hauptleuten u. 1 Premierlieutenant. Festungen: keine, denn Spangenberg u. das Castell in Kassel sind nur als Staatsgefängnisse zu betrachten. Militäretablissements: [326] Zeughaus, Stückgießerei u. Bohrerei in Kassel, Gewehrfabrik in Schmalkalden. Feldzeichen: weiß u. roth.

Orden u. Ehrenzeichen: Hausorden vom goldenen Löwen, s. Löwenorden; Militärverdienstorden (seit 1729); Orden vom eisernen Helm (seit 1814); Verdienstkreuz (seit 1820); Denkmedaille für Krieger, die dem Feldzug von 1814 u. 1815 beigewohnt; Dienstauszeichnungskreuz für Unteroffiziere u. Soldaten für 20-, 15- u. 10jähriger Dienstzeit (seit 1835); das am 16. März 1848 für 25jährige Dienstzeit (wobei die Kriegsjahre doppelt gezählt werden) gestiftete Dienstauszeichnungs kreuz ist ein goldenes Kreuz, auf der einen Seite mit F. W. I. u. der Krone, auf der anderen Seite mit der Zahl XXV u. wird an carmoisinrothem gelbgerändertem Bande getragen. Wappen: Hauptschild mit Königskrone u. gekröntem silbernem Löwen als Schildhaltern; es hat 11 Specialwappen in drei Spalten: in der ersten Spalte ein schwarzes Pfahlkreuz in silbernem Felde (Fulda), darunter ein schwarz u. golden quergetheiltes Schild mit silbernem sechseckigem Stern im Schwarz (Ztegenhain), darunter ein goldnes Prälatenkreuz in blauem Felde (Fritzlar); in der mittleren Spalte ein quadrirtes goldnes Schild mit drei rothen, aufwärts gespitzten Sparren im ersten u. vierten Quartier (Hanau), ein viermal roth u. viermal golden abwechselnd getheiltes Feld im zweiten u. dritten Quartier (Rheineck), nebst einem roth u. golden quergetheilten Mittelschildchen (Münzenberg), darunter ein blaugekrönter u. blaugezüngelter rother Löwe im goldnen Grunde, darunter der viermal silbern u. viermal roth quergestreifte u. goldgekrönte Löwe (ohne Schwert, Unterschied vom großherzoglich hessischen Löwen, welcher ein Schwert trägt) in blauem Felde als Herzschild des ganzen Wappens; darunter zwei goldene Leoparden in rothem Felde (Dietz), darunter ein silbernes, in drei Stücke zerschnittenes Nesselblatt mit einem silbern u. roth quergetheilten Schilde, im Innern, so daß ein Nesselstück oberhalb des Schildes schwebt, während die beiden andern die Seiten desselben einnehmen, in den drei Zwischenräumen der Nesselstücke befinden sich drei silberne Nägel (Schaumburg); in der dritten Spalte ein rothes Patriarchenkreuz in silbernem Felde (Hersfeld), darunter ein schwarz u. golden quergestreiftes Schild mit zwei silbernen achteckigen Sternen im Schwarz (Nidda), darunter zwei eiserne Horizontalbalken in silbernem Felde (Isenburg). Münzen: Im Kurfürstenthum H., namentlich in der Provinz Niederhessen, wird gerechnet, seit der Norddeutschen Münzconvention vom 30. Juli 1838 u. dem Münzgesetz vom 14. Januar 1841, nach Thalern zu 30 Silbergroschen zu 12 Heller, in der Währung des 14 Thalerfußes (seit 1857 des 30 Thalerfußes); die frühere Rechnungsart bis 1841 war nach Thalern Courant zu 32 Albus zu 12 Heller od. zu 24 Groschen zu 16 Heller. In Oberhessen rechnet man nach Gulden zu 60 Kreuzer im 241/2, vordem im 24 Guldenfuß. Wirklich geprägte Münzen: a) frühere, in Gold: Ducaten, Pistolen zu 5, doppelte zu 10 Thlr.; in Silber: ganze, 1/2 u. 1/4 Conventionsthaler, 1/2, 1/4, 1/6, 1/8 u., 1/12, Thaler im Conventionsfuß, seit 1819 ganze, 1/2, 1/3, 1/6 Thaler (Landmünze) im Preußischen Courantfuß, als Silberscheidemünze 2 Albus u. gute Groschen; in Kupfer: 1, 2 u. 4, früher auch 6 u. 8 Hellerstücke. b) Neuere, in Gold: 5 Thalerstücke zu 54 Thaler u. 10 Thalerstücke zu 111/3 Thaler gesetzlichen Curs; in Silber: 2 Thaler (31/2 Gulden) als Vereinsmünze, Thaler u. 1/6 Thaler; als Scheidemünze 1/2, 1 u. 2 