Preussen

Preussen

[561] Preussen. Der preuß. Staat umfaßt ein Gebiet von 5085 ! M. mit 14,271,530 Einw. (zu Ende 1838), das aus zwei, vom Herzogthum Braunschweig, Königreich Hanover und Kurfürstenthum Hessen getrennten Haupttheilen und dem auch in Hinsicht der Verwaltung davon ganz abgesonderten Fürstenthum Neuenburg in der Schweiz besteht.

Schon hiernach würde er kein zusammenhängendes Ganze bilden, wenn auch nicht mehre kleine Theile desselben von einigen deutschen Staaten umschlossen, sowie Gebiete mehrer deutscher Souveraine, z.B. der Herzoge von Anhalt und Fürsten von Schwarzburg, von den preuß. Landen umgeben würden. Die größere östl. Hälfte wird, außer von mehren deutschen Ländern, in einer Länge von 104 M. durch das baltische Meer, 179 M. weit von Rußland und Polen und auf drei M. vom Gebiete von Krakau begrenzt. Die nicht deutschen Grenznachbarn der westl. Hälfte sind Frankreich auf 131/2, Belgien und die Niederlande auf 80 M. Unter den europ. Staaten gehört P. zu den fünf Großmächten und ist nach Umfang und Bewohnerzahl der zweite von den Staaten des deutschen Bundes, welchem es mit seinen sechs deutschen Provinzen Brandenburg, Pommern, Schlesien, Sachsen, Westfalen und Rheinland (3346 ! M. mit 10 Mill. Einw.) beigetreten ist. Das Stammland oder der Kern des preuß. Staates ist die Mark Brandenburg (s.d.), welche 1415 an das in P. noch herrschende Haus Hohenzollern (s.d.) kam und zu der bis auf die neueste Zeit durch Beerbung ausgestorbener regierender Geschlechter, Erbverbrüderungen, Mitbelehnung, Anwartschaft und Eroberung sehr verschiedenartige Landestheile mit den mannichfaltigsten Regierungsformen erworben wurden. Einen größern Zuwachs im Verhältnisse zu dem Gesammtgebiete der Monarchie als irgend ein anderer europ. Staat, erhielt P. seit Einführung der deutschen Kirchenverbesserung durch Einverleibung vormals geistlicher Landgebiete. Dahin gehören die ehemaligen Bisthümer und geistlichen Besitzungen Brandenburg, Havelberg, Lebus, Magdeburg, Halberstadt, Minden, Kamin, Paderborn, Quedlinburg, Erfurt, das Eichsfeld, Werden, Münster u.a.m., sowie die größten und besten Theile der frühern geistlichen Kurfürstenthümer Trier und Köln, zu dem auch Westfalen gehörte. Ja selbst das Land, von welchem der ganze Staat den Namen führt, war Besitzthum eines geistlichen, und zwar des deutschen Ritterordens, bevor es 1525 in Folge der Kirchenverbesserung vom Hochmeister Albrecht von Brandenburg aus der fränkischen Linie der Hohenzollern, in ein weltliches, von Polen aber als Lehn abhängiges Herzogthum verwandelt wurde.

Dieses eigentliche Preußen (Borussia), welches sich von den Ufern der Weichsel bis zu denen der Memel als ein Küstenland der Ostsee hinzieht, war zwar als Fundort des Bernsteins den Alten schon mehre Jahrh. v. Chr. bekannt, von seinen Bewohnern besitzen wir aber, bis auf die Namen von einigen dort als heimisch angegebenen Völkern, keine genauern Nachrichten. Dahin gehören die Gepiden und die Ästyer (vielleicht Esthen), welche den Bernstein sammelten, im 5. Jahrh. eine Gesandtschaft und Geschenke von Bernstein an den Ostgothenkönig Theoderich schickten und erst nach Karl's des Großen Zeit durch einwandernde slaw. Völkerschaften verdrängt oder unterworfen wurden. Der Name Prucia, Prutenia und Borussia kam nicht vor dem 10. Jahrh. für den Landstrich zwischen der Weichsel, dem Meere und der Memel auf, wo auch von der damals gegründeten Mark Nordsachsen aus, welche Benennung später in die der Mark Brandenburg überging, Versuche [561] zur Bekehrung der heidnischen Bewohner zum Christenthum gemacht worden. Diese gehorchten vorzugsweise ihren Priestern, deren vornehmster der Kriwe hieß, und hielten so fest an ihrem Aberglauben, daß der h. Adalbert (s.d.), der h. Bruno (s.d.) und andere Verkündiger der Christuslehre bei ihnen den Tod fanden und die wiederholten Versuche der Herzoge von Polen und von Masovien zur Bekehrung und Unterwerfung der Preußen fruchtlos blieben. Ja diese wurden dem Herzoge Konrad I. von Masovien so gefährlich, daß derselbe den deutschen Orden gegen sie zu Hülfe rief, welcher nach erhaltener Zusicherung des Besitzes aller in Preußen zu machenden Eroberungen, im J. 1230 die Bekämpfung der Preußen begann, sich deshalb 1237 noch mit dem Orden der Schwertbrüder in Liefland verband und durch kräftige Beihülfe von deutschen Fürsten und Rittern nach einem blutigen Kriege von 53 Jahren sich zum Herrn des Landes machte. Die meist niedergemachte oder entflohene Bevölkerung ward durch zahlreiche Einwanderer aus Deutschland und Polen ergänzt, übrigens den Eingeborenen, welche sich unterwarfen und Christen wurden, ihr Besitzthum gelassen und den Vornehmen selbst die Aufnahme in den Orden zugestanden. Zweckmäßige Begünstigungen beförderten die Begründung von Städten, das Aufblühen von Landbau, Handel und Gewerben, und deutsche Sprache und Sitte wurden bald die alleinherrschenden. Gelehrte Schulen wurden in Königsberg, Kulm, Marienburg gestiftet und nicht minder ward für Errichtung von gewöhnlichen Dorfschulen gesorgt. Dabei war die Macht des Ordens bis zu Anfang des 15. Jahrh. im Steigen, wo sein Gebiet auch am linken Weichselufer Pomerellen mit Danzig und andere Landstriche umfaßte, wozu 1402 die von Sigismund von Ungarn für 63,000 ungar. Gulden erkaufte brandenburg. Neumark kam. Von dieser Höhe sank aber der Orden schnell durch den zunehmenden Verfall der auch mit den veränderten Verhältnissen nicht mehr in angemessener Wechselwirkung stehenden innern Verfassung. So konnte er denn um so weniger in den von Zeit zu Zeit sich erneuernden Kämpfen mit Polen ferner die Oberhand behalten, da dieses durch die Vereinigung mit Lithauen unter einem Beherrscher (1386) einen wichtigen Zuwachs an Macht erhalten hatte. Dazu kam die Unzufriedenheit von Land und Städten mit der Ordensregierung, welcher von den letztern sogar 1450 der Gehorsam aufgekündigt wurde und die sich unter poln. Schutz stellten. Der Orden erneuerte zwar den Krieg wider Polen und verkaufte die Neumark 1455 an Brandenburg, um die Kriegskosten aufbringen zu können, mußte aber im Frieden zu Thorn 1466 Alles, bis auf Ostpreußen, an Polen abtreten und auch über dieses die Souverainetät und Lehnshoheit Polens anerkennen. Umsonst bestrebte sich der Orden, diese Oberherrlichkeit abzuwerfen und der 1511 zum Hochmeister erwählte Albrecht von Brandenburg verweigerte zwar den Lehnseid, blieb aber ohne Beistand von Seiten Deutschlands in dem deshalb begonnenen Kriege, dessen Aufwand die vom Heermeister der Schwertbrüder für Auflösung der bisherigen Abhängigkeit Lieflands vom deutschen Orden um diese Zeit erhaltene Summe nicht deckte. Die deutsche Kirchenverbesserung gewann inzwischen im Ordenslande zahlreiche Freunde und der Hochmeister Albrecht, welcher mit Luther und Melanchthon in nahe Beziehungen getreten war, bekannte sich endlich offen zu derselben, führte sie im Lande ein, welches der nicht damit zufriedene Theil des Ordens verließ (s. Deutscher Orden) und schloß mit dem Könige Sigismund von Polen am 8. Apr. 1525 zu Krakau einen Frieden, welcher ihm das Ordensland nach Niederlegung der Hochmeisterwürde als ein erbliches, aber von Polen lehnbares Herzogthum zutheilte. In die Zeit der Regierung dieses einsichtsvollen Fürsten gehört die Stiftung der Hochschule zu Königsberg im J. 1544, ein großer Misgriff desselben aber war die Einführung der Leibeigenschaft unter den Bewohnern des flachen Landes, welche während der Ordensherrschaft in viel günstigern Verhältnissen sich befunden hatten. Der unmündig (1568) zur Regierung gelangende Sohn Albrecht's, welcher später unheilbar blödsinnig wurde, lebte bis 1618 unter Vormundschaft, welche zuletzt seit 1603 die mitbelehnte Kurlinie Brandenburg führte, sodaß nach seinem Tode Preußen unter Zustimmung von Polen für immer an die Kurfürsten von Brandenburg fiel.

Dieses befand sich in einem durch die Raub- und Fehdelust des Adels und den Übermuth einiger Städte sehr zerrütteten Zustande, als Friedrich VI. von Hohenzollern 1411 zuerst als kais. Statthalter, im J. 1415 als Kurfürst Friedrich I. die Regierung übernahm. Allein als einer der einsichtsvollsten, entschlossensten und tapfersten deutschen Fürsten seiner Zeit, verstand er Ordnung und Ruhe herzustellen, dem gesunkenen Wohlstande des Landes aufzuhelfen und eine große Einheit der Regierungsgewalt im kurfürstl. Staate zu begründen, welche auch seine nächsten Nachfolger behaupteten und dadurch noch vor Ausgang des 15. Jahrh. das Ansehen der mächtigsten Fürsten im nördl. Deutschland errangen. Sein Sohn und Nachfolger Friedrich II., 1440–71, erwarb durch Kauf die Herrschaften Kottbus und Peiz, sowie die Neumark; dem Kurfürsten Albrecht, 1471–86, brachte sein Heldenmuth den Beinamen Achilles, seinem Sohne Johann, 1486–99, die Erfolge seiner Überredungskunst in einem Streite zwischen Polen, Böhmen und Ungarn über Schlesien, den Beinamen Cicero ein. Joachim I., 1499–1535, genannt Nestor, stiftete 1506 die Universität zu Frankfurt an der Oder und 1516 das Kammergericht zu Berlin, war aber ein so entschiedener Gegner der Reformation, daß er Luther'n trotz seines sichern Geleits während des Reichstages zu Worms gern den Feuertod hätte sterben sehen und 1529 und 1530 auf den Reichstagen zu Speier und Augsburg wider die Protestanten eiferte. Auf dem Todbette noch ließ er seine Söhne sich verschwören und verschreiben, daß sie die Reformation, der seine von ihm darum verstoßene Gemahlin Elisabeth von Dänemark anhing, nicht annehmen, noch in ihren Ländern verbreiten wollten, mit denen er 1524 die ansehnliche Grafschaft Ruppin vereinigt hatte. Sein Nachfolger Joachim II. 1535–71, hielt sich aber um so weniger an das dem sterbenden Vater gegebene Versprechen gebunden, als die Bevölkerung seiner Lande die Einführung der Reformation allgemein wünschte, die daher auch 1539 ohne die geringste Unruhe eintrat. Die Einverleibung der Bisthümer Brandenburg, Havelberg und Lebus erfolgte hierauf, sowie die Aufhebung der Klöster, deren Güter zum Theil der Universität, den Städten, den Nachkommen der Familien, welche dieselben ursprünglich geschenkt hatten, großen Theils aber auch verkauft wurden, doch ohne daß dadurch bei der Verschwendung und [562] Genußliebe des Kurfürsten die Verschuldung des Kurstaates gehindert worden wäre. Dem schmalkaldischen Bunde trat er nicht bei, beobachtete überhaupt in seinem Benehmen gegen den Kaiser die größte Mäßigung und überließ Sachsen und Hessen die Stelle an der Spitze der Protestanten. Dadurch blieb Brandenburg vom Kriege befreit und am Ende brachte ihm der bloße Beitritt zu dem von jenen errungenen Vertrage zu Passau (s.d.) und dem spätern augsburger Religionsfrieden dieselben Vortheile. Johann Georg, 1571–98, suchte durch Sparsamkeit die Verschwendung des Vaters gutzumachen und nachdem die drei Stände der Prälaten, Ritterschaft und Städte zu gleichen Theilen dessen hinterlassene Schulden von 21/2 Mill. Thlr. übernommen hatten, wurden binnen zehn Jahren sämmtliche Staatsschulden bezahlt. Der wohlwollende Joachim Friedrich, 1598–1608, fuhr fort, die innern Landesverhältnisse zu befestigen, enthielt sich aber nach außen aller nähern Theilnahme an den erneuerten kirchlichen Bewegungen, bei denen der Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz als Haupt der Protestanten in Deutschland auftrat. Unter Johann Sigismund, 1608–19, starb 1609 der letzte Herzog Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg, und der Kurfürst von Brandenburg, dessen Gemahlin eine Tochter der ältesten, an den blödsinnigen Herzog Albrecht Friedrich von Preußen vermählten Schwester jenes Johann Wilhelm war, sowie der Pfalzgraf von Neuburg, als Sohn der zweiten Schwester desselben, nahmen die ganze Erbschaft in Anspruch, auf welche aber auch die sächs. Häuser Anwartschaft besaßen. Da Kaiser Rudolf II. jedoch jene schönen Länder seinem Hause zuwenden und wenigstens Brandenburg ganz daraus zu verdrängen suchte, so bewarb sich Johann Sigismund um den Beistand der Niederländer und trat ihnen zu Gefallen 1614 von der lutherischen zur reformirten Kirche über, was aber seine lutherischen Unterthanen sehr unzufrieden machte und in Berlin bedeutende Bewegungen verursachte. Übrigens wurde jener schwierige Erbschaftsstreit erst 1666 durch endliche Theilung der Länder beschlossen, von denen das Herzogthum Cleve, die Grafschaften Mark und Ravensberg an Brandenburg kamen. Kurz vor dem Tode Johann Sigismund's trat auch die längst vorbereitete Vereinigung von Preußen (1618) mit Brandenburg ein, dessen politische Beziehungen durch diesen Erwerb im O., wie durch das jülichsche Erbe am Rhein an Ausdehnung und Wichtigkeit gleich sehr gewannen.

In den schweren Zeiten des dreißigjährigen Krieges hätte jedoch der vereinigte brandenburg.-preuß. Staat der kräftigen Leitung eines andern Fürsten bedurft, als der schwache Georg Wilhelm, 1619–40, war, welcher sich blindlings von seinem Minister, dem katholischen und dem kais. Hofe ergebenen Grafen Adam von Schwarzenberg, leiten ließ. Dieser diente allein dem östr. Interesse, von welchem Brandenburg nach der Ankunft Gustav Adolf's von Schweden sich nur gezwungen auf kurze Zeit trennte, um sich demselben nachher desto mehr wieder unterzuordnen, denn selbst die brandenburg. Truppen mußten nun 1637 auch dem Kaiser Treue und Gehorsam schwören. Von den kriegführenden Heeren abwechselnd heimgesucht und verheert, durch Seuchen und Mangel entvölkert, war der Staat verarmt und zerrüttet im Innern und ohne Ansehen nach außen, als Friedrich Wilhelm (s.d.), 1640–88, für Regierung kam. Die Entfernung des Ministers Schwarzenberg, der 1641 starb, und der Rücktritt von fernerer Theilnahme am Kriege gehörten zu den ersten Schritten dieses Fürsten, der sich durch seine Regierung den Beinamen des großen Kurfürsten erwarb und als eigentlicher Begründer der preuß. Monarchie zu betrachten ist. Seine wohlberechneten, mit Kraft durchgeführten Maßregeln halfen dem Lande wieder auf und der neugeordnete Staatshaushalt gab die nöthigen Mittel her, um sich der Abhängigkeit von Östreich mit Erfolg entschlagen und schon beim westfäl. Frieden eine so Achtung gebietende Stelle einnehmen zu können, daß seine Ansprüche auf Entschädigung wegen Pommern nicht überhört wurden. Dieses hätte nämlich nach frühern und mehrmals erneuten Erbverträgen bei dem Aussterben seiner Herzoge an Brandenburg fallen sollen, war aber von Schweden in Besitz genommen worden, welches auch jetzt den größern Theil behielt; nur ein Theil von Hinterpommern (s. Pommern), außerdem aber die bisherigen Bisthümer Halberstadt, Minden, Kamin und Magdeburg wurden Brandenburg zugetheilt, welches dadurch auch an der Mittelelbe eine wichtige Stellung gewann. Als 1655 zwischen dem auf den schwed. Thron gelangten Pfalzgrafen von Zweibrücken, Karl Gustav, und dem König Johann Kasimir von Polen der Krieg wegen der schwed. Thronfolge ausbrach, sah sich der Kurfürst zunächst wegen des bedrohten Herzogthums Preußen genöthigt, über dasselbe im Jan. 1656 die Lehnshoheit Schwedens anzuerkennen und im Jun. dessen Bundesgenosse gegen Polen zu werden, erhielt aber noch im Nov. in dem Vertrage zu Labiau die Souverainetät über Preußen und das Bisthum Ermeland zur Entschädigung für den geleisteten Beistand von Schweden zugesprochen. Im folgenden Jahre bewogen aber die Verhältnisse den Kurfürsten, sich von Schweden zu trennen und am 19. Sept. 1657 zu Welau Friede mit Polen und ein Bündniß zu schließen, wobei er nach Verzicht auf Ermeland und alle gemachten Eroberungen, von Polen selbst die Souverainetät und völlige Unabhängigkeit des Herzogthums Preußen anerkannt und auch eine Gebietsentschädigung erhielt. Diese Vortheile wurden durch den Frieden von Oliva (1660) gesichert und Preußens Unabhängigkeit von den europ. Mächten anerkannt; allein die preuß. Stände widersprachen nun der erlangten unumschränkten Gewalt und der Kurfürst konnte sie nur durch den 1663 mit ihnen abgeschlossenen Vertrag beschwichtigen, in welchem er blos die von Polen früher ausgeübten Rechte sich vorbehielt, demnach ohne Einwilligung der Stände keinen Krieg wegen Preußen führen, keine Veränderungen in ihren Rechten und in der protestantischen Kirche vornehmen und keine Steuern ausschreiben sollte, woran er sich aber bald nicht mehr band. Ihm gelang es auch, 1666 den schon erwähnten jülichschen Erbschaftsstreit völlig zu beendigen, und seinen Pflichten als Reichsstand getreu, lehnte er die Anträge Ludwig XIV. ab, und verbündete sich 1672 vielmehr mit den Niederländern und mit Östreich, sowie mit Spanien, das ansehnliche Hülfsgelder versprach, wider Frankreich. Der Einfall der mit Frankreich verbündeten Schweden in die brandenburg. Lande rief aber den Kurfürsten im Sommer 1675 mit seinem Heere vom Rhein zurück und nachdem er über die vom dreißigjährigen Kriege her noch in großem Rufe stehenden [563] Schweden am 18. Jun. den raschen Sieg bei Fehrbellin erfochten, eroberte er fast ganz schwed. Pommern. Auch aus Preußen vertrieb er im Jan. 1679 die von Liefland aus eingedrungenen Schweden, allein dennoch mußte er sich, verlassen von seinen zum Theil auf die von ihm errungenen Siege eifersüchtigen Bundesgenossen, im Jun. 1679 zu dem Frieden zu St.-Germain en Laye mit Frankreich und Schweden verstehen, der ihm nur einen kleinen Landstrich in Pommern und 800,000 Thlr. als Ersatz der Kriegsschäden zusicherte. Schon vorher hatte der Kurfürst Schritte zur Begründung einer Seemacht gethan, weshalb in Pillau eine Admiralität errichtet wurde, und da Spanien jetzt die versprochenen Hülfsgelder von 1,800,000 Thlr. nicht bezahlte, auch die dafür verlangte Insel Trinidad in Westindien nicht abtreten wollte, ließ er 1680 drei reichbeladene span. Schiffe von der brandenburg. Flotille wegnehmen und die Ladung verkaufen, ohne daß Spanien mit etwas Anderm wie mit einer diplomatischen Erklärung dawider aufgetreten wäre. Die auf einem 1682 erkauften kleinen Gebiet an der Küste von Guinea von ihm gegründete preuß. Colonie Friedrichsburg kam jedoch nicht empor und wurde später an Holland wieder verkauft. Erfolgreicher waren seine Bemühungen für Belebung von Handel, Verkehr, Landwirthschaft und Gewerbfleiß im Lande, wohin die Einführung der Posten, der Bau eines Kanals von der Oder zur Spree, und die Aufnahme zahlreicher, betriebsamer und unternehmender Einwanderer, welche aus der Schweiz, aus Savoyen, Böhmen, Schlesien, Westfalen und Holland meist wegen Religionsbedrückungen wegzogen, sowie der aus Östreich 1671 vertriebenen Juden, namentlich aber die Ansiedelung von mehr als 20,000 Hugenotten gehört, welche Frankreich nach Aufhebung des Edicts von Nantes (1685) verließen.

Die Regierung des seinem Vater in geistiger und leiblicher Beziehung weit nachstehenden Sohnes und Nachfolgers des großen Kurfürsten, Friedrich III., 1688–1713, ist vorzüglich dadurch denkwürdig, daß er sich am 18. Jan. 1701 zu Königsberg als König von Preußen die Krone aufsetzte. Der Staat wurde seitdem nach jener Provinz und der Kurfürst als König Friedrich I. (s.d.) benannt. Kostete dieser zunächst aus Eitelkeit hervorgegangene Schritt dem Lande auch große Opfer, so gewährte ihm die Anerkennung des neuen Ranges von Seiten der europ. Staaten doch eine so hohe und selbständige Stellung in der Reihe derselben, daß es nur des rechten Mannes bedurfte, um die Vortheile davon zu ernten. Die Stiftung der Universität Halle (1694) und der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, die Vergrößerung des Landes durch die ererbten Grafschaften Lingen und Meurs, durch Neuenburg (s.d.), den Ankauf von Quedlinburg und der Grafschaft Tecklenburg sind hier vortheilhaft anzumerken. Dagegen stürzten die Prunksucht des Königs und die Untreue seiner Günstlinge, verbunden mit dem Aufwande, welchen die Unterhaltung der für Östreichs Interessen im span. Erbfolgekriege am Rhein und in Italien kämpfenden preuß. Truppen verursachte, wozu sich Friedrich I. bei Erlangung der östr. Anerkennung seiner königl. Würde verpflichtet hatte, den Staat in Schulden. Eine Seuche, die 1709 gegen 250,000 Menschen in P. wegraffte, trug ebenfalls zur Erhöhung des Nothstandes bei, in welchem Friedrich Wilhelm I. (s.d.), 1713–40, dem Staat bei seinem Regierungsantritte fand. Dieser haushälterische, in seinem ganzen Wesen einfache und von seinen Umgebungen gleiche Einfachheit fodernde, unermüdlich thätige und die von ihm alsbald eingeführte Ordnung in der Landesverwaltung mit eiserner Strenge behauptende Fürst war sehr geeignet, die Verlegenheiten zu heben, in denen sich der Staat befand, und indem er nicht blos die Mittel zur Unterhaltung eines ansehnlichen und trefflich eingeübten Heeres zu finden, sondern auch noch einen ansehnlichen Schatz (8,700,000 Thlr. bei seinem Tode) zu sammeln verstand, dem Staate für das Ausland eine gesteigerte Bedeutung zu geben. Die Bevölkerung der von der Pest verödeten Provinzen ergänzte er durch zahlreiche Ansiedler und auch 18,000 aus Salzburg um ihres Glaubens willen vertriebene Protestanten fanden im preuß. Staat eine neue Heimat. Die Emporbringung der Landwirthschaft und nicht minder der Fabriken und Gewerbe war des Königs unablässige Sorge, doch war den letztern sowie dem Handel das strenge Formenwesen sehr hinderlich, in welches auch diese eine freiere Bewegung fodernden Zweige der Betriebsamkeit sich fügen sollten. Für die schönen Künste und höhere Wissenschaftlichkeit hatte Friedrich Wilhelm I. aber wenig Sinn, das unmittelbar Nützliche dagegen fand an ihm stets einen Beförderer. Über 1000 neue Volksschulen wurden von ihm gegründet und das Waisenhaus für Soldatenkinder in Potsdam, die Charité und ein Findelhaus in Berlin von ihm gestiftet. Vom Kriege hielt sich der König fern, sah sich aber doch 1715 genöthigt, gegen Karl XII. von Schweden mit aufzutreten, worauf ein großer Theil von schwed. Pommern von den Preußen erobert und im Frieden zu Stockholm (1720) gegen 2 Mill. Thlr., Stettin mit Vorpommern bis zur Peene an Preußen abgetreten wurde. Außerdem erhielt der Staat unter Friedrich Wilhelm I. einen Zuwachs durch einen Theil von Geldern als Entschädigung für die im utrechter Frieden (1713) an Frankreich abgetretenen Ansprüche auf das Fürstenthum Oranien (s.d.) und durch die Grafschaft Limburg. Friedrich Wilhelm I. hatte sich vorzüglich durch das Versprechen, ihm beim nahen Erlöschen des pfalz-neuburgschen Mannsstammes zur Erwerbung von Jülich und Berg behülflich zu sein, bewegen lassen, Preußen von Neuem ans östr. Interesse zu binden. Von dieser unvortheilhaften Richtung kehrte sein großer Sohn und Nachfolger Friedrich II. (s.d.), 1740–86, nach dem Beispiele des großen Kurfürsten, alsbald zur selbständigen Leitung der Politik Preußens zurück, das er in die Reihe der Mächte ersten Ranges einführte. Sein Vater hatte ihm ein schlagfertiges Heer von 72,000 M. hinterlassen und auf dieses gestützt foderte er von der zur Regierung gelangten Maria Theresia (s.d.) die Anerkennung seiner Erbansprüche auf die schles. Fürstenthümer Jägerndorf, Liegnitz, Brieg und Wohlau, welche im 17. Jahrh. von Östreich als verfallene Lehen eingezogen worden waren. Indessen hatte der große Kurfürst 1686 als Entschädigung dafür den schwibuffer Kreis erhalten, den jedoch Friedrich I. in Folge eines noch als Erbprinz eingegangenen geheimen Vertrags 1694 an Östreich zurückgab. Dennoch foderte auf diese Verhältnisse hin Friedrich II. jetzt die Abtretung von Niederschlesien, bot aber dagegen 2 Mill. Thlr. und neben seiner Stimme zur Kaiserwahl für den Gemahl der Maria Theresia, auch ein Bündniß zur Gewährleistung der deutschen östr. Staaten. Während er aber deshalb in Wien unterhandeln ließ, besetzte er [564] auch im Dec. 1740 einen Theil von Niederschlesien und als hierauf seine Vorschläge verworfen wurden, kam es zum ersten schles. Kriege, welcher im Frieden von Berlin (28. Jul. 1742) die Abtretung von Nieder- und fast ganz Oberschlesien mit der Grafschaft Glatz an Preußen zu Folge hatte. Die raschen Erfolge der preuß. Waffen beschleunigten auch den Ausbruch des östr. Erbfolgekrieges (1741), an welchem Friedrich II. zum zweiten Male als Bundesgenosse von Frankreich, von Kaiser Karl VII., vom Kurfürsten von der Pfalz und Landgrafen von Hessen, durch Eröffnung des zweiten schles. Krieges im Aug. 1744 Theil nahm. Der im Dec. 1745 mit Östreich abermals hergestellte Friede gewährleistete für P. den Besitz von Schlesien und Friedrich II. trat nun von dem erst 1748 beendigten Erbfolgekriege zurück, und wirkte für die innere Fortbildung seiner Staaten, die 1744 auch durch den Anfall von Ostfriesland vermehrt worden waren. Zugleich ließ er es aber auch nicht an Vorkehrungen für den Fall eines neuen Kampfes fehlen, da Östreich den Verlust Schlesiens keineswegs vergessen zu wollen schien und mit Rußland und Sachsen deshalb wiederholt verhandelte, was Friedrich II. im Aug. 1756 zur Eröffnung des siebenjährigen Kriegs (s.d.) bewog. Der Friede zu Hubertusburg beendigte im Febr. 1763 diesen Kampf, der für Preußen zwar mit großen Opfern verbunden war, jedoch den Besitz von Schlesien abermals bestätigte und für das politische Ansehen, namentlich Östreich gegenüber, und die nationale Einigung der preuß. Lande von unberechenbaren Folgen war. Von jetzt an ging die Hauptsorge Friedrich II. dahin, diese Vortheile zu befestigen und zunächst den Zustand des von den Drangsalen des Krieges arg mitgenommenen Landes zu heben, denn während desselben war abwechselnd fast immer die Hälfte der preuß. Gebiete in Feindeshand gewesen. In der That besaß er auch noch so große Hülfsmittel und nahm so wohlberechnete Maßregeln, daß sich nicht nur in Kurzem die allgemeine Bedrängniß wesentlich verminderte, sondern auch einem rasch zunehmenden Wohlstande Raum gab. Unermüdlich in der Sorge für das Beste des Staats, ließ der König Heerstraßen und Kanäle bauen, Flüsse schiffbar machen, Moräste austrocknen, in Berlin und Potsdam prächtige Bauten aufführen, unterstützte Gewerbfleiß und Landwirthschaft auf das kräftigste, verbesserte die Rechtspflege, trat dem Aberglauben und Vorurtheile entgegen und handelte ganz im Sinne der von ihm auch öffentlich ausgesprochenen Ansichten: daß der Fürst des Staates erster Diener und das Volk nicht um des Fürsten willen, sondern dieser des Volkes wegen da sei. So sehr durchgängig Alles von seinem persönlichen Willen geleitet wurde, hat doch keiner von seinen fürstlichen Zeitgenossen so viel Streben nach Unparteilichkeit (s. Joh. Arnold) und solche Achtung vor der geltenden Verfassung und vor herkömmlichen Rechten bewiesen. Nach außen hatte Friedrich II. seit 1764 an Rußland einen mächtigen Bundesgenossen erhalten, durch den er bei der ersten Theilung von Polen (1772) fast ganz Westpreußen, jedoch ohne Danzig und Thorn, und einen Theil von Großpolen, den sogenannten Netzdistrict erwarb und so die geographische Vereinigung der brandenburg. und preuß. Lande bewirkte Doch sah er deshalb den Vergrößerungsplänen anderer Staaten nicht gleichgültig zu und als bei Gelegenheit des Erbanfalls von Baiern (s.d.) an den Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, Östreich die Abtretung von Baiern durch einen Vertrag vom 3. Jan. 1778 schon erlangt hatte, schritt Friedrich II. zur Erhaltung der dadurch bedrohten deutschen Reichsverfassung mit den Waffen ein und der Friede zu Teschen, welcher im Mai 1779 den bair. Erbfolgekrieg beendigte, ohne daß es zu einer Schlacht gekommen war, bestimmte die Aufhebung jenes Vertrags und sicherte dem pfälz. Hause den Besitz von Baiern. Ebenfalls zur Verhütung ähnlicher Pläne Östreichs stiftete Friedrich II. noch 1785, ein Jahr vor seinem Tode, den deutschen Fürstenbund (s.d.).

Unter der Regierung seines Nachfolgers Friedrich Wilhelm II. (s.d.), 1786–97, ging der Staat in seinen innern und äußern Verhältnissen wesentlich zurück. Verschwendung trat an die Stelle der weisen Sparsamkeit, und der von Friedrich II. hinterlassene Schatz (über 70 Mill. Thlr.) ward nicht blos erschöpft, sondern es wurden noch 28 Mill. Thlr. Schulden dem Staate aufgebürdet, ungeachtet dessen Einkünfte durch den Anfall der Fürstenthümer Anspach und Baireuth (s.d.), die Erwerbung von Danzig, Thorn und einem ansehnlichen Gebiete (1060 ! M.) unter den Namen Südpreußen bei der zweiten, von Warschau und 977 ! M. bei der letzten Theilung des mit P. verbündet gewesenen, aber doch aufgeopferten Polens (s.d.) vermehrt wurden. Der geistigen Entwickelung traten Beschränkung der freien Meinungsäußerung durch die Presse und dem Wesen des Protestantismus widersprechende Eingriffe in das Gebiet der religiösen und kirchlichen Freiheit durch das mit allgemeinem Unwillen aufgenommene Religionsedict von 1788 hemmend in den Weg, und der König selbst ließ sich sogar durch abergläubige Gaukeleien, angebliche Geisterbeschwörungen u. dergl. m. seiner Vertrauten leiten. Daneben geschah jedoch manches Zeitgemäße, wie die Einführung des von Friedrich II. vorbereiteten neuen Gesetzbuches unter dem Titel des Allgemeinen Landrechts (1794) und die Stiftung eines Oberschulcollegiums für die Leitung des gesammten Schul- und Erziehungswesens. Auch genoß der Staat noch anfangs die volle Achtung von Friedrich II. her und trat wiederholt als Vermittler und Schiedsrichter auf. Ein preuß. Heer unterdrückte 1787 die Unruhen der Patrioten in den Niederlanden (s.d.), in Gemeinschaft mit England wurde Dänemark 1788 genöthigt, den im russ. Interesse begonnenen Angriff auf Schweden einzustellen und auf dem Congresse zu Reichenbach in Schlesien wurden von P., England und den Niederlanden die Bedingungen des Friedens bestimmt, welchen Östreich mit der Pforte schließen mußte. In Folge des im Febr. 1792 zu Berlin mit Östreich eingegangenen Bündnisses nahm P. von 1792–95 am Kriege mit dem von der Revolution bewegten Frankreich (s.d.) Theil, der aber bei dem geringen Einverständnisse zwischen den beiden deutschen Hauptmächten keine glückliche Wendung nahm. Erschöpft von den gemachten Anstrengungen schloß daher Friedrich Wilhelm II. im Apr. 1795 zu Basel einseitig Frieden mit der franz Republik und ließ bis zum allgemeinen Frieden seine Länder am linken Rheinufer im Besitze Frankreichs, in einem geheimen Vertrage vom 5. Aug. 1796 aber willigte er sogar vorläufig in die Abtretung derselben, wenn eine Entschädigung diesseits des Rheins erfolge. Indem P. hierauf gegen Frankreich vollkommen neutral blieb, entfremdete es sich die andern europ. Mächte unwillkürlich und büßte von seiner politischen Bedeutung[565] ein. Indeß erfolgte unter Friedrich Wilhelm III. (s.d.), der 1797 den Thron bestieg, nach einem besondern Vertrage vom 23. Mai 1802 mit Frankreich, die Erwerbung von Hildesheim, Paderborn, Münster, von Erfurt und allen kurmainz. Besitzungen in Thüringen, sowie der Reichsstädte Goslar, Mühlhausen und anderer Gebiete (etwa 240 ! M.) als Entschädigung für die abgetretenen Länder (46 ! M.) jenseit des Rheins. Auch von dem von Östreich und Rußland 1805 gegen Frankreich erneuerten Kriege hielt sich P. fern, als aber im Oct. franz. Truppen das neutrale preuß. Gebiet von Ansbach verletzten, wurde schnell das Heer in marschfertigen Stand gesetzt, den Russen der Durchzug durch P. erlaubt und an Napoleon erklärt, daß P. sich aller frühern Verpflichtungen gegen Frankreich für entbunden betrachte und den Frieden zwar sich zu erhalten wünsche und in Europa zu vermitteln suchen wolle, allein seine Heere die zur Vertheidigung seines Gebiets nöthig gewordene Stellung einnehmen lassen werde. Durch einen zu Potsdam (3. Nov. 1805) unterzeichneten Vertrag schloß P. sich an Rußland und Östreich für den Zweck an, Napoleon zur Herstellung der Verhältnisse bei Abschluß des Friedens von Luneville zu nöthigen. Dieser aber ließ sich über die deshalb von P. gemachten Vorschläge in keine Verhandlungen vor der Schlacht bei Austerlitz (2. Dec.) ein, welche dem Kampfe plötzlich ein Ziel setzte und den preuß. Abgeordneten Grafen Haugwitz bewog, durch den Vertrag zu Wien (15. Dec.) das frühere Bündniß P.'s mit Frankreich zu erneuern. Auch wurde an dieses Anspach, Kleve und Neuenburg von P. überlassen, welchem dagegen Hanover zufallen sollte. Indessen erfolgte die Ausführung dieses Ländertausches erst, nachdem P. vergeblich die Bedingungen desselben zu verändern sich bemüht und nicht nur die Bestätigung derselben in einem neuen Vertrage vom 15. Febr. 1806 eingegangen, sondern nothgedrungen auch bewilligt hatte, den brit. Schiffen die Häfen an der Nordsee zu sperren. Dies hatte zunächst die Wegnahme aller preuß. Schiffe in engl. Häfen und im Inn. 1806 eine engl. Kriegserklärung wider P. zur Folge, dessen Seehandel nun ganz ins Stocken gerieth und das von allen diesen Ereignissen ungeheure Verluste erlitt. Dazu gesellte sich die unwürdige Behandlung, welche Napoleon nach Auflösung des deutschen Reiches und Stiftung des Rheinbundes gegen das nun vereinzelt stehende P. sich erlaubte, dessen beabsichtigte Gründung eines nordischen Bundes, welcher die noch nicht zum Rheinbund gehörigen deutschen Staaten vereinigen sollte, er entschieden verhinderte. Die treulose franz. Politik bot sogar im Geheimen Großbritannien die Rückgabe von Hanover und selbst Rußland die Abtretung preuß. Provinzen an und P. griff daher endlich zu den Waffen, um seine mehr als bedrohte Unabhängigkeit wieder zu erlangen. Vorher stellte es jedoch an Frankreich noch Anträge auf Räumung Deutschlands durch die franz. Truppen, Aufhebung der dem nordischen Bunde entgegengesetzten Hindernisse und Abstellung einiger anderer Beschwerden, worauf Napoleon am 8. Oct. 1806 durch Eröffnung der Feindseligkeiten in Thüringen antwortete, wo sich die preuß., durch 22,000 Sachsen verstärkten Heere gesammelt hatten, während sich die Franzosen in Franken concentrirten. Zwar besaß P. einen zweiten Bundesgenossen an Rußland, allein die Heere desselben waren noch fern vom Kriegsschauplatze und daher der rasche Beginn des Kampfes für P. gefährlich. Dazu gesellte sich noch Mangel an Übereinstimmung der preuß. Heerführer, des Herzogs Ferdinand von Braunschweig (s.d.) und Fürsten von Hohenlohe, welche den Feind sehr falsch beurtheilten. Dieser benutzte die Nachlässigkeit seiner Gegner schnell für seine wohlberechneten Operationen und gewann am 14. Oct. die Doppelschlacht von Jena und Auerstädt (s.d.), welche die Zersprengung des preuß. Heeres, die schmachvoll schnelle Übergabe der preuß. Festungen an der Elbe, Spree und Oder und noch vor Ende Nov. die franz. Besetzung aller preuß. Landestheile bis an die Weichsel, einige schles. Festungen ausgenommen zur Folge hatte, sowie daß sämmtliche sächs. Fürsten sich im Dec. nothgedrungen dem Rheinbunde anschlossen. Jetzt traten zwar die verbündeten Russen mit dem Reste des preuß. Heeres dem Sieger entgegen, aber die Schlachten bei Eylau (s.d.) und bei Friedland brachen auch den letzten Widerstand, die von England, mit welchem P. im Jan. 1807 sich nach Verzichtleistung auf Hanover versöhnt hatte, versprochene Hülfe blieb aus und der Friede zu Tilsit (9. Jul.) beendigte den Krieg unter den demüthigendsten Bedingungen für P., von dem selbst das verbündete Rußland den Kreis Bialystock abriß. Aus Achtung gegen den Kaiser Alexander, so erklärte Napoleon, gebe er die Hälfte der von P. gemachten Eroberungen zurück, welches Danzig und fast alle bei den Theilungen Polens erhaltenen Gebiete, sowie alle Länder zwischen Elbe und Rhein abtreten mußte. Daran schlossen sich noch andere außerordentliche Opfer, wie die Anerkennung von 140 Mill. Francs (von denen Napoleon 1808 zu Erfurt auf Alexander's Fürsprache 20 Mill. erließ) an Frankreich zu bezahlende Kriegskosten, die Anwesenheit zahlreicher franz. Truppen bis zu Ende 1808, wo aber in den Festungen Stettin, Küstrin und Glogau immer noch franz. Besatzungen zurückblieben, welche erst nach Abtragung jener Schuld abziehen sollten, und mehre andere harte Verhältnisse, ja sogar die Stärke des preuß. Heers wurde vom Übermuthe des Siegers für die nächste Zeit auf 42,000 M. beschränkt.

Hatte Friedrich Wilhelm III. schon bei seinem Regierungsantritte die wichtige Aufgabe zur Lösung vorgefunden, durch verbessernde Neugestaltung der Verwaltung die gesunkenen Kräfte des Staates und sein Ansehen nach außen wieder zu heben, so galt es nach dem Unglücke der letzten Zeit, unter weit bedrängtern Verhältnissen den Staat auf demselben Wege aus seiner hoffnungsarmen Lage zu retten. Der König fand dazu im Freiherrn von Stein (s.d.) und dessen Nachfolger, dem Staatskanzler und nachherigen Fürsten von Hardenberg (s.d.) die geeigneten Männer, welche in jener Zeit der Prüfung die zeitgemäße Umbildung der Staatseinrichtung überhaupt, sowie Scharnhorst und Gneisenau (s.d.) insbesondere die des Militairwesens mit glänzendem Erfolg betrieben. Das Volk unterstützte diese Bestrebungen durch treues Anschließen an den König und indem es ohne Murren jedes Opfer dem allgemeinen Besten darbrachte. Indem man von der seit 1808 allgemein zum Kriegsdienst verpflichteten jungen Mannschaft nur kurze Zeit immer eine bestimmte Zahl in den Waffen übte und die Eingeübten in die Heimat entließ, wurde eine Volksbewaffnung vorbereitet und dem Heere ein vaterländischer Geist und nationale Bedeutung gegeben. Schon im Oct. 1809 sprach der König aus, daß nur persönliche Verdienste [566] zur Anstellung im Staatsdienste und nicht die Geburt berechtigen solle, die Erbunterthänigkeit auf den königl. Domainen und Rittergütern hörte auf, die neue Städteordnung vom 19. Nov. 1808 übertrug Leitung und Verwaltung der städtischen Angelegenheiten und Vermögen den städtischen Behörden, die Bannrechte erloschen, der Zunftzwang und die Verkaufsmonopole der Bäcker-, Schlächter- und Hökergewerbe nahmen ein Ende, Protestanten und Katholiken wurden in Hinsicht politischer und bürgerlicher Rechte gleichgestellt. Die Staatsbehörden erhielten eine neue Verfassung, die Oberlandesgerichte wurden eingesetzt, eine neue Universität zu Berlin (1809) gegründet, das Turnen eingeführt, den Juden (1812) bürgerliche Rechte ertheilt und noch viele andere, auf zeitgemäße Art in das innerste Wesen des Staatslebens eingreifende Schritte gethan. Als jedoch Napoleon 1812 den Krieg mit Rußland begann, mußte auch P. Hülfstruppen dazu stellen und hatte unsaglich von den Durchzügen franz. Heeresmassen zu leiden. Nachdem aber die gänzliche Niederlage derselben offenbar wurde, General York mit dem preuß. Hülfscorps ganz im Sinne der Volksstimmung an die Russen sich anschloß und diese selbst die preuß. Grenze überschritten, hielt auch der König nicht länger zurück, sondern verbündete sich in dem Vertrage zu Kalisch (28. Febr. 1813) entschieden mit Rußland. Am 16. März erging hierauf die preuß. Kriegserklärung gegen Frankreich und am 17. jener denkwürdige Aufruf an Volk und Heer, welcher alle Classen der Bevölkerung zu jedem Opfer für das Vaterland begeisterte. Der Orden vom eisernen Kreuze wurde zur Belohnung des Verdienstes in diesem Kampfe gestiftet, die Landwehr organisirt und gestützt auf Rußland, ward P. der ruhmvolle Vorkämpfer im deutschen Befreiungskriege (s. Deutschland und Frankreich), welcher nach Großbritanniens und Östreichs Beitritt zu der Verbindung wider Frankreich, 1814 auf dessen Gebiet ausgefochten und in seiner eroberten Hauptstadt durch den ersten pariser Frieden (30. Mai) beendigt wurde. Der Congreß zu Wien gewährte hierauf P. die auch im Vertrage von Kalisch und später wiederholt versprochene Herstellung in seinem Länderbestande von 1806, indem er ihm als Entschädigung für einen an Rußland überlassenen Theil von den aus den Theilungen Polens erworbenen Provinzen und die an Baiern gekommenen Fürstenthümer Anspach und Baireuth, vom Königreiche Sachsen ungefähr 373 ! M. mit 845,000 Einw. unter dem Namen Herzogthum Sachsen, das Großherzogthum Berg, die meisten Lande der ehemaligen Kurfürstenthümer von Trier und Köln am linken Rheinufer, das Fürstenthum Fulda (welches aber größtentheils an Kurhessen vertauscht wurde), sowie mehre andere Gebiete zutheilte. Ebenso trat P. Ostfriesland, Hildesheim mit Goslar und mehre kleine Bezirke an Hanover gegen den am rechten Elbufer gelegenen Theil von Lauenburg ab, für welchen und die Summe von 2,600,000 Thlr. von Dänemark das diesem damals zugefallene schwed. Pommern, sowie außerdem von Hessen-Darmstadt das Herzogthum Westfalen gegen ein jenseit des Rheins gelegenes Gebiet (Rheinhessen), von Nassau durch Tausch mehres erworben ward. An der Verfassung der deutschen Bundesacte hatte P. wesentlich Theil und trat dem deutschen Bunde mit seinen deutschen Provinzen bei. Als Napoleon noch während der Congreßverhandlungen von Elba zurückkehrte, schloß sich P. der sofort gegen ihn erneuerten Verbindung von Östreich, Rußland und Großbritannien an und die Schlacht bei Waterloo (s.d.) ward durch das Herbeikommen der Preußen unter Blücher entschieden. Der zweite pariser Friede (20. Nov. 1815) ward jedoch Frankreich nicht auf so leichte Bedingung bewilligt, als der erste, und P. erhielt von den erfolgten Abtretungen die Cantone Saarbrücken und Arneval mit einem ansehnlichen Theile des franz. Saardepartements, sowie 125 Mill. Francs von der von Frankreich zu zahlenden Geldentschädigung; auch blieben 30,000 M. Preußen bei dem unter Wellington's Befehlen in den franz. Grenzländern und Festungen aufgestellten Beobachtungsheere bis 1817 zurück.

Der nun folgende, anhaltende Friede gestattete mit dem Bemühen, die Nachwehen der langen Kriegsjahre auszugleichen, die seit dem tilsiter Frieden begonnene Umbildung der innern Staatseinrichtungen zu verbinden, wozu die Nothwendigkeit um so mehr auffoderte, die vielerlei Verwaltungsformen der erworbenen neuen Provinzen in Einklang zu bringen. Die neue geographische und administrative Eintheilung der Monarchie in Provinzen erfolgte, an deren Spitze Oberpräsidenten stehen und die zunächst in Regierungsbezirke, deren jeder von einer collegialisch wirkenden Regierung verwaltet wird, die Regierungsbezirke in Kreise (an deren Spitze ein Landrath, welcher von den Gutsbesitzern gewählt, vom König bestätigt und von den aus allen Rittergutsbesitzern eines Kreises, einer Anzahl von städtischen und drei bäuerlichen Abgeordneten gebildeten Versammlungen der Kreisstände in der Kreisverwaltung unterstützt wird), diese endlich in Stadt- und Landgemeinden zerfallen. Als höchste berathende Staatsbehörde wurde 1817 der Staatsrath gegründet, welcher aus den mindestens 18 Jahre alten Prinzen des königl. Hauses, aus Staatsdienern, welche durch ihr Amt demselben angehören, wie die Staatsminister, der Generalpostmeister, Chef des geheimen Obertribunals, Präsident der Oberrechnungskammer, die königl. geheimen Cabinetsräthe, die commandirenden Generale, die Oberpräsidenten und Andere, sowie aus vom besondern Vertrauen des Königs in denselben berufenen Mitgliedern besteht und in welchem der König oder ein von ihm dazu in seiner Abwesenheit bestimmtes Mitglied den Vorsitz führt. Unter den verwaltenden Behörden trat obenan das Staatsministerium, welches aus dem Kronprinzen und sämmtlichen Staatsministern besteht und eine übersichtliche allgemeine Leitung der von jedem Minister abgesondert vertretenen Zweige der Verwaltung führt. Das neugeordnete Steuer- und Abgabenwesen wurde weiter ausgebildet und von allen vorher befreiten Grundstücken, sowie von den königl. Domainen seitdem die alte Grundsteuer erhoben. Eine allgemeine Verbrauchssteuer von ausländischen Waaren und wegen ihrer Erhebung eine Zolllinie an den Grenzen wurde 1818 eingerichtet und die Zweckmäßigkeit davon bewährte sich so, daß 1834 und 1835 die meisten deutschen Staaten außer Östreich und Hanover mit P. zu einem großen Zollverband (s.d.) zusammentraten und dadurch ihre industriellen Interessen mit dem preuß. vereinigten. Allgemeine Anerkennung fand die ausgezeichnete Ordnung des Staatshaushalts und die pünktliche Verwaltung der Staatsschulden, welche einer besondern Behörde unter dem Namen Hauptverwaltung der Staatsschulden obliegt und die sich bis auf ungefähr 172 Mill. Thlr. vermindert haben. Die militairischen Einrichtungen P.'s sind nicht [567] weniger ausgezeichnet und setzen es in den Stand, über 500,000 M. zur Vertheidigung des Staats aufstellen zu können, zu welcher vom 20. Jahre an jeder Eingeborene gesetzlich verpflichtet ist. Die Streitmacht selbst zerfällt in das stehende Heer (122,000 M.), welches aus Denen, die den Kriegerstand als Beruf erwählen und aus aller waffenfähigen Mannschaft von 20–25 Jahren besteht, welche letztere dabei drei Jahre dienen und dann auf zwei Jahre als Kriegsreserve entlassen wird. Indeß wird jungen Leuten aus gebildeten Ständen, welche sich selbst ausrüsten und erhalten, auf Verlangen schon nach einjährigem Dienste die Entlassung zur Kriegsreserve ertheilt, von der sie nach dem dritten Dienstjahre zur Landwehr des ersten Aufgebots übergehen, zu welcher außerdem alle eingeübte und diensttüchtige Mannschaft vom 26.–32. Jahre gehört. Sie wird einmal des Jahres zu größern Übungen versammelt und während derselben besoldet, sowie aus den Landwehrmagazinen und Zeughäusern bekleidet und bewaffnet, zählt mit der Kriegsreserve 228,100 M. und dient im Kriege gleich dem stehenden Heere im In- und Auslande, mit dessen Offiziercorps auch das der Landwehr gleichen Rang und gleiche Rechte hat. Die Landwehr des zweiten Aufgebotes ist im Kriege vorzugsweise zur Verstärkung der Besatzungen und Sicherstellung der Provinzen bestimmt, kann aber auch zum Heere gezogen werden und besteht aus allen waffenfähigen Männern bis zum 39. Jahre und wird im Frieden blos in kleinen Abtheilungen an einzelnen Tagen in ihrer Heimat versammelt. Den Landsturm endlich, welcher blos in dem Augenblicke auf königl. Befehl zusammentritt, wo der Feind eine Provinz besetzen will, machen alle nicht den frühern Abtheilungen angehörige, taugliche Männer und junge Leute unter 20 Jahren aus. Im Gebiete der Rechtspflege, welche unausgesetzt Gegenstand von Verbesserungen war, ist neuerdings hauptsächlich (1835) durch Einführung eines mündlichen Verfahrens beim summarischen und Bagatellproceß und der Schiedsrichter, die Beschleunigung vieler Streitsachen erlangt worden. Die letzten werden von den Bürgern gewählt, von der Regierung bestätigt und suchen auf Antrag der Parteien die gütliche Schlichtung streitiger Verhältnisse zu vermitteln. Indessen herrscht in Bezug auf die Gerichtsverfassung noch keine völlige Übereinstimmung und in der Rheinprovinz gilt z.B. das franz. Recht mit Geschworenengerichten, in einem Theile von Pommern noch die gemeine deutsche Gerichtsverfassung, in den übrigen Landestheilen aber die allgemeine preuß. Gerichtsordnung und das Landrecht; allein auch die Provinzialgesetze und Gewohnheiten sind daneben in den Fällen wirksam, wo jene Gesetze keine Bestimmungen enthalten. Für alle Verbrechen, bei denen es auf den Umsturz der Staatsverfassung und Störung der öffentlichen Ordnung abgesehen ist, wurde 1835 das Kammergericht zu Berlin als alleiniger Gerichtshof bestimmt. Die kirchlichen und Religionsverhältnisse überhaupt wurden von der Regierung stets besonders beachtet. Nachdem frühere und wiederholte Versuche des Staats, eine Vereinigung der Protestanten und Reformirten zu bewirken, immer gescheitert waren, kam eine solche Union am Reformationsfeste 1817 bis auf wenige Ausnahmen doch endlich zu Stande. Als hierauf das Bedürfniß einer neuen Anordnung der kirchlichen Gebräuche sich herausstellte, erließ der König eine mit dem Cultusministerium und mehren dazu gezogenen Geistlichen abgefaßte Kirchenagende (s. Kirche), deren Annahme den Gemeinden aber nicht immer nur empfohlen, sondern auch durch dringendere und viellicht mit der Religionsfreiheit nicht immer verträgliche Mittel betrieben wurde, daher auch der Widerstand einzelner, der Union und Agende abgeneigter Gemeinden sich eher mehrte als verminderte und jüngst die Auswanderung nach Amerika einiger hundert sogenannter Altlutheraner besonders aus Schlesien zur Folge gehabt hat. Auch bildeten sich, zum Theil begünstigt von hochgestellten Personen, hin und wieder pietistische Sekten, deren manche durch die grobe Ausartung ihrer sinnlich-religiösen Richtung das Einschreiten des Staats nothwendig machte, wie z.B. gegen die sogenannten Mucker in Königsberg. In den Provinzen werden die Angelegenheiten der evangelischen Kirche, zu der sich 81/2 Mill. Einw. bekennen, von den Consistorien, den Generalsuperintendenten und den damit beauftragten Abtheilungen der Regierung geleitet. Die Geistlichen jedes Superintendenturbezirks bilden unter dem Vorsitze des Superintendenten eine Kreissynode, die Superintendenten einer Provinz, unter Vorsitz eines Generalsuperintendenten, eine Provinzialsynode. (S. Presbyter und Synode.) Was die katholische Kirche anlangt, welche über 5 Mill. Bekenner in P. zählt, so bestehen für dieselbe zufolge der vom König 1821 bestätigten päpstl. Bulle De salute animarum vom 16. Jul. 1821, zwei Erzbisthümer (von Gnesen und Posen und von Köln), von denen eins die östl. das andere die westl. Landestheile umfaßt, und sechs Bisthümer von Kulm, Trier, Münster, Paderborn, Breslau und Ermeland. Die beiden letztern stehen jedoch, von den Erzbischöfen unabhängig, unmittelbar unter dem Papste, und Ermeland besitzt noch seine frühern Güter und Einkünfte; von den übrigen Bischöfen bekömmt jeder 8000 Thlr., mit Ausnahme des Bischofs von Breslau, welcher mit den Erzbischöfen 12,000 Thlr. jährlich Gehalt bezieht; die Ausstattung der Capitel, in denen die Pröpste und Dechanten 2000–1800 Thlr. erhalten, kosten außerdem jährlich 95,700 Thlr., und auch die Kosten der bischöfl. Kanzleien werden vom Staate getragen. Hinsichtlich der Besetzung der ehemals poln. Bisthümer von Posen und Gnesen, von Kulm und Ermeland blieb der Regierung die frühere entscheidende Bestimmung, in den deutschen aber wurde das alte Wahlrecht wiederhergestellt und die Bestätigung der Wahl dem Papste üblassen; doch sollten nur dem Könige angenehme Personen zu Bischöfen und Erzbischöfen gewählt werden. Päpstliche Verordnungen bedürfen vor ihrer Vollziehung der Genehmigung der Regierung, durch deren Hände auch die von preuß. Unterthanen etwa an den Papst zu richtenden Gesuche gehen müssen. Die in neuerer Zeit auf anfangs geheimen Betrieb des röm. Stuhls erhobenen und in P. in offene Widersetzlichkeit mehrer Bischöfe gegen die Gesetze (namentlich in Betreff der Einsegnung von Ehen zwischen Katholiken und Protestanten) übergegangenen Anmaßungen der röm.-katholischen Kirche haben indeß zu der Überzeugung geführt, daß den bisherigen Vereinigungen mit dem päpstlichen Stuhle eine Auslegung gegeben wird, welche unverträglich mit den Rechten der evangelischen Glaubensgenossen und der Religionsfreiheit ist. Selbst die Entfernung (1837) des Erzbischofs von Köln Clemens August Droste zu Vischering, geb. 1773, und (1839) des Erzbischofs von Gnesen und Posen, Martin [568] von Dunin, geb. 1774, von ihren Sitzen und die Aufhebung ihrer amtlichen erzbischöflichen Wirksamkeit wurde nothwendig. Hierüber aber entstanden 1837 zwischen der preuß. Regierung und dem päpstl. Stuhle noch fortdauernde Irrungen, welche zu beendigen, die nach erfolgtem gerichtlichen Verfahren wider den Erzbischof von Gnesen und Posen und ausgesprochener Verurtheilung desselben, vom Papst unter Androhung größerer Beweise seiner Misbilligung im Jul. 1839 ausgesprochene Nichtigkeitserklärung jedes weltlichen Richterspruchs über denselben nicht geeignet scheint.

Die zum Besten des Bauernstandes seit 1807 im damaligen Gebiete der Monarchie eingeleitete Aufhebung der Erbunterthänigkeit, Ablösung der Hofedienste und Naturallasten und Erblichmachung der Bauer-und Kossäthenhöfe wurde besonders seit 1820 weiter ausgebildet und dazu 1821 auch eine Gemeinheitstheilungsordnung erlassen; das Städtewesen wurde durch Ertheilung der neuen oder sogenannten revidirten Städteordnung, weil sie nur eine theilweise Umgestaltung der ältern von 1808 ist, sowie durch die Berechtigung der Städte fortgebildet, gewählte Abgeordnete zu den Versammlungen der Provinzialstände zu schicken. Diese wurden nämlich 1823–24 durch besondere Gesetze für jede Provinz eingerichtet, nachdem Friedrich Wilhelm III. schon in dem Finanzedict vom 27. Oct. 1800 ausgesprochen hatte, daß er sowol den Provinzen, als auch der ganzen Nation eine zweckmäßige Repräsentation verleihen wolle und in der königl. Verordnung von 22. Mai 1815 dies nicht nur wiederholt, sondern auch die Ausführung und die Ausarbeitung einer Verfassungsurkunde nach dazu angeführten Grundsätzen bestimmt angeordnet hatte. Die Wählbarkeit zu Mitgliedern dieser Provinzialständeversammlungen ist im Allgemeinen vom zehnjährigen Grundbesitze, Bekenntniß der christlichen Religion und Vollendung des dreißigsten Jahres abhängig. Sie sind in manchen Provinzen aus drei Ständen (für Pommern mit Rügen z.B. Ritterschaft, Städte, übrige Gutsbesitzer und Erbpächter und Bauern), in andern aus vier (z.B. wie die für Schlesien mit der Grafschaft Glatz und der preuß. Oberlausitz aus Fürsten und Standesherren, Ritterschaft, Städten, den übrigen Gutsbesitzern und Erbpächtern und Bauern) zusammengesetzt und versammeln sich auf Berufung des Königs, der auch die Dauer des Landtags bestimmt und für dieselbe aus dem ersten Stande den Vorsitzenden (Landtagsmarschall) und dessen Stellvertreter ernennt. Ihre Versammlungen sind nicht öffentlich, doch werden sowol die königl. Propositionen als auch die Vorstellungen, Bitten und Beschwerden, welche aber blos das Interesse der Provinz betreffen und nur in besondern Fällen eine Verwendung für Bedrückte enthalten dürfen, sowie die Antworten des Königs regelmäßig in Form der Landtagsabschiede veröffentlicht. Übrigens steht jede Provinzialständeversammlung völlig vereinzelt und es finden nicht einmal Mittheilungen zwischen ihr und den Gemeinden oder Kreisständen ihrer eignen Provinz statt. – Umfänglicher als vielleicht in irgend einem andern Staate wird in P. für die Bildungsmittel aller Classen der Nation gesorgt. Die Universitäten zu Berlin, Breslau, Königsberg, Halle (mit welcher 1817 die von Wittenberg vereinigt wurde), Greifswald, Bonn (1818 gestiftet), viele gut eingerichtete Gymnasien, die königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin und mehre gelehrte Vereine, sowie Bibliotheken und Sammlungen aller Art fördern zunächst die höhere Wissenschaftlichkeit, während die königl. Akademie der bildenden Künste und mechanischen Wissenschaften in Berlin, die Kunstakademie in Düsseldorf, Kunst- und Bauschulen in vielen großen Städten, zahlreiche Elementar-, Bürger-, Dorf-, Handwerks- und Sonntagsschulen, das bergwissenschaftliche Institut zu Halle, die ökonomische Lehranstalt zu Mögelin, Gärtnerlehranstalten zu Potsdam und zu Schöneberg bei Berlin, die Forstlehranstalt zu Neustadt-Eberswalde u.s.w. die Volksbildung im Allgemeinen, sowie im Besondern die eigentliche Kunst, die Vervollkommnung der Landwirthschaft, der Handwerke und aller Zweige der Betriebsamkeit befördern und dabei von zahlreichen Vereinen für ähnliche Zwecke unterstützt werden. In Bezug auf den Schutz des geistigen Eigenthums an literarischen Werken ist hier auch das 1837 erlassene Gesetz anzumerken, welches jedem Schriftsteller den gesetzlichen Schutz für seine Werke auf Lebenszeit und den Erben desselben noch 30 Jahre nach seinem Tode zusichert und auch über musikalische Compositionen, Kunstwerke u.s.w. Bestimmungen enthält.

Als Mitglied des deutschen Bundes hat P. die zweite Stelle im engern Rathe desselben und im Plenum vier Stimmen; zum Bundesheere stellt es das vierte, fünfte und sechste Armeecorps oder 79,234 M. mit 160 Kanonen und theilt mit Östreich das Besatzungsrecht in der Bundesfestung Mainz, sowie mit. dem König der Niederlande in der Bundesfestung Luxemburg. Im Einverständnisse mit Östreich nahm P. fortwährend ausgezeichneten Antheil an der Leitung der deutschen Angelegenheiten. Die Rheinschiffahrtsacte trat 1831 hauptsächlich durch P.'s Festigkeit ins Leben, das bis auf die neueste Zeit in der Entdeckung und Bestrafung von geheimen Verbindungen (s. Burschenschaft) und revolutionnairen Umtrieben ein strenges Beispiel gab. Auf seinen mit Östreich vereinigten Antrag wurden die Bundesbeschlüsse vom 28. Jun. 1832 wegen Maßregeln zur Aufrechthaltung gesetzlicher Ordnung und Ruhe in den Bundesstaaten gefaßt und als im nämlichen Jahre ein franz. Corps die Citadelle von Antwerpen für Belgien (s.d.) eroberte, stellte P. ein Beobachtungscorps an seinen dortigen Grenzen auf, wofür die Bundesversammlung dem Könige durch Beschluß vom 6. Dec. 1832 ihren einstimmigen Dank aussprach. Auch vertrat der preuß. Bevollmächtigte mit dem östr. den deutschen Bund bei den wegen Belgien und den Niederlanden in London gepflogenen Verhandlungen und unterzeichnete am 19. Apr. 1839 für den Bund den jene Angelegenheit beendigenden Vertrag. Wie an diesen wichtigen Verhandlungen der Großmächte über Angelegenheiten fremder Staaten, hat P. auch früher an den seit 1818 gehaltenen Congressen (s.d.) der europ. Hauptmächte wesentlichen Antheil genommen, 1829 aber vermittelte es vorzugsweise durch einen außerordentlichen Gesandten den Frieden von Adrianopel zwischen Rußland und der Pforte. Nachdem die franz. Julirevolution Europa erschüttert hatte, schloß P. sich noch enger als vorher an Rußland und Östreich, trug aber durch seine besonnene Haltung wesentlich zur Erhaltung des Friedens bei. Der im Nov. 1830 ausgebrochene Aufstand im Königreich Polen nöthigte P., zur Sicherstellung der Ruhe in seinen ehemals poln. Gebieten [569] eine ansehnliche Truppenmacht dort zu vereinigen, die auch zugleich zur Abwehr der Cholera dienen sollte, welche aber dennoch die preuß. Grenzen überschritt und seit 1831 mehre Jahre nacheinander einen großen Theil der preuß. Monarchie schwer heimsuchte. (S. Cholera.) Übrigens benutzte P. seine Verhältnisse zu auswärtigen Staaten auch vielfach zum Besten des Handels und namentlich wurden Handelsverträge mit Dänemark (1818), mit England (1824), Rußland (1825), Schweden und Norwegen (1827), mit den Hansestädten (1828), mit Brasilien und mit Holland 1839 zugleich im Namen des Zollvereins abgeschlossen.

Die zwei Haupttheile des preuß. Staats ohne das Fürstenthum Neuenburg (s.d.) und das von Sachsen-Koburg 1834 erworbene Fürstenthum Lichtenberg (s.d.), haben einen Flächenraum von 5062 ! M. und sind in acht Provinzen: Preußen, Posen, Brandenburg, Pommern, Sachsen, Schlesien, Westfalen und Rheinland abgetheilt. Die größere östl. Hälfte senkt sich von dem an ihrem Südrande sich erhebenden Glatzer-, Riesen- und Erzgebirge, dem Thüringerwald und Harz, zu den Küsten der Nordsee und des baltischen Meeres, dessen lange, niedrige Küstenstrecke der Versandung sehr ausgesetzt ist und zahlreiche Busen oder vielmehr Strandseen oder Hasse bildet. Neben den Hauptströmen Weichsel, Oder und Elbe mit ihren zahlreichen Nebenflüssen, tragen eine große Menge Landseen zur Bewässerung des Bodens bei, welcher östl. von der Elbe, einige ausgezeichnet fruchtbare Striche ausgenommen, vorherrschend sandig, übrigens reich an Waldung ist; die Gegenden westl. der Elbe gehören dagegen zu den fruchtbarsten in Deutschland. Die Westhälfte der Monarchie liegt zu beiden Seiten des Rheins, ist meist gebirgig und wird von mehren Ästen des Westerwaldes, Wesergebirges, Hundsrücks und der Eifel durchzogen und von vielen tief eingeschnittenen Thälern durchkreuzt; nur die nördl. Gegenden sind eben. Das Klima ist im Allgemeinen gemäßigt, blos an den Küsten der Ostsee kälter und feucht und natürlich auf den Gebirgen verhältnißmäßig rauh; danach vertheilt sich denn auch der Anbau und das Gedeihen der Garten- und Feldfrüchte. Wein wird am Rhein und in Thüringen, Getreide vorzüglich in Preußen, Posen und Sachsen auch zur ansehnlichen Ausfuhr gebaut; außerdem gedeihen fast alle in Deutschland gangbare Obstarten, Gemüse, Hülsen- und andere Feldfrüchte, Hanf, Lein, Cichorien-, Farbe- und Ölpflanzen, und an Holz ist großer Vorrath vorhanden. Die Viehzucht anlangend, so hat Ostpreußen die besten Pferde aufzuweisen und nimmt auch an der in Schlesien, Brandenburg und Sachsen eifrig betriebenen Zucht veredelter Schafe wichtigen Antheil, welche durch drei mittels span. Schafe veredelter Stammschäfereien zu Frankenfelde, Panten und Pewersberg unterstützt wird. Preußen, Posen und Schlesien haben das beste Rindvieh, in Westfalen wird ausgezeichnete Schweinezucht, in Pommern vorzüglich Gänsezucht betrieben. Die Bienenzucht in Westfalen und Brandenburg ist nicht unbeträchtlich, der Seidenbau nimmt neuerdings zu und die Fischerei liefert an den Küsten, größern Flüssen und zahlreichen Seen einen wesentlichen Ertrag. Unter den wilden Thieren kommen das Elen in einigen preuß. Wäldern, Wölfe in Preußen, Posen und am Rheine, Seehunde an den Küsten, außerdem die in Deutschland gewöhnlichen vor. Von Mineralien werden Eisen in Menge und Blei besonders in Schlesien und in den Rheingegenden, Silber und Kupfer in Sachsen und am Rhein, Zink, Arsenik, Schwefel in Schlesien, Bernstein in der Provinz Preußen, Kobalt in Westfalen, Steinkohlen in Schlesien, Westfalen und am Rhein, Braunkohlen in Sachsen, Torf in Brandenburg und Preußen, Marmor, Alabaster, Basalt, Mühlsteine, Porzellanerde bei Benstädt in Schlesien, gefunden; Kochsalz (mit welchem der Staat ausschließlich den Handel in Großen betreibt und dabei zugleich die Salzsteuer erhebt) liefern die Salzwerke bei Colberg in Pommern; zu Schönebeck, Stasfurt, Halle, Artern Dürrenberg, Kösen, Teuditz, Kötschau in der Provinz Sachsen; zu Königsborn, Salzkotten, Neusalzwerk in Westfalen und in den Rheingegenden im Überfluß. Zahlreiche Mineralwasser und Gesundbrunnen gibt es in Schlesien, in Westfalen und Rheinland. (S. Aachen.) Der Bergbau wird theils vom Staate, theils von Privatunternehmern betrieben und steht zunächst unter Beaufsichtigung der Oberberghauptmannschaft, welche wieder eine Abtheilung der Verwaltung für das gesammte Berg-, Hütten- und Salinenwesen beim Finanzministerium ist. Die Gegenden in der Nähe der Fundorte der vorzüglichern Mineralien sind auch die Hauptsitze ihrer Verarbeitung und die wichtigsten Eisenhütten, Eisengießereien, Eisen-, Stahl- und Kupferwaarenfabriken befinden sich daher in Schlesien, Sachsen, Westfalen und den Rheingegenden. Fast in alle Provinzen der Monarchie vertheilt sind die Glasfabriken, vorzügliche Steingut- und Fayencewaaren werden in Königsberg, Breslau, Berlin, Magdeburg, Bonn, Köln, Rheinsberg und andern Orten verfertigt. Übrigens verarbeitet der Kunstfleiß nicht blos die meisten Landeserzeugnisse, sondern veredelt auch mehr und weniger roh eingeführte Stoffe, wie z.B. die umfängliche Fabrikation von baumwollenen und seidenen Waaren, die Zuckersiedereien und Tabacksfabriken, welche letztere seit 1798 aufgehört haben, ein Regal zu sein. Sehr wichtige Industriezweige sind die Verfertigung leinener und wollener Waaren, die Leder- und Handschuh-, Papier-, Tapeten- und Branntweinfabrikation. Der Handel mit den einheimischen Natur- und Kunstproducten, welche zum Theil in großer Menge ausgeführt werden, wird durch die Lage an der Ostsee, die schiffbaren Ströme und die zwischen denselben durch schiffbare Nebenflüsse und Kanäle eingerichteten Wasserverbindungen, durch Kunststraßen und eine musterhafte Posteinrichtung begünstigt, wozu sich nach langem Zögern und Schwanken der Regierung nun auch Eisenbahnen gesellen werden (von Köln zur belg. Grenze, von Berlin nach Stettin, Magdeburg nach Leipzig und Berlin; die Bahn zwischen Berlin und Potsdam wird seit 1838 befahren). Die Einfuhr besteht hauptsächlich in Colonialwaaren, Wein, Baumwolle, Seide, Thee, Zinn, Hopfen, Farbewaaren, Salpeter, Vieh und Pelzwerk. Hauptmessen werden jährlich zu Frankfurt an der Oder, Breslau, Naumburg und Magdeburg gehalten, der Handel der östl. Provinzen hat aber gegen früher durch die den Verkehr mit Polen und Rußland beschränkenden Einrichtungen des letztern sehr gelitten. Den Verkehr befördernde Institute sind unter andern das Commerz- und Admiralitätscollegium zu Königsberg und Danzig, die königl. Bank zu Berlin mit Bankcomptoiren auf den größern Plätzen der Monarchie und die königl. Seehandlungsgesellschaft (mit 3000 Actien zu 500 Thlr.) in Berlin und mit einem Seehandlungscomptoir in Stettin, an [570] deren Verwaltung jedoch die Actienbesitzer keinen Antheil haben. Sie besorgt ausschließlich den Ankauf des fremden Salzes und die Geldgeschäfte des Staates, welche kaufmännischer Vermittelung bedürfen; außerdem ist der Aus- und Einfuhrhandel zur See mit eignen Schiffen ihr Hauptgeschäft, wozu in den letzten Jahren noch die Übernahme des Baues von Chausséen, Versuche zur Einrichtung der Flußdampfschiffahrt und die Theilnahme an Eisenbahnunternehmungen gekommen sind. – Die preuß. Landes- oder Handelsflagge zeigt einen weißen Streifen mit dem preuß. Adler, welcher zu beiden Seiten von schwarzen Streifen eingefaßt wird, die zusammen den dritten Theil der Flaggenbreite einnehmen. Von den in P. bestehenden Ritterorden und Ehrenzeichen wurde der schwarze Adlerorden 1701 von König Friedrich I., der rothe Adlerorden 1734 vom Markgrafen Friedrich Karl zu Baireuth gestiftet, allein 1792 zum zweiten Ritterorden des preuß. Regentenhauses erklärt und 1830 in vier Classen getheilt; Friedrich II. stiftete den Orden pour le mérite; der königl. preuß. Johanniterorden entstand 1812, später der blos für die Kriegszeit von 1813–15 gestiftete Orden des eisernen Kreuzes, wozu noch die allen Kriegern derselben Zeit verliehene Denkmünze aus Metall von eroberten Geschützen und eine zweite von Eisen für die nicht fechtenden Militairbeamten kam. Daran schließen sich noch das Dienstauszeichnungskreuz für Offiziere nach 25jährigem Dienst; die Dienstauszeichnungen für Unteroffiziere; das Militair- und das Allgemeine Ehrenzeichen, so wie der 1814 für die der Sache des Vaterlandes förderlich gewesenen Frauen gestiftete Luisenorden. Einkünfte und Ausgaben des preuß. Staats belaufen sich jährlich auf ungefähr 52 Mill. Thlr, von denen fast die Hälfte blos für das Militairwesen aufgewendet werden.

Den speciellern Verhältnissen der Provinzen Brandenburg, Pommern, Posen, Rheinland, Schlesien und Westfalen sind besondere Artikel in diesem Werke gewidmet und es bleiben daher hier blos die Provinzen Preußen und Sachsen zu betrachten übrig. Die Provinz Preußen, von Rußland, Polen, den Provinzen Posen, Brandenburg, Pommern und von der Ostsee umschlossen, zählt über 2 Mill. Einw., auf 1178 ! M. eines gänzlich ebenen, über 600 F. Meereshöhe (den Hasenberg bei Landsberg ausgenommen) nirgend ansteigenden Bodens, von dessen meist sandiger Beschaffenheit nur die östl. Gegenden und die Niederungen oder Brüche mit fettem Marschlande am Niemen oder Memel, am Pregel, welcher aus dem Zusammenflusse der Pissa, Ranit, Angerap und Inster entsteht, und an der untern Weichsel Ausnahmen machen, welche Ströme hier ins baltische Meer sich ergießen. An der Küste desselben ist das kurische Haff, welches von der kurischen Nehrung, wie das frische Haff von der frischen Nehrung umschlossen wird, und das kleinere und gegen das Meer offenere putziger oder Pautzker-Wiek anzumerken; unter den der Zahl nach über 400 berechneten Landseen sind der 12–14 M. im Umfang haltende Spirdingsee und der Drausensee die größten. Bedeutende Waldungen sind die johannisburger, die tucheische und die capornsche Haide, wo sich noch Elenthiere aufhalten; Wölfe sind an den poln. Grenzen nicht selten. Das Klima ist ziemlich rauh und scheint gegen frühere Jahrh. kälter geworden zu sein, da zur Zeit des deutschen Ordens hier viel Weinbau getrieben wurde, jetzt aber die Trauben selten am Spalier reisen, und man glaubt eine Ursache davon in der großen Verminderung der Wälder zu sehen, welche Schutz gegen die Nordwinde gewährten. Wichtigere Landesproducte und Erwerbszweige der Bewohner sind Getreide und Holz, die ausgeführt werden, ausgezeichnete Pferde, Bernstein, Pottasche und Theer, Viehzucht, Fischfang und Schiffahrt. Die Einwohner sind meist deutscher Abkunft, in den westl. Gegenden aber gibt es viele Polen, in den östl. zahlreiche Litthauer, daher dreierlei Sprachen geredet werden. Die katholische Kirche zählt im W., die protestantische im O. die meisten Bekenner, außerdem leben hier über 15,000 Mennoniten oder Taufgesinnte (s.d.). Die Provinz ist in die Regierungsbezirke Königsberg, Gumbinnen, Danzig und Marienwerder eingetheilt. Hauptstadt des erstern (480 ! M., 720,000 Einw.) ist Königsberg (s.d.); bei Pillau mit 4000 Einw., am Eingange ins frische Haff, werden die nach Königsberg gehenden großen Schiffe wegen des seichten Fahrwassers im Haff ausgeladen und die abgehenden befrachtet. Welau mit 3200 Einw., ist durch den daselbst 1657 mit Polen abgeschlossenen Vertrag über die Unabhängigkeit Preußens merkwürdig, nachdem ihm Schweden dieselbe 1656 in dem Vertrage von Labiau (einem Städtchen von 3000 Einw.), zuerst zugesichert hatte; bei dem Dorfe Großjägerndorf wurden 1757 die Preußen unter Lehwald von den Russen besiegt. Heiligenbeil an der Jarft hat 2500 Einw.; preuß. Eylau (s.d.) ist durch die Schlacht von 1807 berühmt, desgleichen Friedland an der Alle mit 2000 Einw., wo die Preußen und Russen am 14. Jun. 1807 von Napoleon besiegt wurden. Bartenstein hat 3500, Braunsberg 7200, Frauenburg 2000 Einw. und ist der Sitz des Domstifts Ermeland, bei dem der in der Domkirche begrabene Nikol. Kopernicus (s.d.) Domherr war. Heilsberg hat 3500 Einw. und ein Schloß des Bischofs von Ermeland; Rössel zählt 2500, Allenstein 3006, Ortelsburg 1800, Neidenburg 2500, Osterode 2400 Einw.; geschichtlich merkwürdig ist das Dorf Tannenberg durch die am 15. Jul. 1410 erlittene Niederlage des deutschen Ordens durch die Polen. Morungen mit 2400 Einw. ist der Geburtsort von Joh. Gottfr. v. Herder (s.d.); Gerdauen hat 2000, Rastenburg 4000 Einw. Die nördlichste Stadt P.'s, Memel, vor der Mündung der Dange ins kurische Haff in einer sehr öden Gegend, hat 8000 Einw., eine Citadelle, einen ansehnlichen Hafen, eine Navigationsschule und Schiffswerfte. – Der Regierungsbezirk Gumbinnen (298 ! M., 530,000 Einw.) ist von der Stadt Gumbinnen mit 6000 Einw. benannt, welche Sitz der Regierung ist und 1832 dem König Friedrich Wilhelm I., ihrem Begründer, eine eherne Statue errichtet hat; in der Nähe liegt das große Gestüt Trakehnen; Insterburg mit 7500 Einw. ist der Sitz eines Oberlandesgerichts; Darkehmen hat 2000, Oletzko 2300, Lyck 3300, Johannisburg 2000 Einw.; in der Gegend von Haidekrug mit 2000 Einw. werden häufig die unter dem Namen Haideschnucken bekannten kleinen schwarzen Schafe gehalten. Die Städte Nikolaicken, Lötzen und Sensburg haben jede 2000 Einw.; am Ausfluß der Angerap aus dem Angerburger- oder Mannersee liegt Angerburg mit 3000 Einw.; Ragnit hat 2500, Stallupönen 2800, Pillkallen 1600, Goldap 3500 Einw.; in dem vom [571] Handel mit Landeserzeugnissen und durch Gewerbfleiß wohlhabenden Tilsit mit 12,000 Einw. wurde im Jul. 1807 der Friede zwischen Frankreich, Preußen und Rußland geschlossen; unterhalb der Stadt und zwischen den beiden Armen der Memel, Gilge und Ruß genannt, liegt die überaus fruchtbare tilsiter Niederung mit 50,000 Bewohnern. – Im Regierungsbezirke Danzig (152 ! M., 330,000 Einw.) ist die Festung Danzig (s.d.), der Flecken Oliva mit 1100 Einw. und wegen des zwischen Polen und Schweden dort 1660 geschlossenen Frieden merkwürdig, Behrendt mit 1600, Stargard mit 3000 Einw. anzuführen; das ehemalige Cistercienserkloster Pelplin ist jetzt die Residenz des Bischofs von Kulm. Neustadt hat 1400, Putzig 2000 Einw.; am Ende einer danach benannten Halbinsel liegt Hela mit 450 Einw. und einem 70 F. hohen, für die Schiffahrt wichtigen Leuchtthurme auf dem 170 F. hohen vyhofter Berge. Elbing mit 22,000 Einw. am gleichnamigen Flusse, der durch den Krassuhlkanal mit der Nogat verbunden ist, gilt von je als Nebenbuhlerin von Danzig im Handel und in der Betriebsamkeit; die Umgegend ist sehr fruchtbar und hat den meisten Obstbau in dieser Provinz. Bei Tolkemit am frischen Haff werden jährlich ungemein viel Drosseln gefangen; als ehemalige Residenz der Hochmeister des deutschen Ordens vielfach merkwürdig ist Marienburg (s.d.). – Das wohlgebaute Marienwerder mit 5300 Einw., liegt eine halbe Meile von der Weichsel, über die beim nahen Dorfe Kurzebrak eine 2700 F. lange Schiffbrücke führt, und ist der Sitz der Regierung des marienwerderschen Regierungsbezirks (320 ! M., 460,000 Einw.), zu welchem unter andern die Städte Riesenburg mit 3000, Rosenberg mit 1500, Deutsch-Eylau mit 1500, Christburg mit 2300, Stuhm mit 1000, Neuenburg an der Weichsel mit 2400, Schwetz mit 2800, Kulm mit mehren Klöstern und 5300 Einw., Kulmsee mit 1000 Einw., welches der Sitz des Domcapitels von Kulm, Niezuchowo, wo die Residenz des Bischofs ist; Thorn am östl. Weichselufer mit 11,000 Einw. und einer hözernen Brücke, die Festung Graudenz am östl. Weichselufer mit 9000 Einw., Deutsch-Krone mit 2500, Märkisch-Friedland mit 2300, Flatow mit 2000, Schlochau mit 1600, Konitz an der Brahe mit 2700, Löbau mit 2000, Strasburg mit 3000 Einw. gehören.

Die Provinz Sachsen wird von den königl. hanov., königl. und herzogl. sächs. Landen, von Hessen, Anhalt, Braunschweig und der preuß. Provinz Brandenburg begrenzt, hat auf 4601/2 ! M. gegen 11/2 Mill. Einw., besteht aus dem ehemaligen Fürstenthum Halberstadt, dem Herzogthum Magdeburg, den vom Königreiche Sachsen 1815 abgetretenen Gebieten und der Grafschaft Mansfeld, der Altmark, dem Eichsfelde und Fürstenthum Erfurt. Die Bevölkerung zählt östl. von Saale und Elbe viele Wenden und bekennt sich fast durchgängig zur protestantischen Lehre. Der östl. Theil der Provinz hat vorherrschend sandigen Boden und ist eben, wie die nördl. Gegenden derselben, am linken Elbufer ist dagegen der Boden desto fruchtbarer und einzelne Striche, wie die magdeburger Börde, die fette Wische, die goldene Aue (s.d.), das Thal der Unstrut, sind deshalb berühmt. Im W. und Südw. erhebt sich ein Berg- und Hügelland, welches an das Erzgebirge, den Thüringerwald und den Harz sich anschließt, dessen höchster Punkt, der Brocken, zur Provinz Sachsen gehört. Auch das über 1000 F. hoch gelegene, rauhe und arme Eichsfelg mit dem hohen Dühn breitet sich hier aus, der nördl. zum Harz, südl. zum Hainich sich hinzieht. Die Unstrut, Saale, Mulde und zum Elbe sind die wichtigsten Flüsse, welche diese Provinz bewässern und die letztere ist durch den 41/2 M. langen plauenschen Kanal (von Parey an der Elbe an) mit der Havel bei Plauen verbunden und die Schiffahrt zwischen Magdeburg und Berlin dadurch abgekürzt. Ein reicher Ertrag der vorzüglichsten Feldfrüchte, einträglicher Weinbau, ausgedehnte Waldungen, wichtige Kupfer-, Blei-, Silber-, Eisen-, Steinkohlen-, Braunkohlen- und überaus reiche Salzwerke, mancherlei wichtige Gewerbszweige, machen diese Provinz zu einer der gesegnetsten des ganzen Staates. Sie wird in die Regierungsbezirke Magdeburg, Merseburg und Erfurt eingetheilt, deren erster (210 ! M. mit ungefähr 600,000 Einw.) seinen Namen von der Festung Magdeburg (s.d.) hat, welche Sitz des Oberpräsidenten der Provinz und der Bezirksregierung ist. Als Kreisstädte sind anzuführen Kalbe an der Saale mit 4300, Wanzleben mit 3000, Neuhaldensleben mit 4000, Burg an der Ihle mit 11,000, Genthin mit 2000, Halberstadt an der Holzemme mit 17,000 Einw., einem Oberlandesgericht, guten Schulen und einer schönen Domkirche; Quedlinburg an der Bode mit 12,500 Einw., welche viel Branntweinbrennerei betreiben, liegt schon in den Vorbergen des Harzes, ist Klopstock's Geburtsort, zu dessen Gedächtniß 1824 in dem benachbarten Lustwalde, der Brühl, sein marmornes Brustbild aufgestellt wurde, und hat ein Schloß, das auf einem Felsen liegt und Residenz der ehemaligen Äbtissinnen des hier zwischen 932–36 von König Heinrich I. errichteten, fürstl. (1802 aufgehobenen) Damenstifts war, in dessen von Heinrich I. ebenfalls erbauter Stiftskirche dieser mit seiner Gemahlin Mathilde begraben liegt. Oschersleben an der Bode hat 3200, Stendal an der Ucht, ehemalige Hauptstadt der Altmark und Winckelmann's Geburtsort, zählt 6000, Salzwedel an der schiffbaren Jetze mit mehren sehr alten Kirchen 7000, Osterburg 1900, Gardelegen 5300 Einw. In einem schönen Thale liegt die Kreisstadt Wernigerode mit 5000 Einw., welche die nebenstehende Ansicht darstellt und die mit der gleichnamigen Grafschaft, deren Gebiet (41/3 ! M. mit 16,000 Einw., welche der Bergbau auf Eisen und dessen Verarbeitung zum Theil beschäftigt), einen Kreis bildet, dem Grafen von Stolberg-Wernigerode unter preuß. Hoheit gehört. Über der Stadt liegt auf einem 827 F. hohen Berge das gräfl. Residenzschloß mit vorzüglichen Gartenanlagen, einer 3856 F. langen Wasserleitung und einer Bibliothek von 30,000 Bänden, die eine besonders reiche Sammlung von Bibeln und Leichenpredigten enthält. Der im Gebiete der Grafschaft gelegene Brocken (s.d.) wird von hier aus in 6 St. bestiegen. Andere bemerkenswerthe Orte dieses Regierungsbezirks sind: Barby an der Elbe mit 3000 Einw.; die an und nahe bei der Elbe, 2 St. südöstl. von Magdeburg gelegenen und durch Colonistenanlagen verbundenen Städte Schönebeck, Frohse und Groß-Salza mit 10,000 Einw., dem größten Salzwerke P.'s, das jährlich über 500,000 Ctr. liefert, einer chemischen Fabrik und dem 1822 bei Elmen angelegten Soolbade; im benachbarten Gnadau ist eine Herrnhutercolonie und in Stasfurt an der Bode ebenfalls eine Saline. Althaldensleben ist durch die von Nathusius (s.d.) gegründeten Unternehmungen wichtig; bei Möckern an der Ehle (1200 Einw.) [572] bestand der preuß. General York 1813 am 5. Apr. ein siegreiches Gefecht gegen die von Magdeburg ausgerückten Truppen des Vicekönigs von Italien; Osterwiek an der Ilse hat 3500 Einw.; die Bewohner des Dorfes Ströbeck oder Ströpke mit 600 Einw. sind als geschickte Schachspieler bekannt; Aschersleben an der Eine und Wipper hat 9000 Einw.; Tangermünde an der Mündung der Tanger in die Elbe mit 3700 Einw., war einst Residenz der ersten hohenzollerschen Fürsten in dieser Gegend. Arendsee mit 1500 Einw. liegt an einem fischreichen See, welcher selten zufriert und zuweilen Bernstein und versteinerte Körper auswirft. – Der Regierungsbezirk Merseburg (1883/4 ! M. mit mehr als 600,000 Einw.) wird nach der alten Stadt Merseburg an der Saale benannt, welche 9000 Einw. hat und der Sitz der Bezirks- und Provinzialregierung ist; sie hat einen berühmten Dom mit vier Thürmen, in welchem unter Anderm die gedörrte Hand von Rudolf von Schwaben gezeigt wird, die er als Gegenkaiser von Heinrich IV. am 15. Oct. 1080 im Treffen bei dem benachbarten Mölsen einbüßte, darauf am folgenden Tage in Merseburg starb und im Dome begraben wurde; das im I. 965 von Kaiser Otto I. hier gegründete Hochstift wurde erst 1815 aufgehoben. Kreisstädte sind: Halle (s.d.) an der Saale; Naumburg (s.d.) am Einfluß der Unstrut in die Saale; Mansfeld oder Thal-Mansfeld mit 1300 Einw. und einem meist abgetragenen alten Schlosse auf dem benachbarten Schloßberge; Eisleben mit 7000 Einw., welche zum Theil von den benachbarten Kupferbergwerken leben, der Geburtsort Mart. Luther's (s.d.), zu dessen Gedächtniß in seinem Geburtshause seit dem 31. Oct. 1693 eine Armenschule besteht, welche 1807 vom König Friedrich Wilhelm III. durch Ankauf eines Nachbarhauses erweitert und durch eine hinreichende [573] Stiftung von Einkünften gesichert worden ist; das durch die Reformation weltgeschichtlich merkwürdige Wittenberg (s.d.); Bitterfeld mit 2600 Einw.; Delitzsch mit 3600, die Festung Torgau an der Elbe, über welche eine neue massive Brücke führt, mit 7000 Einw.; Liebenwerda an der schwarzen Elster mit 1500 Einw.; Herzberg mit 2300, Zeitz an der weißen Elster mit 7700 Einw., wichtigen Schulanstalten, einem Kranken-, Zucht- und Irrenhause; Weißenfels an der Saale mit 6000 Einw.; Kölleda mit 2000 Einw.; Querfurt mit 3000, Sangerhausen mit 4600 Einw., welche der Bergbau zum Theil beschäftigt. Zum fangerhäuser Kreise gehören auch die Besitzungen der Grafen von Stolberg-Stolberg (die Stadt Stolberg und sechs Dörfer, 2 ! M. mit 5600 Einw.) und von Stolberg-Roßla (16 Dörfer, 3 ! M. und gegen 8000 Einw.), die zu Roßla mit 1200 Einw. in der goldenen Aue residiren. Zu den merkwürdigen Orten des merseburger Regierungsbezirks gehören ferner: das Dorf Giebichenstein bei Halle mit den Trümmern des gleichnamigen Bergschlosses, welches in sehr früher Zeit erbaut, durch die Sage vom Landgrafen Ludwig dem Springer bekannt ist, der dort zu Ende des 11. Jahrh. gefangen saß und sich durch einen Sprung aus dem Burgfenster in die Saale befreit haben soll; im 12.–15. Jahrh. war es oft Residenz der magdeburger Erzbischöfe und wurde 1636 von den Schweden zerstört. Die Stadt Wettin mit 3000 Einw. an der Saale, mit einem alten Schlosse, ist als Stammsitz der Vorfahren des sächs. Regentenhauses anzumerken; in der Nähe erhebt sich einsam der 1080 F. hohe Petersberg mit schönen Ruinen eines ehemaligen Klosters; am Fuße desselben, bei Löbejün, werden Steinkohlen und in der ganzen Gegend viele Braunkohlen gefunden. Bei Naumburg liegt die Saline Kösen mit besuchten Soolbädern, und die Schulpforta (s. Fürstenschulen); in der Nähe von Hettstädt mit 3200 Einw., an der Wipper, sind ansehnliche Kupferhütten, auch wird dort und auf den königl. Werken in Leimbach Silber gewonnen. Von Wittenberg südl. liegt am linken Elbufer das Dorf Wartenburg, bei dem am 3. Oct. 1813 Blücher und York den franz. General Bertrand besiegten und den Elbübergang bewirkten und wovon der General York den Beinamen von Wartenburg erhielt. In der Nähe von Düben mit 2500 Einw. an der Mulde liegt die große dübensche Haide; das von der Mulde rings umflossene Eilenburg hat 5000 Einw.; oberhalb Torgau an der Elbe liegt Mühlberg mit 2600 Einw., bekannt durch die Schlacht zwischen Kaiser Karl X. und dem Kurfürsten Johann Friedrich dem Großmüthigen von Sachsen im J. 1547, welcher darauf in der nahen lochauer Haide gefangen genommen wurde. Der sonst Lochau genannte Flecken heißt jetzt Annaburg, hat 1600 Einw. und im dasigen Schlosse ein Soldatenknabeninstitut. Keuschberg bei Merseburg ist durch den Sieg Kaiser Heinrich I. über die Ungarn im I. 934, Lützen (s.d.) durch zwei große Schlachten von 1632 und 1813, Altranstädt durch den Friedensschluß von 1706 zwischen Karl XII. von Schweden und August II. von Polen und Sachsen, das Dorf Roßbach durch Friedrich II. Sieg von 1757 über die Franzosen denkwürdig. Der Badeort Lauchstädt hat 1800 Einw.; Salzwerke befinden sich in Dürrenberg, Teuditz und Kötschau; Bibra mit 1000 Einw. hat einen Gesundbrunnen; bei Auerstädt erinnert ein Denkmal für den dort tödtlich verwundeten Herzog Ferdinand von Braunschweig an die Schlacht vom 14. Oct. 1806 (s. Jena); Memleben, wo sonst ein Benedictinerkloster war, ist Kaiser Heinrich I. und Otto des Großen Sterbeort; in Donndorf mit 730 Einw. befindet sich eine noch von einem ehemaligen Kloster herrührende, vorbereitende, und im benachbarten Kloster-Roßleben eine wichtige gelehrte Schule; Freiburg an der Unstrut hat 2000 Einw.; Burgscheidungen war Residenz der alten Könige von Thüringen; Artern hat 2000 Einw. und ein Salzwerk; Tilleda am Kyffhäuser (s.d.) hat 1000 Einw.; Schloß Goseck war der Sitz der ehemaligen sächs. Pfalzgrafen. – Der Bezirk der Regierung zu Erfurt hat auf 613/4 ! M. ungefähr 290,000 Einw. und die Kreisstädte: Erfurt (s.d.); die ehemalige freie Reichsstadt Nordhausen mit 11,000 Einw., am südl. Fuße des Harzes, einem katholischen Stift vom h. Kreuz, zahlreichen Branntweinbrennereien, wichtigem Vieh- und Getreidehandel; Heiligenstadt mit 3800, die ehemalige freie Reichsstadt Mühlhausen (s.d.) mit 10,000 Einw.; Worbis hat 1500, das gewerbfleißige Langensalza 6600, Weißensee 2000 Einw. Ganz abgesondert sind der ziegenrücker Kreis mit den Städten Ziegenrück mit 6000 und Rahnis mit 7000 Einw., sowie am südl. Abhange des Thüringerwaldes der Kreis Schleusingen mit der gleichnamigen Stadt, die 6800, Suhl 6500 Einw. zählt, welche mit der Bevölkerung der Umgegend die Producte der nahen Eisen- und Kupfergruben verarbeiten. Andere bemerkenswerthe Orte sind: Ellrich mit 3000 Einw., an der Zorge, von dem eine Stunde entfernt eine berühmte Alabastergrotte sich befindet, welche 288 F. lang, 256 F. breit, 156 F. hoch ist, einen 150 F. hohen Eingang hat und Kelle heißt. Treffurt an der Werra hat 1900, Sömmerda an der Unstrut 2000 Einw. Als Enclave, von reußischen Besitzungen umgeben, gehört noch die Stadt Gesell mit 1000 Einw. zum ziegenrücker Kreise.

Preussen
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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 561-574.
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