Silbergroschen; in Kupfer: 1 u. 2 Heller. Maße. Längenmaße: der kurhessische Normalfuß von 12 Fuß zu 12 Linien = 0,287699 Meter od. 127,536 Pariser Linien = 11 Rheinländische od. Preußische Zoll; die Ruthe hält 14 alte Kasseler Fuß (zu 126,3 Pariser Linien, welcher Fuß auch bei dem Chausseebau gebraucht wird); die Kasseler Elle = 0,5704 Meter od. 252,6 Pariser Linien, 100 Ellen = 85,595 Preußische Ellen. Garnmaß: die Haspel hat 4 Kasseler Ellen u. im Umkreise 3 Zoll; der Strang hat 30 Gebinde zu 40 Fäden od. 20 Gebinde zu 60 Fäden. Feldmaß: der Acker hat 150 Kasseler Quadratruthen = 0,934711 Preußische Morgen. Holzmaß: die Klafter im Kurfürstenthum ist 5 Fuß hoch, 5 Fuß breit u. 6 Fuß Scheitlänge; in der Provinz Hanau 6 Fuß hoch, 6 Fuß breit u. 4 Fuß Scheitlänge; die Welle Reißholz ist 6 Fuß lang u. hat 3 Fuß Umfang. Fruchtmaß: das Viertel hat 2 Scheffel od. 16 Metzen zu 4 Viertelmetzen, Becher od. Mäßchen; das Malter hat 4 Viertel; der Himten hat 4 Metzen. 1 Viertel = 8103,203 Pariser Cubikzoll od. 63/4 kurhessische Cubikfuß; 100 Kasseler Scheffel = 146,228 preußische Scheffel. Außerdem gelten noch 14 verschiedene Fruchtmaße im Lande; wie denn überhaupt in Kurhessen keine allgemeine Maß- u. Gewichtsordnung besteht. Für indirecte Abgaben von Branntwein u. Bier ist das alte Wormser Maß durch Ministerialbeschluß vom 31. October 1825 zu 100, ot Pariser Cubikzoll festgesetzt, deren 4 = 1 Eimer, 5 Eimer = 1 Anker, 4 Anker = 1 Ohm 6 Ohm 1 Fuder bilden. Für Besteuerung des inländischen Weins nach dem Gesetz vom 4. April 1832 u. des Branntweins für Schaumburg u. Schmalkalden gilt das preußische Maß, die Ohm zu 120 Quart od. 69,24 kurhessische Maß. Im gemeinen Leben gilt für diese Getränke, auch für Öl, Milch, das Wormser Maß nach der alten Aiche, theils zu 97,89, theils zu 98,67 Pariser Cubikzoll; doch hat jede Provinz wieder abweichende Maße, u. im Kleinhandel hat das Maß nur 81,1 Pariser Cubikzoll. Gewichte: Handelsgewicht zerfällt in Schwergewicht u. Leichtgewicht. Nach jenem hat ein Centner 108 Pfund zu 32 Loth; 1 Pfund = 484,24 französische Grammen, nach diesem 108 Pfund zu 32 Loth; 1 Pfund = 467,812 französische Grammen. Der Kleuder Wolle hat 21 schwere Pfund, der Stein Wolle in Kassel 22 leichte (Kölner) Pfund. Münzgewicht war seit 25. August 1837 die Kölnische Mark, seit 1857 das Zollpfund (1/2 Kilogramm); Gold- u. Silbergewicht ist die Kasseler Mark (1/2 Pfund Leichtgewicht = 233,906 Grammen) = 1,000216 preußische Mark; Medicinal- u. Apothekergewicht, das alte Nürnberger. Vgl. Nöding, Statistik, Topographie u. Geschichte des Hauses H-Kassel, Kass. 1836; Pfister, Landeskunde für Kurhessen, 2. Aufl. ebd. 1840; Landau, Beschreibung des Kurfürstenthums H., ebd. 1842; Buchner, Der Stamm der Hessen, Karlsr. 1844; Hildebrand, Statistische Mittheilungen über die volkswirthschaftlichen Zustände Kurhessens, Berl. 1853; Kurfürstlich hessisches Hof- u. Staatshandbuch für 1858 (erscheint alljährlich).[327]

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 323-328.
Lizenz:
Faksimiles:
323 | 324 | 325 | 326 | 327 | 328
Kategorien:

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Miß Sara Sampson. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die tugendhafte Sara Sampson macht die Bekanntschaft des Lebemannes Mellefont, der sie entführt und sie heiraten will. Sara gerät in schwere Gewissenskonflikte und schließlich wird sie Opfer der intriganten Marwood, der Ex-Geliebten Mellefonts. Das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel ist bereits bei seiner Uraufführung 1755 in Frankfurt an der Oder ein großer Publikumserfolg.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon